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WIEN/ Musikverein: SILVESTERKONZERT DER WIENER PHILHARMONIKER am 31.12.2019 (am Vorabend des Neujahrskonzerts)

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WIEN/ Musikverein: SILVESTERKONZERT DER WIENER PHILHARMONIKER am 31.12.2019 (am Vorabend des Neujahrskonzerts)

Der Postillon-Galopp, op. 16/2, des Hans Christian Lumbye charakterisierte Maestro Andris Nelsons’ Tun bei seinem ersten Silvesterkonzert trefflich: Der Lette griff für die Postillon-Signale selbst zur Trompete, spielte das einleitende Solo noch von der Seite aus.

Beschränkte sich auf die Trompetensignale, ließ das Orchester frei musizieren — und gickste prompt bei seinem letzten Einsatz, das Malheur mit einem entschuldigenden Lächeln und einer auf das Instrument weisenden Geste überspielend… 

Andris Nelsons spielt die Trompetensignale im »Postillon-Galopp«, op. 16/2, von Hans Christian Lumbye bei seinem ersten Neujahrskonzert mit den Wiener Philharmonikern © Wiener Philharmoniker/Terry Linke
Copyright: Wiener Philharmoniker/ Terry Linke

 

http://www.dermerker.com/index.cfm?objectid=C1AC2670-2C97-11EA-975F005056A64872

 

Thomas Prochazka/ www.dermerker.com


WIENER NEUJAHRSKONZERT 2020 – IM FERNSEHEN GESEHEN

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Andris Nelsons bei seinem Silvesterkonzert-Debut am Pult der Wiener Philharmoniker © Wiener Philharmoniker/Terry Linke
Andris Nelsons. Foto: Wiener Philharmoniker/Terry Linke

 

WIENER NEUJAHRSKONZERT 2020 – IM FERNSEHEN GESEHEN (1.1-2020)

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Um gleich zu Beginn jeden Irrtum auszuschliessen – ich mag Andris Nelsons. In der Oper erfüllen mich seine Dirigate immer mit großer Zufriedenheit und so habe ich mich gefreut, als er für das diesjährige Neujahrskonzert von den Wr. Philharmonikern eingeladen wurde. Vielleicht waren meine Erwartungen etwas zu groß, denn irgendwie war ich ein bisschen enttäuscht. Es wurde nämlich wieder einmal der Beweis erbracht, dass es nicht genügt, die Stücke der Strauss-Dynastie und jener Komponisten, die sonst noch Eingang ins Programm dieses Konzertes finden, präzise einzustudieren. Das ist nur die Grundvoraussetzung, dass es überhaupt funktioniert. Die Vollendung dieser kostbaren Musik – sie ist ein  gutes Beispiel, wie sich Kunst und Kommerz vereinen läßt – wird erst erreicht, wenn diese präzise Einstudierung mit entsprechender Leichtigkeit und – mir fällt leider kein anderes Wort ein – mit einem gewissen Schmunzeln umgesetzt wird.

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Es war ein solides Konzert, aber leider nicht mehr. Nelsons hat das Orchester sicher präzise einstudiert und die Phiharmoniker setzten das mit großer Disziplin auch um, aber es fehlte eben diese Leichtigkeit und das Schmunzeln. Dies fiel  besonders bei den Polkas auf. Das sind musikalische Kleinodien, deren Flair sich erst erschließt, wenn sie besonders leicht und humorvoll klingen. Ähnliches gilt für die Walzer. Sie sind zweifelsohne – zum Teil sogar große – Konzertstücke, aber auch Tanzmusik. Daher muss man auch, wenn sie „nur“ als Konzertstück erklingen, die schwebende Bewegung, die einen Wiener Walzer ausmacht, spüren. Leider klangen in diesem Konzert sowohl die Polkas als auch die Walzer etwas „erdig“. Den besten Eindruck hinterließen für mich die Ouvertüre zu Suppés „Leichte Kavallerie“ – hier spürte man den Operndirigenten Nelsons – und die Auswahl aus den „12 Contretänzen“ von Beethoven.

Am Ende konnte auch der obligatorische Jubel nach dem Donauwalzer und dem Radetzkymarsch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich dieses Konzert nicht unter den ganz großen wird einreihen können.

Eine Enttäuschung auch die Dirigentenwahl für das nächstes Jahr. Man hatte es ja nach der Aussage von Vorstand Daniel Froschauer in einem Interview, es werde ein ganz berühmter Dirigent sein, der das Konzert schon dirigiert hat, befürchtet und wurde nun darin bestätigt. Es ist Riccardo Muti, der schon vor zwei Jahren mit Ausnahme einiger weniger Stücke nicht mehr wirklich glücklich machte. Es ist irgendwie – und man verzeihe mir die etwas drastische Formulierung  – ein Griff in die historische Mottenkiste.

Heinrich Schramm-Schiessl

STUTTGART/ Staatsoper: MIDNIGHT IN VIENNA – Neujahrskonzert des Staatsorchesters, Cornelius Meister,

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Neujahrskonzert „Midnight in Vienna“ des Staatsorchesters Stuttgart am 1.Januar 2020 in der Staatsoper/STUTTGART

Sprühend und schwungvoll

 Eigentlich war dieses Neujahrskonzert eine Hommage an den legendären Dirigenten Carlos Kleiber. Es enthielt nämlich ausschließlich Werke, die dieser in seinem ersten Wiener Neujahrskonzert 1989 dirigiert hat. Die Beziehungen des württembergischen Hofes zu Wien waren übrigens ausgesprochen eng. So war König Friedrich in Wien sehr beliebt, weil er so viel Trinkgeld gegeben habe. Schwungvoll und stürmisch zugleich kam die Ouvertüre zur Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauss (Sohn) daher, wobei die spritzigen Rhythmen hier vom Staatsorchester Stuttgart unter der Leitung von Cornelius Meister ausgesprochen elektrisierend verdeutlicht wurden. Mit viel Ironie und Hintersinn interpretierte das gut aufeinander abgestimmte Staatsorchester unter Meister anschließend die Polka francaise „Im Krapfenwaldl“ op. 336 von Johann Strauss (Sohn), wobei die kunstvollen thematischen Verbindungen immer wieder in reizvoller Weise hervorblitzten. Der Walzer „Accelerationen“ op. 234 von Johann Strauß (Sohn) bestach ebenfalls mit rasanten Tempi und atemlosen chromatischen Läufen, die sich jedoch nie verflüchtigten. Die musikalischen Einfälle sprühten hier nur so hervor, wobei die unbeschwerte Heiterkeit immer wieder glanzvoll triumphierte. Reizvoll war auch die vergnügliche Begegnung mit der „Moulinet-Polka“ als knisternd interpretierte Polka francaise op. 57 von Josef Strauss, wobei Cornelius Meister die harmonische Vielschichtigkeit dieses Werkes mit feiner Ironie betonte. Das Staatsorchester Stuttgart folgte seinen Intentionen mit viel Einfühlungsvermögen. „Eljen a Magyar!“ hieß es dann bei der ansprechend musizierten Ungarischen Polka schnell op. 332 von Johann Strauss (Sohn), wo man meinte, dass die Musiker des Staatsorchesters Stuttgart plötzlich wirklich Paprika im Blut bekommen hätten. Wie Ping-Pong-Bälle spielten sie sich dann außerdem bei der „Bauern-Polka“ von Johann Strauss (Sohn) die Noten zu, wobei Cornelius Meister die ausdrucksvolle melodische Entwicklung nie außer Acht ließ. Bei „Die Libelle“ als Polka mazur op. 204 von Josef Strauss ging wiederum in atemlos-rasanter Weise die Post ab. Das Staatsorchester Stuttgart arbeitete unter Cornelius Meister die rhythmische Entwicklung der Komposition eindringlich heraus.

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Beate Ritter. Foto: Matthias Baus

Großartig gestaltete die begnadete Sopranistin Beate Ritter die halsbrecherischen Koloraturen beim berühmten „Frühlingsstimmen-Walzer“ für Sopran und Orchester op. 410 von Johann Strauss (Sohn), wobei der wiegend-schwungvolle Rhythmus nie zu kurz kam. Von Johann Strauss (Sohn) und Josef Strauss war die „Pizzicato-Polka“ als Polka francaise op. 234 mit großer Präzision zu hören, wobei die Pizzicati-Tupfer mit stechender Schärfe daherkamen. Das „Plappermäulchen“ op. 245 als gewitzte Polka schnell von Josef Strauss geriet zu einem weiteren akustischen Höhepunkt dieses abwechslungsreichen Konzertprogramms. Als Zugabe gab es noch den berühmten Walzer „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauss (Sohn) und den „Radetzky-Marsch“ von Johann Strauss (Vater) zu hören. Tosender Schlussapplaus und verdiente Ovationen.

Alexander Walther

DRESDEN/ Semperoper: ZDF-SILVESTERKONZERT „DAS LAND DES LÄCHELNS“

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Dresden / Semperoper: „DAS LAND DES LÄCHELNS“ IM ZDF-SILVESTERKONZERT – 31.12.2019
Immer nur lächeln und immer vergnügt“ – wer möchte das nicht, besonders an der Schwelle eines neuen Jahres, in dem alles anders und besser werden soll als bisher, aber dann doch wieder „beim Alten“ bleibt. „Auch wenn die Welt recht mangelhaft, wird sie doch in den nächsten Jahren vermutlich noch nicht abgeschafft“ (nach W. Busch). Den Jahreswechsel möchte selbst das „seriöse“ Publikum weltweit traditionsgemäß in den Silvester- und Neujahrskonzerten rauschhaft und ausgelassen, im Überschwang sinnlicher Melodien und mit charmant-hintergründigem Humor feiern. Das Heitere ist schwer zu machen und selbst die Operette hat oft einen ernsthaften Hintergrund, der in Franz Lehárs Klassiker „Das Land des Lächelns“ besonders sinnfällig zutage tritt und an Oper erinnert.
 
