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HAMBURG/ Staatsoper: LOHENGRIN

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Foto: Arno Declair/ Hamburgische Staatsoper

Lohengrin – Hamburgische Staatsoper, 26.12.2019

Es sind nicht nur musikinteressierte oder auch musikbegeisterte Laien, die die Instrumentierung von Wagners „Lohengrin“ immer wieder mit der von Verdis „Aida“ vergleichen. Zugegeben, die hohen und flirrenden Violinen verlocken zu diesem Vergleich und gleichermaßen auch die Herausforderungen an die solistischen Trompeten. Aber wie so viele Vergleiche, ist auch dieser an den Haaren herbei gezogen.

Und dennoch musste ich gestern Abend in der Hamburgischen Staatsoper immer wieder daran denken, denn so fein gesponnen, wie unter der Leitung von Kent Nagano, habe ich bei „Lohengrin“ schon lange kein Orchester spielen gehört. Mit kleinsten Gesten führt er die Musiker und gibt den Sänger, Solisten wie Chor, präzise ihre Einsätze. Den einmal aufgebauten großen Bogen können die Musiker unter der Leitung ihres GMD den ganzen Abend durchziehen. Bedauerlich, dass die hauchzarten Piani im Vorspiel zum ersten Akt durch zahllose ungezügelte Hustenattacken zerstört werden.

Die Inszenierung von Peter Konwitschny hatte im Jänner 1998 die Premiere, unumstritten ist sie auch in der gestrigen 46. Aufführung noch immer nicht. Und ja, wer sich einen Ritter mit Helm und Rüstung, ein wortwörtliches Ufer der Schelde oder traditionelle Heerscharen erwartet, der sollte den Besuch dieser Inszenierung in der Tat meiden. Konwitschny bürstet das Libretto gegen den Strich, seziert den Text und sucht nach Inhalten und Hintergründen. Das Ergebnis, bis auf das letzte Bild spielen alle Szenen in einer Schulklasse, muss traditionsbewussten Wagnerianern nicht zusagen. Wer aber bereit ist, sich auf das Konzept ohne Vorurteile und Vorbehalte einzulassen, erlebt einen spannenden Opernabend.

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Simone Schneider, Tanja Ariane Baumgartner und Wolfgang Koch. Foto: Arno Declair

Das gelingt vor allem auch dank zumeist ausgezeichneter Singschauspieler. Dass bei der Intensität der Interpretation, da und dort und manchmal die Schönheit des Gesanges leidet, stört vielleicht Puristen. Über die Stimme von Klaus Florian Vogt lässt sich wohl stundenlang diskutieren, vielleicht auch streiten. Er ist ganz sicher kein Sänger in der Tradition eines Max Lorenz und es fehlt ihm am Volumen eines Hans Beirer; und im ersten Akt wirkte er an diesem Abend auch uneingesungen. Was er aber im 3.Akt bot, das war eine annähernd perfekte wagnersche Italianita. Im Duett mit Elsa und abschließend in der Gralserzählung entspricht sein helles Timbre ideal. Nicht ganz glücklich werden konnte man mit der Elsa von Simone Schneider, vor allem wegen ihrer scharfen Höhen. Aber wie sie die mädchenhafte Figur umsetzt, das zeigt hohe Qualität. Als Heerrufer überzeugt Andrzej Dobber in jeder Phase; Christof Fischesser ist ein blasser König Heinrich, was nicht nur an der Inszenierung liegt. Absolut rollendeckend besetzt mit Mitgliedern des Opernstudios sind die vier Edlen; als vier Edeldamen dürfen sich vier Chorsolistinnen beweisen.

Mit voller Absicht stehen Ortrud und Telramund erst an dieser Stelle des Berichtes. Diesem Paar gebührt an diesem Abend ohne wenn und aber die Krone. Warum Tanja Ariane Baumgartner an der Wiener Staatsoper bisher nur ein einziges Mal (als Einspringerin als Brangäne) auftreten konnte, ist eines jener Rätsel, deren Lösung wohl nur die Direktion weiß. Ihr Rollendebut als Ortrud hat sie vor ein paar Jahren in dieser Inszenierung gegeben und hat sie zwischenzeitlich in jeder Weise perfektioniert. Man kann es kaum anders formulieren – ihre Ortrud ist eine in Wort und Ton übereinstimmend wahrhaftige Interpretation der Rolle. Eine Idealbesetzung für den Telramund ist Wolfgang Koch. Getriebener Intrigant und Bösewicht einerseits, vom Schicksal getroffener andererseits – in (schauspielerischem) Ausdruck und nuancenreicher Stimme setzt er alle Facetten der Partie um. Es hieße Eulen nach Athen tragen, seine Vorzüge weiter auszubreiten.

In Bachs „Weihnachtsoratorium“ in der Choreographie von John Neumeier am Tag davor konnten weder Chor noch Orchester wirklich überzeugen. Welch hervorragende Musiker in diesen beiden Gruppen singen und spielen, stellten sie bei „Lohengrin“ unter Beweis. Und auch, dass sie im wahrsten Sinn des Wortes jedem Fingerzeichen ihres GMD folgen.

Wer sagt, dass die Hamburger kühl reagieren ? Schon bei den Vorhängen nach dem 1. und 2. Akt und noch mehr beim Schlussapplaus fühlte ich mich in ein Popkonzert versetzt. Beifallsstürme und Bravorufe kennt der Opernbesucher aus Wien, auch begeistertes Getrample ist nicht mehr ganz fremd. Aber jubelndes Gekreische und Johlen aus dem Mund von Menschen, die das Teenageralter sichtlich einige Zeit hinter sich gelassen haben, hat der Chronist noch nicht erlebt. Und in Summe war der Jubel überaus berechtigt.

Michael Koling


MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: THE SNOW-QUEEN Hans Abrahamsen. Entzaubertes Märchen

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München: “The Snow Queen” von Hans Abrahamsen – Bayerische Staatsoper 26.12.2019 – Entzaubertes Märchen

Wer ein die Herzen wärmendes, poetisches Weihnachtsmärchen erwartet hat, wird von dieser Snow Queen, der Schneekönigin, sicher enttäuscht sein. Ebenso, wer eine psychoanalytisch tiefschürfende Interpretation des Stoffes nach dem Kunstmärchen von Hans Christian Andersen erwartet hat. Regisseur Andreas Kriegenburg entzaubert das Märchen indem er es in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung eines ziemlich heruntergekommenen Krankenhauses spielen lässt. Sein zentraler Gedanke: Die Heilung eines schwer psychisch kranken Mannes – Kay – durch die Liebe einer Frau. „Wir sehen an diesem Abend die Geschichte einer Frau, die ihr eigenes Leben für ihren Partner opfert. Die ihn tagtäglich besucht, obwohl er nicht mehr reagiert. Wir sehen die Unbedingtheit ihrer Liebe. Und am Ende sehen wir auch, dass dieses Beispiel auch auf andere abfärbt.“ Den Topos von der aufopferungsvollen Frau kennt man aus Opern des 19. Jahrhunderts zur Genüge – Gilda, Liu, Brünnhilde, um nur drei zu nennen. Dass dies nun zum zentralen Gedanken einer Oper des 21. Jahrhunderts wird, verwundert doch etwas.

Dieser Gedanke allein würde auch nicht über die gut zwei Stunden Spielzeit (mit Pause) tragen, wenn sich nicht im Bühnenbild von Harald B. Thor und mit den teils realistischen, teils fantasievollen Kostümen von Andrea Schraad doch noch ein vielschichtigeres Spiel entwickeln würde, das auch andere Aspekte aus Andersens Märchen berücksichtigt.

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Poesie des Infusionsständers: Gerda (Barbara Hannigan) trifft auf die Waldkrähe (Kevin Conners)         © Wilfried Hösl

Das zentrale Element der Bühne ist sicher der Schnee. Er rieselt aus großen Walzen nahezu unaufhörlich und bedeckt die Bühne mit einer knöcheltiefen Schicht. Im Laufe von Gerdas Suche nach Kay öffnet sich die Bühne immer tiefer, bis sie schließlich den Blick auf einen Seziersaal freigibt. Die Schneekönigin tritt hier als Pathologe auf, der ultimative Schrecken, der einen Menschen ereilen kann. Hier sind dann Kay und Gerda mit ihren beiden Doubles auf der Bühne und es findet eine wechselweise Wiedererweckung statt – oder vielleicht auch eine endgültige, ewige Vereinigung im Tod. „Ewigkeit“ ist schließlich das perfekte Wort, das Kay finden sollte.


Das Reich der Schneekönigin: der Seziersaal in der Pathologie. Im Vordergrund Barbara Hannigan als Gerda. Dahinter Rachael Wilson als Kay und in der Mitte am Seziertisch der Schauspieler Thomas Gräßle als Kay Double         © Wilfried Hösl

Schnee ist auch die Keimzelle der Musik. Der 1952 geborene dänische Komponist Hans Abrahamsen widmete ihm schon 2008 einen einstündigen Kammermusikzyklus, der als Keimzelle für die Oper gesehen werden kann. Abrahamsens Musik beschwört die Natur mit Klangbildern, die sich vom Einfachen – wenige hohe Instrumente zu Beginn – zum rhythmisch und instrumentell immer Komplexeren steigern. Ein anschwellender Klangteppich entsteht, der Sogwirkung entwickeln kann, im zweiten Akt aber durchaus auch Längen hat, die ausgerechnet in der Szene mit Waldkrähe und Schlosskrähe zu musikalischer Langeweile führen. Hier hätte ein etwas dramatischerer Zugriff dem Werk gutgetan.

Die Singstimmen sind in den Klangteppich eingebettet, treten nur manchmal hervor und nur an zwei Stellen gibt es ariose Elemente: zu Beginn, wenn Gerda die Geschichte vom zerbrochenen Spiegel erzählt und im 3. Akt, wenn das Rentier einen Monolog hält.

Interessant ist die Besetzung der Schneekönigin mit einem Bass. Peter Rose hat in diese Rolle leider nicht sehr viel zu singen, aber es gelingt ihm sofort die Ambivalenz dieser Figur spüren zu lassen: eine samtige Stimme, die trotzdem Kälte und Gefahr hörbar macht. Eine Art Erlkönig, verführerisch und gefährlich zugleich, bringt er auch einen pädophilen Aspekt in die Oper, vielleicht die Ursache für Kays Erkrankung. Der Komponist hat vorgesehen, dass auch die Rolle des Rentiers und der Uhr am Ende von demselben Sänger gesungen werden. Als Rentier sorgt Peter Rose für Heiterkeit im Publikum, wenn er das zum Schlitten umfunktionierte Krankenhausbett mit den Kinder-Doubles von Kai und Gerda davonzieht. Die bewegendste Szene aber hat er am Ende, wenn das Ticktick der Uhr zum Trauergesang eines älteren Mannes über den Tod seiner Frau wird.

Auch für die Rollen von Großmutter, Alter Frau und Finnenfrau hat der Komponist nur eine Sängerin vorgesehen. Katarina Dalayman, dem Münchner Publikum noch als Walküren-Brünnhilde von 2013 im Gedächtnis, ist ins tiefere Fach gewechselt und leiht den drei Mutterfiguren ihre warme Stimme. Am eindrucksvollsten ist sie als alte Finnenfrau im Duett mit dem Rentier.

Barbara Hannigan als Gerda gibt eine beeindruckende sängerische und schauspielerische Leistung ab. Der Komponist hat ihr die Rolle auf den Leib, bzw., die Stimme geschrieben, allerdings liegt sie dafür dann doch erstaunlich tief. Hannigan meistert diese tiefen Passagen ebenso wie die extremen Höhen. Ihre eher kühle, vibratoarme Stimme und Rachael Wilsons schöner, warmer Mezzo klangen wunderbar zusammen. Das Schlussduett zwischen Gerda und Kay ist ergreifend schön.

Eine beeindruckende Leistung bietet der Schauspieler Thomas Gräßle, der als Kays Double ständig auf der Bühne ist.

Als Prinz und Prinzessin konnten Dean Power und Caroline Wettergreen in leider nicht sehr großen Rollen überzeugen. Wettergreen mit mühelosen Spitzentönen einer sehr warm klingenden Stimme, Powers mit schönem lyrischem Tenor. Als Waldkrähe fühlte sich das Ensemble-Urgestein Kevin Conners hörbar wohl und konnte auch seine Spielfreude unter Beweis stellen. Ebenso der britische Countertenor Owen Willetts als Schlosskrähe.

Auch der Chor der Bayerischen Staatsoper zeigte nicht nur die übliche Stimmkraft sondern auch eine große Spielfreude. Die Mitglieder durften als Chirurgen mit schwarzen Masken die Vorboten der Schneekönigin spielen oder als Krankenschwestern mit Flügelhauben die Engel, die Gerda beschützen.

Cornelius Meister leitet das Bayerische Staatsorchester in dieser Erstaufführung in englischer Sprache – die Uraufführung auf Dänisch war im Oktober 2019 in Kopenhagen. Er sorgt dafür, dass die kleinen und kleinsten Motivpartikel nicht auseinanderdriften, sondern sich zu einem oszillierenden Ganzen fügen. Ein bisschen mehr dramatischen Impetus hätte die hochkomplexe Partitur noch vertragen.

Susanne Kittel-May

PS:
Einblick in die von Abrahamsen angewandte Komponiertechnik gibt es hier auf der Website der Bayerischen Staatsoper unter der Überschrift “ The Snow Queen – Eine Reise durch die Komposition“.

