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WIEN/ Staatsoper: MADAME BUTTERFLY

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WIEN/ Staatsoper: MADAMA BUTTERFLY am 16.10.2019

»Pst, Kind! Horch doch: der ›Summ-Chor‹!«, sagte Oma immer, wenn der Ansager im Radio-Wunschkonzert dieses Stück ankündigte. (»Horch« sagte sie, nicht »hör«, ungeteilte Aufmerksamkeit fordernd.) Sie ließ das Handarbeitszeug in den Schoß sinken, schloß die Augen und lauschte. Und ihre Gesichtszüge wurden weich…

»Madama Butterfly«: Paolo Rumetz als Sharpless, Konsul der Vereinigten Staaten in Nagasaki © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn
Paolo Rumetz. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 

http://www.dermerker.com/index.cfm?objectid=2881D210-EF66-11E9-AA07005056A64872

 

Thomas Prochazka (www.dermerker.com)


ZÜRICH: DER FREISCHÜTZ. Wiederaufnahme .

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Zürich: DER FREISCHÜTZ  – Wiederaufnahme – besuchte Aufführung: 16.10.2019 

„Dämonie als Rückseite der Komik“   

Die äusserst witzige und teilweise auch recht doppelbödige Inszenierung von Herbert Fritsch stammt aus dem Jahr 2016 und hat sich gut gehalten. In einer Serie von fünf Aufführungen ist sie neu besetzt wieder aufgenommen worden. Die prachtvollen Kostüme von Victoria Behr passen wunderbar in das Bühnenbild, das in Komplementärfarben immer neue Anreize für das Auge bietet. Die Figuren werden teils in Gesten des Opernklischees geführt, andererseits werden sie psychologisch – wenn auch übertrieben – gedeutet als Menschen, die Angst haben vor dem Dämonischen. Man macht sich zwar lustig über den Teufel, hat aber doch Angst vor ihm. Dieser tritt als Samiel leibhaftig auf und ist das ganze Stück hindurch präsent. Florian Anderer spielt ihn höchst behende, klettert Wände hoch, tänzelt zwischen den verängstigten Personen hindurch, rennt hyperaktiv mit der Nase gegen die Wand und verheddert sich mit seinem Teufelsschwanz. Er ist bei aller Komik eben auch dämonisch. Gerade diese Doppelbödigkeit ist es, die dieser Inszenierung ihren Theaterzauber verleiht. Der unglaublich starken Musik Carl Maria von Webers tut das überhaupt keinen Abbruch. Im Gegenteil, sie unterstützt sie ganz besonders, verleiht ihr mehr Tiefe und Wirkung, als man es in einer „konventionellen“ Aufführung vielleicht erwartet hätte.

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Foto: Hans Jörg Michel

Neu besetzt und auch sehr gut getroffen in seiner Unsicherheit als Max war Benjamin Bruns, der mit einem zwischen lyrischem und Charakter-Tenor angesiedelten Stimmtimbre auch die verinnerlichten Passagen ebenso abdecken konnte wie die Stretta seiner grossen Arie und die Ensembles, so das Terzett mit den beiden Sopranen und die Wolfsschlucht mit Kaspar.  Dieser war wiederum der fabelhafte Christof Fischesser, der ganz hervorragend den präpotenten Jägerburschen spielt, der aber, zitternd vor Angst, vor Samiel einknickt. Gesungen haben beide vorzüglich und das haben auch die beiden Damen des Abends. Jacquelyn Wagner war der Ruf als hervorragende Eva bei den Salzburger Festspielen vorausgeeilt und sie konnte die Erwartungen voll erfüllen, Die Sängerin verfügt über eine lyrisch timbrierte Stimme, die schlank durch die elegant verblendeten Register geführt und von einer leuchtenden Höhe gekrönt wird. Zudem passt sie sich sehr gut in diese Inszenierung ein und kann auch in ihren beiden Arien rein mit stimmlichen Mitteln den Zauber der Weberschen Kantilene vermitteln. Zudem sieht sie im Brautkleid der Kaiserin Sissi nicht unähnlich! Als Ännchen war mal wieder eine echte deutsche lyrische Soubrette mit guter Textverständlichkeit, angenehmer Mittellage und sicherer Höhe verpflichtet worden: Lydia Teuscher spielt sie ebenso chamant wie recht pfiffig und sogar ein wenig verschlagen. In weiteren Partien überzeugten Yannick Debus als ausgezeichneter Kilian in seinem Spottlied auf Max, Ildo Song als bass-strömender Eremit, prägnant Michael Hauenstein als Kuno und Oliver Widmer in guter Verfassung als Fürst Ottakar in rätselhafter Verkleidung. Witzig auch die vier Brautjungfern, die beiden Jäger, die zum Erstaunen des Publkums plötzlich „baseldytsch“ sprachen, die fabelhaften Luftakrobatinnen und weiteren Mitwirkenden in der Wolfsschlucht. Der Chor in den köstlichen Kostümen /(nochmals Victoria Behr) sang und spielte engagiert (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) und die Philharmonia brachte unter der Stabführung des hervorragenden Dirigenten Axel Kober die Weberschen Farben heraus und entwickelte so manche Magie dieses wunderbaren Freischütz-Abends.

John H. Mueller   

 

WIEN/ Theater an der Wien: LA CLEMENZA DI TITO. Premiere

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Copyright: Werner Kmetitsch

WIEN/ Theater a.d.Wien   „LA CLEMENZA DI TITO . Premiere am 17.10.2019“

Wer ein opulentes Werk über das Leben am römischen Kaiserhof erwartete, wurde enttäuscht. Die hohen Kosten für eine große Ausstattung sind in diesem Haus ein unüberwindliches Hindernis. Also muss man mit wenigen Versatzstücken das Auslangen finden. Ausstatter Alex Lowde stellte einen dreiseitigen Kreuzgang – der sich oftmals drehte – auf die Bühne, bestehend aus beleuchtbaren Rechtecken. In diesen findet die recht unübersichtliche Handlung statt. Ständig wird gegen den Kaiser intrigiert, alle Attentatsversuche scheitern, am Ende wird allen verziehen.

Die Inszenierung von Sam Brown bietet wenig Erhellendes, die Auftritte der Protagonisten verläuft aber pannenfrei. Damit muss wieder die Musik herhalten, um einen gelungenen Abend zu sichern. Der sehr bewährte Concentus Musicus hat seinen Mozart im kleinen Finger. Unter der sicheren Leitung von Stefan Gottfried spielte das Orchester mit großer Routine das vielfach unterschätzte Werk. Bewährt wie immer sang der Arnold Schönberg – Chor unter Erwin Ortner (in nicht sehr kleidsamen Kostümen – das galt aber mit Ausnahme der Vitellia für alle).

Von den Solisten wäre an der Spitze der Countertenor David Hansen in der Rolle des Sesto zu nennen. Mit Bravour meisterte er die zum Teil mörderisch schweren Passagen. Ihm am nächsten kam Nicole Chevalier als Vitellia. Mit viel Temperament, tolle Höhe und unwahrscheinlich sicher in den teilweise sehr tiefen Lagen war sie ein markanter Mittelpunkt des Geschehens. Mari Eriksmoen sang die Servilia mit viel Gefühl, allerdings fehlte ihr doch einiges an Ausstrahlung. Jeremy Ovenden war als Titus bemüht, seiner Rolle als Herrscher Profil zu geben, allerdings erzielte sein an sich lyrischer Tenor trotz großer Anstrengung nicht die notwendige Wirkung, es fehlte die Bühnenpräsenz und die Autorität, die für einen Herrscher erforderlich ist. Wenig gelungen war die Besetzung der kleineren Rollen, vor allem Jonathan Lemalu als Publio blieb stimmlich nicht in bester Erinnerung.

Das Premierenpublikum spendete viel Applaus, die wenigen Buhs für das Leading Team fielen da kaum ins Gewicht.     

Johannes Marksteiner

WIEN / Theater an der Wien: LA CLEMENZA DI TITO

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WIEN / Theater an der Wien:
LA CLEMENZA DI TITO von W.A. Mozart
Premiere: 17. Oktober 2019  

Niemand hat je behauptet, dass der Umgang mit Mozarts „La clemenza di Tito“ einfach sei. Aus doppeltem Grund. Musikalisch war der Künstler, der mit Da Ponte zu einer völlig neuen Musiksprache gefunden hat (und dem gleichzeitig die „Zauberflöte“ durch den Kopf ging), zwecks einer imperialen Krönung vage zur Barockoper zurückgekehrt, was ihm nichts nützte: „Una porcheria tedesca“ nannte Kaiserin Maria Ludovica das Werk. Sie sieht so harmlos und blaß aus auf ihrem Gemälde im Kunsthistorischen Museum, hat sich aber damit die Abneigung aller Musikfreunde aller Zeiten zugezogen…

Und da war noch das Libretto – ein alter Metastasio, und so hoch man den Herren auch schätzen mochte, dessen Werke von vielen Komponisten immer und immer wieder vertont wurden, es ist doch das, was Mozart gewiß nicht lag: ein Römerdrama. Also genau das, was kein Regisseur unserer Tage auch nur mit der Feuerzange anfassen würde.

Auch der Brite Sam Brown nicht, der sich in der hauseigenen Theater an der Wien-Zeitung allerdings überschlägt vor Begeisterung, die tollste Musik, das tollste Libretto, außerdem sei er noch seit seiner Oxford-Zeit Spezialist für die römische Kaiserzeit. Er müsste bloß nicht, denn sie kommt nicht einmal andeutungsweise vor.


Alle Fotos: © Werner Kmetitsch

Nun könnte man Mord an einem Herrscher (aus welchen Gründen auch immer) durchaus gegenwärtig sehen, aber das absolut Einzige, was an diesem Abend an Heute erinnert, ist eine Guantanamo-Gefängniskluft für den nach dem Attentat festgenommenen Sesto. Der Rest? Ein abstrakter Raum, der gar nichts bedeutet, ein Wandelgang auf einer Drehbühne (oft in Bewegung), der von Leuchtstoffröhren begrenzt wird, durch Lichteffekte ein wenig, aber nicht sehr wandelbar ist und für den Zuschauer auf jeden Fall unangenehm, weil Gegenlicht das Geschehen auf der Bühne immer verschwimmen lässt.

Falls es dieses Geschehen gäbe. Aber in einer Dekoration, die nichts bedeutet, kann man schwerlich etwas inszenieren, da schiebt man nur die Sänger herum. Alle sind seltsam-undefinierbar gekleidet, vor allem die Männer in bedeutungslose Phantasiekostüme (Ausstattung: Alex Lowde) – ja, und die gelegentlichen Videoprojektionen (Tabea Rothfuchs) schaffen es, dass man gar nichts mit ihnen anfangen kann. Der Chor (der Arnold Schoenberg Chor, der so viel mehr kann, wie man weiß, muss diesmal nur herumstehen) ist Träger einer seltsamen, auch kaum nachvollziehbaren Regieidee: Gegen Ende sind die Damen schwanger. Achtung, die Herren, auch wenn es Kunstbäuche sind, auf die Sie ihre Hände legen, man könnte es ihnen als sexuelle Belästigung auslegen!