Gegenwärtig feiert dieses, 1929 in Berlin uraufgeführte, Meisterwerk der Operette vielerorts ein Comeback, auch da, wo es bislang einen „Dornröschenschlaf“ hielt, wie in Dresden, wo im vergangenen halben Jahrhundert oder länger kaum etwas live davon zu hören war, bis Piotr Beczała „Dein ist mein ganzes Herz“, in einem der vorangegangenen Silvesterkonzerte und später als Zugabe bei „Klassik Picknickt“ mit Verve und Schmelz gesungen bzw. bravourös „geschmettert“ hat und Lust und Neugier auf diese Operette machte. Jetzt konnte sich das Publikum an zwei Abenden (30./31.12.) im „Silvesterkonzert des ZDF“ (Zweites Deutsches Fernsehen) in der Semperoper oder im zeitgleich am frühen Silvesterabend gesendeten Programm am Bildschirm an einer konzertanten Wiedergabe in gekürzter Fassung, die alle wesentlichen Musik-Nummern enthielt, erfreuen.
Für Christian Thielemann, der die Silvesterkonzerte alljährlich leitet (bis auf eine Ausnahme), war es Chefsache, auch die Leitung im letzten Silvesterkonzert dieses Jahrzehnts zu übernehmen. Man war gespannt, wie sich der Maestro der großen Sinfonien und Kenner der Musik Richard Wagners, Richard Strauss‘ und Anton Bruckners dieser Operette mit dem Libretto von Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Breda (nach Victor Léon) und den zündenden Melodien von Lehár, dieser gelungenen Melange aus wienerischem Charme und einer leichtfertigen, heiteren Vorstellungswelt eines exotischen China annimmt. „Operette wird erst richtig gut, wenn sie auf einem hohen Niveau musiziert wird“, meinte er. Dann macht sie ihrem Namen als „kleine, heitere Oper“ alle Ehre.
Wie Recht er mit seinen Worten hatte, zeigte sich an diesem Abend, wo nach alter Tradition jeder etwas ganz anderes machen kann als sonst. Da ist vieles erlaubt, auch dass sich renommierte Orchester, Dirigenten und Sänger der „heiteren Muse“ zuwenden. Dass sich Thielemann auch mit dieser Seite der Musik liieren kann, bewies er schon in anderen Silvesterkonzerten. Es macht schon einen Unterschied, ob man Operette im üblichen Spielbetrieb erlebt, oder die „ganz Großen“ einen „Abstecher“ in dieses Metier wagen und mit Leichtigkeit und großem Können auch Hintergründe und Beweggründe erkennen lassen. Dieser „Abstecher“ in das, „Land des Lächelns“ mit seiner geschickten Adaption zeitgenössischer Konflikte in einen anderen Kulturkreis regt heute wie damals zum Nachdenken an und lässt die Probleme in einer Distanz zu Fernost objektiv von allen Seiten betrachten.
Die Story ist einfach, aber dennoch vielsagend: Vom aufdringlichen Gehabe ihrer europäischen Verehrer, insbesondere den Avancen des jungen Grafen Gustav von Pottenstein (Gustl) gelangweilt, verspürt die adlige Tochter Lisa Lust auf Abenteuer und verliebt sich Hals über Kopf in den chinesischen Prinzen Sou-Chong, der als Diplomat nach Wien kommt, und sie durch seine distinguierte Zurückhaltung beeindruckt. Er hat von klein auf Selbstdisziplin gelernt und Sehnsüchte und Triebe zu unterdrücken. Trotz aller Warnungen folgt die ihm ins Reich der Mitte, aus Liebe, Lust auf „Abwechslung“, Neugier oder dem Reiz des Exotischen erliegend. Als er in seiner chinesischen Heimat, zum Ministerpräsidenten ernannt, für Europäer unverständliche Verpflichtungen (auch sexuelle) erfüllen muss, will sie heimlich mit Gustl, der ihr „zufälligerweise“ (nach Operettenmanier) nachgereist ist, a la W. A. Mozarts „Entführung aus dem Serail“ heimlich fliehen, was natürlich misslingt. Beide Seiten müssen erkennen, dass die gesellschaftlichen Unterschiede und kulturellen Zwänge zu groß sind und Protokoll und Tradition eine Liebe im europäischen Sinn unmöglich machen. Sou-Chong verzichtet großmütig (wie Bassa Selim) und lässt sie ziehen, aber „Wie‘s drinnen aussieht, geht niemand was an“…
 
Das ungewöhnlich wehmütig-traurige Finale mit Abschied und Verzicht bringt nur für den gleichmütigen und „sehr vernünftigen“ Gustl, dem Sebastian Kohlhepp Stimme und vor allem Darstellung lieh und sich stilvoll in den Handlungsablauf einbrachte, eventuell ein happy end oder für Lisa neue „Abenteuer“, aber so weit geht die Operette nicht. Dieser Schluss spiegelt vor historischem Hintergrund (China, das sich weit nach Westen geöffnet hatte, erhielt nach dem Versailler Vertrag nicht den erhofften Gebietszuwachs und zog sich gekränkt zurück) die Diskrepanzen zwischen zwei kulturell sehr unterschiedlichen Welten wieder, aber auch Ansichten und Moralvorstellungen, die in Mitteleuropa gar nicht so fern waren, z. B. die Rolle der Frau, wenn die kleine, aufgeweckte Mi, Sou-Chongs Schwester, singt: „Unser einziges Vergnügen, das soll sein das Kinderkriegen und das Deisein für den Herrn Gemahl. Stricken sticken, waschen. Kochen und dann wieder in die Wochen …“. Erin Morley tat dies mit feinem Witz und scheinbar betulich- naivem Augenaufschlag als „brave“ junge Chinesin, die mit den westlichen Sitten liebäugelt, stimmlich, gestalterisch und darstellerisch überaus überzeugend und mit einer abschließenden „pfiffigen“ Bewegung am Schluss – genau im Takt der Musik.
 
Jane Archibald, die auf den großen Opernbühnen u. a. Königin der Nacht, Sophie („Rosenkavalier“), Lucia di Lammermoor usw. und im Konzert Bachs „Matthäus-Passion“ und Brahms‘ „Deutsches Requiem“ singt, trat hier als „geborene“ Operetten-Diva auf, mit lockerem, operettenhaftem Gesang großer Geste und ganz der Vorstellungswelt von großer Operette entsprechend. Pavol Breslik hatte die Rolle des chinesischen Prinzen sehr verinnerlicht. Statt mit Schmelz in der Stimme sang er auch die großen „Bravour-Arien“ sehr kultiviert und verkörperte die Figur mit emotionaler Tiefe, Herz und Schmerz. Wenn auch gelegentlich eine verhaltene Leidenschaft aus ihm hervorbrach, „disziplinierte“ er sich immer wieder, wie es die Rolle verlangt. Mit Ernsthaftigkeit, Euphorie und Wehmut machte er den Prinzen mit seinen unterdrückten Gefühlen zum Sympathieträger, mit dem man mitfühlen und mit leiden konnte.
 
In ca. 90 min. „rauschte“ die Operette mit ihren schönsten Melodien und anrührenden Szenen – ohne Pause und ohne Zwischentexte (kurze Erläuterungen gab es nur für das Fernsehen) – dennoch gut verständlich vorüber. Der Sächsische Staatsopernchor Dresden (Einstudierung: Wolfram Tetzner) untermalte und ergänzte „nahtlos“ die einzelnen Szenen in völligem Einklang mit Solisten und Orchester und verstand es, witzig, spritzig und exakt ebenfalls operettenhaftes „chinesisches Flair“ zu erzeugen. Thielemann und die Sächsische Staatskapelle Dresden, die wieder mit einer ihrer Glanzleistungen vom dramatischen Beginn an über sanfte Klänge, schmelzende Geigen und feine Instrumentalsoli bis zur adäquaten Solistenbegleitung aufwartete, nahmen die Operette durchaus ernst. Von den ersten Takten der Ouvertüre, bei der bereits Handlung und Sinn, teils beschwingt, teils ausgelassen, teils aber auch in etwas düster anklingenden Tönen klangvoll herausgearbeitet wurden, bis zum Orchesternachspiel bildete das berühmte, zum Evergreen gewordene „Dein ist mein ganzes Herz“ eine große Klammer.
Alles in allem fand in dem, auf der Bühne aufgebauten, „Konzertzimmer“ mit roter und wechselnder Beleuchtung ein rundum gelungener, festlicher Jahresausklang statt. Die Solisten betraten die Bühne von hinten und kamen wie über eine „kleine Showtreppe“ durchs Orchester bis zur „Rampe“. Das gut gestaltete „Arrangement“ mit kleinen „Requisiten“ und „Kostümen“, bei denen die Abendroben der Solisten blitzschnell und gekonnt mit „übergestülpten“ Details und Accessoires in „chinesisches“ Outfit verwandelt wurden, ergänzt durch kleine geschickte Gesten und leicht angedeutetes Spiel, ließ keine szenische Umsetzung vermissen.
Thielemann und die Staatskapelle beendeten gemeinsam mit Solisten und Chor in kongenialem Zusammenwirken das Jahr 2019 beschwingt und auf hohem Niveau und entließen die kurz (fürs Fernehen) und heftig (aus Begeisterung) applaudierenden Konzertbesucher optimistisch in ein (hoffentlich) gutes Jahr 2020.
Ingrid Gerk

WIEN/ Konzerthaus: ERÖFFNUNG DES BEETHOVEN-JUBILÄUMSJAHRS MIT DER „NEUNTEN“

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Foto: Helena Ludwig

Das Wiener Konzerthaus eröffnet auch das Beethoven Jubiläumsjahr 2020 traditionell mit der Neunten Symphonie des Unsterblichen.

  1. Jänner 2020: Es ist schon eine lange Tradition, dass das Wiener Konzerthaus zum Jahreswechsel an drei Tagen Beethovens großartige 9. Symphonie mit den Wiener Symphonikern und der Singakademie auf dem Spielplan hat. Schon bei der Eröffnung dieses Hauses wurde die Neunte Beethovens aufgeführt und bis heute über 200 mal gespielt.
    Es ist ein epochales Werk in dem uns im letzten Satz mit der Vertonung Friedrich Schillers Gedicht „an die Freude“ jedesmal glaubhaft die Hoffnung gegeben wird, dass alle Menschen in Frieden und Harmonie zusammenleben können. Passenderweise ist sie seit 1985 auch die Hymne der Europäischen Union und repräsentiert die Werte des vereinten Europas: Freiheit, Frieden, Solidarität und Einheit.

Beethoven hat diese, seine letzte vollendete Symphonie – die Nr. 9 in d-moll op. 12 – zwischen 1822 und 1824 geschrieben, bereits vollständig taub und von einem furchtbaren Tinnitus gepeinigt. Die Uraufführung fand unter seinem Beisein am 7.5.1824 am Wiener Kärntnertortheater statt. Bereits nach dem zweiten Satz soll frenetischer Jubel ausgebrochen sein. Seine Ode an die Freude las er von den Lippen der Sängerinnen und Sänger ab. Da er mit dem Rücken zum Publikum saß bekam er den enthusiastischen Applaus am Ende nicht mit. Die Sopranistin soll den Meister zum Publikum gedreht haben, damit er die Ovationen entgegennehmen konnte, die auch durch das Schwenken von Tüchern zum Ausdruck gebracht wurde um dem tauben Komponisten die Begeisterung auch ohne Applaus bezeugen zu können.

Zum Jahreswechsel 2019/2020 dem Beginn des 250 Jahre Beethoven Jubiläums, leitete der italienische Dirigent Gianandrea Noseda die Wiener Symphoniker. Der Chor der Wiener Singakademie unter der künstlerischen Leitung von Heinz Ferlesch war wieder sehr überzeugend. Alle vier Solisten debütierten in dieser Aufführungsserie am Wiener Konzerthaus.

Sopran: Lise Davidsen
Mezzo: Anna Maria Chiuri
Tenor: Russel Thomas

Michael Volle musste aus gesundheitlichen Gründen leider absagen, aber es konnte der großartige Bass Ain Anger einspringen der ein ganz wundervoll mächtiges „Oh Freunde, nicht diese Töne“ ins beginnende Chaos erschallen ließ. Der in Estland geborene Sänger ist dieses Monat auch wieder an der Wiener Staatsoper, nämlich in Lohengrin als König Heinrich, zu sehen.

Das Dirigat des am 23.4.1964 in Mailand geborenen Gianandrea Noseda hat mir sehr gefallen. Oft verinnerlicht, unaufgeregt aber doch extrovertiert, sehr verbunden mit der Musik, hatte er immer engen Kontakt mit dem Orchester und scheint mit den Symphoniker und Sängern überhaupt glänzend zu harmonieren. Er ist unter anderem Musikdirektor des National Symphony Orchestra Washington und ab 2021/22 Generalmusikdirektor des Opernhaus Zürich. Der Maestro hat mir verraten dass es er eventuell mit seinem US Orchester nach Wien kommen wird. Ich halte die Daumen dass es klappt und wünsche ein  gutes und freudenvolles 2020!

http://www.gianandreanoseda.com/home_e.aspx

https://www.wienersymphoniker.at/

https://www.wienersingakademie.at/de/startseite/

https://www.konzerthaus.at/

Bericht: Helena Ludwig – https://www.facebook.com/helena.ludwighttps://www.instagram.com/helena_ludwig_austria/

 

BONN/ FIDELIO -Premiere am ersten Tag des Beethoven-Jahres

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BONN: FIDELIO am 1.1.2020 –

Halt! Aufhören! Ich will hier raus!

Mit einem Festakt am 16. Dezember 2019 haben in Bonn offiziell die Jubiläumsfeierlichkeiten zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven begonnen. Im Rahmen des ausgerufenen Beethoven-Jahres finden bundesweit eine große Zahl von Veranstaltungen statt, um das Werk dieses großen Komponisten zu würdigen. Besondere Aufmerksamkeit gilt in diesem Zusammenhang der ersten Fidelio-Inszenierung des Kalenderjahres 2020, die am 01.01.20 in der Geburtsstadt des Komponisten ihre Premiere feierte.


