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STUTTGART: DORNRÖSCHEN – eine zweite Alternative

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2. Akt. Rocio Aleman, Marti Fernandez Paixa. Foto: Stuttgarter Ballett

Stuttgarter Ballett

„DORNRÖSCHEN“ 26.01.2020nachm. – eine zweite Alternative

Für die vielen Kinder aller Altersstufen, die mit ihren Begleitern an diesem Sonntag Nachmittag das Opernhaus belegten, öffnet Marcia Haydées und Jürgen Roses Präsentation des berühmten Stoffes wirklich noch eine prachtvolle und hochästhetische Märchenwelt auf der Bühne. Wer dabei letztlich in die vielen Rollen schlüpft, zumal in die Hauptfiguren, ist da eher zweitrangig. Nicht jedoch für die zahlreichen Stammbesucher, von denen bestimmt viele von der hier angetretenen Nachwuchs-Besetzung positiv überrascht wurden.

Das betrifft in erste Linie die Titelrolle. Für die Solistin Rocio Aleman ist es die erste zentrale Aufgabe in einem abendfüllenden Ballett und das sogleich in einem besonderen Prüfstein der klassisch akademischen Schule. Auch wenn dies ihre zweite Vorstellung war, herrschte zunächst einmal großes Bangen, wie sie ihren ersten Auftritt mit dem gleich anschließenden Rosen-Adagio durchstehen würde. Es erwies sich als unbegründet, die Mexikanerin strahlte mit jungmädchenhafter Neugier und viel Selbstsicherheit durch die vielen  Balancen und das unendlich scheinende Verharren und Drehen auf einem Bein mit einer obendrein noch besonders lang gehaltenen Abschluss-Position. Nach diesem bravourös durchgestandenen Höhepunkt gestaltete sie ihre weiteren Szenen entspannt in guter Haltung, gleichmäßiger Linie in den Arabesquen  und Auszierungen. Nur bei den Sprüngen hinkt die sonst dominierende Leichtigkeit noch hinterher. Mit weiteren, aber leider vorerst nicht möglichen Auftritten würde sie, zumal auch im abschließenden Pas de deux, sicher noch mehr  Abrundung, Fluss und Glanz gewinnen.

Das betrifft auch den Prinzen Desireé von Marti Fernandez Paixa, der in einer stimmigen Mischung aus Charme und Noblesse in leichten, schnittig schlanken Drehungen über die Bühne wirbelt und insgesamt mit feiner, noch nicht in allem koordinierter Danse d’école-Manier besticht.  Der letzten Manege fehlt es noch an durchgängiger Zugkraft, im Partnern manchmal noch an lückenloser organischer Fürsorge. Naturgemäß wären auch da weitere Vorstellungen eine Entwicklungshilfe.


2. Akt. Alexander McGowan. Foto: Stuttgarter Ballett

Die Kunst einer effektiven Interpretation der gewöhnlich dem Hauptpaar die Show stehlenden Carabosse liegt zunächst einmal darin, mit dem schwarzen Umhang, im weiteren Verlauf einem weiten und langen schwarzen Kleid bei den vielen Sprung-Variationen und abrupten Richtungswechseln zurecht zu kommen. Solist Alexander Mc Gowan  tat sich anfangs etwas schwer damit, ehe die reichlich vorhandene Sprungkraft seiner langen Beine befreit zur Wirkung kam. Diesem im weiteren Verlauf wirbelnd rasanten Körpereinsatz steht eine mimisch kaum Weiblichkeit durchscheinen lassende, auf wenige explizite Momente konzentrierte, eher zurück haltende Zeichnung der  gekränkten Fee gegenüber. Auch bei ihm dürften baldige Möglichkeiten zur Reifung Früchte tragen.

Sinéad Brodd (Rollendebut) macht wie viele ihrer Vorgängerinnen als Fliederfee eine im Ganzen gute Figur mit noch etwas mehr erwünschter Leuchtkraft, kann aber letztlich nichts für die undankbare, weil für das Gute und hier immerhin Siegende, sowie gegenüber Carabosse ohnehin völlig unspektakuläre, in schwebenden Bahnen und in feinen Balancen auf Spitze verharrende Choreographie.

Aus dem zahlreichen Personal ragte der sprung-gewaltige Adrian Oldenburger als Prinz des Ostens heraus, während der im Prinzip auch sehr sprung-effektive Ciro Ernesto Mansilla als Ali Baba trotz idealer Voraussetzungen einen irritierend eigenwilligen und wenig koordinierten Weg ging.

In Matteo Miccini (Blauer Vogel) und Fernanda De Souza Lopes (Prinzessin) könnte ob ihres überwiegend klaren und federleicht gelungenen, sehr anspruchsvollen Pas de deux eine weitere Kombination für das Hauptpaar stecken.