Was fängt man mit einem solchen Abend an, der auf einer Drehbühne nichts erzählt? Man verlässt sich auf die Sänger, setzt darauf, dass sie ohne Ablenkung vielleicht noch stärker wirken als sonst. Wenn schon keine „Clemenza di Tito“ als Stück herauskommt, vielleicht ein Sängerfest? Doch auch das nur bedingt, begleitet von einem Abend, der musikalisch durchaus den sperrigen Geist von Harnoncourt beschwört, mit dessen  Concentus Musicus Wien unter dem erwählten Nachfolger Stefan Gottfried. Sie sind natürlich so am Werk, wie es der verstorbene Großmeister vorgegeben hat und was heute bei vielen Musikfreunden noch immer tiefe Ehrfurcht erzeugt.


David Hansen, Jeremy Ovenden 

Die Sänger also. Hier gibt es also die konzeptionelle Neuigkeit, dass Männer wieder Männer sind: Sesto und Annio, bewährte Hosenrollen für Mezzosopranistinnen, werden hier mit Countertenören besetzt (bei der Uraufführung in Prag war der Interpret des Sesto ein Soprankastrat, Annio wurde von einer Sängerin verkörpert). Das ergibt für ein Publikum, das hier in der gegenwärtigen Operntradition weiche, schöne Frauenstimmen gewöhnt ist (Sesto war immerhin zuletzt eine Glanzrolle der Garanca, auch der DiDonato), durchaus ein neues Klangerlebnis. Zumal der australische Countertenor David Hansen nichts schuldig bleibt, um die Dramatik der Zentralfigur Sesto (potentieller Mörder wider Willen, zerrissen von seinem schlechten Gewissen, eine Achterbahnfahrt der Gefühle) in allen Nuancen zum Ausdruck zu bringen. Das geht in Wahnsinnshöhen mit im vollsten Wortsinn schmerzender Intensität, ist aber wirklich ein ungewöhnlicher Parforceakt. Da hört man niedergewalzt und dennoch bewundernd zu.  

Annio ist die kleinere, lyrischere Rolle, und Kangmin Justin Kim singt sie mit leicht gehaltener, heller Stimme wunderschön, lässt nur an einigen dramatischen Ausbrüchen in seiner zweiten Arie ahnen, dass er den Sesto auch singen kann (und es anderswo schon getan hat).

Titelheld Titus, der im ersten Teil so wenig zu tun hat und erst gegen Ende der Oper zu sängerischen Seelenschmerzen auffahren darf, lag Jeremy Ovenden optimal in der Kehle, ein weicher, warmer, starker, schöner Tenor. Hingegen muss man sagen, dass der Baß von Jonathan Lemalu vor allem rau und holprig klingt.

Die liebliche der beiden Damen hat nicht viel zu tun, aber wo sie darf, erfüllt Mari Eriksmoen die Servilia mit quellklaren Tönen. Die eigentliche Hauptrolle der Oper ist Vitellia, und das Publikum feierte Nicole Chevalier in dieser Rolle – aber zurecht? Das ist eine große, aber flache Stimme, die in der Mittellage auslässt, auch sonst oft zum Krächzen neigt und in den Rezitativen gern zum Sprechgesang übergeht.

Die dramatischen Höhen werden so scharf und gnadenlos herausgestoßen wie möglich. Dazu spielt sie von Anfang bis zum Ende nuancenlos eine Furie. Nein, Hochdramatik kann besser klingen.

Aber zumindest gelang dem musikalischen Teil des Abends das, was der szenische schuldig blieb: ein wenig Feuer und Mozart’sche Überzeugungskraft zu entzünden. Starker Jubel mit hörbaren Buh-Rufen für das Leading Team.

Renate Wagner   

ZÜRICH/ Oper: DIE SACHE MAKROPULOS –„Zynisch-elegant ist E.M.“  

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Evelyn Herlitzius. Foto: Monika Rittershaus

Zürich: DIE SACHE MAKROPULOS  –

Premiere: 22.9.2019  – besuchte Aufführung: 17. Oktober 2019

„Zynisch-elegant ist E.M.“  

Wer hätte das gedacht, dass Janáčeks Oper „Die Sache Makropulos“ ein wahrer Publikumserfolg wird. Die Musik wirkt doch recht modern und die Handlung ist ein wenig romantischer Krimi mit psychologischem Tiefgang. Der russische Regisseur Dmitri Tcherniakov hat um die kaum glaubhafte Story eine Rahmenhandlung gebaut, die im Finale zu einem verblüffenden Theater-Effekt führt.

Das Zentrum bildet natürlich die rätselhafte Sängerin Emilia Makropulos, die in der Verkörperung durch die grossartige Evelyn Herlitzius zu erleben ist, die auch eine grandiose Schauspielerin ist, und zudem die ganze Aufführung trägt. In der besuchten Aufführung vom 17. Oktober legte die Künsterin die Figur als eiskalt-berechnender eleganter Star à la Marlene Dietrich an, die aber auch Momente einer verletzten Verinnerlichung zeigt. Berührend die Szene, wo sie die Narben an ihrem Körper zeigt, die ihr die Menschen, die vorgaben, sie zu lieben, zugefügt haben.

Ausgezeichnet im Zusammenspiel mit Evelyn Herlitzius und ausgezeichnet in Spiel und Stimme waren alle Protagonisten ohne Ausnahme. Noch mehr in ihre Rollen eingedrungen waren Sam Furness als Albert Gregor,  Scott Hendricks als Jaroslav Prus und ist Tómas Tómasson als Dr.  Kolenatý; weiters Spencer Lang als Janek, Kevin Conners als Vítek, Deniz Uzun als seine Tochter Krista und Katja Ledoux als Kammerzofe. Und in einer kleinen, aber eindrucksvollen Episode Ruben Drole und Irène Friedli als Theatermaschinist bzw. Putzfrau. Besonders skurril war der irre gewordene Liebhaber Hauk-Schendorf von Guy de Mey. Der Herren-Zusatzchor lieferte seine Off-Einsätze im Finale der Oper (Einstudierung: Ernst Raffelsberger). Die Philharmonia spielte prächtig unter der dramatisch zugespitzten Leitung von Jakub Hrůša.  

John H. Mueller

 

 

WIEN/ Theater an der Wien: LA CLEMENZA DI TITO. Premiere

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Wien/ Theater an der Wien: LA CLEMENZA DI TITO: Premiere am 17.10.2019
„Zu milde?“
Im Theater an der Wien wird in der zweiten Premiere der laufenden Saison der Milde des Kaisers Titus gehuldigt. Im Gegensatz zur gewohnten Aufführungspraxis von Mozarts „La clemenza di Tito“ sind die Partien des Sesto und des Annio jeweils mit einem Countertenor besetzt.
17.10. Premiere „La clemenza di Tito“

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Nicole Chevalier. Copyright: Werner Kmetitsch/ Theater an der Wien

http://www.operinwien.at/werkverz/mozart/atitus8.htm

Dominik Troger / www.operinwien.at

BIETIGHEIM/ BISSINGEN/ Kronenzentrum: KLAVIERABEND JOSEPH MOOG

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Klavierabend Joseph Moog am 17. Oktober 2019 im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN

ANSPRUCHSVOLL UND VIRTUOS

 Das ästhetische, fast körperlose Spiel mit italienischen Melodien betonte der Pianist Joseph Moog bei Franz Schuberts Adagio und Rondo in E-Dur  D. 506 op. 145 sehr dezent.  Auch die chromatischen Figurationen gewannen immer mehr Intensität. Eine sehr überzeugende Interpretation bot Moog dann bei Franz Liszts berühmter Sonate h-Moll, wo er insbesondere die gewaltige harmonische Architektur plastisch herausstellte. Die sinfonischen Strukuren dieses Werkes kamen so nicht zu kurz. Das hymnische Grandioso in D-Dur und das fein ausgesponnene lyrische Seitenthema in D-Dur erreichten so eine ungeahnte Intensität. In der Durchführung wurden dann beide Themenkomplexe facettenreich herausgearbeitet. Auch das klopfende Motiv der Unruhe akzentuierte Joseph Moog hervorragend. Und das kontrapunktisch meisterhafte Fugato erreichte hier geradezu glühende Ausdrucksregionen, die sich immer mehr steigerten. Neben den eruptiven Klangmassen beeinruckten bei dieser Interpretation vor allem auch die lyrischen Passagen, wobei die religiöse Grundidee geheimnisvoll hindurchschimmerte. Menschliche Leidenschaften und Kämpfe wurden dabei mit starker pianistischer Emotion unterstrichen. Neben dem hymnischen Akkordmotiv fesselten die Verwandlungen des trotzigen Kampfmotivs zu sieghaften Fanfaren. Von den ersten stockend absteigenden Oktaven bis hin zu den verklärten Schlussakkorden interpretierte Joseph Moog dieses Meisterwerk mit fieberhafter Emphase. Gabriel Faure gehört nach Moogs Worten zu seinen Lieblingskomponisten – was man der subtilen Wiedergabe der beiden Barcarolen Nr. 1 op. 26 in a-Moll und Nr. 3 op. 42 in Ges-Dur deutlich anmerkte. Elegant und arabeskenhaft kamen diese ausgesprochen sensibel gespielten Stücke daher, wobei die geheimnisvollen thematischen Zusammenhänge reizvoll offengelegt wurden. Grazie, poetische Inspirationen und impressionistische Passagen verdeutliche Joseph Moog ausgezeichnet. Die intimsten und verborgensten Bezirke des französischen Charakters wurden bei dieser Interpretation tatsächlich ausgeleuchtet. Zum Abschluss bot Joseph Moog dann eine mitreissende Wiedergabe von Maurice Ravels „Gaspard de la nuit“. Das Tremolo der zauberhaften Wassernixe „Ondine“ geriet Moog ausgesprochen einfühlsam und nuanciert. Die motivischen Spielfiguren wurden hier mit erstaunlicher Präzision herausgearbeitet. Das Schicksal eines im Wind baumelnden Gehenkten erreichte bei „Le Gibet“ eine schauerliche Ausdruckskraft, die Joseph Moog exzellent spielte. Um den statischen Oktavklang b-b1 kreisten hier die Akkorde mit großer Dynamik und Spannweite. Den vielen Anschlagsarten wurde Moog dabei sehr klangfarbenreich gerecht. Der Spukgeist „Scarbo“ entfesselte dann zuletzt ungeheure dynamische Kräfte, die Joseph Moog bis zur großen Septime eindringlich ausleuchtete. Da blieb nichts dem Zufall überlassen. Der Wirbel exaltierter Melodien geriet fast nie aus dem Gleichgewicht. Und die ostinaten Totenglocken von „Le Gibet“ läuteten bei diesem dämonischen Stück schräge Walzer-Rhythmen und pseudo-spanische Redobles ein. Als Zugaben interpretierte der hochbegabte Pianist noch sensibel und sinnlich Frederic Chopins Nocturne op. 15 Nr. 2 in Fis-Dur sowie Franz Liszts bis zur Raserei gesteigerten „Hartnäckigen Csardas“. Das war fast eine Hommage an den legendären Vladimir Horowitz. Großer Beifall und „Bravo“-Rufe.