Foto: Thilo Beu

…Aufgrund der Menge der Inhalte und der Bilderflut wird der Abend aber eher als politisch hochinteressantes, zeitgenössisches Musiktheater in Erinnerung bleiben, als ein musikalisches Sängerfest. Tosender, langanhaltender Beifall, Standing Ovations und großer Beifall für eine herausragende Leistung aller Beteiligten. In der Pause hatten sich die Reihen der ausverkauften Reihen bereits ein wenig gelichtet; aber auch unter den standhaften Besuchern brach im laufenden zweiten Akt bereits ein kurzer Streit im Publikum über die Inszenierung aus. Eine lebhafte Auseinandersetzung, die sicherlich auch in den Folgevorstellungen nicht beendet sein wird. Dementsprechend mischten sich in den Abschlussapplaus auch vereinzelte Buh-Rufe.

 

https://www.deropernfreund.de/bonn-12.html

Ingo Hamacher/ www.deropernfreund.de

BERLIN/ Deutsche Oper: DIE FLEDERMAUS

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Johann Strauss: Die Fledermaus, Deutsche Oper Berlin, Vorstellung: 31.12.2019 nachmittags
(18. Vorstellung seit der Premiere am 28.04.2018)

Glücklich ist, wer vergisst, wenn der Regisseur keine Ideen hat

An der Deutschen Oper sind oder waren die Klassiker des Dezember-Repertoires in geballter Form zu erleben: «Hänsel und Gretl», «Der Nussknacker» und «Die Fledermaus».

Ganz im Gegensatz zu Homokis Hänsel und Gretel konnte Rolando Villazons Fledermaus nun gar nicht überzeugen. Ausser dem von Regisseuren mittlerweile inflationär geäusserten Vorsatz, die Geschichte des zu inszenierenden Stückes mit Menschen von heute erzählen zu wollen, ist Villazon bestenfalls Stehtheater (1. Akt) eingefallen. Johannes Leiacker hat für den ersten Akt, «Bei Eisensteins», einen biederen Salon auf die Bühne gestellt. Für den zweiten Akt, «Fest beim Prinzen Orlofsky», hat er eine Bar der Nachkriegszeit entworfen und der dritte Akt, «Im Gefängnis», spielt in der Zukunft in einem Raumschiff. Die Kostüme Thibault Vancranenbroecks unterstützen die masslos übertriebene Charakterzeichnung. Die obligaten Videos, ohne geht’s offenbar nimmer, stammen von Dorian Häfner und Wieland Hilker.

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Foto: Thomas Jauk

Musikalisch ist es leider kaum besser bestellt, Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin unter Stefan Blunier machen leidenschaftsfrei Dienst nach Vorschrift.

Die Partien sind wie folgt besetzt:

Gabriel von Eisenstein Burkhard Ulrich
Rosalinde, Gabriels Frau Hulkar Sabirova
Frank, Gefängnisdirektor Stephen Bronk
Prinz Orlofsky Jana Kurucová
Alfred, Gesangslehrer Robert Watson
Dr. Falke, Notar Philipp Jekal
Dr. Blind, Advokat Andrew Dickinson
Adele, Kammermädchen Alexandra Hutton
Ida Judith Shoemaker
Frosch Florian Teichtmeister

Leider sind die Solisten für einmal im Kollektiv abzuhandeln: Gesungen und gespielt wurden mit minimalem Engagement, verständlich war kaum etwas.

Man wurde schon weitaus besser unterhalten.

In dieser Spielzeit keine weiteren Aufführungen mehr.

04.01.2019, Jan Krobot/Zürich

ZÜRICH/ Oper: LA CENERENTOLA –„Bartoli-Wochen“

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Gioacchino Rossini: La Cenerentola, Opernhaus Zürich, Vorstellung: 02.01.2020

(2. Vorstellung seit der Wiederaufnahme am 31.12.2019)

Bartoli-Wochen

Die Bartoli-Wochen, wie ein deutsches Fachblatt die kommenden Wochen am Opernhaus Zürich benannt hat, haben mit einer Wiederaufnahme von Rossinis „La Cenerentola“ begonnen (und gehen dann mit der Premiere von Glucks „Iphigenie en Tauride“ weiter). Die Inszenierung von Cesare Lievi, die bereits am 17. September 1994 Premiere hatte, funktioniert weiter tadellos und lebt natürlich zum grossen Teil von ihrer Protagonistin. Lievi erzählt die Geschichte eng am Libretto und Bühnenbild und Kostüme von Luigi Perego machen die Aufführung zum Vergnügen für Klein und Gross.

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Foto: Monika Rittershaus

Cecilia Bartoli, die den Grossteil der Aufführungen dieser Inszenierung bestritten haben dürfte, hat die Partie szenisch wie musikalisch (im positiven Sinne) verinnerlicht. Auch wenn die Stimme gegenüber früheren Jahren deutlich kleiner geworden ist: die Technik ist perfekt, die Farben sind alle da. Kurz: Ihre Cenerentola ist ein Erlebnis. Javier Camarena, der in Zürich entdeckt wurde, gibt einen schlicht singulären Don Ramiro. Mit absoluter Musikalität gestaltet er seine Partie, erreicht die Höhen genau so problemlos und leicht wie die Konkurrenz und dabei hat seine Stimme weiter an Tragfähigkeit und Kraft, die er aber immer wohl dosiert einsetzt, zugenommen. Seine Kräfte scheinen keine Grenzen zu kennen. Als Dandini ist weiter Oliver Widmer gesetzt, auch wenn seine Stimme schon lang nicht mehr an frühere Zeiten heranreicht. Matt und verbraucht klingt die Stimme, Farben fehlen. Aber wer A sagt, muss auch B sagen, besser: Wer B will, muss auch W nehmen. Alessandro Corbelli als Don Magnifico überzeugt vor allem gegen Schluss mit seiner schauspielerischen Leistung. Seine Stimme ist an diesem Abend zu schwerfällig, um wirklich begeistern zu können. Wie schon lange Jahre gibt Liliana Nikiteanu die Tisbe. Rebeca Olvera springt für die erkrankte Martina Jankova als Clorinda ein und kann wie immer stimmlich, aber auch mit ihrem wunderbar quirligen Temperament überzeugen. Stanislav Vorobyov singt einen soliden Alidoro.

Der von Ernst Raffelsberger vorbereitete Chor der Oper Zürich scheint den Abend zu geniessen und ist mit Leidenschaft bei der Sache.

Schon lange nicht mehr hat man das Orchestra La Scintilla so farbenfroh und lebendig wie an diesem Abend unter Leitung von Gianluca Capuano aufspielen gehört.

Pures Vergnügen!

Weitere Aufführungen: 05.01.2020, 12.01.2020.

03.01.2020, Jan Krobot/Zürich 

 

 


DRESDEN/ Frauenkirche: THE MESSIAH von G.F. Händel als traditioneller Jahresbeginn

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Dresden / Frauenkirche  TRADITIONELLER JAHRESBEGINN MIT „THE MESSIAH“ VON G. F. HÄNDEL 1.1.2020

Wie in den vergangenen Jahren stand auch in diesem Jahr „The Messiah“ von Georg Friedrich Händel unter der Leitung von Ludwig Güttler am Neujahrstag mit vertrauten und bewährten Ausführenden auf dem Programm der Frauenkirche. Das vor über 30 Jahren (1985) von Güttler, einem der international erfolgreichsten Virtuosen der Gegenwart auf Trompete und Corno da caccia und Motivator, Kurator und Förderer des Wiederaufbaus der Dresdner Frauenkirche mit führenden Mitgliedern der Sächsischen Staatskapelle Dresden gegründete Kammerorchester, die Virtuosi saxoniae, bildete nicht nur das sehr zuverlässige, sondern auch überaus klangschöne Fundament der Aufführung. Unter Güttlers Leitung hat das Orchester in mehr als drei Jahrzehnten nicht nur in zahlreichen Konzerten die Besucher erfreut, sondern auch unermüdlich mit seinen Benefizkonzerten einen wesentlichen Beitrag zum Wiederaufbau der Frauenkirche, der „Seele von Dresden“, geleistet.

Jetzt musizieren noch mehrere Gründungsmitglieder im Orchester und bilden in wechselnden Besetzungen, auch mit den neu Hinzukommenden stets eine eingeschworene Gemeinschaft, die immer noch und immer wieder neu mit einem betörenden Klang aufwartet, der an die Leichtigkeit und „seelenvolle Süße“ der italienischen Barockmusik erinnert und gleichzeig von Ernsthaftigkeit und geistiger Tiefe durchdrungen, nicht zuletzt vom spezifischen Klangbild der Sächsischen Staatskapelle geprägt ist. Die Musiker spielen auf modernen Instrumenten und nähern sich in Fragen der Aufführungspraxis historischen Kriterien an, die sie nicht (nur) „akademisch verarbeiten, sondern vor allem praxisnah in hinreißende Klänge umsetzen, wie es kürzlich erst wieder im „Weihnachtsoratorium“ von J. S. Bach und jetzt am Neujahrstag zu erleben war.

 Die Virtuosi Saxoniae musizierten in einem idealen Tempo, das rasch, aber nicht zu schnell, bei aller Frische und Agilität die Musik „atmen“ und „ausschwingen“ ließ, bildeten damit das sehr sichere und besonders klangschöne Fundament und brillierten mit zahlreichen hinreißend musizierten solistischen Passagen, u. a. von Violine(n), Trompete und Orgel. Der Chor, die sehr zuverlässigen und auch an dieser Stelle schon oft bewährten, Hallenser Madrigalisten (Einstudierung: Tobias Löbner), die trotz überwiegendem Frauenanteil einen klanglich ausgeglichenen Eindruck erweckten, und die Solisten ließen sich davon inspirieren und engagierten sich mit sichtlicher Hingabe bei dieser, von Enthusiasmus getragenen, Aufführung, bei der es, abgesehen von den, von Text und Inhalt vorgegebenen Zäsuren zwischen den drei Teilen, nicht die leidigen „kleinen“ Pausen zwischen den einzelnen Nummern gab und auch dadurch ein sehr geschlossener Eindruck entstand.

Neu an dieser Stelle war die junge, gebürtige Armenierin Narine Yeghiyan, die bis 2018 Mitglied der Staatsoper unter den Linden in Berlin war, und u. a. bei den Opernfestspielen St. Margarethen und in der Philharmonie Berlin sang. Sie ließ in die Sopranpartie auch ihre Erfahrungen als Opernsängerin einfließen, was in diesem Fall kein Fehler war, engagierte doch Händel für die Aufführungen seines Oratoriums Opernsänger und –sängerinnen, auch für die Altpartie, und nur in einem einzigen Fall einen Kastraten, wovon gegenwärtig offenbar immer wieder abgeleitet wird, die Altpartien in Oratorien mit einem Countertenor oder Altus zu besetzen.

Auch bei dieser Aufführung sang ein Altus, der in Dresden bekannte Barockspezialist David Erler, dessen Interpretation Stilsicherheit und eine intensive Auseinandersetzung mit der Partie verriet und schließlich zu völliger klanglicher Übereinstimmung mit Orchester und Chor führte. Von der Kontinuität und Klangschönheit des Orchesters ließ sich offenbar auch der für seine klangliche Empfindsamkeit bekannte Lied- und Oratorientenor Georg Poplutz, der ebenfalls schon oft in Dresden auftrat, anregen und fügte sich mit seinem Part nahtlos in das musikalische Gesamtgeschehen ein.

Andreas Scheibner gestaltete die Basspartie, bei der für ihn auch jedes Arioso, jedes Rezitativ wichtig ist, einschließlich der beiden anspruchsvollen Arien mit gesangstechnischer Perfektion und bewusster Gestaltung bis ins letzte Detail und ließ die berühmte „Trompeten-Arie“, kraftvoll und mit langem Atem, in großen Bögen und in kongenialer „Korrespondenz“ mit der glanzvollen Trompete zu einem besonderen Höhepunkt werden.