 

WIEN/ Volksoper: Ballett COPPELIA – ein wohltuendes Märchenspiel

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Abschiedsvorstellung von Gabor Oberegger). Gabor Oberegger mit Nikisha Fogo. Foto: Wiener Staatsballett/ Ashley Taylor

Wiener Volksoper:

„COPPÉLIA“, 27.12. 2019– ein wohltuendes Märchenspiel

Dieses Püppchen aus Paris aus dem Jahr 1870, auf alt gestylt noch dazu, passt sehr gut in die Wiener Volksoper. Léo Delibes´ Musik zu „Coppélia“ oder „Das Mädchen mit den Emailaugen“ entzückt mit ihrem Melodienreigen. Die Choreographie von Pierre Lacotte, Meister mit Retroblick in der Aufbereitung romantischer Ballette, lässt in dieser Geschichte frei nach E.T. A. Hoffmanns „Der Sandmann“ vielleicht nicht viel Spannung aufkommen, führt aber recht gefühlvoll in das jugendliche Treiben in einem galizisches Städtchen und in das Haus des Puppenmachers Coppelius mit dessen Automatenmenschen. Gabor Oberegger mimt voll überzeugend diesen alten Sonderling präsent konturiert in der Pantomime und mit spielerischer Hingabe. Und es ist Obereggers, einer der allerletzten Wiener im Wiener Staatsballett, ein Vierteljahrhundert dessen Mitglied, letzter Auftritt gewesen. Nikisha Fogo, besonders munter, und Richard Szabó tanzen sich als Swanilda und Franz in den Mittelpunkt, und Dirigent Lorenz C. Aichner steuert die große Mazurka, Automaten- und Stundenwalzer und den Hochzeitszug für die hier in dieser altväterlichen Fassung nicht allzu geforderte Kompanie. Somit: Delibes´ Melodien wohlig im Ohr und gute Stimmung im Haus.

 

Meinhard Rüdenauer

WIEN/ Staatsoper: HÄNSEL UND GRETEL

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Margaret Plummer (Hänsel). Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

WIEN/ Staatsoper: HÄNSEL UND GRETEL am 27.12.2019

 Zum 18.Mal wurde die bekannteste Humperdinck-Oper in der aktuellen Produktion von Adrian Noble aufgeführt. Sie hatte im November 2015 Premiere und mauserte sich seitdem zu einem fixen Bestandteil des vorweihnachtlichen Repertoires. Und mit was? Mit Recht!!! Noble gelang eine wunderbar atmosphärische Inszenierung, erzählt das Stück (und interpretiert es nicht als ein Drama einer „poor white trash“-Familie – obwohl das durchaus möglich wäre – das Libretto von Adelheid Wette (übrigens die Schwester von Humperdinck) gibt durchaus diese Interpretationsmöglichkeit her) und irritiert niemanden. Was man vielleicht ankreiden muss – es ist alles ein wenig zu brav geworden. Ausdrücklich möchte ich Andrzej Goulding erwähnen, dessen Videos zum Erfolg der Aufführung beitrugen.

An diesem Abend gab es einige Rollendebüts und kleinere (technische) Hoppalas. Zuerst zu den letzteren – der Krug im ersten Akt zersprang nicht (was dann etwas komisch anmutete, wenn darüber gejammert wurde, dass eben dieser in Scherben lag), und dann konnte die Tür zur elterlichen Hütte nicht verschlossen werden, was zu einigen Irritationen bei den Sängern beitrug, diese aber routiniert umschifft wurden.

Boaz Daniel war ein sehr solider, sprachdeutlicher Peter Besenbinder, der sehr gut mit seiner zänkischen Frau Gertrud harmonierte. Diese wurde von der Rollendebütantin Stephanie Houtzeel überzeugend interpretiert. Durch die Tatsache, dass Houtzeel nicht ganz fit war, sprach ihre Stimme bei den tiefer gelegenen Tönen nicht so gut an, wie man es von ihr gewohnt ist. Das obere Register war makellos.

Ein weiteres Rollendebüt bestritt Ileana Tonca – sie ist dem Haus schon seit einer gefühlten Ewigkeit verbunden und als Sandmännchen und Taumännchen kann sie in ihrer Biographie Rollen Nummer 64 und 65 an der Staatsoper verbuchen, wobei sie eine soliden, aber keine außergewöhnlichen Eindruck hinterließ. Als Sandmännchen war sie überzeugender.


Monika Bohinec (Hexe). Foto: wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Monika Bohinec scheint aktuell als „Hexe von Dienst“ zu fungieren und ist daher sehr beschäftigt. Neben der Knusperhexe tritt sie auch in Persinette auf. Auch sie erweckte den Eindruck, nicht ganz gesund zu sein, trotzdem erhielt sie nach ihrem „Hexenritt“ Beifall (bis zum Schlussapplaus hielt sich das Publikum bei den anderen Künstlern zurück). Es gab im Auditorium auch viele Kinder, die, nachdem die Hexe in den Ofen gestoßen wurde (es wäre dabei interessant ob die Justiz die Tat der Kinder als Mord, Notwehr oder Notwehrüberschreitung abhandeln würde.) heftig akklamierten!

Andrea Carroll (Rollendebüt als Gretel) und Margaret Plummer als Hänsel spielten, tanzten und sangen sich durch den Abend. Im Zusammenspiel merkte man, wie gut geprobt worden war, da passte alles sehr gut. Was auffiel war, dass beide stimmlich sehr ähnlich liegen und es oft schwer zu unterscheiden war, wer gerade sang. Insgesamt beide sehr solide, wobei Carroll einen nachhaltigeren Eindruck hinterließ.

Nach einer Rusalka-Serie vor zwei Jahren kehrte Tomás Hanus wieder an die Staatsoper zurück. Ihm ist es zu verdanken, dass an diesem Abend das Staatsopernorchester den insgesamt besten Eindruck hinterließ. Die Zwischenspiele zeigten, wie nahe Engelbert Humperdinck an der Musik Richard Wagners ist – nicht einmal hatte ich das Gefühl, immer wieder Sequenzen zu hören, die ohne Problem in Opern des RW passen. Zudem unterstützte er die Sänger perfekt, nahm das Orchester zurück wenn notwendig, scheute sich aber auch nicht einen spätromantischen Klangteppich weben zu lassen, wenn es adäquat zu sein schien.

Der Kinderchor der Wiener Staatsoper (Leitung Johannes Mertl) war bezaubernd und trug seinen Teil zum Gelingen des Abends bei. Der Schlussapplaus war sehr freundlich, aber sehr, sehr kurz.

Kurt Vlach

 

BERLIN/ Deutsche Oper: NABUCCO

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Foto: Bernd Uhlig

BERLIN / Deutsche Oper: NABUCCO, 27.12.2019

 

Großer Verdi Abend an der DOB; der junge mongolische Bariton Amartuvshin Enkhbat triumphiert in der Titelpartie

 

Wer hätte das gedacht? Eine Repertoirevorstellung an der Deutschen Oper Berlin zu Jahresende wird zu einer der beglückendsten Berliner Opernerfahrungen des ablaufenden Jahres. In der 40. Vorstellung seit der Premiere am 8. September 2013 bildet Keith Warners Inszenierung, optisch im Industriezeitalter des 19. Jahrhunderts angesiedelt, mit all den Druckmaschinen, Eisenleitern und schweren Metallmauern noch immer einen dramaturgisch brauchbaren Rahmen für diesen frühen Verdi mit ihrer „immensen, ungezähmten, brutalen und wilden Energie des Lebens.“ 

 

Vor allem aber ist musikalisch und sängerisch von einem ereignisreichen Abend zu berichten. Das beginnt mit dem italienischen Dirigenten Carlo Montanaro, der das Orchester der Deutschen Oper Berlin zu einer Spitzenleistung animiert. Die Partitur des Nabucco ist wohl diejenige, die von den frühen Werken dem genialen Wurf des „Macbeth“ wohl am nächsten steht. In diesem Werk um die Hybris eines sich zum Gott erhebenden babylonischen Herrschers steht am Ende dessen Bekehrung und Verzeihen. Das Orchester muss also die wilden mit Trompeten, Pauken und archaischen Rhythmen brüllenden Eifersüchteleien und den Machtrausch der Abigaille genau so effektvoll unterlegen können wie die zärtlichsten Piani – Arie des Nabucco im vierten Akt und die Schlusssequenz „Ah, torna Israello“. 

 

Montanaro vermag vor allem mit einer ausgetüftelten Temporegie zu überzeugen. Neben lyrisch blühenden Bögen drückt er bei all den Strettas und knackigen Ensembleszenen ordentlich aufs Gas. Das erzeugt eine beeindruckenden Binnenspannung, wirkt aber dennoch dank gekonnt gesetzter Rubati nie banal. Zu einem kammermusikalischen Wunder meilenweit abseits aller Umtata-Banaliät gerät sogar der ach so abgedroschene Gefangenenchor „Va pensiero, sull‘ali dorate“, den Montanaro ganz leise klangvoll mit dem gestern auch bestens disponierten Chor der Deutschen Oper Berlin als delikat intimes Stück serviert. Der Schlussakkord lässt Montanaro a cappella lange nachhallend im Raum stehen. 

 

In der Titelpartie war der mongolische Bariton Amartuvshin Enkhbat zu hören. Wir haben es hier endlich wieder einmal mit keinem Kavaliersbariton, der sich dramatisch aufplustert, zu tun, sondern Enkhbat ist ein heldisch disponierter genuin im italienischen Fach verankerter Bariton, der für Partien wie Rigoletto, Luna oder eben Nabucco alle Vorzüge bietet, die diese Rollen verlangen: Dramatischer Biss, „unendliche“ Höhe, männliche Tiefe, Samt in der Mittellage, füllige Piani und über allem ein stilistisch treffsicheres, elegantes Phrasieren. Die Wandlung vom königlichen Monster zum menschlich anteilnehmenden Zeitgenossen gelingt ihm sowohl darstellerisch als auch mit bloßen Mitteln der Farb- und Tongebung seiner überaus wohlklingenden Stimme mehr als überzeugend. Seit den Tagen Renato Brusons am Zenit seiner Kunst habe ich nicht mehr solch eine Verdi-Stimme, bei der noch dazu jedes Wort verständlich artikuliert ist, gehört. 

 

Kaum weniger beeindruckend war Anna Pirozzi in der eigentlich unsingbaren Partie der Abigaille, Sprössling des Nabucco mit einer Sklavin. Die wunderbar individuell timbrierte dramatische Sopranistin begeht dabei nicht den Fehler, die wohl längste Partie der Oper durchzubrüllen – wie andere das tun – sondern bemüht sich um Ausdruck, gestaltet Piani (wo sie hingehören) und beeindruckt auch mit einer sinnvollen Ausstattung der vielen vertrackten Verzierungen, gewaltigen Intervallsprünge und Ensembles mit dem punktgenau passenden affektiven Gehalt. Ein paar Schärfen in der extremsten Höhe (welche Abigaille-Interpretin hatte die nicht?) fallen angesichts solch einer insgesamt grandiosen Gesangsleistung kaum ins Gewicht. Sie durfte am Ende auch den größten Bravo-Jubel beim Solovorhang einheimsen. 

 

Ihre Halbschwester und Gegenspielerin in Liebessachen Ismaele war mit der mädchenhaft wirkenden Jana Kurucová goldrichtig besetzt. Kurucová ist keine Abigaille II, sondern konnte mit ihrem schön timbrierten, hell-höhenlastigen Mezzo vom Stimmcharakter her den nötigen lyrischen Kontrast zu der dämonisch blutrünstigen Abigaille setzen. 

 

In die Reihe der frischen balsamischen Stimmen fällt auch die Besetzung der Bass-Partie des Oberpriesters Zaccaria mit dem Finnen Mika Kares. Den Höhepunkt seiner Kunst setzte er mit einem mächtig georgelten “Oh, chi piange? Del futuro nel buio discerno“ mit Chor im dritten Akt. Kein Wunder, dass dieser auch stilistisch so überzeugende Sänger bei den Salzburger Festspielen 2020 im Don Giovanni unter Currentzis der Commendatore und in „I Vespri Siciliani“ (neben Domingo) der Giovanni da Procida sein wird. 

 

Attilio Glaser verfügt in der für das zentrale Drama eher nebensächlichen Tenorwurzenpartie des Ismaele über das nötige Metall und die selbstverständlichen Höhen, um tarzanhaft auch in den Ensembles bestehen zu können. Einige Grade kultivierter und geschliffener könnte sein Vortrag allerdings schon sein. 

 

In den kleineren Rollen erfreuten Padraic Rowan (Oberpriester des Baal), Gideon Poppe (Abdallo) und Aviva Fortunato (Anna). So wie sich das für ein allererstes Haus gehört!

 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

BERLIN/ Schaubühne: „AMPHITRYON“ von Molière und Herbert Fritsch

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Auf den Foto von Thomas Aurin sind folgende Schauspieler/innen zu sehen:
Bastian Reiber, Werner Eng, Florian Anderer, Annika Meier, Carol Schuler, Foto Thomas Aurin

BERLIN/ Schaubühne: „AMPHITRYON“ von Molière und Herbert Fritsch, 27.12.2019

Die Bühne ist noch dunkel und leer, da fetzt schon die Musik von Ingo Günther am Klavier und Taiko Saito an der Marimba. Bald danach steht Joachim Meyerhoff auf dem Parkett, der „Star-Heimkehrer“ nach rd. 14 Jahren am Burgtheater Wien. Schon dort hat er mit dem Regisseur Herbert Fritsch zusammengearbeitet und startet nun an der Schaubühne Berlin als Sosias im Stück Amphitryon von Molière, der 1668 sein nach der altgriechische Sage geschriebenes Theaterstück in Paris zur Uraufführung brachte.

