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Adrianne Pieczonka. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
WIEN / Staatsoper: ARIADNE AUF NAXOS von Richard Strauss
- Aufführung in dieser Inszenierung 8.10.2019
Auf der Bühne starke Gefühle – im Orchestergraben unterkühlte Stimmung
Von Manfred A. Schmid
In einer Opernkritik die Sprechrolle an den Anfang zu setzen, mag verwundern. Peter Matic aber hat der Figur des Haushofmeisters ein so unverwechselbares Profil verliehen, dass man einfach nicht umhinkommt, darauf einzugehen.
Im elegant-schrägen Jugendstil-Palast des eigenwilligen Kunstmäzens, der eine Oper und eine Harlekinade gleichzeitig aufgeführt haben will, schaltet und waltet nun – berichtet wird von der zweiten Vorstellung der derzeit laufenden Aufführungsserie – Hans Peter Kammerer als Sprachrohr seines Herrn. Der Herr Kammersänger als Chef aller Kammerdiener tat gut daran, seine Rolle völlig neu anzulegen. Während der Haushofmeister des unvergessenen Burgschauspielers Peter Matic von oben herab die unbequemen Bedingungen trocken und emotionslos diktierte und in seiner arroganten, unendliche Gelassenheit ausstrahlenden Pose nur einen Anflug von Zynismus durchscheinen ließ, ist Kammerer die unverhohlen zur Schau gestellte (Schaden-)Freude angesichts der wachsenden Verwirrung der Künstlerschar, auch wenn er sich um unnahbare Autorität bemüht, schon vom Gesicht abzulesen. Da lacht sich einer insgeheim ins Fäustchen und ist gespannt darauf, wie man mit den schier unerfüllbaren Auflagen umgehen wird. Doch da hat sich einer zu früh gefreut. Denn man wird, nach anfänglichen Protesten und Irritationen; die Herausforderungen letztlich grandios meistern. Wie das der Librettist Hugo von Hofmannsthal und sein kongenialer Komponist in ihrem „Zwei Opern in einer Oper“-Projekt auflösen, ist einzigartig. Aber auch Sven-Eric Bechtolfs fein durchdachte Regie trägt dazu bei, dieses veritable Wunder auf der Bühne plausibel zu machen, indem er den Komponisten und den Tanzlehrer auch in dem auf das Vorspiel folgenden Akt einsetzt. Natürlich spielt in diesem Prozess der Annäherung auch die allmählich sich entfachende und erwiderte erotische Zuneigung des Komponisten zur Sängerin/Tänzerin Zerbinetta aus der Gauklergruppe eine nicht zu unterschätzende Rolle. Aber auch dabei, dies zu verdeutlichen, ist die Regie Bechtolfs wesentlich beteiligt. Überhaupt dreht sich hier alles um Liebe und erotische Annäherung: Sogar der Haushofmeister Kammerer zeigt gegenüber Zerbinetta Gefühle. Letztlich ist das, was hier auf der Bühne so abenteuerlich passiert, doch nur eine bis zum Äußersten getriebene Konsequenz der ewig geltenden Theatermaxime: The show must go on.
Kate Lindsey ist ein starker, emotionsgeladener Komponist, der, auf die Vorherrschaft der E-Musik beharrend, sein Auftragswerk voll Leidenschaft verteidigt, letztendlich aber nachgibt und versöhnt wirkt. Lindsey, die schon anlässlich der Festvorstellung 2014 zum 150. Geburtstag von Richard Strauss in Wien dabei war, setzt ihren auffallend hellen, angenehm timbrierten Mezzosopran effektvoll ein und wirkt in ihrer Hosenrolle auch darstellerisch erfreulich engagiert. Unterstützung erhält sie von ihrem Mentor, dem Musiklehrer. Jochen Schmeckenbechers ist mit seinem energischen Bariton um Kalmierung im Hin und Her der Gefühle bemüht.
Die Truppe der Komödianten wird vom Tanzlehrer angeführt. Thomas Ebenstein stattet ihn mit allen schwulen Klischees aus. Da auch seine Mitstreiter – Harlekin, Scaramuccio, Truffaldin und Brighella – aus der Tradition der commedia dell‘ arte kommen – geht diese buffoneske Überzeichnung durchaus in Ordnung und sorgt für Heiterkeit. Darstellerisch haben sie viel zu tun und radeln mit Tretrollern übermütig und mit sichtlicher Lust umher. Gesanglich sind die Spaßmacher aber nicht gerade heterogen zusammengestellt. Positiv fallen Peter Kellner (Truffaldin) und Samuel Hasselhorn (Harlekin) auf. Dass alle vier pauschal beim Schlussapplaus mit, wenn auch spärlichen Buhrufen begrüßt werden, scheint etwas überzogen. Die weibliche Attraktion in ihrer Mitte ist freilich die quirlige, sich köstlich in Szene setzende Zerbinetta. Gesanglich nimmt sich Hila Fahimas zwitschernder Sopran allerdings etwas zu soubrettenhaft aus. Den tadellos intonierten Koloraturläufen fehlt es da und dort an Glanz und Nachhaltigkeit.
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Svetlina Stoyanova, Ileana Tonca, Adranne Pieczonka und Maria Nazarowa. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Fehlen noch die Hauptakteure des Abends. Adrianne Pieczonka ist eine fabelhafte Primadonna/Ariadne. Elegisch nuancenreich und expressiv besingt sie, von mitfühlender Obsorge ihrer Gefährtinnen bedacht (exzellent aufeinander abgestimmt Maria Nazarova, Svetlina Stoyanova und Ileana Tonca) ihr tragisches Geschick, bis sie von Bacchus in das Leben zurückgeholt wird und umfangen von Liebeschwüren wieder Mut fasst. Stephen Gould muss als Bacchus seinen bewährten Heldentenor in die Höhe schrauben, was ihm immer noch bewundernswert – und ohne zum Forcieren gezwungen zu sein – gelingt. Eine imposante Gestaltung.
Michael Boder, ob seines unermüdlichen Einsatzes für zeitgenössisches Musikdrama hochgeschätzt, bringt als musikalischer Leiter des Abends einen ziemlich trocken klingenden, wenn auch perfekt koordinierten Strauss zu Gehör. Das Orchester der Wiener Staatsoper, seit über 100 Jahren gewissermaßen geeicht auf den Großmeister aus Garmisch, kann das weit farbenprächtiger und berauschender. Mag sein, dass es der etwas unterkühlten Stimmung mit anzulasten ist, dass der Applaus zwar herzlich, aber doch nur von ziemlich kurzer Dauer ist und Rahmen der üblichen fünf Minuten bei Repertoirevorstellungen nicht überschreitet.
Manfred A. Schmid