Alexander Walther

WIEN/ Volksoper: DAS GESPENST VON CANTERVILLE. „Familienoper von Marius Felix Lange. Premiere

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Copyright: Wiener Volksoper

DAS GESPENST VON CANTERVILLE – Premiere Volksoper am 18.10.2019

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Die gleichnamige Erzählung von Oscar Wilde zählt zu den bekanntesten Werken der englischen Literatur und wurde insgesamt 14 mal verfilmt, unter anderem mit Charles Laughton, David Niven bzw.Sir John Gielgud.

Der deutsche Komponist Marius Felix Lange hat aus dem Stoff nun eine Familienoper – was immer man darunter verstehen kann – geschaffen. Das Libretto stammt von Michael Frowin. Er hat die Geschichte in unsere Zeit transfreriert. Aus dem amerikanischen Diplomaten Hiram B. Otis wurde der Immobilien-Unternehmer Georg König, der mit seiner Familie trotz zahlreicher Warnungen vor einem Gespenst in das Schloss Canterville einzieht. Trotz zahlreicher ungewöhnlicher Ereignisse glaubt die Familie nicht an den Spuk und beginnt das Schlossgespenst entsprechend zu nerven. Bei diesem Gespenst handelt es sich um den Geist des Sir Simon, der nach dem Mord an seiner Frau zum Spuken verdammt ist. Einzig die älteste Tochter Königs zeigt Gefühle für das Gespenst und kann es letztlich von dem Fluch erlösen.

Das Werk wurde 2013 in Zürich uraufgeführt und für eine weitere Produktion in Berlin 2014 vor allen Dingen vom Orchesterpart her erheblich geändert. Neben den normalen Instrumenten stehen auch Marimba, Donnerblech, Ketten und eine Windmaschine in Verwendung.

Nun hat sich Direktor Meyer also entschlossen, dieses Werk auch an seinem Haus zu zeigen. Die Beweggründe dafür sind für mich nicht wirklich nachvollziehbar. Wenn er damit ein weiteres Werk für Kinder am Spielplan haben wollte, so war dies ein Fehlgriff – aber davon später.

„Na ja, geht eh“ war ein in der Pause öfter gehörter Satz und eine solche Aussage ist eigentlich das Todesurteil für ein Werk. Wenn man dann nämlich in die Tiefe – soweit diese überhaupt vorhanden ist – geht, fällt nämlich auf, wie schwach das Werk ist. Dies beginnt hier bereits beim Libretto. Von Oscar Wilde ist bestenfalls das Handlungsgerüst übrig geblieben, ansonsten befleißigt man sich einer Sprache, die fatal an TV-Soaps oder schlichte Fernsehfilme erinnert. Der schwache dramatische Aufbau des Stückes fällt ebenso auf, wie der Mangel an psychologischem Tiefgang und die fehlende Ironie. Ähnliches ist über die Musik zu sagen. Man hört den Einheitsklang, den man von vielen Opern des 20. und 21. Jahrhunderts kennt. Nur wenige lyrische Passagen stehen vielen lauten Sequenzen gegenüber, die, wie so oft, vom Schlagzeug dominiert werden. Auch hier sind weder Tiefgang noch Ironie oder Humor spürbar. Gesungen wurde hauptsächlich in dem in fast allen zeitgenössischen Opernwerken üblichen Sprechgesang mit Ausschlägen in höchste Höhen. Ariose Stellen gab es kaum. Die einzige Ausnahme ist Sir Simon, der einige monologartige melodiöse Passagen hat.

Dass der Humor diesmal zu kurz kam merkt man auch daran, dass das sonst durchaus lachfreudige Volksopernpublikum praktisch stumm blieb. Für Kinder ist diese Produktion nicht wirklich geeignet. Das merkte man auch daran, dass Plätze die im 1. Akt von  Kindern eingenommen  wurden, nach der Pause frei geblieben sind.

In diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass Freunde des sogenannten „Regietheaters“ immer wieder behaupten, die Oper würde zum Museum , wenn man die grossen Werke der Opernliteratur nicht für unsere Zeit aktualisiert. Diese Behauptung ist falsch, denn wenn Oper zum Museum wird – wobei einmal zu hinterfragen wäre, ob das etwas schlechtes ist – dann liegt es nicht an den Inszenierungen, sondern daran, dass in den letzten 50-60 Jahren kaum Innovatives auf dem Sektor der Opernkomposition passiert ist. Denn es ist letztlich nicht entscheidend, ob sich die Musikwissenschaft an den Werken abarbeitet, sondern ob sie vom Publikum angenommen werden. Zugegeben, es gibt eine Handvoll Werke, die sich einen Stammplatz in den Spielplänen sichern  konnte, das Gros der Werke füllt aber nur zahllose Seiten in den diversen Opernführern – und ähnliches wird auch mit diesem Werk passieren.

Wenden wir uns nun dem konkreten Geschehen dieser Aufführung zu. Die Inszenierung von Philipp M. Krenn konnte die mangelnde Dramaturgie des Werkes nicht wettmachen und sorgte lediglich für einen reibungslosen Ablauf. Eine wirkliche Personenführung war nicht feststellbar. Die Ausstattung von Walter Schütze war vor allen Dingen in Hinblick auf das durchaus geschmackvolle Bühnenbild zufriedenstellend. Auch die Videos (Roman Hansi), sonst oft eine Plage einerAufführung, waren hier zweckentsprechend eingesetzt.

Das Orchester unter der Leitung von Gerrit Prießnitz war sicher ordentlich einstudiert. Den mangelnden Tiefgang der Partitur konnte es aber auch nicht kaschieren. Der Chor (Einstudierung: Thomas Böttcher) sang seine wenigen Passagen ordentlich.

Die zentrale Rolle des Sir Simon sang Morten Frank Larsen. Er bemühte sich, soweit es die Partitur zuliess, auf Linie zu singen, allerdings hat sein  Bariton in den letzten Jahren etwas an Klangschönheit verloren. Gegen Ende schien auch seine Kraft nachzulassen. Darstellerisch war er routiniert. Die Rolle des Georg König musste, da sowohl Martin Winkler als auch die Zweitbesetzung Daniel Ohlenschläger krankheitsheitsbedingt ausfielen, der Sänger der Uraufführung Reinhard Mayr eine Woche vor der Premiere übernehmen. Er verfügt über keine besonders markante Stimme und bleibt auch darstellerisch blass. Anita Götz spielte die Virginia durchaus anteilnehmend, klang aber über weite Strecken eher scharf. Rebecca Nelsen gelang die Darstellung der exaltierten Geliebten Königs recht gut, stimmlich war aber auch sie eher schrill. Regula Rosin als Haushälterin hätte man eine etwas kräftigere Stimme gewünscht und Paul Schweinester als deren Sohn David ließ einen recht hübscheh Tenor hören, wurde aber in der Höhe etwas eng.

Lukas Karzel und Stefan Bleiberschnig als Königs Söhne fielen hauptsächlich durch wildes Herumgerenne und die Verwendung von Paintball-Gewehren auf und Birgid Steinberger ergänzte als Stimme von Virginias Mutter.

Am Ende natürlich der übliche Volksopern-Premierenjubel, aber etwas schaumgebremster als sonst.

Heinrich Schramm-Schiessl

 


LINZ / Musiktheater am Volkspark: LE PROPHÉTE von Giacomo Meyerbeer

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Jeffrey Hartmann (Jean) flankiert von Matthäus Schmidlechner (Jonas) und Adam Kim (Mathisen), Foto: Barbara Palffy

LINZ: Musiktheater am Volkspark: LE PROPHÉTE von Giacomo Meyerbeer

18. Oktober 2019 (Premiere 22. September 2019)

Von Manfred A. Schmid

1849 in Paris triumphal uraufgeführt, wurde Meyerbeers Grand Opéra par excellence Le Prophéte schon im folgenden Jahr in Hamburg zur deutschen Erstaufführung gebracht. Richard Wagner zeigte sich ergriffen und fühlte sich „glücklich und erhoben,“ wie er einem Brief bekannte: „Kommt das Genie und wirft uns in andere Bahnen, so folgt ein Begeisterter gern überall hin, selbst wenn er sich unfähig fühlt, in diesen Bahnen etwas leisten zu können.“ Bald darauf revidierte er – das Ganze immer mehr durch die antisemitische getönte Brille betrachtend – sein Urteil und wurde in seiner Einschätzung zunehmend radikaler. In seiner Autobiographie Mein Leben, Jahrzehnte später, heißt es dann nur noch: „Mir ward übel von dieser Aufführung.“ Dessen ungeachtet hielt sich das Werk bis über die Wende zum 20. Jahrhundert hin als „Renner“ auf den Spielplänen der Opernhäuser in aller Welt. Dann geriet es ziemlich in Vergessenheit. Erst die kritische Edition der Oper 1997, unter Einbeziehung aller gestrichenen Teile, entfachte neues Interesse und führte ein Jahr später zu einer Neuinszenierung an der Wiener Staatsoper, die sich aber als nicht sehr nachhaltig herausstellen sollte. In der laufenden Saison ist Giacomo Meyerbeers Le Prophéte, den Recherchen der Oper Linz zufolge, in Europa nur in Linz zu sehen und zu hören. Ein guter Grund nach Linz zu fahren, wo das Stück bis Ende März 2020 noch sieben Mal gezeigt wird.