Dass Meyerhoff als Sosias „nur“ den Diener des Amphitryon (Florian Anderer) verkörpert – hat das Publikum bei der Premiere am 13. Oktober sehr erstaunt. Erst im Verlauf wird klar, dass diese im Grunde tragische Partie die eigentliche Hauptrolle des Stückes darstellt. Wer bin ich, wer bist du? Oder bist Du ich, und bin ich du? Doch diese Fragen verstecken sich zunächst hinter aufgekratzter Munterkeit und absichtlichem Blödsinn.

Der Feldherr Amphitryon (Florian Anderer) ist hier noch nicht zu sehen. Er hat nur den Sosias losgeschickt, um der Gattin Alkmene von seinem großartigen Sieg über die Feinde zu berichten und seine baldige Heimkehr anzukündigen.

Hin und her tänzelnd beklagt sich Sosias, dass er bei Nacht und Nebel diesen Auftrag erfüllen muss und freut sich, als er endlich das kleine kunterbunte Anwesen im Hintergrund erblickt. Von den Wänden hängen farbige Papierstreifen, die sich auch mal vor Wut herunterreißen lassen. So hat Fritsch selbst seine Bühne eingerichtet, auf der sich später alle in zauberhaften Barockkostümen (erdacht von Victoria Behr) intensiv tummeln.

Noch ist Sosias allein und fragt sich, was er wohl der Alkmene berichten soll, da er selbst nie auf dem Schlachtfeld war! Also lässt er sich wie ein Vorläufer von Relotius (dem fantasiereichen Spiegel-Redakteur unserer Tage) halt was Spektakuläres einfallen und probt genau seinen Auftritt.

Mit der überlangen Ärmelmanschette imitiert er Alkmenes Kopf und schildert ihr das Kampfgeschehen in glühenden Farben. Eine Super-Szene, lustig, aber auch nachdenklich machend. Im Verlauf wird dieser von Meyerhoff so genau Charakterisierte zum stillen Helden der insgesamt 120 irrwitzigen Minuten.


Axel Wandtke, Annika Meier, Carol Schuler, Foto: Thomas Aurin

Denn alle anderen übertreiben absichtlich so arg, dass wohl alle im Saal schmunzeln oder kichern. Die Darsteller/innen sind zumeist in total hektischer Bewegung, trippeln und trappeln, hüpfen und hopsen. Sie werfen sich auf den Boden, einer aus dem Salto heraus, kein Stillstand nirgends und alles wie im Rausch. Artistik vom Feinsten und Komischsten, jeder und jede sein eigenes Tableau vivant bis zum fast schrankenlosen Klamauk. Herbert Fritsch erlaubt offensichtlich, dass sich alle austoben, dass sie ihre Rollen ausleben. Öfter entsteht der Eindruck, sie wollten einander noch übertrumpfen.

Eigentlich sind diese persönlichen Explosionen durchaus verständlich, wird doch Amphitryons Heimkehr gefeiert. Dass statt seiner der verkleidete Jupiter (Axel Wandtke) unerkannt zu Besuch und Beischlaf kam, weiß noch niemand.

Der aber hat Alkmene in Gestalt von Amphitryon in einer deutlich verlängerten Nacht dermaßen beglückt, dass sie vor Lust Grunztöne ausstößt und kaum mehr sie selbst ist. Tatsächlich hat sie, obwohl der überpotente Lover keine dunklen Haare wie Amphitryon hat, den getarnten Göttervater für ihren Gatten gehalten. Stammt daher vielleicht der Ausdruck „mein Göttergatte“? Kann soviel Irrtum möglich sein?? Schlag’ nach bei Molière, dessen übersetzte Reime sie alle akkurat im Munde führen.

Jupiter hat den Götterboten Merkur (Bastian Reiber) als Begleiter, der sich manchmal mit nacktem Oberkörper wie ein stolzer Boxer präsentiert, darüber hinaus jedoch in die Rolle des Sosias schlüpft, den echten Sosias in Kampftechnik angreift und ihn vor allem total verunsichert.

Der zu Amphitryon gehörige Sosias fragt sich bang, wer er denn nun eigentlich sei. Erkennt sich selbst nicht mehr, weiß nicht mehr genau, wer er ist und bettelt den rüden Kontrahenten, doch wenigstens als Sosias II gelten zu dürfen. Wie die meisten Komödien hat also auch diese einen doppelten Boden. Hinter dem überaufgedrehten Irrsinn lauert der persönliche Abgrund. Die Dienerrolle, von Meyerhoff in allen Facetten dargeboten und durchgelitten, wird wirklich zur Hauptrolle. Und es ist ja nur Merkur, der den Sosias so peinigt, nur der Bote von Jupiter!

Und Alkmene, die laut der Sage so wunderschöne und äußerst kluge Frau? Die lässt sich von dem richtigen Gatten keinen Treuebruch vorwerfen. Mit hochgerecktem Kinn und harscher Stimme weist sie alle Schuld von sich, was nun auch Amphitryon an seiner Identität zweifeln lässt. Herr und Diener in einem Boot.

Und da ist auch noch Cleanthis, eine von Molière hinzu erfundene Rolle, die hundertprozentig zu Carol Schuler passt. Die hat den Merkur zum Mann, der nach 15 Ehejahren nicht mehr an ihr interessiert ist. Mit dem Spruch, leises Laster sei im lieber als keifende Tugend, geht er vondannen. Doch nun streift sie den langen Rock ab, und zeigt sich als Tanzmaus mit sehr hübschen Beinen. Alle Damen und Herren glänzen mit schlanken Beinen, auch Werner Eng, als Puffmutter mit rauchiger Stimme.

Nach all’ dem übermütigen Getobe und manch tragisch-komischen Passagen kommt schließlich die Stunde der Wahrheit: Jupiter gibt sich zu erkennen und übergibt Alkmene dem richtigen Gatten. Sehr glücklich sehen beide dabei nicht aus, und auch das Geschenk Jupiters, das er hinterlässt, ist zumindest für den düpierten Echt-Gatten eine Zumutung, wird Alkmene bereits die Geburt des Helden Herakles prophezeit. Die Menschen als Spielball der Götter oder der jeweils Mächtigen. Eine Wahrheit, die sich hinter Jubel, Trubel und Heiterkeit verbirgt. Doch nur nicht zu sehr grübeln. Zuletzt vereinen sich alle zum Tänzchen.

Der Applaus ist riesig und auch voll verdient. Etwas Abschiedsschmerz ist ebenfalls inkludiert, wird doch Herbert Fritsch nach dieser vierten Arbeit die Schaubühne auf eigenen Wunsch verlassen. Was er danach machen wird oder wo, ist ein bisher gut gehütetes Geheimnis. Die Schauspieler Axel Wandtke, Bastian Reiber und Joachim Meyerhoff, die mit Fritsch arbeiten, bleiben auch dem nach Sommer 2020 noch an der Schaubühne. Mit anderen Mitgliedern von Fritschs Ensemble befände man sich noch in Gesprächen, teilte das Haus mit.

Doch noch ist Gelegenheit, sich für Fritschs „Amphitryon“ zu begeistern. Die nächsten Termine: 29., 30., und 31. Dezember, dann am 2., 3. und 4. Januar sowie am 7., 8. und 9. Februar 2020. Die bisherigen Vorstellungen waren stets ausverkauft. www.schaubuehne.de

Ursula Wiegand

 

WIEN/ Krypta der Peterskirche: DIE FLEDERMAUS

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Krypta in der Wiener Peterskirche: „Die Fledermaus“ von Johann Strauß (Vorstellung: 28. 12. 2019)

In der Krypta der Wiener Peterskirche finden nicht nur Opernvorstellungen als „Oper am Klavier“ statt, sondern auch Operettenaufführungen, wie „Die Fledermaus“ von Johann Strauß. Damit hat Wien neben der Staatsoper und der Volksoper noch einen dritten Aufführungsort für die Fledermaus zu Silvester.

Dorothee Stanglmayr, die Leiterin der Organisation In höchsten Tönen, die für die Aufführungen in der Krypta verantwortlich zeichnet, sprach in ihrer Einführungsrede von der Idee, die Fledermaus in wienerischer Aussprache zu bringen und dazu das Ensemble Oper@Tee verpflichtete. Ein Vorhaben, das man als gelungen bezeichnen darf.

Die musikalische Leitung hatte der Wiener Pianist Maximilian Schamschula inne, der bereits mit der Ouvertüre das Publikum in der Krypta begeistern konnte. Regie führte die Russin Anna Borodina, der es recht gut gelang, die geringen Bewegungsmöglichkeiten des Sänger-Ensembles in der Personenführung zu meistern. Für die Lichttechnik und Produktion war Dorothee Stanglmayr selbst zuständig.    

Das teils sehr junge Sänger-Ensemble agierte äußerst ambitioniert und bot sowohl stimmlich wie darstellerisch eine gute Leistung. Der aus Linz stammende Tenor Martin Hulan stellte einen eleganten Bankier Gabriel von Eisenstein dar, der stimmlich wie schauspielerisch zu gefallen wusste. Seine Ehefrau Rosalinde wurde von der aus Tirol stammenden Sopranistin Magdalena Renwart dargestellt. Die Stipendiatin des Wiener Richard Wagner-Verbandes konnte ihre prächtige Stimme in der dankbaren Rolle der Rosalinde voll zum Besten geben und gefiel schauspielerisch vor allem mit Maske beim Fest des Prinzen Orlofsky, der von der französischen Mezzosopranistin Alexandra Matloka mit russischem Tonfall gut gespielt wurde und das Couplet „‘s ist mal bei mir so Sitte“ trefflich sang.  

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Foto: „In höchsten Tönen“

Als Stubenmädchen Adele brillierte die junge Sopranistin Alice Waginger sowohl stimmlich wie darstellerisch. Ihr Lied „Mein Herr Marquis“ klang durch sie herrlich keck und spöttisch.  Auch beherrschte sie am besten den Wiener Dialekt. Ihre Schwester Ida wurde von der Sopranistin Annamaria Kaszoni sehr ambitioniert gespielt. Ausgezeichnet wie immer agierte der Bassbariton Florian Pejrimovsky, der den Gefängnisdirektor Frank auch optisch bestens verkörperte. Eine Doppelrolle hatte der Bariton Michael Pinsker zu spielen: er gab den Advokaten Blind und den Frosch, den er recht komödiantisch darstellte.

Die wichtige Rolle des Sängers Alfred wurde vom Tenor Hans-Jörg Gaugelhofer mit großem Einsatz gespielt, dessen Lied „Täubchen, das entflattert ist“ stets zu den Höhepunkten dieser Operette zählt. Den Notar Dr. Falke spielte der aus Wien gebürtige Bariton Jubin Amiri, der koreanische und persische Wurzeln aufweist.

Das Publikum in der ausverkauften Krypta der Wiener Peterskirche unterhielt sich prächtig, reagierte des Öfteren mit Szenenapplaus und zollte am Schluss allen Mitwirkenden lang anhaltenden Beifall. Man muss der  Organisatorin Dorothee Stanglmayr, die sich in den beiden Pausen auch engagiert um die Künstler bemühte, zu dieser gelungenen Produktion gratulieren.   

 Udo Pacolt

 PS: Die nächsten Vorstellungen der Operette „Die Fledermaus“ finden am 30. und 31. 12. 2019 (jeweils 20 Uhr) sowie am 2. 1. 2020 (19:30 Uhr) statt.

 

ATHEN/ Greek National Opera/Alternative Bühne: MY FAIR LADY

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Copyright: V.Isaeva

Greek National Opera / Alternative Buehne, Athen: My Fair Lady

Besuchte Vorstellung am 29. Dezember 2019

Charming! Charming?

Zum Jahresende hat die leichte Muse ueberall Hochkonjunktur. Das ist in Griechenland nicht anders als in Oesterreich oder Deutschland. Neben dem Musical „Chicago“ und Franz Lehar’s unverwuestlicher „Lustiger Witwe“ – um nur zwei Beispiele zu nennen – bringt die Alternative Buehne der Griechischen Nationaloper Alan Jay Lerner’s and Frederick Loewe’s „My Fair Lady“auf die Buehne. Angekuendigt ist eine Inszenierung, welche die Handlung in ein Kabaret verlegt (Ausstattung: Loukia Houliara). Und mit dem Regisseur Giannos Perlegkas uebernimmt einer die Verantwortung, der fuer ungewoehnliche und zugespitzte Sichtweisen bekannt ist. Als Zuschauer geht man darum mit einigen Erwartungen in die Auffuehrung. Tut sich da vielleicht eine alternative Sicht auf das bekannte Musical auf?