Die Kirche war bis unters Dach gefüllt. Die Besucher aus nah und fern lauschten andächtig und „mucksmäuschenstill“ auf jeden Ton aus Händels großartigem Oratorium nach englischen Bibeltexten (es wurde auch in englischer Sprache gesungen) über die gesamte Dauer von ca. 2,5 Std., auf die das im Original 3,5 Std. dauernde Oratorium gekürzt worden war, ohne das „Brüche“ spürbar gewesen wären. Sie waren gebannt von der Kraft der Musik Händels und der in sich geschlossenen Aufführung mit zahlreichen internen Höheunkten und klangschönen Passagen im Zusammenwirken aller Beteiligten.

Ingrid Gerk

 

ZÜRICH: CENERENTOLA – Wiederaufnahme. Cecilia Bartoli als zauberhafte Angelina   

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Cecilia Bartoli in dem legendären Spiegelkleid (und das seit 25 Jahren!!!). Foto: Monika Rittershaus.

ZÜRICH/ Opernhaus: CENERENTOLA

Wiederaufnahme  – Besuchte Aufführung 2.1.2020    

Cecilia Bartoli als zauberhafte Angelina   

Seit 1995, also gute 25 Jahre, hält sich die zauberhafte Inszenierung von Cesare Lievi (Bühnenbild und Kostüme: Luigi Perego) im Repertoire des Opernhauses Zürich. Kein Wunder: ist doch die Cenerentola seit Anbeginn Cecilia Bartoli – und sie ist es seitdem unvermindert! Die mit Charme und magischer Ausstrahlung gesegnete Sängerin verzaubert jedesmal neu ihr Publikum: Wenn sie zu Beginn auf den Knien die Schuhe der bösen Stiefschwestern putzt, wenn sie gedemütigt wird und weint, weil sie nicht zum Fest des Prinzen mitkommen darf. Aber auch wenn sie als Einzige dem Bettler, der niemand anders ist als  Alidoro, der Erzieher des Prinzen, und insgeheim der Zauberer, der alle Fäden in der Hand hält und das Geschehen wahrlich „manipuliert“, zu essen und zu trinken gibt, was die arroganten Schwestern unterlassen, so ist es Cenerentola Cecilia, die das mit ihrem Spieltalent und ihrer Authentizität so unverhohlen über die Rampe und damit direkt in die Herzen des ihr ergebenen Publikums transportiert. Dabei gelingen ihr die rollenden Koloraturen auf die ihr ganz eigene Weise wie einst im Mai, sie phrasiert mit vielen Piani und überrascht immer wieder mit neuen Finessen. Dies auch schauspielerisch. Sie weiss genau, was immer noch möglich ist und eine einzigartige Wirkung auf das Publikum hat. Dabei ist sie nicht eitel darauf bedacht, Wirkung zu erzielen, sondern die von ihr verkörperte Rolle, hier die Angelina, wirkt absolut echt und glaubhaft. Dazu kommt ihre blendende Erscheinung, vor allem in dem legendären, für sie speziell entworfenen Spiegelkleid, in dem sie als wahre Königin des Balls auftritt. Ihre Stimme war nie gross, aber ihr feinstes Piano trägt bis in die letzte Ecke jeder Loge. Die Art, wie sie die Koloraturen singt, mag Geschmacksache sein, aber verblüffend ist es einfach, wie sie immer noch über die vokalen Resourcen verfügt.

Sie hatte auch fabelhafte Partner: Ihr Prinz Don Ramiro war Javier Camarena, der für diese Partie eine Luxus-Besetzung darstellt: welches Timbre, welche technische Sicherheit, welcher Geschmack in der Phrasierung, welche blendende Höhe bis ins hohe d‘ – einfach hinreissend. Dabei spielt er den Prinzen glaubwürdig. Als sein „Vertreter“ war Oliver Widmer – auch noch aus der Premieren-Besetzung wie die Bartoli – ein vor allem schauspielerisch treffender Dandini. Gesanglich und im Parlando war er wirklich sehr gut, obwohl seiner Stimme der Glanz über die Jahre etwas abhanden gekommen sein mag. Als Don Magnifico wirkte Alessandro Corbelli in alter italienischer Buffo-Manier (um La Roche aus „Capriccio“ zu zitieren…), absolut echt und gegenüber früheren Rollen-Vertretern eher böser und hinterhältiger. Seine beiden Töchter waren sowohl komödiantisch als auch sängerisch hervorragend bei Rebeca Olvera (Clorinda) und Liliana Nikiteanu (Tisbe) aufgehoben. Auf sich aufmerksam machte Stanislav Vorobyov als prächtig singender Alidoro, der zudem eine bella figura machte. Der Herrenchor des Opernhauses Zürich (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) genoss seine von der Regie Lievis witzig inszenierten Auftritte und sang auch animiert.  

Die Scintilla spielte unter der Leitung des drahtigen Gianluca Capuano zuerst eine etwas hölzern klingende Ouvertüre, steigerte sich dann aber im Laufe der Oper zu einem animierten, farbig schillernden Spiel. Ab und an hätte der Dirigent das Orchester allerdings mehr zurückhalten können, da bei den Parlando-Passagen die Sänger leicht untergingen.   

Und dann beim Schlussapplaus: die Überraschung vor dem Vorhang. Nachdem Cecilia Bartoli freudestrahlend „Herzchen“ ins Publikum verteilt hatte, entschloss man sich, das „Gruppo rintrecciato“-Ensemble als Zugabe zu wiederholen. Dass es Standing Ovations gab und viele Bravo-Rufe, das ist dann schon fast „selbstverständlich“…

John H. Mueller

 

 

 

 

 

 

ATHEN/ Kulturzentrum der Michael Cacoyannis Foundation: LULU von Frank Wedekind

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Foto: Michael Cacoyannis Foundation

Michael Cacoyannis Foundation, Athen: LULU von Frank Wedekind

Besuchte Vorstellung am 3. Januar 2020

Lulu, das Zirkustier

 

Die Michael Cacoyannis Foundation unterhaelt wie andere Stiftungen in Athen ein Kulturzentrum, das sich in verschiedenen kuenstlerischen Bereichen engagiert. Der Produktion von Theaterauffuehrungen kommt eine besondere Bedeutung zu. Der renommierte Regisseur Yannis Houvardas, der von 2007 bis 2013 das Griechische Nationaltheater leitete, praesentiert dort nun seine Sicht auf Frank Wedekinds „Lulu“. Houvardas hat in der Vergangenheit haeufiger im deutschsprachigen Raum gearbeitet und spricht auch fliessend die deutsche Sprache. Man darf sagen, dass er zu den besten Kennern der deutschen Dramenliteratur in Griechenland gehoert. Fuer die Wedekind-Produktion im Cacoyannis-Kulturzentrum hat er ein hochkaraetiges Team zur Seite.

Houvardas und seine Buehnenbildnerin Eva Manidaki bestuecken das Geschehen vom Anfang bis zum Ende mit Versatzstuecken aus dem Zirkusmilieu. Der Tierbaendiger aus dem Prolog gibt gewissermassen die Richtung der Inszenierung vor. Der Regisseur erzaehlt in einer komprimierten Fassung des Stuecks wie eine junge Frau als Projektionsflaeche fuer Maennerphantasien herhalten muss, wie sie dressiert wird, wie sie gesellschaftlich auf- und absteigt. Die Handlung spielt sich in einer Mischung aus Manege und Turnhalle ab, zwischen Hochseil, Barren, Reck und Vorhaengen. Houvardas bleibt dabei ganz nah an Wedekind und verzichtet auf Aktualisierungen. Die Kostueme von Ioanna Tsami ruecken die Handlung zwar mehr in die Gegenwart, signalisieren aber eher Zeitlosigkeit als Zeitgenossenschaft. Die aufgebotene Symbolik macht fraglos Sinn, scheint aber die Schauspielerinnen und Schauspieler auch etwas in ihrem Aktionsradius einzuengen. So klar das Beziehungsgefuege von Houvardas freigelegt wird, so distanziert wirkt sein Blick auf die Figuren. Wedekinds „Lulu“ erscheint zu sehr als Lehrstueck, denn als lebendige Manege. Der Aussage im Prolog, dass Lulu „das wahre Tier, das wilde, schoene Tier“ sei, vermittelt sich trotz sehenswerter Momente zu wenig in dieser Produktion. Interessant ist, und darauf muss hingewiesen werden, die Musik von Thodoris Economou, welche dem Stueck eine durchgehende musikalische Struktur verleiht. Geschickt nutzt Houvardas die toten Maenner als Klangerzeuger: ‚Geistermusik‘ begleitet so das spaetere Geschehen.

Karyofyllia Karabeti ist eine attraktive Lulu, aber auch eine, der man das Animalische nicht recht abnehmen will. Ihr Auftreten wirkt etwas zu kalkuliert. Von den Maennern ist es vor allem Haris Frangoulis als Alwa der mit seinem impulsiven Spiel Eindruck macht. Akis Sakellariou als Dr. Schoen und Konstantinos Avarikiotis als Dr. Goll geben ebenfalls eine gute Figur ab, waehrend die Geschwitz von Alkistis Poulopoulou deutlich zu blass bleibt. In weiteren Rollen sind Andreas Konstantinou als Rodrigo, Giorgos Biniaris als Schigolch und Nikos Hatzopoulos Tierbaendiger zu erleben. Zum Teil uebernehmen die Schauspieler in der zweiten Haelfte des Abends weitere Rollen. Yannis Houvardas bringt eine solide, handwerklich gute Inszenierung auf die Buehne. Funken schlaegt der Abend jedoch selten.

Das Publikum spendet am Schluss freundlichen Beifall.

Ingo Starz (Athen)

 

 

WIEN/ Volksoper: CARMEN. Wiederaufnahme

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Marco Di Sapia, Vincent Schirrmacher, Stepanka Pucalkova, Johanna Arrouas, Chor (Barbara Palffy)

 

WIEN / Volksoper: „CARMEN“ – Wiederaufnahme

4.1. 2020 – Karl Masek

Es war die 190. Vorstellung „Nach  einer Inszenierung von Guy Joosten“ aus dem Jahr 1995 in der kargen Bühnenlandschaft von Johannes Leiacker. Sie hat mittlerweile fast ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel und war ein bewusster Gegenentwurf zu Franco Zeffirellis naturalistisch- opulentem Sevilla-Bühnenspektakel von 1978 in der Wiener Staatsoper.

In dieser Version wird Deutsch gesungen. Bringen wir also gleich einmal Negatives hinter uns. Die deutsche Übertragung des Librettos von Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach Prosper Mèrimée stammt von Walter Felsenstein aus DDR-Vorvergangenheitszeiten. Damals hatte es ohne Zweifel seine Berechtigung, italienische, französische, russische,… Opernlibretti ins Deutsche zu übersetzen, weil man wollte, dass das Opernpublikum den Text auch verstehen kann. In Zeiten von Übertitelungsanlagen könnte man getrost zur  Originalsprache der jeweiligen Opern zurückgreifen. Auch  Georges Bizet hat selbstverständlich auf das französische Idiom hin komponiert. Jede Übersetzung klingt da fast zwangsläufig holprig. Auch Verdis Räuber („Il Masnadieri“) haben das vor wenigen Jahren im Haus am Währinger Gürtel schmerzlich bewiesen.