So weit die gute Nachricht. Insgesamt ist das ehrgeizig Unterfangen der Oper Linz aber nur zum Teil als gelungen einzuschätzen. Das liegt zum einen an der unbeholfenen Regie von Alexander von Pfeil, zum anderen an dem Umstand, dass man bei der Besetzung der Titelpartie keine gute Hand bewiesen hat. Jeffrey Hartmann fehlt dafür jegliche Ausstrahlung. Die Wandlung des Gastwirts Jean de Leyde vom einfachen, bibelfesten Bürger zum allseits gefürchteten Anführer der Angst und Schrecken verbreitenden Horde der Wiedertäufer nimmt man ihm nicht ab. Er bleibt, auch wenn er sich selbst die Krone – als vermeintlicher und beinahe gottgleicher König der ganzen Welt – aufsetzt, im Grunde immer nur eine Marionette. Die Fäden ziehen andere, die heuchlerischen Prediger Zacharie, Jonas und Schmidlechner, die in Wahrheit nur das Ziel haben, die Unzufriedenheit der Armen und Unterdrückten durch Aufwiegelung dazu zu nützen, bei ihren Beutezügen unermesslichen Reichtum anzuhäufen und es sich gut gehen zu lassen. Die bigotte Verpflichtung, dass jeder Mann mehrere Frauen haben muss, um Gottes Schöpfungsplan zu erfüllen, gehört dazu. Das Libretto von keinem geringeren als Eugène Scribe hingegen zeichnet Jean als einen charismatischen Machtmenschen, der die Massen anzieht und von Erfolg zu Erfolg führt, bis tatsächlich darab glaubt,  dazu berufen sei, die Welt zu erobern. Die Probe aufs Exempel liefert der Beginn des Vierten Akts. Die Untergebenen meutern nach einer kriegerischen Niederlage und beschuldigen Jean, ein falscher Prophet zu sein. Ihm soll es das aber mit einer mitreißenden Rede und einem skrupellosen Schachzug gelingen, sie wieder auf seine Seite zu bringen. Auch das nimmt man Jeffrey Hartmann nicht ab. Erst am Schluss, als er, von allen verraten, vor den Trümmern seiner Existenz steht und seine Mutter, die er verleugnet hat, sowie seine Braut wiedertrifft, vermag er einigermaßen zu berühren. Als ein Häufchen Elend steht er glaubwürdig da. Stimmlich aber hat Hartmanns Tenor durchgehend beträchtliche Mängel, wirkt gepresst und in der Höhe oft unsauber.

 Die mächtigen Männer im Hintergrund – Zacharie (Dominik Nekel), Jonas (Matthäus Schmidlechner) und Mathisen (Adam Kim) hingegen können auch stimmlich überzeugen und verströmen als versierte Strippenzieher latente Gefährlichkeit. Ihr mehrfach intonierter Choral „Ad nos, ad salutarem undam“, von Meyerbeer „im Stile frühprotestantischer Kirchenlieder“ komponiert, erhält, nicht zuletzt durch die begleitenden tiefen Blasinstrumente einen bedrohlichen Klang und verheißt nichts Gutes.

Jeffrey Hartmann (Jean) und Ensemble. Foto: Oper LInz / Barbara Palffy

Als verhasster Graf von Oberthal, der durch die Entführung von Jeans Braut dessen Rachefeldzug ausgelöst hat, kommt der bewährte Hausbariton Martin Achrainer zu Einsatz. Darstellerisch wie gewohnt ungemein präsent, dennoch geht diese Partie mit ihren stimmlichen Anforderungen in der Tiefe deutlich über seine Möglichkeiten. Den stärksten Eindruck hinterlassen in dieser Aufführung dafür die beiden Frauengestalten. Katharina Lerner als Jeans leidende, mitfühlende Mutter und Brigitte Geller als seine Braut, die angesichts des nahen Todes ihm seine „Karriere“ verzeiht, wirken in jeder Note authentisch. Sie sind die idealen Sympathieträger in dieser auf historischen Tatsachen beruhenden Widertäufer-Geschichte rund um die westfälische Stadt Münster im 16. Jahrhundert.

Der Regisseur Alexander von Pfeil verfolgt in seiner Inszenierung das Vorhaben, den Zeithorizont der Handlung bis in die Gegenwart zu erweitern. In der Tat sind Verführung, Ausnützung religiöser Motive für das Erreichen politischer Ziele und Tyrannei, die sich als Wohltätigkeit tarnt, Phänomene von – leider – andauernder Aktualität. Angesiedelt ist das Ganze in einer unspezifischen Gegenwart, die Sektenführer benutzen Handys. Warum trotz moderner Waffen aber ausgerechnet eine Axt am häufigsten zum Einsatz kommt, ist ebenso wenig nachvollziehbar wie die Idee, den Ku Klux Klan in das Geschehen einzubauen. Gänzlich scheitert die Regie, wenn es darum geht, die Menschenmassen auf der Bühne wirkungsvoll zu steuern. Da wirkt die Choreographie sehr unfertig. Im Programmheft wird anhand zweier Fotos zwar suggeriert, dass man sich dabei u.a. vom berühmten Bild Das Floß der Medusa von Théodore Géricault habe inspirieren lassen. Unter Augenschein genommen, ist davon aber kaum was zu erkennen, dabei gäbe die Bühne von Piero Vinciguerra – das Innere eines Gasometers – recht gute Möglichkeiten für eine adäquate Bespielung. Nicht durch Originalität zeichnen sich die unauffälligen Kostüme von Katharina Gault aus. Nur beim prunkvollen Herrschergewand wurde nicht gespart, wohl um das Manko fehlender Ausstrahlung des damit Bekleideten zu kaschieren.

Sehr kläglich fällt das dramatische Finale aus. Alles sollte – einer wahren Grand Opéra würdig – in Flammen aufgehen, wenn das unter dem Festsaal befindliche Pulvermagazin explodiert. Was aber hier geboten wird, wird von einem jeden Kindergeburtstags-Feuerwerk übertroffen. Von den Möglichkeiten modernster Bühnentechnik nimmt der Regisseur – mit vollem Namen Alexander Christian Ernst Friedrich Carl Graf von Pfeil und Klein-Ellguth -, der nach seinem Rausschmiss 2007 nach zwei Jahren Tätigkeit als Oberspielleiter an der Oper Berlin im Internet unverdrossen weiter als „Geheimtipp“ gehandelt wird und am Mozarteum Salzburg Musikdramatische Gestaltung lehrt, keinen Gebrauch.

Was die Linzer Aufführung trotz aller angekreideter Mängel besuchenswert macht, ist nicht zuletzt die Musik, die aus dem Orchestergraben kommt. Markus Poschner am Pult des Bruckner Orchesters Linz sorgt für eine solide, zuweilen etwas zu „brave“ Wiedergabe der nuancenreichen Partitur. Die vielen Chöre, die zum Einsatz kommen, führt er gut und sicher. Was im Gewoge auf der Bühne nicht immer vorhanden ist, musikalisch zumindest herrscht hier wohltuende Klarheit, ohne damit aber spannungslos zu werden. Meyerbeers Musik erweist sich als musikdramatisch überaus effektvoll. Gerade deshalb könnte man die vielen Ballettmusiken, zu denen ja in dieser Neuinszenierung nicht getanzt wird, einsparen. Ohne Ballett wirken sie etwas zu harmlos und wollen nicht so recht zur Handlung passen. Vermutlich zeigen diese Stücke – sozusagen als Entspannungsmomente – das fröhliche Leben der Wiedertäufer in den Zeiten zwischen ihren Eroberungszügen, wenn sie sich an ihrer Beute erfreuen und der Vielweiberei frönen. Als rein instrumentale Zwischenspiele aber erfüllen sie keinen Zweck und wirken zu belanglos.

18. Oktober 2019

WIEN/ Staatsoper: DIE FRAU OHNE SCHATTEN – dritte Vorstellung der Serie

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Tomasz Konieczny (Barak). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN/Staatsoper: DIE FRAU OHNE SCHATTEN

am 18.10.2019 (von Helmut Christian Mayer)

Magische, musikalische Momente

Ätherische Klänge tönen aus dem Orchestergraben der Wiener Staatsoper. Kein Wunder, denn schließlich ist einmal mehr Christian Thielemann am Pult, der nicht umsonst als Klangmagier gilt. Es entstehen in der ganz ohne Striche musizierten „Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss im Orchester überwältigende Momente von überirdischer Schönheit und unglaublicher Klangpracht: Ganz besonders bei den Lyrismen, wenn die Kaiserin das Reich ihres Vaters Keikobad betritt und über einem subtilen Streicherteppich der Konzertmeister Rainer Honeck das wohl innigste Geigensolo, dass man je gehört hat, spielt. Aber auch die Zwischenspiele sind von zwingender dramatischer Kraft. Bereits während der beiden Pausen bricht das Publikum für den deutschen Dirigenten und das Orchester in Jubelstürme aus. Thielemann begeistert die Massen!

Auch das Sängerensemble ist von hoher Qualität: Kostbare Töne voll Innigkeit, silbrig, makellos, hell und klar gesungen, schafft Camilla Nylund als anmutige Kaiserin mit blühender Stimmkraft. Und sie kann auch den Weg von der weltfremden, ätherischen Erscheinung zum vollwertigen Menschen mit allen emotionalen Ebenen glaubhaft darstellen. Eine Klasse für sich ist auch Nina Stemme, sie scheint ihre Indisposition vom letzten Montag gänzlich überwunden zu haben. Sie liefert ein zwischen Verzweiflung und Hysterie changierendes Frauenbild der Färberin ab und kann mit elementaren, hochdramatischen, packenden Attacken und ungemein starker Bühnenpräsenz aufwarten.

Ihr zur Seite steht Tomas Koniecny, als ihr Mann Barak, die einzige Figur dieser Oper mit einem Namen. Er singt den Färber mit seinem kraftvollen Bariton mit gewöhnungsbedürftiger Farbe aber voll menschlicher Wärme, der vor allem mit „Mir anvertraut…“ und dem in subtilen Piani gesungenen „Fürchte dich nicht“ sehr rührt. Über ein herrliches tenorales, kraftvolles Material verfügt auch Andreas Schager als Kaiser. Bei Österreichs tenoralem Aushängeschild und Ausnahmekönner fließen die Registerwechsel reibungslos. Seine Höhe ist zudem  ungefährdet und sattelfest.

In dieser sängerischen Upperclass kann Mihoko Fujimura als Amme leider nicht mithalten. Sie singt zwar immer noch beeindruckend, hat aber ihren stimmlichen Zenit überschritten, zweitweise fehlt es ihr an Kraft und sie neigt zum Forcieren. Als Figur bleibt sie eindimensional und verbreitet kaum dämonische Aura. Clemens Unterreiner singt die kleine Rolle des Geisterboten achtbar. Großartig und sehr homogen erlebt man auch die Chöre und kleineren Partien.

Die Inszenierung von Vincent Huguet überlässt der Musik ungehindert das Feld. Sie interpretiert nicht, ist gefällig, belanglos bebildert und regt niemanden auf.

Unbeschreiblicher Jubel für die musikalische Seite!

Helmut Christian Mayer

attitude BALLET-BLOG. This week’s recommendations: October 19th, 2019

WIEN / Burgtheater: DIE EDDA

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Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Burgtheater:
DIE EDDA
Neu erzählt von Thorleifur Örn Arnarsson & Mikael Torfason
Produktion: Schauspiel Hannover
Wiener Premiere: 19. Oktober 2019

Der dichte Premierenreigen des Burgtheaters hält an, allerdings ist nicht alles ganz „echt“. Die Produktion der isländischen Saga „Die Edda“ durch ihre Landsleute Thorleifur Örn Arnarsson und Mikael Torfason gab es schon in Hannover. Sie kam nun, preisgekrönt mit dem renommierten deutschen Theaterpreis „Der Faust“, nach Wien. Allerdings hat man für die Übernahme großteils aus dem Ensemble besetzt, aber das Konzept stand.