Copyright: V.Isaeva

Giannos Perlegkas findet tatsaechlich ein Werk vor, dass nicht nur mit grossartiger Musik aufwarten kann, sondern auch ein starkes Libretto aufweist. Das Textbuch basiert auf George Bernard Shaw’s Stueck „Pygmalion“, welches wiederum auf einen antiken Mythos rekurriert. Die Geschichte von Prof. Higgins, der Eliza Doolittle aus der Gosse holt und mittels Sprachtraining zur Dame macht, weist per se interessante, vielschichtige Hauptcharaktere auf. Und das Ende des Musicals kratzt auch, wenngleich behutsam, am patriarchischen Habitus von Henry Higgins und zeigt andererseits eine aufmuepfige Eliza, die weiteres emanzipatorisches Streben zumindest erahnen laesst. Dies ist die Ausgangslage fuer den Regisseur. Warum Perlegkas das Geschehen in die Welt des Kabarets verlegt, wird nicht wirklich ersichtlich. Sicherlich bietet dieses spezifische Ambiente eine gute Moeglichkeit, Rollenbilder zu demaskieren und Identitaeten zu fragmentieren.

Im zweiten Teil des Abends fuehrt uns der Regisseur auf durchaus interessante Weise eine Dekonstruktion der Charaktere vor. Die maennlichen Protagonisten zeigen etwa ihre weiblichen Seiten mittels Strapsen oder Korsett, Higgins findet einen Wiedergaenger in einer Puppe, welche er selbstredend mehr liebt als alle anderen, und Eliza findet sich ploetzlich vervielfacht auf der Buehne. Dieses Vorgehen gibt interessante Einblicke in das Innenleben der Figuren, bremst aber mehr als einmal den Handlungsverlauf zu sehr ab. Letzteres ist bereits im ersten Teil ein Problem, wo sich weder der Charme der Musik noch lebhaftes Treiben auf der Szene in hinreichendem Masse einstellen wollen. Das Kabaret kommt selten so statisch und zaeh daher wie in dieser Inszenierung. Man koennte auch sagen, dass es Perlegkas verpasst, die Moeglichkeiten des Settings auszuschoepfen. Dass er selber als Higgins auf der Buehne steht, erweist sich ebenfalls nicht als Vorteil. Sein Spiel ist zu eindimensional und seine Singstimme zu bescheiden, als dass er die zentrale Position der Rolle wirklich ausfuellen koennte.

Die Inszenierung bleibt bis zur Pause zu unbestimmt und spannungsarm, so dass man die letzten Worte vor der Unterbrechung – „Charming, charming, charming.“ – , von der karikaturhaft gezeichneten Koenigin von Transylvanien ausgesprochen, amuesiert zur Kenntnis nimmt. Nein, Charme hat das Ganze im ersten Teil nun wirklich nicht. Und auch nach der Pause findet sich solcher nur in kleinen Dosen vor.

Bilanzierend kann man sagen, dass die Inszenierung interessante Momente aufweist, aber an teils erheblicher Bewegungs- und Spannungsarmut krankt. Eine wirkliche Alternative bietet diese Einrichtung nicht.

Stathis Soulis ist der Dirigent des Abends, der zusammen mit Victoria-Fjoralba Kiazimi fuer die Klavierbegleitung verantwortlich ist. Die Auffuehrung hat eine musikalische Fassung fuer zwei Pianos gewaehlt, die fuer das Kabaret-Setting gut passt, der Musik aber auch einiges an Farben und Schwung nimmt. Mehr als Perlegkas als Higgins ist es Vassia Zacharopoulou als Eliza, die den Zuschauer interessiert. Sie weiss der Musik auch das noetige Leben einzuhauchen. Gute Leistungen zeichnen das gesamte Ensemble aus, stellvertretend seien genannt: Michalis Titopoulos als Pickering, Vasilis Dimakopoulos als Alfred Doolittle, Ioanna Forti als Mrs. Pearce, Elli Dadira als Mrs. Higgins und Nicolas Maraziotis als Freddy. Eine spielfreudigere Personenfuehrung haette die Beteiligten fraglos zu noch eindruecklicheren Leistungen gefuehrt. Giannos Perlegkas hatte wohl zu viel Goethes Faust im Kopf – als welcher er zu Beginn des zweiten Teils auf der Buehne erscheint(!) – und zu wenig die musikalische-szenische Sprache des Musicals.

 

Das Publikum spendet nach dreieinhalb (allzu lang gewordenen) Stunden sehr freundlichen Beifall.

 

Ingo Starz (Athen)


BERLIN/ Philharmonie: SCHWUNGSVOLLES SILVESTERKONZERT MIT KIRILL PETRENKO UND DIANA DAMRAU

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Foto: Monika Rittershaus

Berlin/ Philharmonie: Schwungvolles Silvesterkonzert mit Kirill Petrenko und Diana Damrau, 29.12.2019

Erstmals steht Chefdirigent Kirill Petrenko zu Silvester auf dem Pult der Berliner Philharmoniker. In voller Besetzung sind sie angetreten, aber nicht um Beethovens Neunte zu zelebrieren. Nein, hier geht es um einen erfrischenden und lustvollen Sprung über den Großen Teich zu Gershwin, Bernstein, Rodgers und anderen. Mit dabei ist auch der in die USA emigrierte Kurt Weill, dem dort der Erfolg weitgehend treu blieb. Eine Lady in Pink erscheint ebenfalls, die weltbekannte Sopranistin Diana Damrau.

Petrenko und seine Riesen-Crew starten mit George Gershwins „Ouvertüre zum Musical Girl Crazy“, und crazy (verrückt) wird zum Stichwort. Die Bläser schmettern, melodische Passagen schmeicheln sich in die Ohren. Petrenko drückt aufs Tempo. Viel Jubel nach dem knackigen Schluss.

Doch das war erst der Anfang. Denn selbst für solch ein Spitzenorchester wie die Berliner Philharmoniker braucht es ein bisschen Zeit, um den typisch amerikanischen Sound zu verströmen. Viele Stücke an diesem Abend, so ist im Programmheft zu lesen, spielen sie, auch dieses, voll engagiert zum ersten Mal.

Das gilt auch noch ein bisschen für den nächsten Ausschnitt: „If I loved you“ aus Carousel von Richard Rodgers: „If I loved you“. Diesen melancholischen Song singt noch etwas verhalten Diana Damrau, die Lady in Pink.

Doch gleich danach ist eine total veränderte, sprühende Damrau zu erleben. Bei Leonard Bernsteins „I feel pretty“ aus der wohlbekannten West Side Story ist der Knoten geplatzt, bei ihr und auch beim Orchester. Berlin wird jetzt zum Broadway, und die Berliner Philharmoniker wandeln sich zur Big Band.

Gleich danach lassen sie Bernsteins „Symphonische Tänze“ aus der West Side Story in allen Facetten schillern. Das von ihm selbst zusammengestellte Werk ist eine durchaus anspruchsvolle Musik, die Hits seines Musicals tauchen auf, und auch das gewaltsame Ende dieser Love-Story wird dramatisch deutlich.

Bei Kurt Weills „Foolish Heart“ aus One Touch of Venus ist unsere Venus im leuchtend gelben Gewand zur Stelle. Versiert und mit netter Selbstironie schildert sie ihr verrücktes Herz, das einen Mann liebt, der sie nicht mehr liebt. Ja, so kann’s gehen, macht sie klar.
Nach Weills „Lady in the Dark“, einem Symphonic Nocturne melancholischen Charakters sowie einer vom Orchester einfühlsam dargebotenen Suite (bearbeitet von Robert Russell Bennett) erscheint nun Frau Damrau in schwarzer Spitzenrobe, passend zum traurigen Lied „Send in the clowns“ aus A little Night Music von Stephen Sondheim.

Es ist das deprimierende Fazit einer Künstlerin, die während ihrer Karriere die Liebe verpasst hat und nun vergeblich auf ihren abhanden gekommenen Lover wartet. Die Clowns, die sie aufheitern könnten, sind ebenfalls verschwunden. Bleibt für sie nur die Hoffnung, dass sie im nächsten Jahr wiederkommen.

Selbst der schöne Song „Over the Rainbow“ aus The Wizard of Oz von Harold Arlen hat mehr Sehnsucht als Liebesgewissheit in sich. Für ihre sehr stimmige Interpretation erntet Diana Damrau Bravo-Rufe und ein Küsschen von Kirill Petrenko.
Zuletzt stapft George Gershwins „Ein Amerikaner in Paris“ durch den total ausverkauften Saal. Petrenko und die Seinen legen sich in Zeug und leuchten die Partitur in alle Richtungen bestens aus. Ein bekanntes Meisterwerk wird meisterhaft musiziert. Blech- und Holzbläser sowie die Streicher sind mal individuell, mal gemeinsam im Großeinsatz.
Gewaltiger, anhaltender Beifall ist der verdiente Lohn, wohl zum 10. Mal drückt Kirill Petrenko den beiden Ersten Violinen – Noah Bendix-Balgley und Daniel Stabrawa – dankbar die Hände.

Auch das Publikum wird für seine Begeisterung belohnt: Von der nun wieder als Lady in Pink erscheinenden Diana Damrau mit dem Hit „I could have danced all nicht“ aus Frederick Loewes „My fair Lady“, was erneute Jubelstürme erntet. Last not least lässt der Chef zum krönenden Abschluss noch die Kossacken („The Ride of the Cossacks“) durch die Philharmonie reiten, ein wilder Galopp aus Franz Waxmans „Taras Bulba“. Vielleicht animiert der zu einer wild-fröhlichen Berliner Silvesterfeier.

Ursula Wiegand

Weitere, aber lange ausverkaufte Termine am 30. (20.00 Uhr) und 31. Dezember (17.15 Uhr)

Film: KNIVES OUT

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Filmstart: 3. Januar 2020
KNIVES OUT
USA / 2019
Drehbuch und Regie: Rian Johnson
Mit: Daniel Craig, Jamie Lee Curtis. Toni Collette, Ana de Armas, Don Johnson, Chris Evans u.a.

Wenn ein sehr alter Mann seine Familie versammelt und verlauten lässt, er wolle sein Testament ändern – na dann, „Knives out!“, Messer gezückt, wie der Titel dieser Krimi-Komödie heißt, die man dennoch nicht mit Agatha Christie vergleichen sollte (was fälschlicherweise immer wieder geschehen ist). Bei dieser wären die Charaktere schärfer gezeichnet gewesen und die Lösung möglicherweise origineller. Dass es dieser Film auf drei „Golden Globe“-Nominierungen (darunter als bester Film in der Kategorie „Komödie“) gebracht hat, ist von der Qualität her absolut nicht zu vertreten…

Egal, Rian Johnson, der den Film als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent verantwortet, hat jedenfalls eine klassische Ausgangssituation gefunden, die jeder Krimifan (wir reden von der schönen, altmodischen Ausgabe des Genres) einfach genießen muss: Der 85jährige Patriarch ist tot (keine Angst, Christopher Plummer erscheint in Rückblenden immer wieder). Dieser Harlan Thrombrey war ein über die Maßen erfolgreicher und entsprechend reicher Verfasser von – natürlich, Kriminalromanen! Auf seinem Landsitz ist die ganze Familie versammelt. Papa ermordet? Die Familienmitglieder wissen auch schon, wer es gewesen sein muss – natürlich seine junge Pflegerin Marta Cabrera (die hübsche Ana de Armas, auch für den „Golden Globe“ nominiert), diese Mexikanerin, die sich erbschleicherisch in sein Vertrauen gedrängt hat! Pfui! Schon wieder eine klassische Situation.

Da bekommt man also eine – wenn auch nicht sehr ausgefeilte – Ahnung der Familienmitglieder. Da ist in der Rolle der ältesten, weißhaarigen Tochter diesmal Jamie Lee Curtis zu sehen (hat nicht ganz das Flair, das ältere Britinnen für eine solche Figur mitbringen), nach langer Zeit begegnet man wieder einmal Don Johnson als Richard Drysdale, ihr Gatte, der blaß bleibt, und Chris Evans als Hugh, der offenbar nichtsnutzige Sohn (bzw. Enkel des Alten). Sonst fällt nur noch Toni Collette als Schwiegertochter auf, weil sie gar so irre dreinsieht und sich so blöd benimmt. Na ja, Geldsorgen…

Aber bevor man sich noch innerlich beschweren will, dass das eigentlich keine Superbesetzung ist, kommt „er“, der alles entscheidet: An der Seite von Detective Lieutenant Elliot (Lakeith Stanfield), der von der lokalen Polizei zur Aufklärung des Todes geschickt ist, erscheint Detective Benoit Blanc, privater Ermittler, und er tut es in Gestalt von Daniel Craig (auch eine „Golden Globe“-Nominierung). Berühmter als dieser James Bond kann man nicht sein, alle Augen sind auf ihn gerichtet – und was sieht der Kinobesucher? Einen Darsteller, der seine Rolle (im Original auch sprachlich, „so britisch“ durch die Nase, so bedeutungsvoll agiert) dermaßen übertreibt, dass er einfach nur eine lächerliche Karikatur abgibt. Sicher, wenn man nicht mehr James Bond sein will, braucht man eine weitere Karriere – aber stellt Craig sich wirklich solche Rollen vor? Dann sollte er umdenken.

Immerhin, er (bzw. sein Name) ist es, der dem Film sein Interesse sichert. Der Krimifan ist zufrieden, wenn sich schnell herausstellt, dass absolut jedes Familienmitglied Grund hatte, den alten Mann umzubringen, denn er hat gedroht, jedem einzelnen den Geldhahn zuzudrehen. Allerdings staunt der Krimifan, wenn die schöne, dunkelhaarige Pflegerin ganz bald tränenreich erklärt, dass sie den alten Herrn mit einer Spritze umgebracht hat – dass da Gift statt Medizin drin war, hat sie allerdings nicht gewusst.