Durchgängig souveräne Feen-Soli (diesmal mit nicht ganz reibungslos agierenden Begleitern) und ein insgesamt lebhaft mitziehendes Ensemble aus Kleinstrollen und Gruppen sorgten auch in dieser Aufführung für einen beglückenden Gesamteindruck jenseits von bloßer Routine.


Finale 3. Akt/ Ensemble. Foto: Stuttgarter Ballett

Nur Tschaikowskys farbkräftige Musik war vom Staatsorchester Stuttgart zu  Beginn dieser Serie unter der Leitung des künftigen Ballett-Musikdirektors Mikhail Agrest doch um einige Feinheiten reicher, weniger spröde und knallig zu hören als jetzt unter dem zum Saisonende Abschied nehmenden James Tuggle.

Ausgelassener Schlussjubel durchsetzt mit Trampeln begeisterter Kinder.

 Udo Klebes


WIEN/ Staatsballett in der Staatsoper: JEWELS – Auf das Corps de ballet!

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Bildergebnis für wiener staatsballett jewels

Foto: Wiener Staatsballett/ Ashley Taylor

Wiener Staatsballett: „JEWELS“, 27.1.2020: Auf das Corps de ballet!

Elegance – Spiel – Pathos: George Balanchines dreiteilige „Jewels“, 1967 für sein New Yorker City Ballet choreographiert, vereint in neoklassischem Stil diese Elemente tradierter Tanzkunst. Vergangenen November vom Wiener Staatsballett einstudiert, erweisen sich die Aufführungen von „Jewels“ wohl nicht als Reißer, doch Balanchines Ballettästhetik, seine wirkungsvolle gestalterische Meisterschaft vermögen das Publikum zu beeindrucken. Im Wechsel der solistischen Besetzungen lassen sich natürlich Verschiedenheiten in den stilistischen Reifegraden erkennen, den Darbietungen der Solisten ist jedoch stets Hochschätzung zu erweisen. Doch auch, absolut überzeugend: Ein Lob für die TänzerInnen, welche in der zweiten, dritten Reihe stehen, ein Hoch auf das Corps de ballet!

Anspruchsvolle Auftritte, ganz in klassischem Zuschnitt, hatte Balanchine seinen amerikanischen Tanzstars zu Musik von Fauré, Strawinski, Tschaikowski vorgegeben. In der legendären kaiserlichen Ballettschule von St. Petersburger ist Balanchine (als Junger: Georgi Melitonowitsch Balantschiwadse) aufgewachsen, die hohe Kunst des russischen Balletts in der Führung des Corps hat er hier eingesogen. Und solche eine Übersetzung in zeitgemäßem Gewand vermittelte er auch in seinen phantasievollen wie harmonischen Choreographien für das ganze Ensemble. Die Staatsopern-Aufführungsserie von „Jewels“: Halb ein virtuoses Defilee der Solisten (an diesem Abend etwa Liudmila Konovalova, Natascha Mair, Denys Cherevychko), halb ein nobles Schaustück mit den GruppentänzerInnenn in völliger Harmonie in all den ausgewogenen Symmetrien, idyllischen Reigen, diffizilen Verflechtungen. Solch ein Geist ist hier eingefangen und wird dem Publikum mit edler Emphase sehr schön vermittelt. 

Meinhard Rüdenauer

WIEN / Kunstforum: THE CINDY SHERMAN EFFECT

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WIEN / Bank Austria Kunstforum:
THE CINDY SHERMAN EFFECT
IDENTITÄT UND TRANSFORMATION IN DER ZEITGENÖSSISCHEN KUNST
Vom 29. Jänner 2020 bis zum 21. Juni 2020

Und wer bin eigentlich ich?

Das Selbstporträt hat es in der Kunst immer gegeben, und stets haben sich Künstler gestylt, drapiert, in Pose geworfen, um genau jenes Bild von sich zu vermitteln, das sie der Mit- und Nachwelt zeigen wollten. Die Künstlichkeit der Identitäten ist also absolut nicht neu. Dennoch hat Cindy Sherman, Jahrgang 1954, in den siebziger Jahren die Diskussion neu angestoßen – und heute, in der Selfie-Welt, ist das „Ich“ (genauer: Ich, Ich, Ich!) eine der zentralen Befindlichkeiten. Das Bank Austria Kunstforum geht der Frage mit zahlreichen Werken Shermans und von 20 weiteren Zeitgenossen nach.