Dieses wollte gleich zu Beginn mystisch mit Schöpfungsmythen beeindrucken, indem man den Zuschauerraum erst einmal unter „Nebel“ setzte (dergleichen kann das Kino, wie man weiß, immer viel besser). Das klappte allerdings auf Anhieb nicht so gut, denn das Trockeneis (oder was immer man verwendet) mit dem vagen Weihrauchgeruch kann empfindliche Menschen beengen. Passierte sofort. Der Herr, der aus dem Zuschauerraum stürzte und vom Billeteur wissen wollte, wann der Nebel weggehe, musste sich sagen lassen, dass er wohl auf die Aufführung verzichten müsse – der Nebel sei für den ganzen dreieinviertelstündigen Abend vorgesehen. Als dann noch eine Dame kollabierte, überlegte man es sich und drehte ihn zurück. Der Rest des Publikums war dankbar, die Atem- und Sicht-Belästigung durch die Schwaden los geworden zu sein… ein Burgtheater-Abend soll ja nicht unbedingt krank machen.

Immerhin hat es Regisseur Thorleifur Örn Arnarsson auf große Effekte angelegt. Eine schöne, milde Stimme beginnt auf Isländisch zu rezitieren, eine deutsche Stimme gesellt sich dazu, beide nach und nach einander so laut überschreiend, dass man absolut nichts versteht. So vergeht die erste Viertelstunde.

Die Bühne von Wolfgang Menardi, die gewaltig viel an Verwandlung leistet, wird anfangs nur von den variablen, beweglichen Leuchtstoffröhren „bespielt“, während seltsame Geschöpfe, kaum als Silhouetten erahnbar, nun akustisch verständlicher, wenn auch sehr verwirrend zu erzählen versuchen, wie das so war im nordischen Kosmos, wobei man sich an die Namen hält, die man – danke, Richard Wagner – kennt: Odin (unser Wotan), Gattin Frigg, Bruder Loki, dazu Freya, Thor, Riesen und Zwerge gibt es auch und noch einiges mehr, was es variiert in den „Ring des Nibelungen“ geschafft hat (Drache Fafner als Verwandter der Midgardschlange?).

Kurz gesagt, es bleibt immer noch verwirrend – und siehe da, eines der vielen abenteuerlichen Kunstgeschöpfe, die da die Bühne bevölkern (teils von Karen Briem in Körper-Nackt-Bodies gekleidet, was sie ziemlich kläglich macht), tritt hervor und bietet sich als Moderator an (Dietmar König, der im Lauf des Abends noch einige andere Rollen spielt, macht das ganz witzig). Der plötzlich so extrem komödiantische Zugang wirkt nicht wirklich sinnfällig, ist aber wohl dazu gedacht, dem Publikum das Leben zu erleichtern.

 

Und nun bekommt man dies und das vorgespielt. Man muss zusehen, wie Odin (Markus Hering, eher mikrig und keinesfalls Zentrum des Geschehens) sich ein Auge ausreißt, wie Loki (Florian Teichtmeister im silbernen Glitzerlook und einem Hauch Exzentrik) angehalten ist, Thor zu helfen, wenn die Riesen diesem den Hammer gestohlen haben – für dessen Rückgabe wollen sie Freya (also, die ist bei Wagner als Preisgeld für Walhall schon höher veranschlagt). Immerhin wird es nicht nur parodistisch gespielt, sondern auch ziemlich lustig, wenn Thor statt Freya als Braut auftaucht…

Von den vier heimischen Damen des Abends hat nur Marie-Luise Stockinger, die sich von einer blonden Sirene in Thor verwandelt, eine wirklich starke Rolle geangelt. Andrea Wenzl, mehr denn je in Stimme und Körpersprache ein (bewusster?) Klon der Minichmayr, gibt die Freyja vordergründig verführerisch. Frigg, sprich Fricka, bekommt in Gestalt von Dorothee Hartinger wenig zu tun (in einer Szene erinnern sie und Odin sich an den „Apfel“, als wären sie Adam und Eva aus dem Paradies gewesen), und auch Mavie Hörbiger bringt es in drei Rollen (und meist bis zur Unkenntlichkeit verkleidet) nicht weit. Marta Kizyma spielt als Schlange ein bisschen Cello (sie muss es nicht gut können), und Stefanía Ágústsdóttir kann die Aussprache der Kollegen verbessern, wenn es um Isländisch geht. Achtung, Pointe!

Schließlich ergänzen noch Stacyian Jackson und Jan Bülow das Ensemble, auch sie im allgemeinen Chaos untergehend, und Gabriel Cazes zeichnet für die permanente Live-Musik, die dann stellenweise ohrenbetäubend wird, verantwortlich.

Hat man im ersten Teil noch immer wieder Szenen angespielt, ist man im zweiten offenbar bei der Lieder-Edda mit ihren Geschichten gelandet, die von den Bearbeitern bis in die Gegenwart hinauf geführt werden. Hier dreht sich nun ein schiffartiges Konstrukt (das ein bißchen an „Les Miserables“ erinnert) ununterbrochen, und die Darsteller sagen ihren Text auf, aus dem Mikro, so dass man sie oft nicht orten kann. Das wird dann ein bißchen trocken.

Wichtiges wird nicht mehr erzählt, also versäumt jener Teil des Publikums, der sich in der Pause abgesetzt hat, nicht allzu viel. Überhaupt passen szenisches Chaos (das ein bisschen an gute, alte Happenings erinnert, wo es auch nicht darauf ankam, was warum passiert, Hauptsache, man kennt sich nicht aus) und der Anspruch, hier eine der großen Menschheitsüberlieferungen präsentiert zu bekommen, kaum zusammen.

Fazit: Was diese „Edda“ auf der Bühne des Burgtheaters aussagen will, bleibt hochgradig unklar. Aber Theater wird gemacht, daran besteht kein Zweifel.

Renate Wagner

TORINO/ Teatro Regio: TOSCA. Neuinszenierung

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Giacomo Puccini: Tosca, Teatro Regio, Torino, Vorstellung: 18.10.2019

 (Produktion des Teatro Massimo, Palermo; 3. Vorstellung seit der Premiere am 15.10.2019)

«Tosca, mi faidimenticarel’Iddio»

Davinia Rodriguez als Floria Tosca lässt in dieser Aufführung nicht nur Scarpia, sondern auch das Publikum Gott vergessen. Sie nimmt mit einem sehr natürlichen Spiel für sich ein, ist gleichermassen Diva wie herzhaft liebende Frau. In der Mittellage spricht die Stimme perfekt an. Für den geübten Hörer tendieren die hohen Lagen zum Grellen, die tiefen Lagen zur Verschattung und zu undeutlicher Diktion.


Foto Copyright Teatro Regio Torino

Jonathan Tetelman als Mario Cavaradossi vermag das Publikum genauso zu überzeugen. Sein gut geführter Tenor überzeugt mit Schmelz und Attacke. Allerdings wirkt seine Stimme für das grosse Turiner Haus mehrfach zu klein und vermag sich gegen die anderen Sänger und das Orchester nur schwierig durchzusetzen.

Gevorg Hakobyan singt den Baron Vitellio Scarpia mit sicher und elegant geführtem, kräftigen Bariton. Szenisch vermag er weniger zu überzeugen: das Böse bleibt doch weitgehend auf der Strecke.

Foto Copyright Teatro Regio Torino.

In den oft sparsam besetzen Partien des Cesare Angelotti und des Mesners überzeugen Romano dal Zovo und Roberto Abbondanza mit grossen, hervorragend geführten Stimmen und überzeugend-routiniertem Spiel.

Bruno Lazzaretti als Spoletta, Gabriel Alexander Wernick als Sciarrone, Enrico Bava als Carciere und Gaia Bertolino als Pastorello ergänzen das Ensemble auf hochstehendem Niveau.

Das Orchestra TeatroRegio Torino spielt unter Lorenzo Passerini schlicht hervorragend. Seitens des jungen Dirigenten wäre eine präzisere Regelung der Lautstärken zu wünschen.

Andrea SecchiundClaudio Fenoglio haben den CoroTeatro Regio Torino und den Coro di vocibianchedel TeatroRegio e del Conservatorio «G.Verdi» di Torino bestens vorbereitet.

Die vom Teatro Massimo Palermo übernommene Inszenierung verantwortetMario Pontiggia. Er hat mit den Bühnenbildern und Kostümen von Francesco Zito in der Beleuchtung von Bruno Ciulli eine höchst ästhetische, klassische und dabei doch frische Inszenierung geschaffen, die alles bietet, was man von einer Tosca erwartet.

Weitere Aufführungen: 22.10.2019, 23.10.2019, 24.10.2019, 25.10.2019, 27.10.2019und 29.10.2019.

 

19.10.2019, Jan Krobot/Zürich

WIEN/Staatsoper . Gioachino Rossini IL BARBIERE DI SIVIGLIA

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Diese „Puppentheaterbühne“ von Alfred Siercke ist noch immer sehenswert Foto:Wr.Staatsoper (frühere Aufnahme)


WIEN / Staatsoper
Gioachino Rossini  IL BARBIERE DI SEVILLA
431. Aufführung in dieser Inszenierung
Samstag, 19.Oktober 2019
Kurzbericht

 

Svetlana Stoyanova freut sich auf ihr Debüt Foto Facebook

Mit gleich drei Rollendebüts wartet diesmal die Wiener Staatsoper auf, eine jugendliche Auffrischung für dieses alte Vehikel einer Inszenierung – denn die Zeit ist bei uns wieder einmal stehen geblieben und man zeigt wieder Regiekunst aus deutschen Landen der Sechziger des vorigen Jahrhunderts. Es wäre nichts einzuwenden gegen Arbeiten des einst hochgelobten Günther Rennert, fände man nicht nur Reste der Ideen vor, die dieser Regisseur hinterlassen hat und käme man indessen besser auf die Idee, statt der wenigen angerosteten Slapsticks wieder einmal die Szene mit kluger Personenführung zu beleben. 

Keine Frage, Mittelpunkt des – dank vieler touristischer Besucher – ausverkauften Abends ist die junge quirlige Mezzosopranistin Svetlina Stoyanova als Rosina. Die in Bulgarien geborene und aufgewachsene, am Royal Conservatoir of Scotland ausgebildete Sängerin und Gewinnerin des Ersten Preises der Neuen Stimmen 2017 in

Gütersloh zeigte mit beinahe unbekümmerter Frische ein gesanglich gerundetes und technisch beherrschtes Rollenportrait mit auffallend schönen Höhen, und ihre souveräne Spiellaune brachte zusätzlich Leben in das Haus des Doktor Bartolo.