Nun, so früh werden Mordfälle nicht gelöst, ist schon klar, dass da noch einiges kommt, zumal als das Testament eröffnet wird und eine junge braunhäutige Frau, die sich bis dahin allerlei Rassistisches sagen lassen musste, einen neuen Stellenwert gewinnt. Jedenfalls schaut Daniel Craig bedeutungsschwer aus der Weste und ermittelt weiter – zu Recht, denn inmitten von blindwütigen Familienmitgliedern gibt es noch Verdächtige, ein weiterer Mord passiert, und schließlich darf der Detektiv – wie man es von Hercule Poirot gewohnt ist – alle zusammen rufen und ihnen den Täter präsentieren.

Was hat man nun gesehen? Eine Familie, die in jedem Mitglied unsympathisch ist, was nicht stören würde, wenn das interessante, farbige Persönlichkeiten wären, was aber nicht der Fall ist. Und einen Detektiv, der gerne so urig wäre wie Poirot, sich aber als Schauspieler mit seiner Schmiere nur lächerlich macht. Die Lösung der Geschichte ist nicht unwahrscheinlich, aber auch nicht sonderlich aufregend.

Kurz, „Knives out“ reicht gerade für mittlere Ansprüche und darunter. Man hätte sich mehr erhofft.

Renate Wagner

BERLIN/ Komische Oper: SEMELE von G.F.Händel

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Georg Friedrich Händel: Semele, Komische Oper, Vorstellung: 29.12.2019

 (12. Vorstellung seit der Premiere am 12.05.2018)

Szenische Opulenz – Musikalische Opulenz

Barrie Koskys Inszenierung der Semele beeindruckt in erster Linie mit der Opulenz des Bühnenbilds (Natascha Le Guen de Kerneizon) und dessen genialer Beleuchtung (Alessandro Carletti).

Kosky, der die Regie von der erkrankten Laura Scozzi übernommen hat, führt auch deren Regie-Ansatz weiter. Bereits am Anfang blickt Semele auf das Häufchen Asche, zudem sie am Schluss werden wird. Dazwischen erlebt man, wie in der Scherbe eines Spiegels, in Fragmenten die Geschichte Semeles. Ort des Geschehens ist ein ausgebranntes Gemach, variabel zu gestalten und immer wieder neu phantastisch beleuchtet. Es entstehen atemberaubende Bilder, die nie den Eindruck einer Ruine aufkommen lassen.

In diesem Rahmen erzählt Kosky die Geschichte nun eng am Libretto, mit ein paar Zutaten (zwei nackte Männer, Donnergrollen bei jedem Auftritt von Jupiter), die nicht weiter stören.

Bildergebnis für komische oper berlin semele
Foto: Monika Rittershaus

Mit wunderbar feinem Tenor und seiner hühnenhaften Statur gibt Stuart Jackson einen idealen Göttervater. Ezgi Kutlu singt die Rolle der Juno: ihr farbenreicher, technisch perfekt geführter Mezzo ist die Entdeckung des Abends. Begeisterten Zuspruch des Publikums erhält Sydney Mancasola in der Rolle der Semele. Sie singt technisch perfekt und spielt leidenschaftlich. Einziger Abstrich: Geht das Temperament mit ihr durch, neigt die Stimme gerade in den Höhen dazu schrill zu werden. Terry Wey glänzt als Athamas, Prinz von Böotien, Karolina Gumos als Ino, Schwester Semeles. Philipp Meierhöfer als Cadmus, Georgina Melville als Iris und Evan Hughes als Somnus und Priester ergänzen das Ensemble, das in dieser Kombination an diesem Abend durchaus als Traumbesetzung zu werten ist.

Hervorragendes wurde auch von den Kollektiven geleistet, seien es der von David Cavelius vorbereitete Chor der Komischen Oper Berlin oder das Orchester der Komischen Oper Berlin unter Konrad Junghänel.

Ein rundum traumhafter Opernabend

Keine weiteren Aufführungen in dieser Saison.

30.12.2019, Jan Krobot/Zürich

Film: 3 ENGEL FÜR CHARLIE

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Filmstart: 2. Jänner 2020
3 ENGEL FÜR CHARLIE
Charlie’s Angels / USA / 2019
Drehbuch und Regie: Elizabeth Banks
Mit: Kristen Stewart, Naomi Scott, Ella Balinska, Elizabeth Banks, Patrick Stewart u.a.

Man kennt die Damen in vielen Varianten, sie sind vom Fernsehschirm mehrfach schon auf die Kinoleinwand gewandert. Stets hat man sich an die neuen Engelchen gewöhnt, ohne ihnen besonderen Stellenwert in der Geschichte des Unterhaltungskinos einzuräumen. Daran wird sich auch diesmal nichts ändern, wenngleich das Trio durchaus taff und sympathisch ist. Es hat nur einen Fehler – die dunkelhaarigen Damen sind einander zu ähnlich…

Bisher hatte man für die Unterscheidbarkeit der Ladies gesorgt – im Fernsehen (Farrah Fawcett, Kate Jackson und Jaclyn Smith), im Film (Cameron Diaz, Drew Barrymore und Lucy Liu). Diesmal ist Kristen Stewart (erinnerlich aus der „Twilight-Saga“) die Blondine, die beiden anderen Ladies hingegen – Naomi Scott (indisch-britischer Abstammung) und Ella Balinska (karibisch-polnischer Abstammung), sind bildschöne junge Frauen, aber zumindest auf den ersten Blick verwechselbar. Nach all den Shitstorms in den Medien versteht man den Trend, zunehmend „farbig“ zu besetzen, aber es muss Sinn machen. Vielleicht hätte auch diesmal eine Asiatin als Dritte im Bunde den besten Kontrast geliefert…

Dennoch ist das, was Elizabeth Banks – selbst als Darstellerin bekannt und auch mitwirkend – als Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin liefert, ein bisschen anders als sonst. Die Frauenpower, um die es uns heute geht, kommt hier selbstverständlich daher. Und die Heldinnen werden nicht mehr als Sexobjekte ausgestellt, weder auf der Leinwand noch für die Zuschauer unten. Das ist ein sehr bewusster Akt. Also – manchmal ein biß0chen wenig Glamour für diese Art von Film.

Apropos „sexy“ – die Geschichte beginnt, wie man es erwarten kann (aus früheren Gewohnheiten heraus): Eine Blondine mit aufreizender Haartracht flirtet einen Asiaten an, aber ganz schnell verwandelt sich das scheinbare Liebesspiel in einen ausgewachsenen Kampf, wobei die Dame keinesfalls der schwächere Teil ist. Dann wirft sie die langen Locken weg und steht mit Kurzhaarfrisur da. Und Patrick Stewart, der von Bill Murray (im letzten Film, 2000) den Engel-Anführer John Bosley übernommen hat, tritt auf (wer der „Charlie“-Boss im Hintergrund ist – wer weiß? Bosley ist ja nur der Vermittler zwischen dem Allerhöchsten und den Mädels…).

Von den Lady-Fighterinnen sind diesmal nur zwei aktiv im Status, Sabrina (besagte Kristen Stewart), die zu Beginn den Gangster Johnny unschädlich macht, und Jane (Ella Balinska, die Schönste und Komischste unter ihnen), während Elena (Naomi Scott) glaubhaft eine blitzgescheite Wissenschaflerin verkölrpert (in Hamburg übrigens), die sich von den Männern herablassend behandeln lassen muss – bis #metoo war das so. Sie tritt erst am Ende in den „Engel“-Status ein, was zeigt, dass man a prioir an eine Fortsetzung gedacht haben mag – bis die katastrophalen Einspielergebnisse in den USA dem Trio vermutlich, kaum geboren, schon wieder ein Ende gesetzt haben.

Elena weiß, dass „Calisto“, eine neu entdeckte Energiequelle, nicht nur angeblich umweltschonend ist („clean energy“, das Thema unserer Zeit! Politisch korrekt bis ins Detail), sondern, falsch eingesetzt, auch die Menschheit gefährdend sein kann (billiger gibt man es in dieser Art von Filmen nicht, die intellektuell immer auf Kindertheater-Niveau ablaufen). Als sie das verhindern will, wird sie von skrupellosen Männern fast umgebracht, von einem „Engel“ gerettet, wobei auch in deren Welt ein bisschen Kuddelmuddel herrscht, weil es mittlerweile viele „Bosleys“ gibt. Und weil der eine sich der Pension nähert, kommt die andere in Gestalt von Elizabeth Banks, der Regisseurin, und man kann ihr nicht übel nehmen, dass sie sich selbst ausführlich in Szene setzt. Und irgendwo ist auch da der Wurm, sprich ein Verräter, drin…

Übersichtlichkeit ist nie die Stärke dieser Filme, aber im Großen und Ganzen weiß man, wo die „Guten“ sind, und man hält sich an das, was geboten wird (übertrieben viel ist es nicht): In Rio hat’s begonnen, dann kam Deutschland, nächster Schauplatz Istanbul (wo man auf ein deutsch-fernsehbekanntes Gesicht stößt, Marie-Lou Sellem, weiß der Himmel, wie sie in diese Besetzung geraten ist), die tödliche Waffe Callisto soll verkauft werden, wenn da nicht die Engel wären…

Am Ende erfährt man, wer der Verräter war (immerhin), und schließlich darf auch Elena (nachdem sie einiges durchmachen musste, Stichwort: Hundehalsband) ein Engel werden. Und niemand verlange, dass man die Handlung genau verstehe und nacherzähle, darauf kommt es schließlich nicht an. Sondern auf die drei Darstellerinnen, die auch Frauen-Solidarität glaubhaft machen und sich um einander kümmern, und die zumindest als Charaktere verschieden genug sind. Und die Action-Szenen, die die Handlung immer voran treiben, zeigen: Merk’s, Frauen können alles, Kampf- und Prügelszenen werden keineswegs schüchtern angegangen, hart und schmutzig – klar!.

Am meisten Lob bei der amerikanischen Kritik bekam allerdings die Regisseurin – sie hat mit der Feminismus-Schiene genau den Weg gewählt, für den man heutzutage des Lobes sicher sein kann. Doch was nützt die “Bravheit”, wenn zu wenige Leute das sehen wollen? In Hollywood entscheidet nun einmal das Klingeln der Kinokasse.

Renate Wagner

Film: JUDY

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Filmstart: 2. Januar 2020
JUDY
USA / 2019
Regie: Rupert Goold
Mit: Renée Zellweger, Jessie Buckley, Rufus Sewell, Michael Gambon u.a.

Judy Garland. Ehrlich – wer erinnert sich noch an sie? Gelegentlich läuft im Fernsehen „Der Zauberer von Oz“, der unsterbliche Klassiker, dann sieht man, wie ein kleines Mädchen mit Zöpfen mit unglaublicher Power auf der Leinwand singt und hüpft und tanzt. Man hat auch noch im Hinterkopf, dass Judy Garland „von der Filmindustrie zugrunde gerichtet wurde“. Ist sie deshalb wirklich eine Legende?

Im Film wird sie nun als solche angerichtet. Wobei die Geschichte der alternden Frau (tatsächlich war sie erst 47, als sie starb, ein versehentlicher Selbstmord wohl, aber sie sah damals uralt und gebeugt ist) immer wieder quer geschnitten wird mit jener des Kindes Judy. Das unter brutalsten Bedingungen und mit Psychoterror von den MGM-Bossen zum Kinderstar gedrillt wurde. Schön sei sie nicht, sagt Studioboß Louis B. Mayer (verabscheuungswürdig: Richard Cordery) zu ihr (Darci Shaw spielt das Kind Judy ergreifend), aber sie hat etwas Besonderes: „Du hast diese Stimme.“ Nein, sie ist nicht so süß wie Shirley Temple, aber mal sehen, was sie erreichen kann… Und die Frage schwebt in der Luft, ob der alte Produzent das kleine Mädchen auch missbraucht hat.

Schnitt: In einem Hotelzimmer sitzt die alte, abgewrackte Judy Garland und schluckt Pillen. Renée Zellweger (übrigens zwei Monate vor dem Tag geboren, an dem Judy Garland starb) hat sich in diesem Film von Rupert Goold in Judy verwandelt, und wer die „echte“ im Gedächtnis hat, wird die Ähnlichkeit einigermaßen gelungen, aber nicht wirklich überwältigend finden. Doch immerhin gelingt der Zellweger etwas anderes: Sie schafft ein Kunstgeschöpf namens Judy und zelebriert mit ungeheurem Aufwand und ungeheurer Intensität deren Untergang – und das tut sie stellenweise atemberaubend. Wenn auch der spekulative Kitsch des Drehbuchs oft überbordet, sie – diese Judy, ihre Judy – verursacht Gänsehaut. Das ist nicht weniger als eine echte Tragödie.