Und bei allem Respekt vor der großen künstlerischen Lebensleistung des Walter Felsenstein: In seiner Übersetzung gab es immer wieder Passagen, in denen es (wie es in einer Alt-Wiener Redewendung heißt) „einem die Schuhe auszog“…

Widmen wir uns also dem musikalischen Teil dieser Wiederaufnahme zu. Dirigentin dieser Neueinstudierung ist Anja Bihlmaier. Die Karriere der 41-Jährigen nimmt seit einigen Jahren volle Fahrt auf. 2021 wird sie Chefdirigentin des Residenzorchesters Den Haag. Als international freischaffende Dirigentin gibt es Gastdirigate in Schweden, England, Japan, Finnland, in dichter Folge. So manche Opernfreunde werden sich an „Rigoletto“ im Steinbruch  St Margarethen 2017 erinnern – und an der Volksoper debütierte sie vor genau 2 Jahren erfolgreich mit „Le Nozze di Figaro“. Mit „Carmen“ gab sie eine weitere Kostprobe ihres immensen kapellmeisterlichen Könnens. Das Orchester der Wiener Volksoper war hörbar begeistert, neben der Vielzahl an Operetten und noch mehr Musicals auch wieder Oper zu spielen. Eine Opéra comique zumal, wo es – wie bei Bizet – besonders auf klangliches Raffinement ankommt. Fein abschattiert, schlank, leichtfüßig, rhythmisch federnd war das Klangbild, niemals knallig oder „bamstig“.  Mit Genuss wurde da französisches Kolorit serviert, mit viel mediterran-andalusischem „Touch“ unterfüttert. Gleichermaßen apart wie sorgfältig musiziert wurden da etliche der wundersamen Soli (Flöten, Klarinetten, Fagott, Harfe,…). Nimmt man diesen Eindruck, so sind die Zeiten vorbei, in denen es aus dem Orchestergraben allzu oft zu laut dröhnte. Auf der Bühne musste nicht über Gebühr forciert werden. Beste Grundlagen für einen besonders schönen Opernabend also.

Seltsam, dass es auf der Bühne zwei Akte brauchte, bis die Vorstellung mit genug „roten Blutkörperchen“ angereichert war. Zu verhalten, zu vorsichtig klang da zu vieles. So als traute man der eigenen Courage und der Hausakustik nicht so recht. Bei 2 Hausdebüts und 6 Rollendebüts wird es gewiss genügend Probenzeit gegeben haben. Und es waren schöne Stimmen, die man zu hören bekam. Aber man setzte sie etwas anämisch ein. Sicher, man kann vieles in Bizets Meisterwerk chansonhaft angehen. Aber dramatische Zuspitzungen benötigen halt auch ordentlichen Punch…


Stepanka Pucalkova, Carmen (Foto: Johannes Ifkovits)

Die 33-jährige Stepanka Pucalkova (Ensemblemitglied in der Semperoper Dresden) hatte mit der Carmen ihr Hausdebüt. Sie spielte ein cooles, arrogantes, letztlich beziehungsunfähiges noch ziemlich junges Mädchen. Sie war offensichtlich darauf bedacht, möglichst keine „Carmen“- Klischees mit Hüftschwung und röckeraffender Laszivität zu bedienen. Leidenschaften (die so schnell enden wie sie beginnen) verbirgt sie hinter dem Schutzmantel der Unnahbarkeit. Die Habanera ist eher ein chansonhafter „innerer Monolog“ als aufreizendes Statement für absolute Freiheit in der Liebe und im Leben. Ihr aparter Mezzosopran tendiert gut in die Höhenlage, Defizite gibt es aber, was die profunde Mittellage betrifft. Im 3. Und 4. Akt ging sie endlich mehr aus sich heraus, die Todesszene gelang ihr schließlich beeindruckend.

Vincent Schirrmacher (RD) steigerte sich nach verkrampftem und stimmwackeligem Beginn zu einem packenden Rollenportrait. War die heikle Blumenarie erst einmal vorbei (gut bewältigt mit dem ihm eigenen Ausdrucksspektrum), gingen auch die Hochtöne viel schöner auf.

Der blutjunge australische Bass Juke Stoker (HD) gab eine Talentprobe als Escamillo ab. Auch er zeigte in den baritonalen Höhen seiner Partie beachtliches Material, der bassige Untergrund ist allerdings wenig ausgeprägt.

Julia Koci (RD) hat eine weiche Sopranstimme, die zu innigen Tönen fähig ist (was die Micaëla natürlich braucht!). An der nötigen Kraft und Substanz in der Mittellage mangelt es der Stimme allerdings. Den tief notierten Beginn der wunderschönen Arie im 3. Akt hörte man schon in der 13. Reihe Parkett kaum.

Die Comprimarii waren allesamt zufriedenstellend. Das Schmugglerquintett des 2. Aktes (mit allen Zungenbrechern) gelang präzis (Johanna Arrouas, Frasquita, RD Ghazal Kazemi, Mercedes, RD, David Sitka, Remendado, Marco Di Sapia, Dancairo, RD). Yasushi Hirano (Zuniga) und Alexandre Beuchat (Morales, RD) ergänzten mit Bühnenpräsenz. Der Wirt Lillas Pastia (Georg Wacks) kam eher aus Wien-Ottakring denn aus Andalusien.

Chor, Zusatzchor, Kinder- und Jugendchor verdienen wieder ein Pauschallob und überhaupt besondere Wertschätzung. Sie sind Garanten für verlässlich hohes Niveau.

Ein mit Bravi akklamierter Abend in der ausverkauften Volksoper. Weitere Vorstellungen gibt es am 9., 13., 17., 21., 24., 29.1. sowie am 5., 11. und 17.2., teilweise mit Alternativbesetzungen.

Karl Masek

 

 

 

ST. GALLEN/ Tonhalle: GALA-KONZERT MARINA REBEKA

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Gala-Konzert Marina Rebeka, Tonhalle St.Gallen, 04.01.2020

Marina Rebeka stellt das Programm ihrer neuen Solo-CD vor

 
   

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Foto: Dario Acosta

In der vergangenen Saison hat Marina Rebeka in St.Gallen mit dem Sinfonieorchester St.Gallen ihr neuestes Solo-Album («Elle») aufgenommen. Die in der Tonhalle eingespielten Arien und Orchesterwerke aus Opern von Jules Massenet, Charles Gounod, Ambroise Thomas und Jacques Offenbach kommen nun im Rahmen eines festlichen Gala-Konzerts auch vor Publikum zur Aufführung.

Folgendes Programm ist angekündigt:

Ambroise Thomas (1811–1896):

Ouvertüre zu Raymond

Jacques Offenbach (1819–1880):

Ouvertüre zu Les Fées du Rhin

Jules Massenet (1842–1912):

Aus Hérodiade: Celui dont la parole … Il est doux, il est bon

Aus La Vierge: Prélude, Le dernier sommeil de la Vierge

Claude Debussy (1862–1918):

Aus L’Enfant prodigue: L’année, en vain chasse l’année … Azaël, pourquoi m’as-tu quittée?

Charles Gounod( 1818–1893):

Walzer aus La Reine de Saba

Aus Roméo et Juliette: Je veux vivre

 

Pause

 

Jules Massenet1842–1912):

Aus Thaïs: Ah, je suis seule … dis-moi que je suis belle

Méditation

Charles Gounod (1818–1893):

Aus Faust: Introduction, Il ne revient pas

Aus Roméo et Juliette: Ouvertüre

Dieu! Quel frisson court dans mes veines! … Amour, ranime mon courage

In den Ouverturen zu Thomas «Raymond» (1851) und Offenbachs «Les Fées du Rhin», der Prélude aus Massenets «La Vierge», der «Méditation» aus Massenets «Thaïs» und dem Walzer aus Gounods «La Reine de Saba» kann das Sinfonieorchester St.Gallen unter Leitung von Michael Balke seine hervorragende Qualitäten präsentieren: Satte Streicher, wenn gefordert seidig zart und bis ins Pianissimo bestens vernehmbar (Méditation aus «Thaïs»), Holz- und Blechbläser mit wunderbar rundem Klang (Ouverture zu Raymond), mächtiges, aber nie übermächtiges Schlagwerk.

Mit funkelnder Stimme kann Rebeka schon in «Celui dont la parole» überzeugen. Die Duftigkeit, die Leichtigkeit sind genauso da wie die Dramatik. Dramatische Aufschwünge von beeindruckender Intensität nimmt sie in «Le dernier sommeil de la Vierge». Was die Lebensfreude angeht, richtiggehend ansteckend, gelingt ihr das «Je veux vivre». (Der Debussy-Beitrag entfällt ohne Kommentar)

Überragend, so als ob sie die Szene zu Verfügung hätte, gelingt ihr das «Ah, je suis seule» aus Massenets «Thaïs». Mit «Dieu! Quel frisson» reisst sie das leider nur spärlich erschienen Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Jetzt kommen die Farben, die Dynamik, die Dramatik ihrer Stimme voll zur Geltung. Erste Zugabe des Abends ist die perfekt dargebotene Habanera aus Bizets «Carmen». Der Zuhörer ist gleich mitten im Geschehen. Mit «Ah! Je ris de me voir si belle» aus Gounods «Faust» endet das Gala-Konzert.

Mit diesem Konzert hat Marina Rebeka Lust auf mehr gemacht. Man würde sie gerne in einer dieser Rollen einmal live erleben!

 

.01.2020, Jan Krobot/Zürich

DRESDEN/ Semperoper: LUCIA DI LAMMERMOOR

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Dresden / Semperoper:  „LUCIA DI LAMMERMOOR“ – 2.1.2020

Es war die 16. Vorstellung von Gaetano Donizettis Oper „Lucia di Lammermoor“ nach der Premiere (18.11.2017). Die Besetzung hat gewechselt, aber die Inszenierung von Dietrich W. Hilsdorf mit dem Bühnenbild von Johannes Leiacker und den Kostümen von Gesine Völlm ist geblieben, in der die ganze adlige Gesellschaft zunächst auch einschließlich Lucia, ganz in schwarz getaucht ist und nur von einem Kranz aus weißen Neonröhren erhellt wird, dazu zahlreiche Stühle auf der tristen Bühne und ein Bett, in das sich Lucia bei jedem Frust und Ärger verkriefcht – sozusagen ihr „Zufluchtsort“.

Die „Adelsgesellschaft“ benimmt sich entsprechend Regie sehr „kleinkariert“ (und mitunter auch ziemlich „daneben“) wie hinterwäldlerische Dörfler am Ende des 19. Jahrhunderts (was sich in ländlichen Gegenden oft noch länger erhalten hat), wie eine „dumme Masse Mensch“, die nicht über den eigenen Tellerrand hinaussehen kann oder will und keinerlei Verständnis für Lucias Liebe und Gewissenskonflikte hat. Farbe bringen später nur Lucias weißes Hochzeitskleid und diverse Blutflecken ins Bild. Farbe ins Geschehen bringt hingegen die Musik, vor allem der Gesang, der bei sehr guter Qualität mit so mancher Inszenierung „versöhnen“ kann.

Wie so oft ließ Stefano Ranzani die Sächsische Staatskapelle Dresden unverhältnismäßig laut spielen. Solisten und Chor kamen zwar mit scheinbarer Mühelosigkeit „über das Orchester“, aber etwas weniger an Lautstärke hätte noch mehr Freiraum für die gesangliche Entfaltung bedeuten können. Es spricht für den Sächsischen Staatsopernchor, dass die rasanten Tempi, die der Dirigent lautstark vorgab, gehalten werden konnten und der Gesang dennoch nichts von seiner Qualität verlor.

Eine Meisterleistung bot der sehr viel beschäftigte Georg Zeppenfeld. Gleich mit den ersten Tönen merkte man auf. Mit seiner absolut sicheren und in allen Lagen klangschönen Stimme und guten Gestaltung verlieh er der Partie des Raimondo, des (relativ) „sanften“ Bruders Lucias sängerisch  und – wie es im Rahmen der Regie möglich war – auch szenisch Profil und hatte damit großen Anteil am positiven Gesamteindruck der Aufführung.

Im Gegensatz dazu verkörperte Aleksei Isaev zuverlässig und mit einer leichten Tendenz zum Forcieren Lucias anderen Bruder, Lord Enrico Ashton, der auf unversöhnlicher Härte beharrt.

Als Gegenspieler vom verfeindeten Lager der Ravenswood setzte Pavol Breslik seine gut geführte Stimme und gefühlvolle Gestaltung für eine gute Rollenidentifikation des Sir Edgardo ein und steigerte diesen Eindruck besonders durch die mit großer Empathie, gesangstechnischer Sicherheit und Einfühlungsvermögen gesungene große Arie.