René Barbera, Selfie vor der Oper

Der Titelrollenträger und weitere Rollendebütant war der deutsche Bariton Samuel Hasselborn, Gewinner mehrerer Preise bei internationalen Wettbewerben, sichtlich blutjung, mit hellem, höhensicherem und flexiblem Bariton, für die Rolle des umtriebigen Barbiers wie geschaffen. Nur den eindrucksvollen gesanglichen Schwung seiner Auftrittsarie hielt er den weiteren Abend noch nicht ganz durch. Trotzdem ein beeindruckendes Debüt, schon auch seines lockeren Spiels wegen. Nicht weniger beeindruckend mit seinem, bereits im Übergang zum lyrischen Tenor befindlichen aber noch immer beweglichen und geschmeidigen tenore di grazia: René Barbera. Nur schade, dass der Gewinner der Operalia 2011 nicht auch die Einlagearie des letzten Bildes zum Besten gab, denn seine Koloraturen sind noch immer erstklassig.

Damit kommen wir zum hauseigenem Ensemble: Simina Ivan als Marzellina, nicht jeder kann sich so eine schönstimmige Bedienerin leisten, Sorin Coliban lässt noch immer die Kanonen als Basilio donnern und Paolo Rumetz – leider entstellt  durch diese entsetzliche, falsche Gummiglatze – wird wegen der fehlenden vis comica die beiden großen Vorbilder in dieser Bufforolle des Doktor Bartolo nur schwer erreichen können, nämlich Fernando Corena und Alfred Šramek. Hans Peter Kammerer blieb unauffällig als Fiorillo; aber der Offizier des Wolfram Igor Derntl sang dafür seine wenigen Worte in der Lautstärke für einen Kasernenhof.

Graeme Jenkins machte es möglich, Rossini von leichter Hand dargeboten zu bekommen, man genoss dieses nach den vielen schwereren Brocken der Eröffnungsphase dieser Saison.

Peter Skorepa
OnlineMerker

TORINO/ Teatro Regio: LES PECHEURS DES PERLES. Neuinszenierung

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Georges Bizet: Les pêcheurs de perles, Teatro Regio, Torino, Vorstellung: 20.10.2019

 (5. Vorstellung seit der Premiere am 03.10.2019)

Perlenfischer klassisch frisch

Julien Lubek und Cécile Roussat (Regie, Bühnenbild, Kostüme, Choreografie und Licht) haben für das Teatro Region in Turin eine höchst ästhetisch, absolut bildmächtige, geradezu kulinarisch-klassische Inszenierung von Bizets Perlenfischern geschaffen.

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Foto Copyright TeatroRegio Torino.

Ein Portal in orientalischer Form umrahmt das aus einem Sandstrand als Basis bestehende Bühnenbild. Mit wenigen Versatzstücken werden hier traumhafte Szenen geschaffen.

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Foto Copyright TeatroRegio Torino.

Als Leïla überwältigt Hasmik Torosyan das Auditorium schlichtweg. Hier stimmt einfach alles. Genauso überzeugend singt Kévin Amiel den Nadir. Er überzeugt mit kräftigem, hellem, höhensicheren Tenor. Nicht weniger überzeugend geben Fabio Maria Capitanucci den Zurga und Ugo Guagliardo den Nourabad.

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Foto Copyright:  Teatro Regio Torino.

Der vonAndrea Secchi vorbereitete CoroTeatroRegio Torino ist zwar stimmgewaltig, hat mit der Diktion des Französischen seine liebe Mühe. Das Orchestra TeatroRegio spielt unter Leitung von Ryan McAdamsdramatische, farbenreiche Perlenfischer, die den Zuhörer vom ersten Moment an gefangen nehmen.

Eine bild- und stimmgewaltige Produktion.

Keine weiteren Aufführungen in dieser Saison.

20.10.2019, Jan Krobot/Zürich


COTTBUS/ Staatstheater: EFFI BRIEST – Oper von Siegfried Matthus. Uraufführung

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Liudmila Lokaichuk als Effi Briest – Foto: Marlies Kross

Cottbus, Staatstheater: „EFFI BRIEST“ – Oper von Siegfried Matthus als Uraufführung / 19.10.2019 (Premiere)

 Siegfried Matthus hat sich als Opern-Komponist zurückgemeldet, als nunmehr 85-Jähriger hat er nach dem Roman EFFI BRIEST von Theodor Fontane im Auftrage des Staatstheaters Cottbus eine abendfüllende Oper geschaffen, die durch die musikalische Sprache des heute leider zu selten aufgeführten Komponisten überzeugt. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Opern von Matthus heute unbekannt sind, Werke, die einst viel gespielt wurden und das Publikum in Ost und West beeindruckten. Ja, Matthus war der produktivste und wohl auch meistgespielte Komponist der ehemaligen DDR; gleichwohl bewies er mit der Vielseitigkeit seiner Tonsprache ebenso wie mit den Sujets, die er gestaltete, dass er ein weltläufiger, für viele künstlerische Facetten offener Musiker war und ist, der wohl in der DDR lebte und arbeitete, dessen Werke in ihrer Wirksamkeit jedoch weit über die Grenzen dieses Landes und dessen ideologische Barrieren hinausgingen. Weshalb so wirkungsstarke Werke wie DER LETZTE SCHUSS (1967 Berlin), DIE WEISE VON LIEBE UND TOD DES CORNETS CHRISTOPH RILKE  (1985 Dresden), JUDITH (1985 Berlin) oder die hinreißende komische Kriminaloper(!) NOCH EINEN LÖFFEL GIFT, LIEBLING? (1972 Berlin)  heute auf keinem Spielplan mehr stehen und infolgedessen nahezu unbekannt sind, ist mir völlig unverständlich und eigentlich ein echter Skandal! So reich ist die neuere und neueste deutsche Operngeschichte nicht an Werken, dass man aus Unwissenheit oder Ignoranz auf dieses Oeuvre meint verzichten zu müssen!    

Nun also EFFI BRIEST – das Fontane-Jubiläum macht‘s möglich! Der Roman ist wenigstens durch zahlreiche Adaptionen auf der Leinewand bekannt  – gelesen wird er heute wohl eher seltener, auch wenn Thomas Mann einst meinte, es sei das wichtigste Buch seit Goethes WAHLVERWANDTSCHAFTEN ! (Nun könnte man das Fragespiel fortsetzen: wer  l i e s t heute noch Goethe oder Thomas Mann…?) Ein zu weites Feld, wie es wörtlich in Fontanes Romanvorlage heisst …!

Siegfried Matthus läßt sich den 36 Kapitel umfassenden Roman von seinem Sohn Frank in 46 Szenen aufbereiten, von denen 13 instrumentale Zwischenspiele sind, die das Geschehen nachklingen lassen oder künftiges vorbereiten. Das ist ein möglicher Weg, dem Roman sehr nahe zu kommen; ich meine, man könnte das Werk auch verstehen, wenn man den Roman nicht gelesen hat – und das ist gut so. Natürlich ist alles auf die Titelheldin konzentriert, es gibt neben ihr nur Episoden, auch das entspricht durchaus der Vorlage. Und die Musik spricht ihre eigene Sprache: Matthus beherrscht das volle Spektrum – er kann melodiös, schlicht und ergreifend, (quasi: zu Herzen gehend) schreiben ebenso, wie er mit Dissonanzen, grellen Farben und peitschenden Rhythmen aufrütteln kann. Auch hier wieder: eine Oper, die durch ihre Musik überzeugt. Wollen wir immer noch mehr? Mir hat die Oper, ihre Musik, gefallen – übrigens auch in der Vielfalt der Instrumentation; der Einsatz der Holzbläser zum Beispiel, die dramaturgische Funktion von Englischhorn und Altflöte, die Brillanz der engen Blechsätze, die Soli der Streicher, der Harfe, nicht zuletzt der Orgel. Und ein großes, aber nie vordergründig effekt-haschendes Schlagwerk! Eine Vielfalt musikalischer Gestaltung, die einem sogar über offensichtliche „Längen“ (z. B. der Verführungsszenen mit Crampas) hinweg hilft. Bravo, Siegfried Matthus!

Die Umsetzung dieses Werkes am „auftraggebenden“ Staatstheater Cottbus war leider nicht so eindeutig, wie es die Partitur verdient gehabt hätte. Zunächst beeinträchtigte ein sehr ungünstiger Umstand das Ganze: ein wichtiger Episoden-Sänger fiel aus; sicher, es ist die „Liebeswerbung“ von Crampas nur eine Episode im Werk (übrigens auch schon bei Fontane!) – aber eben in diesem Falle eine der wichtigsten Episoden überhaupt. Wenn der Mann, der Effi zum Treuebruch überredet und damit ihre Tragödie heraufbeschwört, ausfällt, findet das Stück eigentlich nicht statt. Die mehr oder weniger charmante Umschreibung, mit der Intendant, Dr. René Serge Mund, vor Beginn der Vorstellung versuchte zu erklären, dass es ja nur eine kleine Ergänzung sei, wenn diese (wichtige!) Rolle vom indisponierten Sänger, der besetzt war nur gespielt, von einem eiligst zugezogenen anderen von der Seite gesungen werde, war in Wahrheit ein Offenbarungseid! Der dramaturgische Dreh- und Angelpunkt fand – jedenfalls für mich! – nicht statt. Das ist eine Art Improvisation, die – wenigstens bei einer UR-Aufführung! – nicht Schule machen sollte. Fairerweise sind die entsprechenden Szenen hier nicht zu beurteilen. Das ist schade.

Schade auch um die Inszenierung von Jakob Peters-Messer, die durch ihre ehrliche Grund-haltung, ihre betont auf theatralische Mittel reduzierte Erzählweise ohne jeglichen, heute meist üblichen, Show-Schnickschnack auskommt. Sie konzentriert sich auf die Menschen, die uns die Geschichte näher bringen, auf Mittel, die jeder Zuschauer versteht, sie gaukelt nichts vor – sie erzählt. Selten habe ich eine so schlüssige und sachlich überzeugende Inszenierung in den letzten Jahren gesehen. In diesen positiven Eindruck schließe ich auch ausdrücklich Guido Petzold (Bühne/Video/Licht) und Sven Bindseil (Kostüme) mit ein. Das gesamte szenische Erscheinungsbild war großartig. Bravo!   

Das Philharmonische Orchester des Staatstheaters Cottbus war den musikalischen Anforderungen, die Matthus an seine Musiker stellt, in hohem Maße gewachsen und wurde von Alexander Merzyn mit viel Gespür für die Feinheiten der Partitur souverän geleitet, immer getragen von dem Bemühen, das szenische Geschehen und die Deutlichkeit des Wortes zu bedienen.


Liudmila Lokaichuk als Effi Briest mit Carola Fischer als Roswitha (v.l.n.r.) – Foto: Marlies Kross

Liudmila Lokaichuk, eine junge russische Sängerin, war mit der Titelpartie betraut; sie – eine der Entdeckungen, die aus Matthus‘ Gesangswettbewerb auf Schloß Rheinsberg hervor-gegangen ist – rührte dem Komponisten wohl auch die Saiten; soll heißen: für sie schrieb Matthus diese Figur in der gesamten Vielfalt und Kompliziertheit des Charakters. Die Partie erfordert eine große Souveränität und stimmliche Leichtigkeit in der Höhe, aber eben auch glaubhafte theatralische Dramatik, die kurz vor Ende in durchaus dramatische Ausbrüche mündet. Und sie erfordert die Vielseitigkeit einer Frau, die vom recht jungen Mädchen bis zur gebrochenen Mutter reicht – eine komplizierte darstellerische Aufgabe. Frau Lokaichuk meisterte die gesanglichen Anforderungen mit bewundernswertem Bemühen, blieb allerdings darstellerisch der Figur einiges schuldig. Sie vermochte, obwohl Sympathieträgerin beim Publikum, als Persönlichkeit den Abend leider nicht zu tragen. Neben ihr gibt es, siehe oben, nur Episoden.