Diese Frau stand immer zwischen irgendwelchen Männern, sie war fünfmal verheiratet. Von Vincente Minnelli hatte sie eine Tochter (die später berühmte Liza Minnelli, der es auch nicht gut gegangen ist), von Sid Luft (Rufus Sewell) eine Tochter und einen Sohn. Am Ende heiratete sie kurz vor ihrem Tod einen schönen jungen Mann namens Mickey Deans (Finn Wittrock), der ihr bei einer Party begegnet und dem sie sagt, ihre Kindheit sei irgendwie an ihr vorbeigeflutscht… Dann spielt er Klavier, und man ist wieder zurück bei dem Kind Judy und ihrem Partner, dem kleinen Mickey Rooney, mit dem man sie im Doppelpack „medial“ verkauft. Aber ihre Gefühle werden nicht erwidert. Damals schon fütterte man sie mit Pillen – vor allem, um sie am Essen zu hindern…

Kein Wunder, dass man die Judy des Films, die labile Zellweger-Judy, nur als drogensüchtig kennen lernt. Ein Leben ohne glückliche Minute (zumindest in der Auswahl, die dieser Film wählt). Der Kampf um die Kinder, die ein verantwortungsvoller Vater, Sid Luft, ihr wegnehmen will. Was ihm logischerweise auch gelingt. Was sie, offenbar eine tief empfindende Mutter, in weitere Verzweiflungen stürzt.

Die anderen Aspekte beziehen sich auf ihre Karriere. Man erlebt Judy Garlands letzte Lebenswochen in London, wo sie für Bühnenauftritte verpflichtet war. Sie konnte nach ihrer Kinderkarriere in den vierziger Jahren noch als Star in Musicalfilmen reüssieren, dann riß ihre Präsenz auf der Leinwand ab. Immerhin hat sie sich – wie Marlene Dietrich, nur mit viel mehr Stimme als diese – als Sängerin auf Bühnen behaupten. Oder auch nicht, denn ihr Trinken, ihr Medikamentenmissbrauch machte sie zum Risikofaktor, absolut unzuverlässig. Assistentinnen (Jessie Buckley als Rosalyn Wilder) schleppten sie geradezu auf die Bühnen. Manche Szenen schmerzen in ihrer Gnadenlosigkeit. Aber es wird klar, welche Belastung diese Frau, die sich nicht aufrecht halten konnte, für ihre Umwelt war… Und wie peinlich berührt die Fans, denen sie sich aufdrängte, weil sie so einsam war… das allerdings dürfte Erfindung sein, das Skript basiert auf einem Theaterstück von Peter Quilter (der auch die Florence Foster Jenkins -Geschichte „Glorious“ geschrieben hat). Autoren erfinden, als ob die Wirklichkeit nicht schlimm genug wäre.

Der Film scheint wie ein perpetum mobile, sowohl in den Szenen der Kindheit wie in den Szenen der Erwachsenen. Aus dem unglücklichen Kind wird eine larmoyante Erwachsene. Wie interessant ist das? Nun, das ist Renee Zellweger in der, wie sie sagt, „Rolle ihres Lebens“. Vor zwei Jahrzehnten war sie die naive „Nurse Betty“, dann vielfach die fette, alberne Bridget Jones. Erstaunlich, wie sie schwarzhaarig, fern jeder Komödie, die verzweifelte, zynische, innerlich todmüde Borderline-Künstlerin gibt. Der Film ist wie eine Händel-Arie, die ihre Koloraturen immer wieder, mit wenigen Variationen, wiederholt. Und dennoch sieht und hört man fasziniert zu. Bei aller Künstlichkeit, die dieser ausgestellten Virtuosenleistung innewohnt.

Renate Wagner

ATHEN/Onassis Cultural Centre: DIE VÖGEL von Aristophanes

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Foto: Stavros Habakis

Onassis Cultural Centre, Athen

Die Voegel
Besuchte Vorstellung am 30. Dezember
 
Eine Welt fuer alle
 
Es war der grosse Erfolg im antiken Theater von Epidauros und auf der Buehne des Athener Onassis Cultural Centre im Jahr 2016: Nikos Karathanos‘ Inszenierung von Aristophanes‘ Komoedie „Die Voegel“. Die Kritiker lobten die Spielfreude der Auffuehrung und die in grossartige Bilder uebersetzte Humanitaet, welche eine wesentliche Botschaft des Stuecks darstellt. Die Produktion fand auch den Weg in die Vereinigten Staaten, wo sie 2018 das New Yorker Publikum zu Begeisterungsstuermen hinriss. Der Regisseur hat mit einem Artistic Research Fellowship der Onassis Stiftung seine Beschaeftigung mit dem Stoff fortgesetzt und sich dazu nach Latein- und Suedamerika begeben.. In den Favelas von Rio de Janeiro hat er eine Gruppe von Performern und Taenzern entdeckt, welche er nun mit nach Athen gebracht hat. Aristophanes‘ „Voegel“ sind auf diese Weise zu einem griechisch-brasilianischen Theaterprojekt geworden, das in wenigen Wochen am Santiago a Mil Festival in Chile gezeigt werden wird. In Athen ist die Neufassung von Karathanos‘ Inszenierung in lediglich zwei Auffuehrungen zu erleben.
 
Die Adapation des Stuecks, welche der Regisseur und Giannis Asteris besorgt haben, die Ausstattung von Elli Papageorgakopoulou und die Musik von Angelos Triantafyllou transformieren den Stoff in ein naturverbundenes, utopische Bild einer Gesellschaft. Die im Himmel angesiedelte Gemeinschaft der Voegel begegnet aehnlichen Problemen wie diejenige der Menschen, namentlich der Bevoelkerung des Stadtstaats Athen, die vertreten durch zwei zu den Voegeln uebergelaufene Menschen harsch kritisiert wird. Natuerlich laeuft auch in der neu formierten Stadt nicht alles rund und da sich deren Buerger gar mit den olympischen Goettern anlegen, sind sie schliesslich genoetigt mit diesen eine guetliche Einigung zu finden. Das alles wird mit grosser Bewegungslust und Musikalitaet erzaehlt. Die neu hinzgekommenen brasilianischen Akteure erhoehen noch das Tempo der Aktionen und machen ebenso deutlich wie sichtbar, dass es um die Utopie einer von Diversitaet und Inklusivitaet gepraegten Gesellschaft geht. Mit Vogelgezwitscher und Worten, Fluegelbewegungen und musikalischem Drive wird das bunte Leben eindruecklich wie schon in der Erstfassung von 2016 auf die Buehne gebracht. In einer Szene sind auch Zuschauer dazu eingeladen, am Geschehen in der neuen Stadt teilzuhaben – Offenheit allenthalben also. Die mehr als zwei Stunden der Auffuehrung vergehen angesichts grosser optischer und akustischer Reize wie im Fluge.
 
Die auf der grossen Buehne Agierenden, die Performer wie die Musiker sind fuer ihr grossartigen Leistungen zu loben. Sie alle sollen an dieser Stelle genannt werden – die Performer: Thanasis Alevras, Douglas Froog Alves de Paula, Stefania Goulioti, Vasiliki Driva, Nikos Karathanos, Ektor Liatsos, Christos Loulis, Amalia Moutousi, Amalia Bennett, Kostas KBerikopoulos, Konstantinos Bibis, Tuany Nascimento, VN Dancarino Brabo, Andre Oliveira DB, Marlon Brando de Oliveira Santos, lelia Renesi, Giannis Sevdikalis, Angelos Triantafyllou und Martha Frintzila; ferner die Musiker: Sofia Ekleidou, Michalis Katachanas, Dimitris Klonis, Vasilis Panagiotopoulos, Dimitris Tigkas und Angelos Triantafyllou.
 
Das Publikum feiert das Ensemble am Schluss mit Ovationen.
 
Ingo Starz (Athen)

HAMBURG/ Staatsoper: LOHENGRIN – Kult-Lohengrin

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Hamburgische Staatsoper, 29. Dezember 2019: LOHENGRIN

  Kult-Lohengrin

Peter Konwitschnys Lohengrin-Inszenierung an der Hamburgischen Staatsoper hatte im Januar 1998 Premiere und ist, trotz aller Umstrittenheit, bald zu einer Kult-Aufführung geworden. Sicher, es gibt Details, über die ließe sich diskutieren, wie immer. Aber es ist schon sehr bemerkenswert, wie vital und dynamisch die Inszenierung auch fast 22 Jahre nach der Premiere noch wirkt. Das Konzept, Lohengrin in einem Klassenraum spielen zu lassen und alle Beteiligten, außer dem Titelhelden, zu Schülern zu machen, die vielen Augenzwinkern und humorvollen Einfälle Konwitschnys, das alles kann bis heute überzeugen. Die Inszenierung ist ungewöhnlich, ja, aber sie ist durchdacht, nichts dem Zufall überlassen und, bei aller vermeintlichen Lustigkeit, sehr ernsthaft. Es bekommt dem Lohengrin sehr gut, ihn nicht ganz so hehr und schwer anzugehen und ihn dabei gleichwohl ernst zu nehmen. Die Hamburgische Staatsoper tat ein Gutes daran, diese Wiederaufnahme für vier Vorstellungen anzusetzen. Der Besuch spricht für sich, das Publikum möchte die Inszenierung nach wie vor sehen.

Doch das allein würde kaum genügen, hätte diese Wiederaufnahme musikalisch beinahe wunschlos glücklich gemacht. Das Philharmonische Staatsorchester unter seinem Generalmusikdirektor Kent Nagano spielte klar, transparent, sehr konzentriert, mit schönsten Klangfarben in allen Instrumentengruppen; Kent Nagano war der Bühne ein überaus aufmerksamer Begleiter, ließ es an emotionalen, kraftvollen Höhepunkten nicht mangeln und sorgte insbesondere im Vorspiel zum ersten Akt für genau den silbrig-leichten Klang, den diese Musik braucht.

Auf der Bühne stand ein auserlesenes Solistenensemble, an dessen Spitze ohne Zweifel Klaus Forian Vogt in der Titelpartie zu nennen ist. Hell und klar, ohne jede Anstrengung, mit durchaus dramatischer Durchschlagskraft genauso wie absoluter Tragfähigkeit bis ins äußerste Piano, zeigte er einmal mehr eine exemplarische Darstellung der Partie, die in dieser Form ihresgleichen suchen dürfte. Lohengrin ist sicher eine der unmännlichsten, ätherischsten Tenorpartien, und wie Vogt sie mit seiner Stimme erfüllt, ist nach wie vor mit jedem Ton glaubwürdig. Ihm zur Seite war Simone Schneider Elsa, ihr klar fokussierter Sopran wunderbar rund und warm geführt. Mit durchdringendem Strahl betonte sie die dramatischen Seiten der Partie sehr effektvoll. Besonders gelungen war ihr Zusammenspiel mit Tanja Ariane Baumgartner als Ortrud. Die Mezzosopranistin ist wie geschaffen für diese Inszenierung und erfüllte die böse Gegenspielerin mit den dunkel-glutvollen Farben ihrer Stimme, der sie an entscheidenden Punkten hochdramatische Gesten abgewinnen konnte, ohne die klare Linie ihres Gesanges zu verlassen.

Wolfgang Koch fand eine differenzierte Bandbreite an Farben und Emotionen für den Telramund, sein recht hell gefärbter, durchdringender Bariton findet in der Partie sicher eine der idealsten. Christof Fischesser ließ sich vor der Vorstellung zwar als indisponiert ansagen, konnte dem König aber dennoch Statur, Autorität und klangliche Noblesse verleihen. Andrzej Dobber sang die Stichworte des Heerrufers imposant und durchdringend. Die übrigen Partien sowie der Staatsopernchor schließlich, einstudiert von Eberhard Friedrich, waren zusammen ein mehr als stattliches Kollektiv.

Begeisterter Beifall und etliche Bravos für einen Repertoire-Klassiker der Hamburgischen Staatsoper. Mögen ihm noch weitere Wiederaufnahmen beschert sein.

Christian Schütte


BERLIN/ Konzerthaus: BEETHOVENS NEUNTE mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB), dirigiert von Karina Canellakis

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RSB/ Robert Niemeyer

Berlin/ Konzerthaus: Beethovens Neunte mit dem Rundfunk-
Sinfonieorchester Berlin (RSB), dirigiert von
Karina Canellakis, 30.12.2019

Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 9 d-Moll“ op. 125 – für viele Musikfans ist dieses opus magnum ein Muss zum Jahreswechsel. Vielleicht liegt das auch an Friedrich Schillers Ode „An die Freude“, die den krönenden Abschluss bildet. Vermutlich verströmt sie – zusammen mit Beethovens himmelstürmender Musik – wider besseres Wissen die Hoffnung auf eine zukünftig bessere Welt.

Schiller selbst war mit der 1785 fertig gestellten Erstfassung der Ode übrigens nicht zufrieden und steckte das Gedicht sozusagen jahrelang in die Schublade. Erst 1808 hat er es leicht korrigiert. Beethoven wählte sich schließlich die passenden Verse für sein Werk aus. Dieser Text ist im Programmheft dankenswerterweise abgedruckt.

Die Neunte war bekanntlich seine letzte Sinfonie, uraufgeführt am 7. Mai 1824 in Wien im Theater am Kärntnertor im Rahmen eines Konzertes. Aufgrund der überbordenden Begeisterung des Publikums wurde dieses am 23. Mai wiederholt. Nun in der Hofburg!

Dieser Erfolg ist dem Werk dermaßen treu geblieben, dass es nun zu vielen feierlichen oder für wichtig erachteten Anlässen erklingt und gar zur Europa-Hymne geworden ist. Das Autograph, gehütet von der Staatsbibliothek zu Berlin zählt inzwischen zum Weltdokumentenerbe der UNESCO.

Wie oft wird die Neunte wohl im Beethoven-Jahr 2020 anlässlich seines 250. Geburtstags zu hören sein? Das vor Augen/ Ohren muss ich die schon oft gehörte Sinfonie Ende 2019 eigentlich nicht haben. Mein Hauptgrund für den Gang ins Konzerthaus ist Karina Canellakis, die kürzlich gekürte Erste Gastdirigentin des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin (RSB).