Viel Kondition verlangt die über weite Strecken mit ihrem Gesang immer präsente Gestalt der Lucia, die mit Sensibilität und Dramatik und reichlich Koloraturen brillieren muss. Tuuli Takala setzte ihre weiche/klangvolle Stimme ein, unterschlug keinen Ton und meisterte die Rolle mit sehr feinem Piano/Pianissimo, guter Phrasierung und auch entsprechender Dramatik. Sie sang vor allem mit Leidenschaft. In jedem Duett und jeder Szene übernahm sie die Führung mit unaufdringlicher Dominanz und gutem Klang. Im Duett mit Edgardo gelang beiden eine völlige klangliche Übereinstimmung, die ihre Liebe glaubhaft erscheinen ließ.

Wenn auch Heike Grötziger als Lucias gestorbene Mutter ihrem Sarg sehr irdisch entstieg, um in einer kurzen Szene als Vision ihrer Tochter singend gute Ratschläge zu erteilen und bei ihrer stimmlichen Härte kaum die Illusion einer „Geistererscheinung“ in Lucias Vorstellungswelt zu assoziieren war, war es doch endlich wieder einmal große Oper in der Semperoper.

Ingrid Gerk

 

SCHWERIN: ANDREA CHÉNIER – letzte Vorstellung

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Foto: Silke Winkler

SCHWERIN: Andrea Chénier – letzte Vorstellung
3.1.2020 (Werner Häußner)

Luigi Illica, der Autor des Librettos von „Andrea Chénier“, hat für Umberto Giordanos Oper Konstellationen ausprobiert, die er vier Jahre später für Giacomo Puccinis „Tosca“ zuspitzen sollte: eine Dreiecksgeschichte, in der eine politisch brisante Situation mit den privaten Gefühlen der Protagonisten untrennbar verbunden ist; ein Künstler, der als Held der Freiheit und des Widerstands gegen ein inhumanes Regime stirbt; ein düsterer Bariton, der seine Macht mit Willkür und Gewalt für sexuelles Begehren und Besitzstreben ausnutzt. Und eine Heroine, die bereit ist, sich aus Liebe zu opfern, ihren Körper als Preis für die Rettung des Geliebten bietet, sich aber nicht brechen lässt.

Als in Roman Hovenbitzers Inszenierung des Revolutionsdramas in Schwerin Maddalena de Coigny im dritten Akt das Messer ergreift und gegen Gérard richtet, wähnt man sich für einen Moment in „Tosca“ – aber die Entwicklung nimmt einen anderen Gang: Carlo Gérard, der Diener, der einst auf dem Schloss der Coignys die hungernden Bauern angeführt und sich gegen die Willkür des hedonistischen Adels aufgelehnt hat, ist sich sehr wohl bewusst, dass er seinen einstigen Kampf gegen das Elend und für das „Gewissen der Menschheit“ und den „Geist der Wahrheit“ jetzt nur noch für gemeinen Hass und seine Begierde führt.

Anders als der seine Bosheit zelebrierende Scarpia versucht er – vergeblich – das Schlimmste zu verhindern. Seine große Szene im dritten Akt ist ein Glanzstück musikalischer Psychologie: Wenn Gérard zu Beginn höhnisch lachend feststellt, dass die alte Floskel vom „Feind des Vaterlandes“ beim Volk immer noch ihre Wirkung tut, läuft es einem angesichts der aktuellen Lage kalt den Rücken hinunter – zumal, wenn ein Sänger wie Yoontaek Rhim den Satz mit sattem Sarkasmus artikuliert.

Hovenbitzer setzt seinen Gérard in eine Badewanne und spielt damit auf die Ermordung Jean Paul Marats an. Mit solchen beziehungsvollen Zeichen spinnt er die Fäden hin zum zweiten Akt, wo zu Beginn eine Skulptur von „Marats hochverehrtem Haupt“ eine Rolle spielt, und zum vierten, in dem Chenier seine letzten literarischen Ergüsse auf einer umgestürzten kleinen goldenen Wanne sammelt. Die Bühne Hermann Feuchters spielt mit Bild-Ikonen des Ancien Régime im ersten Akt, dann mit Francisco de Goyas „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“, später mit bekannten Motiven der Revolution. Roy Spahn schafft dazu Kostüme, die historische Vorbilder zitieren, aber auch transzendieren, wenn zum Beispiel auf die rote Uniform des Incredibile die Konturen eines Skeletts appliziert sind.

Hovenbitzer schreckt nicht vor plakativ Unmittelbarem zurück, etwa wenn er den vorzüglich agierenden Chor zum Ende des zweiten Akts mit Pappschildern, auf die „mort“ gepinselt ist, an die Rampe der Bühne stellt. Oder wenn er die Szene der Madelon im dritten Akt als Propaganda-Inszenierung interpretiert, in der eine allzu durchsichtig auf abgerissen geschminkte Madelon (Itziar Lesaka) pathetisch den letzten Spross ihrer Familie als Kämpfer für das revolutionäre Frankreich anbietet und unter ihrem Umhang ein Junge im Stahlhelm hervorkriecht, das sogleich mit anderen Kindern als Soldat ausgerüstet wird.

Itziar Lesaka ist auch die Gräfin de Coigny im ersten Akt, die sich erst einmal von einem Domestiken befriedigen und lustvoll ihre „Puppen tanzen“ lässt – eine früh gealterte Frau, die gerne jung bliebe, aber ihre Schwäche nicht mehr verbergen kann und am Ende mit irrem Gelächter in die wieder angestimmte altertümliche Gavotte taumelt. Auch der stimmlich leider etwas gaumige Abate Paul Kroegers erweist sich nach der Exposition als Schlüsselfigur: Genüsslich an der Marmelade schleckend, setzt er sich in eindeutiger Absicht den jugendlichen Pan aus dem Schäferspiel auf den Schoß, entledigt sich später seines schwarzen Mantels und mutiert zum Spitzel, zum Tribunalspräsident und zur zwielichtigen, fast schon dämonischen Figur des „Incredibile“: Eine schauspielerische Meisterleistung von Paul Kroeger.


Foto: Silke Winkler

Wie überhaupt das Ensemble des Staatstheaters Schwerin auch en détail für knisternde Szenen sorgt, in denen sich Nebenfiguren wie Cornelius Lewenberg als versehrter, brutaler Mathieu, Bruno Vargas als Haushofmeister oder Olaf Meißner als mörderischer Gefängnisschließer hervortun. Zurab Zurabishvili in der Titelrolle tritt als „moderner“ Literat ohne Perücke und in langem Mantel auf, beschwört nach der entspannt-hymnisch geschilderten Schönheit der Natur in „Un dí all’azzuro spazio“ mit gleißender Höhe den Kontrast zur schreienden Armut der Menschen. Seine großen Szenen in jedem Akt gestaltet er mit Emphase; das Finale „Come und bel dí“ zeigt aber, dass er in der Höhe die Lockerheit verliert und durch forcierten Ton auch die Intonation gefährdet.

Sein Gegenpart Carlo Gérard singt sich immer souveräner frei: Yoontaek Rhim justiert die Position seines klangvollen Baritons und kann für seine reflektierte Interpretation der Figur auf viele stimmliche Valeurs zurückgreifen – die wohl beeindruckendste Sängerleistung dieses Abends. Karen Leiber lässt eine Entwicklung von der mädchenhaften Maddalena Coigny zu einer mit den Traumata von Gewalt und Existenzverlust kämpfenden Frau zu, der sie stimmlich von leichter Intonation zu flutend vollen Klängen in „La mamma morta“ nachspürt – auch diese Arie, eigentlich eine mystische Vision des Lebensmuts, braucht die ausgereifte Gestaltungskunst einer erfahrenen Sängerin. Nicht zu vergessen: Hanna Larissa Naujoks als stimmschöne, flammende Darstellerin der Bersi.

Michael Ellis Ingram leitet das Orchester im besten Sinne zuverlässig, ohne sich den glühenden Höhepunkten hinzugeben, die Giordano immer wieder anzielt. So kommt es, dass auch die Fanfaren des Finales eher verhalten als strahlend groß klingen. Gedämpftes Pathos also, dessen verhaltene Noblesse aber in den Momenten der Reflexion gerechtfertigt ist. Die Produktion verabschiedet sich nun aus dem Spielplan des Staatstheaters in Schwerin, um Erich Wolfgang Korngolds „Die tote Stadt“ Platz zu machen. Premiere ist am 3. April, wieder mit dem Sängerteam Zurabishvili, Leiber, Lesaka und Rhim in den Hauptrollen.

Werner Häußner


STUTTGART/ Staatsoper: „LA CENERENTOLA“ – ein fast komplettes Opernglück

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Stuttgart

„LA CENERENTOLA“ 4.1. 2020– ein fast komplettes Opernglück

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Maria Theresa Ullrich, Enzo Capuano, Catriona Smith und Diana Haller.Foto: Martin Sigmund

Wenn Angelina in ihrem finalen Glück das schon bereit gehaltene Brautkleid abweist und mit ihrem sich seiner Krawatte entledigt habenden Prinzen den Schauplatz verlässt, erhöht dieser bescheidene Zug noch die Sympathie für das seinem Dienstboten-Schicksal entkommene Aschenputtel. Eine der positiven Ideen in Andrea Moses Inszenierung, die zusammen mit vielen anderen Details für einige übertrieben klamaukvolle und von den Solisten zu sehr ablenkenden Aktivitäten der individuell gezeichneten und vokal bestens aufgelegten Herren des Staatsopernchores ( Einstudierung: Bernhard Moncado) versöhnt. Die 2013 entstandene Produktion erwies sich auch bei dieser 47.Vorstellung als zumeist köstliche Unterhaltung in Stück bezogenem gegenwärtigen Gewande (Bühne: Susanne Gschwender, Kostüme: Werner Pick).

Viel Spontaneität der überwiegend von mehreren Serien bestens eingespielten SängerInnen trug auch diesmal zum vergnüglichen Ablauf bei. Im Zentrum steht nach wie vor Diana Hallers Angelina, die mit ihrem beweglichen, in allen Registern gleichermaßen profunden und sicheren Mezzosopran der Partie jedes Mal wieder neue Farben in der Phrasierung und im Gestalten von Kadenzen hören und darin eine kluge Künstlerin erkennen lässt, die ihre Rollen einer beständigen Entwicklung unterwirft anstatt auf einmal Erreichtem stehen zu bleiben. Und solange die Koloraturen so sauber und flüssig perlen, lyrische Intimität und leidenschaftliche Bravour gepaart zu einer unaffektierten Interpretation beitragen, wird diese liebenswerte, von ihrem Stiefvater verleugnete arme Seele ihre Glanzrolle bleiben.

Diesen hartherzigen Don Magnifico zeichnete erneut Enzo Capuano als durchaus auch charmant kauzige Züge aufweisenden verarmten Baron von Montefiascone mit seinem noch weitgehend intakten, zwischen seriöser Grundierung und buffonesker Akzentuierung flexibel schaltenden Bass. Seine beiden Töchter Clorinda und Tisbe sind in Gestalt und Stimme von Catriona Smith und Maria Theresa Ullrich die zwei wahrhaft aufgetakelten, sich gegenseitig übertrumpfen wollenden Stiefschwestern Angelinas, die nach der Pause wieder Kuchen an vorne sitzende Zuschauer verteilten, sogar ein „Happy Birthday“ mit Orchesterbegleitung anstimmten und das Publikum zum Mitsingen aufforderten.

Bildergebnis für stuttgart la cenerentola
Petr Nekoranec, Diana Haller. Foto: Martin Sigmund

Der erst 27jährige, aus dem Münchner Opernstudio hervor gegangene Tscheche Petr Nekoranec wagte sich als schlichter und zunächst etwas zurückhaltender Prinz nach und nach aus der Reserve und führte seinen hellen, kultiviert und schlank geführten Tenor in seiner von Siegesgewissheit getragenen Arie im zweiten Akt weitgehend mühelos und mit nur ganz geringer Verengung ins Spitzenregister. Ein Nachwuchskünstler, dessen Potential ein großes Versprechen für die Zukunft ist.