Sehr überzeugend Andreas Jäpel als Effis Ehemann Innstetten, Carola Fischer als Effis Vertraute Roswitha, Ulrich Schneider (mit profundem Bass!) als Effis Vater Briest, etwas oberflächlich sekundiert von Gesine Forberger als dessen Frau Luise, einprägsam Nils Stäfe als Geheimrat Wüllersdorf und sympathisch in Spiel und Gesang die drei Freundinnen der jungen Effi – Debra Stanley und Rahel Brede (die Kantorentöchter Bertha und Hertha) sowie Zela Corina Calita (als Pfarrerstochter Hulda). Zahlreiche kleinere Rollen waren mit weiteren Solisten und mehrfach auch aus dem Chor besetzt. (Choreinstudierung: Christian Möbius).

Anmerken möchte ich wenigstens, dass der Dramaturg der Aufführung (Bernhard Lenort), wenn er schon die Übertitel ständig zu spät einblendete, dem Publikum bei einer instruktiveren Gestaltung des Personenzettels hätte helfen können. Die Figuren eines so reichhaltigen Romanes nur in Kurzform (Vor- oder Nachname, ohne Titel oder Figuren-Konstellation) auf dem Zettel aufzuführen, noch dazu in einer Reihenfolge, die sein Geheimnis bleibt, verwirrt mehr, als es hilft. Prompt hat auch der Rezensent einer anderen renommierten online-Zeitschrift dem Briest eine falsche Gattin unterschoben…!

Das Publikum im nahezu ausverkauftem Staatstheater nahm das Werk durchaus mit Sympathie und Interesse auf, spendete am Ende herzlichen, wenn auch nicht besonders lang anhaltenden Beifall (sieben Minuten!). Der Komponist wurde zu Recht stürmisch gefeiert.

Werner P. Seiferth

STUTTGART/ Schaupielhaus: DER SATANARCHÄOLÜGENIALKOHÖLLISCHEWUNSCHPUNSCH von Michael Ende. Premiere

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Foto: Björn Klein

Premiere „Der Satanarchäolügenialkohöllischewunschpunsch“ von Michael Ende im Schauspielhaus/STUTTGART  (20.10.2019)

Irrlichter zwischen Tag und Mitternacht

 In der abwechslungsreichen Inszenierung von Patricia Benecke (Bühne: Monika Frenz; Kostüme: Gwendolyn Bahr) ging Michael Endes „Der Satanarchäolügenialkohöllischewunschpunsch“ sehr rasant über die Bühne. Es war Silvester und nur noch wenige Stunden bis Mitternacht. Der von Reinhard Mahlberg gewieft gemimte Prof. Dr. Beelzebub Irrwitzer hatte als geheimer Zauberrat das vorgeschriebene Jahressoll böser Taten noch nicht erreicht. Seine größte Angst war, dass sich alle Tiere der Welt zusammenschlossen und sich gemeinsam gegen die Menschen wehren würden. Doch von seiner „Höllischen Exzellenz“ wurde er vertraglich dazu verpflichtet, sein Pensum zu erfüllen. Aber Irrwitzer wusste nicht, wie er in so kurzer Zeit die Taten vollbringen sollte.

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Foto: Björn Klein

Da ging die Bühne hinauf und hinunter, die elektronischen Lichter flackerten unentwegt – und auch die Reise in die Eiswüste verlief sehr turbulent. Wie sollte man in so kurzer Zeit die vorgeschriebenen zehn Tierarten ausrotten, fünf Flüsse vergiften und eine Seuche in die Welt setzen? Das waren schwierige Fragen, die nicht so schnell gelöst werden konnten. Gabriele Hintermaier als giftige Tante und umtriebige Geldhexe Tyrannja Vamperl begeisterte die kleinen Zuschauer im Schauspielhaus, zumal das „Sodom- und Gomorrha“-Gymnasium für weitere erhebliche Turbulenzen sorgte. Eine entscheidende Wende kam dann durch den von Jannik Mühlenweg verschlagen gespielten Kater Maurizio di Mauro und den von Celina Rongen tempeamentvoll verkörperten Raben Jackie Krakel, die als Spione des Hohen Rats der Tiere die Pläne von Professor Irrwitzer und der verschlagenen Geldhexe vereitelten. Da ging dann auf der Bühne so richtig die Post ab: „Die Zukunft der Welt liegt in unseren Pfoten“.  Da half auch Amina Merai als „der heilige Sylvester“. Mit riesiger Glocke und überdimensionalem Kirchenportal wurde hier die scheinbar steinerne heilige Figur wieder zum Leben erweckt. Ein sehr guter Regieeinfall. Sie beschwor die heilige Melodie, die dann dem verrückten Professor und der exaltierten Geldhexe zuletzt mit Nebel und Rauchwolken den Garaus machte. Dazwischen sorgte auch noch ein grotesker Kampf zwischen Kater und Krähe für großes Vergnügen. Der Kater war zuvor von Professor Irrwitzer verwöhnt worden und hatte darüber seine Mission vergessen. Maurizio behauptete, aus einem uralten Rittergeschlecht aus Nepael zu stammen und ein berühmter Sänger gewesen zu sein, was ihm niemand wirklich abnahm. Amina Merai mimte auch gekonnt Maledictus Made, der als Abgesandter des Ministers der Äussersten Finsternis für erhebliche Unruhe sorgte. Die Geldhexe Tyrannja war fast 300 Jahre alt und schickte Irrwirtzer auf die teuersten Schulen. Jackie Krakel reizte die kleinen Zuschauer als arg zerrupfte Krähe zudem immer wieder zum Lachen: „Ach, du dicke Warze!“ Und Sankt Sylvester kam bei jedem Jahreswechsel auf die Erde, um nach dem Rechten zu sehen.

So hatte das verrückte Geschehen doch noch ein glückliches Ende gefunden und es gab ein „Happy End“. Die Inszenierung von Patricia Benecke überzeugte das begeisterte Publikum nicht nur mit ihrem Spielwitz, sondern auch aufgrund des optischen Einfallsreichtums. Riesenbeifall (Statisterie: Harry Bednarz, Wolf Liebermann). 

 

Alexander Walther        

GRAZ/ Opernhaus: DIE FLEDERMAUS. Premiere

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GRAZ/Opernhaus: DIE FLEDERMAUS. Premiere am 19.10.2019

DIE FLEDERMAUS
K(r)ampf im Boxring und Scheißhaus!


Foto: Werner Kmetitsch/ Oper Graz

Fledermaus rächt sich in der Bedürfnisanstalt – so titelte unmittelbar nach der Premiere die lokale Kleine-Zeitung in ihrer Nachtkritik. Ich hingegen halte mich bei meinem Titel an den aufgeführten Text und schreibe Scheißhaus – wie es eben in der Neuen Dialogfassung von David Gieselmann in einer Bearbeitung von Maximilian von Mayenburg heißt. Gefängnisdirektor Frank nennt sich selbst ausdrücklich Direktor dieses Scheißhauses. Der letzte Akt spielt also nicht in einem Gefängnis – es gibt nur Klozellen, in denen sich die Akteure übergeben und in denen Sexualpraktiken geübt werden. Frosch ist kein Gefängniswärter, sondern eine Reinigungskraft, die sich schon in der Pause im Foyer unter das Publikum gemischt hatte und sich selbst als Facility Manager des Opernhauses bezeichnet. Der renommierte Schauspieler und Kabarettist Adi Hirschal in und an  Wien verloren gegangen, wie er sich selbst bezeichnet – war mit dieser blass gezeichneten und unspektakulären Bühnenfigur arm dran. Kein Wunder, dass er diesen Auftritt auf seiner Website verschweigt

Foto: Werner Kmetitsch/ Oper Graz

https://www.deropernfreund.de/graz-12.html

 

Hermann Becke/ www.deroperfreund.de

14 weitere Vorstellungen bis Februar 2020 (mit wechselnden Besetzungen)

–  Kurzvideo als Vorschau (0:54)

MÜNCHEN/ Bayerisches Staatsballett: COPPÉLIA – Premiere

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Ensemble; (c) Serge Gherciu

München: Bayerisches Staatsballett:Premiere„COPPÉLIA“, 20.10.2019

Nach Yuri Grigorovichs „Spartacus“, Christian Spucks „Anna Karenina“ und George Balanchines „Jewels“ setzt das Bayerische Staatsballett mit „Coppélia“ in der Choreographie von Roland Petit (Bühne: Ezio Frigerio; Kostüme Ezio Frigerio, Franca Squarciapino) seine Serie bedeutender abendfüllender Ballette des 20. und 21. Jahrhunderts fort. Zuerst wurde „Coppélia“, die Geschichte um ein geheimnisvolles, schönes Mädchen, in das der junge Franz zum Ärger seiner Verlobten Swanilda verliebt ist, das sich aber später als leblose Puppe erweist, 1870 als romantisches Ballett von Arthur Saint-Leon zur wunderschönen Musik von Léo Delibes choreographiert. 1884 schuf Marius Petipa eine Version im rein klassischen Stil mit großem Hochzeitsdivertissement am Ende. Roland Petit konzentrierte sich in seiner Produktion von 1975 mehr auf die Dreiecksbeziehung der Protagonisten Swanilda, Franz und Coppélius, ohne das Ballett jedoch dramatisch zu überfrachten und seinen leichten, unterhaltsamen Charakter zu zerstören. Die Geschichte spielt vor einer Kaserne in Galizien. Junge, fesche Soldaten flirten mit eleganten, lebenslustigen jungen Mädchen, darunter Swanilda und ihre Freundinnen. Franz, eigentlich mit Swanilda verlobt, schwärmt für Coppélia, die „Tochter“ des extravaganten, skurrilen älteren Herrn Coppélius, der sich eine Puppe nach dem Ebenbild Swanildas geschaffen hat, in die er aussichtslos verliebt ist. Das ganze Ballett ist eine Mischung aus Lebenslust, Eleganz, Koketterie und Liebe auf der einen Seite gepaart mit Melancholie und dem Verlust von Illusionen und Träumen auf der anderen Seite. Das alles unterhaltsam erzählt durch eine sprechende, sehr leicht aussehende, aber durchaus kompliziert zu tanzenden Choreographie, die den Tänzern ihr ganzes Können abverlangt.