Von Renate Wagner

 

Wie sehe ich mich?   Es ist vielleicht ein wenig affektiert, dass man die Räumlichkeiten des Kunstforums auf der Freyung für diese Ausstellung umgepolt hat, dass man den Zuschauer nicht in den effektvollen, zentralen Innenraum eintreten lässt, sondern durch den Shop in die Seitenräume führt. Völlig einsichtig ist es nicht, aber jedenfalls steht man auf der Stelle vor dem berühmten Foto, wo Cindy Sherman – von einem Badetuch umhüllt – in den Badezimmerspiegel schaut, deutlich posierend, aber ebenso deutlich die Frage stellend: Wer bin ich eigentlich? Zahllose unbetitelte Fotos gerade von Sherman selbst bezeugen, dass Frausein auch ein Rollenspiel ist, dass man sich von naiv bis sexy, von nachdenklich bis herausfordernd, präsentieren kann, wie man nur will – auch als moderne „Madonna lactans“ mit nackter Brust, ein in der Kunstgeschichte immer wieder zu findendes Motiv, in der heutigen Form im Grunde irritierend. Man trifft mit dieser Ausstellung in eine Welt gewollter Künstlichkeit ein; Julian Rosefeldt  präsentiert Cate Blanchett als ihr Filmstar-Ich und verkleidet als Karl Marx. Ein „Ich“ ist kein fest gefügtes Wesen mehr, sondern eine fluktuierende Form – gerade in einer Welt, die ja auch immer wieder mit dem Schlagwort arbeitet: „Erfinde dich neu!“ Cindy Sherman hat es getan, und viele ihrer Kolleginnen auch. Foto um Foto, viele Porträts, die Menschen „scheinbar echt“ oder „echt verkleidet“ zeigen, werfen immer neue Fragen auf. Die Antwort auf „Wer bin ich“ lautet allerdings: Ich weiß es nicht.

Reizüberflutung     Noch nie hat man in einer Kunstforum-Ausstellung einen so großen Teil der Räume der Videokunst gewidmet. Die bewegten Bilder erweitern die Möglichkeiten, sich selbst grotesk, in wilden Schnitten, stets anders zu präsentieren. Nichts, was hier gezeigt wird, ist auch nur im geringsten „echt“, der Mensch ist seine eigene Inszenierung – und das, wie man in einer von Smartphone-Videos überfluteten Welt weiß, nicht nur in der Kunst, sondern auch im Leben. Sich in den sozialen Medien selbst zu darzustellen, für sich und mehr noch für die anderen, ist ein Bedürfnis geworden, dem man blind und unhinterfragt folgt.

Sexualität und Verfall      Eine der brutalsten Zur-Schau-Stellung von Sexualität gelang Sherman mit einem wie üblich „Untitled“-Foto von 1992: Die Torsi eines männlichen und weiblichen Unterleibs mit Schwerpunkt Genitalien, in der Bauchmitte an einander gefügt, mit einer Schleife zusammen gebunden. Man meint, dass die Kunst ihre Schockwirkung verloren habe, aber hier stellt sie sich dann doch ein. Der schwarze Frauenkörper von Zanele Muholim, der Kopf am Bild ist abgeschnitten, präsentiert sich mit einem umgeschnallten weißen Penis. Eine Plastikpuppe von Cindy Sherman streckt dem Betrachter ihr Genital entgegen. Monica Bonvicini nennt zwei in der Luft hängende Leder-Gürtel-Sexspielzeuge „Pas de Deux“. Douglas Gordon schneidet aus dem Foto seines Gesichts Augen und Mund heraus und versengt das Werk teilweise. Zerstörung spielt eine große Rolle in unserer Welt – also auch in der Kunst.

Bank Austria Kunstforum:
THE CINDY SHERMAN EFFECT
IDENTITÄT UND TRANSFORMATION IN DER ZEITGENÖSSISCHEN KUNST
Vom 29. Jänner 2020 bis zum 21. Juni 2020.
täglich von 10 bis 19 Uhr, Fr bis 21 Uhr

WIEN/Musikverein: Der SINGVEREIN der Gesellschaft der Musikfreunde mit Gesängen und Geschichten von Feuer, Mord und Liebe

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Copyright: Stephan Polzer

WIEN/Musikverein: Der SINGVEREIN der Gesellschaft der Musikfreunde mit Gesängen und Geschichten von Feuer, Mord und Liebe

28.1. 2020 (Karl Masek)

Im „Jubiläumszyklus“, den die Gesellschaft der Musikfreunde zur 150-Jahr-Feier ihres Hauses anbietet, darf der Singverein nicht fehlen!

„Die Gründung des Singvereins geht in das Jahr 1858 zurück, als sich die Gesellschaft der Musikfreunde zu einer Neuorganisation ihres Musiklebens entschloss. Während die Instrumentalmusik in die Hände von Profis übergegangen war, sollte die Chormusik eine Domäne der Liebhaber,…, der Amateure … bleiben“, so der Konzertchor mit Weltruf in seiner Homepage.