Karina Kanellakis. Foto: Ursula Wiegand

Dass ihr der Chef Vladimir Jurowski sogleich Beethovens Neunte zu Silvester anvertraut hat, kommt einem Ritterschlag gleich. Und am Schluss des Konzertes ist wohl allen klar, dass die gebürtige New Yorkerin – seit Herbst 2019 Chefdirigentin beim Niederländischen Radiophilharmonischen Orchester in Amsterdam – dieses Vertrauen verdient hat. In den USA und in Europa ist sie ohnehin gefragt und entsprechend viel unterwegs. Nicht nur als Konzertdirigentin. „Ich dirigiere auch sehr gerne Oper“, sagt sie hinterher.

Gestartet ist sie jedoch als Geigerin und wurde im Zuge ihrer Ausbildung auch Mitglied der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker. Dort hat Simon Rattle ihre darüber hinaus gehenden Begabungen erkannt und sie zum Dirigieren ermutigt. Geschwind eilt nun die junge schlanke Frau, die blonden Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden, aufs Podium.

Der 1. Satz – Allegro ma non troppo, un poco maestoso in d-Moll – hat’s schon in sich, und dass sie die Musik im Kopf und im Körper hat, ist sofort zu erkennen. Sie dirigiert voller Energie, setzt mit klarer Gestik zunächst mehr auf Allegro als auf „ma non troppo“.

Die mehrfachen Crescendi, die auch eine Steigerung der Lautstärke zur Folge haben, geben diesem Satz einen harten Charakter und machen ihn keineswegs zum Ohrenschmaus, zumal Beethoven auch noch Hektik in diesen Satz gelegt hat. Der hineinkomponierte, gelegentliche Wechsel zu Dur-Tonarten wird zur Erholung, ebenso das einem Trauermarsch ähnliche „maestoso“.

Der 2. Satz auch in d-Moll, bestehend aus Scherzo und Trio, trägt die Bezeichnung „Molto vivace – Presto“ und wird dementsprechend zu einem rasanten Ritt mit Pauken und Trompeten. Der hat bei der Uraufführung solch eine Begeisterung ausgelöst, dass er sogar wiederholt wurde.

Das muss die sportliche Karina Canellakis, die mitunter auf dem Podium herumspringt, nicht tun. Jedenfalls hat sie alles im Griff und macht keineswegs eine Show, auch wenn ihre Arme, quasi alle heranholend, auch mal im Kreis fliegen. Dass dennoch die Instrumentengruppen mitunter verschwimmen und manches nicht mehr klar durchhörbar ist, liegt an der als schwierig bekannten Akustik im 1984 wieder erbauten Konzerthaus und ist weder Karina Canellakis noch dem RSB anzulasten.

Dass der schöne Große Saal laut Wikipedia „akustisch zu den besten symphonischen Konzertsälen der Welt“ gehört und die wichtige „Nachhallzeit …mit 2,0 Sekunden bei mittleren Frequenzen mit Publikum“ liegt, ist nicht glaubhaft. Nicht ohne Grund wurde in den letzten Jahren immer wieder versucht, die Akustik generell zu verbessern, was nicht überzeugend und nicht auf allen Plätzen funktioniert hat.

Gut funktioniert jedoch der Übergang zum 3. Satz, dem sehnlich erwarteten Adagio molto e cantabile in B-Dur, das später ins Andante moderato übergeht. Hier kommen die Bläser, beginnend mit einem Fagott, nacheinander ins Spiel, bis sich die Streicher dazugesellen. In feinen Steigerungen bringt das RSB diese Passagen, doch vollkommene Ruhe erlaubt der total taube Beethoven den Lauschenden selbst hier nicht. Fanfarenstöße unterbrechen die melodiöse Idylle und bereiten auf den langen, temporeichen 4. Satz vor, der mit dem ursprünglichen d-Moll beginnt.

Nun also Power pur, und Beethoven zeigt erneut seine Krallen in oft harschen Tempi. Nach dem bereits vom Orchester präsentierten Aufleuchten der Ode „An die Freude“ kommt zumindest für die Sängerinnen und Sänger die Stunde der Wahrheit. Denn was das Quartett – und sei es noch so hochkarätig besetzt – zu singen hat, wird zu keiner Einheit. Stets fallen mir dazu die Worte von Nikolaus Harnoncourt ein, der nach seinem allerletzten Konzert in Berlin sagte: „Beethoven hat in seine Werke das Scheitern mit hineinkomponiert.“

Schon die beiden jungen Sängerinnen – Henriette Sontag und Caroline Unger – die bei der Uraufführung die Sopran- bzw. Altpartie sangen – baten Beethoven vorab, die Höhen zu reduzieren, damit sie nicht gegen die Männer anschreien müssten. Wegen der Kunst, wie er betonte, hat er das abgelehnt, sie müssten halt üben. Vermutlich haben sie das getan und bei der Uraufführung ihre Stimmen nicht wie befürchtet ruiniert.

Und jetzt? Der Bass – Liang Li, recht knarzig – beginnt, die anderen folgen. Der Sopran von Iwona Sobotka und der Alt von Virginie Verrez schwingen sich empor und übertönen die Herren. Nobel singt der bekannte Tenor Stefan Vinke seinen Part. Doch wie befürchtet, gemeinsam wird aus dieser Fuge kein überzeugendes Ganzes.

Erst der fabelhafte, erhöht stehende Rundfunkchor Berlin, einstudiert von Benjamin Goodson, bringt den erhofften Glanz in den Großen Saal. Diese gut trainierten Damen schaffen es auch, lange auf dem hohen G auszuhalten, eine Zumutung Beethovens. Vielleicht ist es seiner Taubheit (oder seiner Selbsteinschätzung) geschuldet, dass er außerdem Prestissimo verordnet und das ganze Schlaginstrumente-Arsenal aufbieten lässt. Das Fazit: „Seid umschlungen, Millionen; diesen Kuss der ganzen Welt! Bruder! Über’m Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen“.

Ursula Wiegand
 

BERLIN/ Komische Oper: DSCHAINAH – das Mädchen aus dem Tanzhaus. Operette von Paul Abraham. Konzertant

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Paul Abraham: Dschainah, das Mädchen aus dem Tanzhaus, Komische Oper Berlin, Konzertante Aufführung: 30.12.2019

 (2. Vorstellung seit der Premiere am 22.12.2019)

Jazz, Asien, Ungarn und ein ganz klein wenig Walzer

Paul Abrahams Operette über die von ihm und seinen Librettisten Grünwald und Löhner-Beda als Schwester der japanischen Geisha geschaffene vietnamesische «Dschainah» begeistert auch beim zweiten Besuch mit ihrem Mix aus Jazz, asiatischen Tönen (beziehungsweise das, was die Europäer dafür halten) und ungarischen Klängen. Walzer gibt es nur noch wenig.

Henning Hagedorn und Matthias Grimminger haben das für Michiko Tanaka-Meinl, Gattin des Kaffee-Barons Julius Meinl II. entstandene und am 21. Dezember 1935 im Theater an der Wien uraufgeführte Stück für die Aufführung als Silvester-Operette an der Komischen Oper bühnentechnisch rekonstruiert. Die Biographien des Komponisten und Librettisten sind für die Aufführungsgeschichte sicher von grösster Bedeutung. Eine Rolle dürfte aber auch spielen, dass (in der gehörten Einrichtung) der Mittelteil nur von Pierre Claudel, dem Offizier der französischen Marine, der sich in der Heimat verlobt hat, dann aber nach Saigon versetzt wird und dort die Dschainah Mylo durch Heirat vor dem Verkauf aus dem Sing-Song-Haus nach Singapur rettet, und der Dschainah Mylo bestritten wird.

Klaus Christian Schreiber führt als Erzähler angenehm und mit Witz durch den kurzweiligen Abend. Als Dschainah Mylo kann Hera Hyesang Park einen grossen Erfolg verbuchen. Die stärken ihres technisch bestens gebildeten und versiert geführten Soprans liegen eindeutig in den opernähnlich Teilen. Johannes Dunz gibt den Pierre Claudel, Romanschriftsteller und Offizier. Seine Stärken liegen nun eher im Bereich der Operette. In der Summe vermögen aber beide als Paar zu überzeuge. Madame Hortense Cliquot, eine Witwe der Champagner-Dynastie, ist bei Zazie de Paris in besten Händen. Mirka Wagner gibt ihre Tochter Yvonne Cliquot, deren Verlobter Pierre dann eben nach Saigon versetzt wird, dort aus Sicht von Madame auf die schiefe Bahn gerät und von ihr wieder zurückgeholt wird. Hervorragend zusammenpassen stimmlich, schauspielerisch und tänzerisch Talya Liebermann und Dániel Fokí als Musotte und Baron Bogumil Barczewsky.

Mit Verve und Leidenschaft machen der von David Cavelius vorbereitete Chor der Komischen Oper Berlin und das Orchester der Komischen Oper Berlin unter Hendrik Vestmann den Abend zum Erlebnis.

Beste Unterhaltung!

Weitere Aufführung in der Philharmonie Köln: 12.01.2020

30.12.2019, Jan Krobot/Zürich

WIEN / Burgtheater: DER NACKTE WAHNSINN

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DER NACKTE WAHN SINN
von Michael Frayn
v.l. Till Firit, Katharina Pichler, Arthur Klemt, Norman Hacker, Genija Rykova, Sophie von Kessel, Paul Wolff-Plottegg     Alle Fotos: Burgtheater / Horn

WIEN / Burgtheater:
DER NACKTE WAHNSINN von Michael Frayn
Wiener Premiere (aus dem Münchner Residenztheater)
Premiere: 31. Dezember 2019

In München war es seine Abschiedspremiere. In Wien ist es sein Geschenk zu Silvester. Martin Kusej versetzte – als Letzte der Übersiedlungen aus München? – „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn an das Burgtheater (mit kleinen Retouchen ins „Österreichische“). Der Erfolg war schrankenlos.

Das Stück ist zurecht berühmt, ein Spaß, der vor allem einmal das Handwerk aller Beteiligten herausfordert – bis zum Letzten sogar: Dieses „Noises Off“ ist Schwank, Posse, Tohuwabohu pur. Man hat es in Wien oft gesehen (dreimal !!! an der Josefstadt, einmal im Volkstheater), die Inszenierungen sind nicht immer voll geglückt. Man muss dazu einfach zu viel können. Martin Kusej und sein Ensemble schlugen sich glorreich.

Worum geht es? Dass Personen den Boden unter den Füßen verlieren, dass Geschehen aufs höchste ins Wanken gerät, dass man es auch noch quasi spiegelverkehrt betrachten kann, muss, soll: Ein Theaterstück, das als solches kenntlich gemacht wird. Im ersten Akt wird es geprobt – mit allen Scherzchen über dumme Schauspieler, affektierte Regisseure, verschüchterte Assistentinnen, übereifrige Inspizienten, was man will. „Genau so geht es auf dem Theater zu“, versicherte Martin Kusej, als er am Ende, zum Schlußapplaus, ein Mikro ergriff, sich beim Publikum und seinem Team bedankte und allen 2020 weiterhin viel Erfolg (und Burgtheater) wünschte.

Akt 1 ist also die Probensituationen, schon diese komisch genug. Akt 2 ist abgründig. Da ist man in einer Vorstellung dieser Tourneeaufführung (für Österreich ist man gerade in Dornbirn), man ist schon lange unterwegs, die persönlichen Animositäten, Eifersüchteleien und Liebesgeschichten der Protagonisten haben sich entschieden verschärft. Während auf der Bühne das Stück läuft, sind wir auf der Hinterbühne, sehen nicht nur, wie die Darsteller auf ihre Auftritte warten (und diese mehr schlecht als recht absolvieren), sondern auch, wie die Schauspieler untereinander agieren – wüst, Slapstick pur, nicht nur, weil sie sich jedes Mal bücken müssen, wenn sie an einem Fenster vorbei kommen, damit sie für das Publikum nicht sichtbar werden. Wer da aller mit wem ein Verhältnis hat (der Regisseur, der inkognito zu Besuch kommen will, mit mindestens zwei Damen, mindestens), muss man gar nicht im Detail begreifen. Man lacht sich schief, wie Frayn hier mit einer Meisterschaft, die in die höchsten Regionen steigt, Theater und seine Opfer parodiert…

Akt 3 zeigt dann die letzte Vorstellung der Tournee-Aufführung, wo alle schon so erschöpft, genervt und auch verwirrt sind, dass sie sich schon selbst nicht mehr auskennen, wo alles schief geht (nicht zuletzt, weil sich das Bühnenbild auch schon langsam zerlegt), wo die Absurdität der Situation nicht mehr nur zum Lachen, sondern fast zum Verzweifeln ist. Da transzendiert sich der Wahnsinn.

Und das muss man können – ein Regisseur, der hier alle mit eiserner Präzision und doch scheinbar so „echt“ über die Bühne schickt, zumindest im ersten Akt, und der dann die Schraube unaufhörlich andreht. Man soll, wenn man beim Lachen Luft holt, nicht eine Sekunde vergessen, wie unglaublich schwer das ist, auch für die Schauspieler (die echten, die da auf der Bühne Schauspieler spielen), sich jede Nuance dessen zu merken, was in drei verschiedenen Versionen eines Aktes verschieden läuft. Das sind Konzentrations- und Präzisionsleistungen erster Ordnung, die hier verlangt werden. Und sie können es, alle. Und Kusej kann … „normales“ Theater.