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Virna Toppi und Luigi Bonino; (c) Wilfried Hösl

Virna Toppi, neue Erste Solistin beim Bayerischen Staatsballett, präsentierte sich in der Rolle der Swanilda. Sie meisterte die Partie technisch souverän und zeigte eine strahlende selbstbewusste Persönlichkeit. Ihr Partner als Franz war der Brasilianer Denis Vieira, ebenfalls erst seit dieser Saison in München. Er gefiel durch seine sehr angenehme, sympathische Ausstrahlung, sein frisches Spiel und seine solide Technik. In den letzten drei Jahren tanzt die Company jedoch auf so hohem Niveau und hat dem Publikum so viele herausragende Solisten-Persönlichkeiten präsentiert, dass der Auftritt von VirnaToppi und Denis Vieira die Erwartungen an eine Premierenbesetzung nicht ganz erfüllte. Beiden fehlte es ein wenig an dem besonderen Esprit, der spektakulären Technik und der mitreißenden Dynamik, durch die sich die DanseursÉtoiles von den übrigen Mitgliedern und Solisten der Company abheben sollten. So unterschied sich VirnaToppi von der Ausstrahlung her recht wenig von ihren höchst charmanten Freundinnen Carollina Bastos, Marina Duarte, Margarita Grechanaia, Tomoka Kawazoe, Antonia McAuley und Vera Segova. Luigi Bonino, langjähriger Tänzer und Assistent von Roland Petit, der auch für die Einstudierung des Balletts in München verantwortlich ist, tanzte die Rolle des Coppélius wunderbar elegant, mit einem gehörigen Schuss Ironie und Humor, aber auch mit Melancholie und Traurigkeit. Sein vom Champagner inspirierter Tanz mit Puppe Coppélia im zweiten Akt zur herrlichen Walzer-Musik von Léo Delibes gehörte zu den Höhepunkten des Abends. Das Bayerische Staatsorchester unter Anton Grishanin brachte an diesem Abend eine hervorragende Leistung. So mitreißend, engagiert und voller Spielfreude hört man die Musiker selten in einer Ballettvorstellung. Was doch die persönliche Anwesenheit des Intendanten so alles ausmachen kann!

Gisela Schmöger

 

BERLIN/ Deutsches Theater: DON QUIJOTE. Deutsche Erstaufführung der Fassung von Jakob Nolte

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Wolfram Koch und Ulrich Matthes. Foto: Arno Declair

Berlin/ Deutsches Theater:DON QUIJOTE“, Deutsche Erstaufführung der Fassung von Jakob Nolte, 20.10.2019

„Don Quijote“, geschrieben von Miguel de Cervantes Anfang des 17. Jahrhunderts, ist offenkundig nach wie vor hochaktuell. Immer wieder greifen Theater und Opern nach diesem Stoff, um ihn in Szene zu setzen. Warum wohl?

Vielleicht weil viele oder alle ihn schon erlebt haben, diesen „Kampf gegen Windmühlen“, den vergeblichem Versuch zur Verwirklichung eigener Träume oder das gescheiterte Bemühen um etwas Vernünftiges, das von anderen torpediert wird. Dennoch schmunzeln wir einigermaßen verwundert über die Fantasiewelten, in die sich nicht nur Don Quichote, sondern bald auch der bodenständige Sancho Panza flüchtet.

Picasso hat ihn gemalt, diesen Möchte-Gern-Ritter, der auf der klapprigen Rosinante, die Lanze in der Hand und den dicklichen Sancho zu seinen Füßen vorbei an nur winzigen Windmühlen der strahlenden Sonne entgegen reitet. Einer, der das triste Jetzt besiegt hat und uns empfiehlt: „Ohne zu sehen, müsst Ihr glauben, müsst Ihr bejahen, bekennen, beschwören, verfechten.“ Heutzutage eine radikale und nicht unumstrittene Forderung.

Aber nun ganz real – wo ist denn das Pferd? In der Deutschen Oper Berlin, die Ende Mai 2019 den  „Don Quichotte“ von Jules Massenet aufführte, schlüpfte der Bassbariton Seth Carico  als Sancho Panza in ein Pferdekostüm inklusive Kopf und schleppte den durchaus stattlichen Ritter (Alex Esposito) auch noch kräftig singend über die Bühne.

Dermaßen mühen muss der ebenfalls kraftvolle Wolfram Koch im Deutschen Theater Berlin erstmal nicht. Als Sancho Panza kehrt er – in der Regie von Jean Bosse – zunächst die komischen Seiten dieses Typen heraus und kurvt mit dem hageren Ulrich Matthes (Don Quichote) im Einkaufswagen, munter und ins Horn blasend, über die Bühne.

Also „auf in den Kampf“, koste es was es wolle, und hinein in die weite wüstenartige Hochebene La Mancha, in der im Sommer die Sonne flirrt und sich Fata Morgana ähnliche Fantasiebilder leicht entwickeln können. Zumal wenn im Einkaufswagen, wie sich später herausstellt, nicht viel Ess- und Trinkbares enthalten ist.

Matthes, diesem Gefährt entstiegen, fuchtelt mit langer Lanze dicht über die Köpfe der vorne Sitzenden hinweg, während Koch sich mehrmals krachend auf den Boden klatscht, um sofort einzuschlafen, falls er nicht gerade Nebel versprüht.

Der dünne Don Quichote scheint keine Ruhepause zu benötigen, ständig blickt er mit großen, erwartungsvollen Kinderaugen umher, lauscht auch mal fernen Klängen (Musik: Arno  Kraehahnder). Der hat – wie sein Alter Ego bei Cervantes – zu viele Rittergeschichten gelesen. Nun will auch er Feinde entdecken und glorreich besiegen.

Ist diesem Zarten, gekleidet in Jeans, einem weißen Gewand, darüber ein Kettenhemdchen und mit blütengeschmücktem Aluhut auf dem Kopf ( Kostüme: Kathrin Plath) solches überhaupt zuzutrauen?

Der wirkt doch eher wie einen Wiedergänger der kalifornischen Blumenkinder. Laut Cervantes will dieser selbsternannte edle Ritter die Feinde wortwörtlich scharenweis’ töten, um sie als Trophäen der von ihm angebeteten Dulcinea von Toboso zu Füßen zu legen, die hier übrigens niemals erscheint. Andererseits betont er jedoch, dass er seine Mitmenschen gegen das Böse verteidigen und  ein neues Goldenes Zeitalter herbeiführen will.

Wie dem auch sei – Ulrich Matthes und Wolfram Koch, diesen beiden singulären Schauspielern, glaubt das Publikum zu Recht einfach alles, muss sich aber auch voll auf den fein gesponnenen und einfühlsam gesprochenen Text von Susanne Lange konzentrieren. Ähnlich wie vor Jahren in Samuel Beckets „Endspiel“, das beide großartig gestaltet haben.

Nun überzeugen sie gleichermaßen und haben im Sommer bereits bei den Bregenzer Festspielen begeistert, denn zwei besondere Könner sind am Werke.

Matthes bringt Cervantes’ Gedanken träumerisch-poetisch mit einigen kraftvollen Ausbrüchen. Koch setzt die Stimme der Vernunft dagegen, oft eher derb volksnah und mit Berliner Zutaten, später aber zunehmend nachdenklich.

Anfangs redet sich Sancho, der Realo, jedoch vergeblich den Mund fusselig, dass die von seinem Meister verehrte Dulcinea keine Schlossherrin, sondern nur eine simple und derbe  Schafhirtin ist. Und dass die anrückenden Feinde nur Schafe und Ziegen oder Windmühlen seien, mit deren kreisenden Flügeln Don Quichotte bekanntlich ungute Bekanntschaft macht.

Sancho bandagiert ihm das stark lädierte Ohr und gibt ihm einen neuen Namen: Ritter von der traurigen Gestalt. Der akzeptiert das, beklagt sich ansonsten aber über Sanchos ständigen Redefluss. Dennoch werden sie zu Freunden, die redend den Entbehrungen Stand halten und trotz aller Rückschläge immer wieder zu neuen sonderbaren Taten bereit sind.

Es ist auch nicht nur die vom Ritter versprochene Insel, die Sancho gouvernieren will, die ihn daran hindert, zu Frau und Kindern zurückzukehren. Längst ist auch dieser Handfeste dem Zauber der Fantasie erlegen. Er weiß, dass der Ritter verrückt ist, nimmt das hin und bleibt stets beim respektvollen „Sie“. Trotz aller Streitereien werden sie Freunde. Einer ohne den anderen – das geht in der Mancha gar nicht. Vertrauensvoll benutzt Sancho auch mal die Schulter seines Herrn als Ruhekissen.

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Wolfram Koch (rechts) hüllt Ulrich Matthes in Nebel. Foto: Arno Declair

Daher spannt sich der kräftige Sancho auch immer wieder wie ein Gaul vor einen großen Holzkasten (Bühne: Stéphane Laimé) und zerrt den darin befindlichen Ritter über die Bühne, klettert auch mal behände hinauf, um nach neuen „Aventuren“ Ausschau zu halten.

Als  Kneipe dient dieses Möbel ebenfalls und so als Ort einer nicht gezeigten Prügelei zwischen dem Ritter und den dort Saufenden. Wieder muss Sancho die Wunden pflegen, und gegen den Schmerz nützt auch der eklige, selbst gemixte Wundertrank nichts, den beide gierig trinken und hinterher wieder auskotzen.

Diese drastische Beigabe ist nur ein kleines Füllsel. Weit amüsanter gelingt der Abstieg des Ritters in eine Höhle, da Koch ihn mit einem langen Seil sichert. Mit dem rennt er durch den ganzen Saal und zieht schließlich seinen Herrn wieder hinaus, der von wundersamen Erlebnissen erzählt.   

Eingefügt ist auch eine Szene, in der vor allem Sancho jubiliert: Über den großen Erfolg des ersten Romanteils, den Cervantes 1605 im Gefängnis geschrieben hatte. Schon damit wurden die beiden, also auch er, der einfache Bauer, in ganz Spanien bekannt. Tatsächlich wurde das Buch den Händlern aus den Händen gerissen. Den zweiten Teil schrieb Cervantes 10 Jahre später.

Die letzten Begebenheiten werden in dieser Aufführung abgetrennt, und das stört doch ein wenig. Sancho hat wider Erwarten doch seine Insel bekommen, hält eine Rede an sein imaginäres Volk und benutzt dazu genau die Sätze des Ritters. Um dann sehr ernüchtert festzustellen, dass der Erfüllung aller Wünsche nur noch der Tod folge.

Geschwind verzichtet er auf das Eiland und kümmert sich stattdessen liebevoll um seinen tatsächlich im Sterben liegenden Herrn. Wie ein Kind bettet er ihn ganz behutsam auf den Boden und wacht bei ihm bis zum letzten Atemzug. Vorbei sind alle Träume, die Realität ruft. Nach einer Denkpause belohnt das Publikum mit starkem Beifall Ulrich Matthes und Wolfram Koch, diese beiden einmaligen Interpreten.  

Ursula Wiegand 

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