Jarrett Ott ließ sich mit Halsschmerzen ansagen, aber lediglich in einigen vorsichtiger angegangenen und nicht ganz so großzügig wie sonst ausgeschöpften Stellen der virtuos angelegten Partie des auf Brautschau ausgesendeten Kammerdieners Dandini eine minimale Einschränkung hören. Im Verein mit seinem lustvoll ausgekosteten, mimisch süffisanten Spiel darf der amerikanische Bariton als Ideal-Besetzung bezeichnet werden.

Pawel Konik hat in die ebenso anspruchsvolle Rolle des prinzlichen Erziehers Alidoro inzwischen mehr hinein gefunden und füllt sie mit seinem etwas trockenen und nicht immer ganz flüssig ansprechenden Bassbariton weitgehend vollmundig aus.

Am Pult stand erneut Vlad Iftinca, der sich nach der noch etwas ungelenk und stramm angegangenen Ouvertüre immer mehr von Rossinis spritzigem Idiom verführen ließ und mit dem Staatsorchester Stuttgart für eine reibungslose und rücksichtsvoll auf vokale Bedürfnisse eingehende Wiedergabe dieser besonders juwelenreichen Partitur sorgte.

Im mal wieder erfreulich gut gefüllten Haus steigerte sich die Stimmung bis zum Schluss zu von Trampeln begleiteten Begeisterungsstürmen für die Titelheldin.

Udo Klebes

ZÜRICH/ Opernhaus: LA CENERENTOLA . 3. Vorstellung der Wiederaufnahme

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Gioacchino Rossini: La Cenerentola, Opernhaus Zürich, Vorstellung: 05.01.2020

(3. Vorstellung seit der Wiederaufnahme am 31.12.2019)

Eine Sternstunde

Die an René Margritte erinnernden Melonen vor blauem Himmel, surrealistische Säulenkonstruktionen und ein klassischer Kamin machen kurz gesagt das Bühnenbild (Luigi Perego) der fast dreissig Jahre alten Inszenierung von Cesare Lievi aus. Die hoch ästhetischen, klassischen Kostüme Peregos unterstützen den märchenhaften Eindruck der Produktion.


Foto: Monika Rittershaus

Gerät die Ouvertüre beim Orchestra La Scintilla unter Gianluca Capuano noch etwas wacklig, spielt sich die Formation dann aber rasch frei. Das Brio und die Crescendi sind von Anfang an da, Rossinis Musik perlt, wie es schöner nicht sein könnte. Erklingt die Ouvertüre und betrachtet man die vor dem Vorhang aufgereihten Schuhe, wird man sogleich in den Wirbel der Geschichte (auf dem schwarzen Vorhang sind in goldener Schrift und Wirbelform die Übersetzungen des Titels in die gängigsten Sprachen aufgedruckt) hineingezogen.

Cecilia Bartolis Angiolina ist ein Erlebnis. Hebt sich der Vorhang, kniet sie, wie es der Name sagt, als engelsgleiche Erscheinung vor dem Kamin und putzt die Schuhe der Schwestern. Die technische Perfektion, die unglaublichen Farben, die Koloraturen, alles, was ihre Stimme ausmacht ist unverändert da und wird durch ihr charmantes, absolut natürliches Spiel unterstützt. Javier Camarena ist ihr Prinz, singt aber wie ein Kaiser. Mit absoluter technischer Perfektion und unglaublichem Atem gestaltet er seine Partie. Die Koloraturen, die Piani, die Fiorituren, das Messa di voce: schlicht meisterhaft! Nach „Sì, ritrovarla io giuro“ orkanartiger Applaus: für ein „Bis“ hat es ganz knapp nicht gereicht. Aber es gibt ja noch eine Vorstellung… Oliver Widmer gibt den Dandini, Diener des Prinzen. An diesem Abend strömt die Stimme frei und unbeschwert. Deutlich besser disponiert als in der zweiten Vorstellung der Serie ist Alessandro Corbelli als Don Magnifico: die Stimme scheint wesentlich leichter und wendiger. Stanislav Vorobyov gibt einen noblen Alidoro. Liliana Nikiteanu und Martina Jankova singen wieder die Schwestern Tisbe und Clorinda und sind eine sichere Bank.

Eine Sternstunde. Bereits beim ersten Vorhang steht das Publikum.

Weitere Aufführung: 12.01.2020, 20.00.

05.01.2020, Jan Krobot/Zürich

WIEN / Staatsoper: HÄNSEL UND GRETEL

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Andre Carroll als Gretel und Margaret Plummer als Hänsel. Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: Engelbert Humperdincks HÄNSEL UND GRETEL

21. Aufführung in dieser Inszenierung

5. Jänner 2020

Von Manfred A. Schmid

Fixsterne am Repertoire-Himmel: Die Fledermaus zur Silvesternacht, Parsifal in der Karwoche und Hänsel und Gretel zur Weihnachtszeit. Freilich passt die Strauss-Operette mit ihrer ausgelassenen Handlung und der vor Champagnerlaune übersprudelnden Musik trefflich zum Jahreswechsel, und Wagners Bühnenweihspiel bietet sich mit seinem feierlichen Karfreitagszauber geradezu ideal für das Osterfest an. Warum aber Engelbert Humperdincks „Kinderstubenweihspiel“ ausgerechnet zur Weihnachtszeit so gerne gespielt wird – auch die Volksoper macht da bekanntlich mit (Wer erinnert sich noch an den legendären Auftritt ihres Prinzipals Karl Dönch als Hexe?) – ist nicht so klar. Vermutlich hat es damit zu tun, dass sich das wagnerisch angehauchte „Meisterwerk erster Güte“ (so der Uraufführungsdirigent Richard Strauss), wenn auch nicht ausschließlich,  auch an ein jugendliches Publikum richtet. Und da bieten sich die Weihnachtsferien ausgezeichnet für einen Opernbesuch der Eltern oder Großeltern mit ihren Kindern bzw. Enkelkindern an.

So auch bei der vierten und letzten Vorstellung der derzeitigen Aufführungsserie, die noch dazu schon am Nachmittag stattfindet und tatsächlich von vielen jungen Besuchern geradezu gestürmt wird. Viel aufgeregtes Getuschel vor dem Beginn, dann geht es aber im weiteren Verlauf angenehm ruhig und interessiert zu. Leiser und ungetrübter jedenfalls, als dies im Opernalltag zuweilen hoch oben „am Juchee“ der Fall ist. Was zur Hoffnung Anlass gibt, dass aus einigen der Erstbesucher tatsächlich wahre Opernfreunden werden sollten. Denn wer in diesen gut ausgebackenen, charmant servierten, edelsüßen musikalischen Lebkuchen beißt, könnte am Ende leicht süchtig werden.

Daniel Boaz als frohgemuter Peter Besenbinder.

Die Vorstellung ist jedenfalls auch inszenatorisch und ausstattungsmäßig dazu angetan, die Freude an der Gattung Oper zu wecken. Adrian Nobles zauberhafte Regie betont, ebenso wie die Bühne und Kostüme von Anthony Ward, fantasievoll die Märchenhaftigkeit der Handlung und tut gut daran, die Vorlage nicht psychoanalytisch hinterfragen oder pädagogisch ausloten zu wollen. Da werden, wie das in Märchen eben geschieht, Kinder von der entnervten Mutter – so zwischen„Eia popeia“ und „Suse, liebe Suse“  – allein in den Wald geschickt, von der Hexe in ihr Knusperhäuschen gelockt, wo die Geschwister die Hexe aus Notwehr schließlich in den Ofen stoßen werden. Geheime Mächte walten, Schutzgeister helfen: „Wenn die Not aufs Höchste steigt / Gott der Herr die Hand euch reicht.“

Auch Humperdincks Musik, eine Art Meistersinger-Musik light, tut ein Übriges, um auch einem musikdramatisch wenig oder gar nicht geschulten Publikum einen guten Zugang zum Gesamtkunstwerk Oper zu ebnen. Dirigent Tomás Hanus zelebriert mit dem gut gelaunten Staatsopernorchester die volksliedhaften Anklänge anmutsvoll und zeigt schon im gut acht Minuten dauernden Vorspiel, wie sehr der Komponist von Wagners polyphoner Klangwelt beeinflusst ist, ohne aber dabei die elegant instrumentierte, spätromantische Musik aufzubauschen und ihr mehr Gewicht zu verleihen, als in ihr tatsächlich drinnen steckt. Gebannt lauscht man dem Raunen der Waldhörner sowie den bald darauf in festlicher Stimmung einsetzenden Streichern. Voller Erwartung auf das, was kommen mag. Zur richtigen Einstimmung  trägt freilich auch bei, dass der Regisseur Noble für die Ouvertüre eine Rahmenhandlung entworfen hat: Eine englische Bürgerfamilie sitzt am Weihnachtsabend zusammen, der Vater wirft mittels eines Projektors Bilder an die Wand, die die Faatasie seiner Kinder anregen und diese dann, wenn sie zu Bett gehen, direkt in die Märchenwelt von Hänsel und Gretel entführen werden.

Monika Bohinex als schaurig-komische Knusperhexe.

Boaz Daniel als Vater Peter Besenbinder ist kein polternder Alkoholiker, wie so oft, sondern ein bodenständiger, trotz eines Lebens in Armut lebensfroher Mann, dessen übermütige „Rallalala“-Gesänge Sympathien wecken. Als seine Frau Gertrud kommt Stephanie Houtzeel zum Einsatz, bleibt aber eher blass und ist, vor allem am Beginn, etwas zu leise.

Gut miteinander umgehen, das können Margaret Plummer als Hänsel und Andrea Carroll als Gretel. Man nimmt ihnen die verspielte Kindlichkeit und Vertrauensseligkeit an, mit der sie ihre Wanderung in den Wald antreten und nie an einem guten Ausgang zweifeln. Ihr innig-fein gesungener „Abendsegen“, mit dem sie sich in fester Umarmung, von 14 Englein behütet, auf den Waldboden zum Schlaf ausstrecken, verfehlt seine Wirkung nicht. Und wenn dann beim Aufwachen Hänsel sein traumverlorenes „Mir ist so wohl, ich weiß nicht, wie / So gut wie heute schlief ich noch nie“ in den Morgen hineinsingt, schwingt merkwürdige Rätselhaftigkeit in dieser Melodie mit. Da bekommt ihr Abenteuer einen an Initiationsriten gemahnenden Touch.

Gleich zwei Zauberwesen verleiht Ileana Tonca ihre glockenhelle Sopranstimme, wenn sie als Sandmännchen die Kinder in den Schlaf singt, um sie als Taumännchen am Morgen wieder sanft zu wecken. Eine starke darstellerische Leistung bietet die bewährte Monika Bohinec als schaurig skurrile Knusperhexe. Komisch und gefährlich zugleich und gesanglich bewundernswert präsent. Großes Lob verdient auch der von Johannes Mertl einstudierte Kinderchor der Opernschule der Wiener Staatsoper, der die Bühne singend und tanzend belebt.

 Alle Partien sind Hausbesetzungen, die sich gut aufeinander abgestimmt erweisen. Es ist wohl kein Abend – pardon: Nachmittag – der großen Stimmen. Geboten wird dafür aber eine insgesamt fein ausgewogene Ensembleleistung, die das musikalisch oft zu Unrecht unterschätzte Werk vor allem von innen her erstrahlen und leuchten lässt

ATHEN/ Theater Attis: NORA – Studie über Ibsen

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Theater Attis, Athen: NORA 

Besuchte Vorstellung am 4. Januar 2020

Studie ueber Ibsen

Theodoros Terzopoulos ist einer der wichtigsten griechischen Theaterregisseure und einer, der sich in ganz besonderer Weise auf seine Arbeit und Methode konzentriert. „Die Basis meiner Arbeit sind der menschliche Koerper und die Stimme, sowie Konzentration‘, hat er einmal bemerkt. In der Tat ist seinen Inszenierungen ein physisch-vokaler Ausdruck zueigen, der einzigartig ist. Seine Methode des Theatermachens wird mittlerweile an zahlreichen Instituten unterrichtet, sie ist ebenso in umfangreichen Publikationen dokumentiert. Terzopoulos arbeitet viel im Ausland, in Russland und in China etwa. In Athen betreibt er das Theater Attis, das unter Theaterkennern Kultstatus geniesst. Dort ist nun seine Inszenierung von Henrik Ibsens „Nora“ zu sehen.