„Frau Klacker“, die Frau, die das Haus hütet (immer eine Glanzrolle, in Wien u.a. von Elfriede Ott und Maria Bill gespielt), ist Sophie von Kessel. Das glaubt man ja anfangs nicht – ist das die blonde Schönheit des Fernsehens, Jedermanns elegante Buhlschaft in Blau anno dazumal? Mit schwarzen Locken, im Unterschichts-Outfit und mit ebensolchem Benehmen, muss man die Dame erst unter der Verkleidung erspähen, um bewundern und genießen zu können, was sie da leistet. Besonders jener Teller mit Sardinen, von Frayn eingefügt, um die Sinnlosigkeit von Stücken und Inszenierungen zu belächeln, wird von ihr mit Virtuosität gehandhabt.  

Die zweitkomischste Rolle ist immer „Vicki“, die gelegentlich ihre Kontaklinsen verlieren (eine Katastrophe!), wofür Genija Rykova nicht nur ihre unglaubliche Figur in schwarzer Minimal-Bekleidung spazieren führt, sondern auch noch so hinreißend Dummheit sprüht, dass es viel darstellerische Intelligenz erfordert, um das zu erreichen. Die anderen Damen sind Katharina Pichler als betriebsame Schöne und Deleila Piasko als verhuschte Assistentin, beide ideal besetzt.

Norman Hacker als Regisseur hat viel von der Großmannssucht des (körperlich) kleinen Mannes, der sich wichtig vorkommen will. Thomas Loibl (war der wirklich Philipp II. in „Don Karlos“?) blödelt einen liebenswert-weihleidigen Zeitgenossen mit vielfach Nasenbluten und anderen Wehwehchen, Arthur Klemt macht sich als Inspizient drollig wichtig, Paul Wolff-Plottegg als schwerhöriger Zeitgenosse, der logischerweise viele Einsätze verpasst, hat seine komischen Momente.

Den Vogel aber schießt Till Firit mit blondem Lockenkopf und einer schlechtweg brillanten Zappeligkeit ab. Er war schon in Schottenbergs Volkstheater einer der besten Schauspieler des Hauses (es zeugte von der Instinktlosigkeit der Nachfolgerin, sich dieses Talent nicht zu sichern), und bei Kusej ist er offenbar noch ein paar große Schritte weiter gekommen. Ein Schauspieler, der spürbar zwischen seinem privaten Ich und den Problemen seiner Rolle zerrissen ist und brüllend komische Effekte erzeugt. (Ganz abgesehen von der Virtuosität, mit der er eine Treppe hinunter fällt.)

Das Publikum applaudierte glücklich. Der Direktor dankte, wünschte allen das Beste und holte sich mit dieser kleinen Ansprache alle Sympathien. Beschwingt begab man sich auf den Silvesterpfad. Ja, so darf Unterhaltungstheater sein. So gut, so brillant, so lustig. Und noch ein bisschen mehr ist es auch. Gerade, dass man nicht beginnt, über das Narrenhaus namens Theater zu philosophieren…

Renate Wagner

BADEN-BADEN/ Festspielhaus: SILVESTER-KONZERT – Una noche espagnola

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Baden-Baden: „SILVESTER-KONZERT“ – 31.12.2019

Una noche espagnola

Mit spanischem Esprit beschloss das Festspielhaus sein erfolgreiches Jahr 2019 sehr temperamentvoll. Entgegen der früheren Ankündigungen mussten die Solistin, Orchester und Dirigent umbesetzt werden. Aus Etat-Gründen der Insel Gran Canaria fiel auch die Tournee des Orquesta Filarmónica dem Rotstift zum Opfer. Der Intendanz des Festspielhauses gelang es dafür das renommierte Wiener KammerOrchester unter der Leitung von Thomas Guggeis zu verpflichten und traf damit eine sehr gute Wahl, sowie die bereits international gefeierte Mezzosopranistin Gaelle Arquez und dem ursprünglich verpflichteten Tenor Joel Prieto.

Mit Szenen aus „Carmen“ (Georges Bizet) fand das zwiespältige Silvester-Konzert seinen Auftakt. Um es jedoch vorweg zu nehmen, nenne ich sogleich den eigentlichen „Star-Gast“ des Abends nämlich das hervorragende Wiener KammerOrchester unter der Leitung des jungen Dirigenten Thomas Guggeis. Sorgte der aufstrebende Pultstar-Nachwuchs bereits 2018 an der Staatsoper Berlin mit einer fulminant geleiteten „Salome“ für Furore. Ich durfte mich selbst vor 2 Wochen von dessen grandioser Leistung überzeugen und war einfach von seinem Salome-Dirigat begeistert! Genuin, ohne Pathos, ohne ausufernde Gestik führte Guggeis das natürlich-wahrhaftig aufspielende Wiener Orchester durch das zündende „Vorspiel“ sowie die herrlich transparent aufgefächerten Zwischenspiele der Akte II – IV. Schlank, wunderbar instrumental, ohne jegliche Effekte führte uns der Dirigent Bizets prächtige Partitur biegsam, unsentimental, in allen Couleurs schillernd, vorzüglich durchleuchtet vor Augen bzw. vor Ohren. Dezent, stets wachen Blicks begleitete der umsichtige Dirigent seine Sanges-Solisten.

Gaelle Arquez hielt allerdings vokal nicht was sie optisch verheißungsvoll versprach: eine schöne schlanke schwarzhaarige Frau in elegant-roter Robe mit laszivem Gang entsprach dem Idealbild der Carmen. Die französische Mezzosopranistin mit bereits internationalem Renommee verfügte zwar über durchaus kräftige leuchtkräftige Obertöne, hingeworfene freche Phrasen, jedoch fehlten ihrer Carmen das sinnliche Timbre, die gutturalen dramatischen Aspekte. Arquez offerierte L´amour et un oiseau rebelle, sodann tenoral assistiert Prés des remparts de Seville unspektakulär, konnte den orchestralen Tempi beim Chanson bohéme nicht mithalten und wirkte selbst beim finalen Duett C´est toi? – C´est moi! wenig überzeugend.

Nach der Pause sang die Dame alle Beiträge vom Blatt, stimmmalerisch erklang eine Rarität, aus Bizets Oden-Symphonie „Vasco da Gama“ der Bolero Ouvre ton coeur gefolgt von Leo Delibes Les filles de Cadiz. Nun Carceleras aus der Feder von Ruperto Chapi kannte ich bisher sinnlicher mit mehr spanischem Esprit, dennoch lockte die Darbietung das Publikum aus seiner Reserve. Zum Duett aus „La Africana“ einer Zarzuela des Spaniers Manuel Fernández Caballero im Dreivierteltakt zum Mitschunkeln verklang das offizielle Finale.

Mit strahlend hellem, leichtgewichtigem, lyrischem Tenor sang Joel Prieto Don Joses Arie La fleur que tu m´avais jetée, brachte bei den Duetten wenig Kolorit ins Spiel und punktete lediglich mit dem publikumswirksamen Beitrag No puede ser von Pablo Sorozabal und schenkte dem mit Africana-Zwiegespräch tenoralen Schmelz.

Bleibt letztlich wiederum das exzellent musizierende WKO mit orchestralen Auszügen des spanischen Meisters Manuel de Falla zu rühmen: glänzend servierte Thomas Guggeis mit dem famos aufspielenden Klangkörper die von rhythmischen Strukturen durchwebten Melodien aus der Suite „El sombrero de tres picos“, sowie Danza del molinero – Farruca, sowie voller Glut sehr temperamentvoll, transparent El circolo mágico aus „El amor brujo“.

Das zunächst recht zurückhaltend reagierende Publikum ließ sich zu mehr Beifallsfreude und Bravos hinreißen, der charmante Conférencier Guggeis servierte zwei instrumentale Dacapo den „Spanischen Marsch“ mit Wiener Flair von Johann Strauß, überschäumend de Fallas Danza ritual de fuego, von Jubel quittiert sangen Arques und Prieto das unverwüstliche Granada (Lara) und entließen das Auditorium knapp sechs Stunden vor dem Jahreswechsel in die kalte Abendluft.

Gerhard Hoffmann

WIEN: SILVESTER IM MuTH: „DAS BESTE ZUM SCHLUSS“

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Willi Resetarits und Band. Foto: O. Jankovich

 

WIEN/MuTh: „DAS BESTE ZUM SCHLUSS“

Die Zukunft ist besser als ihr Ruf!

31.12. 2019 – Karl Masek

Vielfältig und gerade darum sehr erfolgreich und begehrt sind die Musikprogramme im „MuTh“, dem Konzertsaal der Wiener Sängerknaben am Augartenspitz! Oper (mit besonderer Betonung auf Bühnenwerke für Kinder), vielfältige Vokalmusik (geistlich & weltlich; Chorwerke; Liederabende; Kammermusik-Zyklen).

Besonders populär wurden dabei die fantasievollen „Crossover“- Programme, welche von Musiker/innen bestritten werden, die das Zusammenspiel verschiedener Genres von Alter Musik und Klassik bis zum Jazz, vielgestaltigen Volks- und  Ethnomusikelementen und neuen Ausdrucksmitteln, z.B. für das Wienerlied, forcieren.

Ausverkauft war Silvester in the MuTh unter dem Motto Das Beste zum Schluss. Der Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker, Matthias Schorn, scharte musikalische Wegbegleiter um sich, denen es vortrefflich gelang, jede Menge kreativer Zuversicht für das Jahr 2020 zu versprühen. Die Zukunft ist besser als ihr Ruf! Er überließ die traditionellen „Dienste“ der anderen philharmonischen Klarinettisten (vom Neujahrskonzert bis zur Staatsopern-Fledermaus) diesmal den Kollegen und besann sich darauf, wieder einmal aus dem Klassikbereich „auszubrechen“.

Mit von der Partie: der Kontrabassist Georg Breinschmid, übrigens ein Ex-Philharmoniker, inzwischen längst mit großem Renommee in der internationalen Jazz-Szene, der fabelhafte, heißblütige finnische Pianist (für Tango und fast alles andere!) Jarkko Riihimäki, er steuerte wunderbare Arrangements bei.  Das Wiener / respektive  Klosterneuburger Duo Die Strottern (Klemens Lendl & David Müller)  – und Willi Resetarits, der legendäre „Doktor Kurt Ostbahn“.

Die Letztgenannten wiesen eindrucksvoll nach: Das Wienerlied lebt! Unterfüttert mit der surrealen Poesie von Texten des H.C. Artmann. Ein aus morbiden Farben schimmernder Mix aus schwarzem Humor (nicht umsonst heißt dessen berühmtester Gedichtband  med ana schwoazzn dintn) und bildmächtigen Ausdrücken, wie ihn nur der Wiener Dialekt der „gedichta r aus bradnsee“ zuwege bringt. Wenn Willi Resetarits in seinem unnachahmlichen Sprech-Gesang 3 gedichta fia d moni anstimmt (jede/r im Publikum könne dabei den Namen seiner /ihres Liebsten einsetzen, so der Doktor Ostbahn charmant), da bleibt kein Auge trocken. Oder: Alanech fia dii („i  mechad  me  diaregd  fia  dii  en a  blumanschdandal  fazauwan…“ schickt das verzauberte Publikum in eine Pause mit Sekt und Glitzern in den Augen.

Natürlich gab es aber auch die fetzigen Mitreißer zwischen Jazz, Finnland-Tango, Samba und Arrangements von Duke Ellington bis Steve Miller. Tolle Soli – und jeder Zwischenapplaus stachelte die Entertainer auf dem Podium zusätzlich an! –  brachten die Silvesterstimmung so nach und nach auf Siedehitze.

Dass Matthias Schorns musikalische Wurzeln auch in der alpenländischen Volks- und Blasmusik liegen, lässt der gebürtige Salzburger immer wieder gerne aufblitzen. Bei der Nummer Jodler & De Beag sind sein Gesangsbeitrag einige gekonnte Juchezer („G’lernt is‘ g’lernt“!). Dann wird zum Text & Arrangement des Neo-Wienerlied-Barden Ernst Molden gekonnt von allen auf dem Podium „zuwig’sungen“. Ohrwurmqualität! Ein Hauch von Neujahrskonzert plötzlich, als das Publikum zum Mitsingen (nicht bloß Mitklatschen) animiert wird. Ist ganz einfach, der Text! „In di Beag, do is‘ finsta / In de Beag  stengan Baam/ In de Beag wohnan d‘ Noarrn/ Von de Beag find i haam…“

Feine Klangnuancen kamen von den Strottern. Klemens Lendl ist ein Geiger mit authentisch (neo)wienerischem Ton und einer Stimme, die an den Extremschrammler Roland Neuwirth erinnert. Und wenn David Müller die Gitarre beiseite legt und auf der „Singenden Säge“ mit dem Kontrabass des Georg Breinschmid um die Wette konzertiert – das ist Crossover vom Allerfeinsten!

Ein bestens aufgelegtes Publikum akklamierte die silvesterliche Darbietung stürmisch. Das Zugaben – Medley brachte natürlich alte „Hadern“ des Kurt Ostbahn unter – diesmal veredelt durch die Mitmusiker.

„Schee, schee, schee…“ war das.

„Daunk schee!“  Und: Prosit Neujahr!

Karl Masek

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