Ibsens „Nora“ kommt im Theater Attis als Studie oder Fragment auf die Buehne. Theodoros Terzopoulos hat das Personal auf die drei Schluesselfiguren Nora, Torvald und Nils Krogstad zusammengestrichen. Dieses Trio bewegt sich in einem vom Regisseur entworfenen Buehnenraum, der (beinahe) kein Entkommen zulaesst. Ein schwarzes Podest mit einer Reihe von 14 schmalen Drehtueren, die auf der einen Seite weiss und auf der anderen schwarz gestrichen sind, ist der Schauplatz einer aeusserst konzentrierten und verdichteten Auffuehrung. Alles dreht sich um das Geheimnis, welches auf Nora lastet, um die Schulden, welche die frischgebackene Ehefrau bei Krogstad machte, um dem gesundheitlich angeschlagenen Gatten und seiner Familie einen einjaehrigen Italienaufenthalt zu ermoeglichen. Der Buehnenraum, der staendige Bewegung und Wechsel bedingt, dient gleichsam als puppenhaus- oder gruftaehnliche Echokammer der psychischen Situation, in welcher sich Nora und die beiden Maenner befinden. Gestik, Mimik und Stimme geben in diesem Setting in eindrucksvollen Koerper- und Klangbildern die Verfasstheit der Figuren wieder. So sieht man etwa zu Beginn wie Nora mit den Haenden ihre lange Haare hochzieht, sich gleichsam an den Haaren hochzuziehen scheint. Diese Haltung laesst sich mit der puppenhaften Selbstdarstellung der Heldin zusammenbringen. Krogstad taucht immer wieder und scheinbar ueberraschend auf der Bildflaeche auf und sei es nur um ein daemonisches Grinsen zu zeigen. Torvald ist als jemand gezeichnet, der sich in Distanz zu seiner Frau befindet, der sie im Grunde nicht kennt bzw. nicht kennen will. Terzopoulos gelingt es, das Geschehen in einen bitter-schoenen Reigen zu verwandeln, der Aengste und Abgruende ans Licht bringt. Wenn Nora sich am Ende der rund 70minuetigen Auffuehrung aufmacht, Torvald zu verlassen, wird dieser Moment in einem vielsagenden Bild festgehalten: Nora robbt unter einem schwarzen Mantel begraben vom Buehnenpodest herunter. Es scheint kein rechtes Entkommen aus dem Puppenheim zu geben.

Die bis ins letzte Detail durchgeformte Inszenierung wuerde nicht funktionieren, wenn der Regisseur nicht ausgezeichnete Schauspieler zur Verfuegung haette. Sofia Hill gestaltet mit jeder Faser ihres Koerper und eindrucksvoller Stimme die Titelrolle. Sie wird zum faszinierenden Bild einer von Lebensluegen deformierten, zerruetteten Person. Tasos Dimas als Krogstad erscheint daneben wie ein Daemon, ein Schattenwesen, das bisweilen – was ein Zufall sein mag – an Nosferatu erinnert. Dimas‘ mimischer Ausdruck ist dabei grossartig. Antonis Myriagos als Torvald schliesslich verkoerpert mit geschmeidigen Bewegungen den auf sich selbst bezogenen Mann, der keine wirkliche Beziehung zu seiner Frau aufbauen konnte. Beide Maenner umschleichen die Frau wie Raubtiere ihr Opfer. Der stark gekuerzte Text ist bei alledem fast nicht noetig zum Verstaendnis des Geschehens – ein Fazit, das ausdruecklich als Kompliment an Terzopoulos und sein Team verstanden werden will.

Am Schluss gibt es anhaltenden Beifall und vereinzelte Bravorufe fuer die grossartigen Schauspieler.

Ingo Starz (Athen)

KARLSRUHE/ Badisches Staatstheater. TRISTAN UND ISOLDE

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Bildergebnis für karlsruhe tristan und isolde
Annemarie Kremer, Stefan Vinke. Foto: Arno Kohlem

Karlsruhe: „TRISTAN UND ISOLDE“

Besuchte Aufführung am 05.01.2020

 Zu Ostern anno 2016 legte Christopher Alden mit seiner Neuinszenierung „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner dem Badischen Staatstheater ein besonderes „Osterei“ auf die Bühne, ich berichtete über die Premiere (Merker 04/2016) sowie die 3. Folgeaufführung. Wenn ich so bedenke was mir danach für Regietheater-Absurditäten,  Verstümmelungen des Werkes gleich widerfuhren, kann ich trotz teils abstruser Personenregie diese Produktion mit dem ästhetischen Bühnen-Ambiente, den zeitlosen Kostümen (Paul Steinberg, Sue Willmington) optisch durchaus akzeptieren, zudem war ich auf  das neue Titelpaar  meiner Lieblingsoper sehr neugierig.

Am Pult der bestens disponierten und prächtig musizierenden Badischen Staatskapelle waltete wiederum GMD Justin Brown. Klangwogen sich allmählich leidenschaftlich in die Liebesekstase steigernd ließen bereits beim Vorspiel erahnen, welche phänomenalen Klangfluten noch über den Hörern hereinbrechen sollten. Diese Ahnungen erfüllten sich, nein übertrafen alle Erwartungen in höchstem Maße. In herrlich klarer Transparenz, in moderaten Tempi u.a. während der Monologe ließ der hervorragende Wagner-Dirigent die betörende Musik fließen, atmen, rückte die suggestiven Details dieser musikalischen Droge bezwingend vom sphärischen Jenseits ins gegenwärtige Diesseits. Schrieb ich dereinst von der 3. Aufführung „eine musikalische Sternstunde“, kann ich diesen euphorischen Einwand heute widerspruchslos erneut bekräftigen. In erster Linie schien bei Browns frischer, dynamischer, farbenprächtiger Partitur-Analyse der prägende Gesamtklang zu dominieren, nie störten überlaute orchestrale Phon-Eruptionen die wogenden Ausformungen der musikalischen Abläufe wunderbar leuchtend in formidabler Intonation. Nach bisher en gros besuchten Tristan-Aufführungen vernahm ich selten so derart spannende Steigerungs-Ekstasen, ausufernde Klangdimensionen der Fieberträume des dritten Aktes. Großartig entfalteten sich Blechfraktionen in lupenreiner Perfektion, bestens harmonierend zum elegischen Streicherklang des gesamten Instrumentariums vereint zu jenem aphrodisischen Klangopium. Mit klarem Blick zur Bühne war der sensibel musizierende GMD seinen Solisten stets ein umsichtiger Begleiter.

Ohne Zweifel fühlten sich die Sänger inmitten des orchestral umflorten Klangbads sichtlich wohl und zu vokalen Höchstleistungen inspiriert. Ungeachtet der grandiosen Vokalisen gebe ich in Galanterie Annemarie Kremer der neuen Gast-Isolde den ersten Eindruck. Mir begegnete die Sopranistin vor wenigen Jahren letztmals im italienischen Fach und begeisterte als hinreißende „Madama Butterfly“. Ihr damals lyrisch-jugendlicher Sopran entwickelte sich inzwischen in dramatische Gefilde,  dennoch leuchtete zuweilen heute gereift, vortrefflich das wunderbare einstige weiche Timbre durch. Eine unglaubliche Entwicklung widerfuhr dieser schönen Sopranstimme: klar, transparent, klangvoll blühten die voluminösen Höhenattacken, herrlich getragen entströmten ihrer Kehle innige Piani, voluminös grundiert erklang die Mittellage zu bestens fundierten silberstrahligen, leuchtenden Oberregionen ohne jeglichen gleißenden Störton. Selten erlebte ich eine so in jugendlichem Überschwang engagierte Isolde, den immensen Vokalkosmos der Partie differenziert, bestens fokussiert durch die Akte zu geleiten und zudem dem finalen mild und leise noch die verklärend-betörende Mystik zu schenken. Einfach fabelhaft!

Wie bereits zur Premiere sang Katharine Tier gastweise die Brangäne, blass wie damals vermochte die Mezzosopranistin der Partie immer noch nicht gerecht zu werden bzw. der Vokalise substanzielle Mittel zu schenken und konnte lediglich mit dem Wachgesang punkten. Das Publikum schien meiner Meinung und bedachte die Dame mit dem wenigsten Applaus.

Zur WA am 17.11.2019 feierte Stefan Vinke sein 25jähriges Bühnenjubiläum und sang hier am Hause den Tristan sowie alle Folgevorstellungen. Ich erlebte den sympathischen Tenor während seines Engagements am NT Mannheim sehr oft in diversen Rollen sowie sein Tristan-Debüt anno 2004 welches er als 38-Jähriger gab. Ich rezensierte damals die Premiere und entnahm nun meinen Unterlagen jene Stichworte: kraftvoll, jugendlich ungestüm, kernig, klangvoll voluminös, nuanciert. Inzwischen hat sich Stefan Vinke mit allen Wagner-Recken identifiziert und singt sie international an allen bedeutenden Opernhäusern. Ich muss gestehen, nach seiner Mannheimer Zeit hörte ich den Tenor seltener, lagen diesem Umstand  die weiten Distanzen sowie div. Kriterien zu Grunde. Umso mehr freute ich mich nun auf die Wiederbegegnung einer beglücklichenden Überraschung gleich.

Es lag mir bisher fern in Kritiken Künstler namentlich zu komparieren, werde dies auch künftig nicht tun. Nun erlebte ich heute einen Tristan, trotz der bisherigen Anzahl der dünn gesäten Ideal-Interpreten in höchst qualitativer Formation. In bewundernswertem Rollenportrait verstand es Stefan Vinke in persönlicher Empirie die abstruse Szenerie zu überspielen. Geprägt von hoher Musikalität, vortrefflich intonierend, zu meisterhafter Artikulation voll ausdrucksstarker Fülle interpretierte der exzellente Tenor seinen Part. Gleichwohl im Kalkül des glanzvollen Höhenglanzes, der ausgewogen strömenden Mittellage, weichen Phrasen während der individuellen Momenten der Duette war sein Tristan stets geprägt von hoher Musikalität. Viril, tenoral aufstrebend in metallischen Höhenausbrüchen von elementarer Kraft krönte der Sänger mit überwältigenden Fieberträumen den dritten Aufzug sowie seine geniale persönliche Leistung als Interpret der Sonderklasse. Bravo!

Leuchtende expansive Strahlkraft zu prächtigem Bariton-Fundament mit satten Tiefenregionen und herrlichen Farbnuancen verlieh Seung-Gi Jung in markanter Stimmführung dem getreuen Kurwenal eindrucksvolles Profil.

Eindringlich ohne vokale Larmoyanz umriss Renatus Meszar die Monologe des König Marke und verlieh der Partie mit weichen Bassfarben prägnante Tongebungen.

Cameron Becker sang mit hellem Tenor die Parts Hirt/junger Seemann. In stimmlich guter Verfassung präsentierten Ks. Klaus Schneider (Melot) sowie James Homann (Steuermann) ihre Kurzauftritte. Intensive Akzente setzten zudem die stets vital-präsenten Herren des Staatsopernchores (Ulrich Wagner).

Das Publikum war begeistert und feierte ganz besonders Brown, Kremer und Vinke mit lautstarken langen Ovationen.

Mit Sicherheit werde ich die letzte Aufführung am 02. Februar erneut besuchen und kann sie jedem Opernfreund „wärmstens“ empfehlen.

Gerhard Hoffmann

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