So hob man z.B. 1867 die ersten drei Sätze des „Deutschen Requiems“ von Johannes Brahms aus der Taufe. Die erste vollständige Aufführung von Giuseppe Verdis „Quattro pezzi sacri“ wurde vom Singverein bestritten, als Premieren-Chor bei Anton Bruckners „Te Deum“, Gustav Mahlers „Symphonie der Tausend“ bei der Münchner Uraufführung 1910 in München (als einer von mehreren Chören) sowie bei Franz Schmidts „Buch mit sieben Siegeln“ (UA 1938 in Wien) schrieb man Musikgeschichte.

Bis heute lebt in diesem Chor – er besteht aus ca.240 aktiven Mitgliedern – ein Grundgedanke des Musikvereins weiter. Die ausübenden Mitglieder sind Amateure. Frauen und Männer, die anderen Berufen nachgehen und dennoch nicht nur „so nebenbei“ singen. Der Slogan des Chors lautet: „Singen ist nicht unser Job, sondern unsere Leidenschaft“.

Wie die Zeit vergeht! Es ist nun bald drei Jahrzehnte her, als der damals 33-jährige  Johannes Prinz 1991 als Nachfolger des legendären, kürzlich verstorbenen, Helmuth Froschauer, nicht nur in große Fußstapfen eines persönlichkeitsstarken Chorleiters trat, sondern sich auch rasch als ganz außerordentlicher Könner profilierte.  Inzwischen kann man ohne Übertreibung von der „Ära Prinz“ sprechen. Dank seiner Zielstrebigkeit, dem steten Bemühen um eine „gedeihliche“ Arbeitsatmosphäre, seiner immensen Erfahrung der klanglichen Dispositionskunst und perfektem Dirigier-„Handwerk“ hat der Chor in diesen Jahrzehnten großartige stilistische Flexibilität erreicht und  zu  einer Dauerhochform gefunden, die höchsten Respekt abnötigt. Er ist somit auch nach der prägenden Karajan-Zeit ein besonders geschätzter Chor.  So unterschiedlichen Dirigiergrößen wie Claudio Abbado, Zubin Mehta (die beiden  waren in den 50er Jahren als Studenten Mitglieder des Chors, einfach, um den großen Stars der damaligen Zeit „auf die Finger schauen zu können“), Pierre Boulez, Georges Prětre, Daniel Barenboim,  Riccardo Muti, Franz Welser-Möst oder Christian Thielemann arbeiteten und arbeiten regelmäßig mit ihm.

 „Feuerreiter“: So heißt dieses Jubiläumsprogramm, diesmal ohne Orchester, sondern mit 2 Pianisten (Eduard Kutrowatz, Johannes Kutrowatz) und dem Rezitator Joseph Lorenz. Kleine Formen, großes Theater. Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung – unter diesem Titel des Christian Dietrich Grabbe wäre manches zu subsumieren.

Aber:  „Das Leben schreibt die kuriosesten Geschichten, die Liebe schlägt die tollsten Kapriolen, der Tod lauert immer und überall…genau darum kreist der Abend. In kleinen Formen zeigt er das große Theater des Menschlich-Allzumenschlichen, in Geschichten berührt er viele Schichten des Daseins. Mal pathetisch, mal heiter, mal fatalistisch, mal ironisch-kritisch – das Leben ist ein Fall für alle Stimmungslagen, die letzte große Unbekannte inclusive…“, so Joachim Reiber in seinem brillanten Essay im Programmheft.

Liebes- und Beziehungsgeschichten vor der Pause, „Tödliches“ dominiert danach. Bunter Wechsel in Musik und Wort als Spiegelbild des Lebens gewissermaßen.

Joseph Lorenz eröffnete mit Eduard Mörikes schauriger Ballade „Der Feuerreiter“- und das Podium war augenblicklich in rotes Licht getaucht. Der Wiener Kammerschauspieler versetzte das Auditorium mit brillanter Sprachkunst und vielschichtigen Stimmvaleurs in Hochspannung. Da trug einer Balladen von Schiller („Die Bürgschaft“), C.F. Meyer („ Die Füße im Feuer“) und schließlich Goethes „Erlkönig“ so vor, dass man sich in fern zurück liegende, geradezu nostalgische  Vergangenheit versetzt sah. Derlei glaubt man, seit den Vortragsabenden oder Schallplattenaufnahmen des Oskar Werner nicht mehr gehört zu haben. Grandios! Da nimmt man auch gelegentlich übersteuerte Exzentrik und gewisse Manierismen hin: Endlich wieder einmal ein großartiger Sprecher, der auch die Skurrilitäten des Christian Morgenstern („Der Werwolf“) oder das spezielle Wienerisch des Hans Adler (in der „Vorstadtballade“) köstlich zum Klingen bringt.

Johannes Prinz kann man nach diesem fulminanten Abend ohne Übertreibung als Großmeister unter den Chorleitern bezeichnen. Der Singverein, den man traditioneller Weise mit den großen Chorwerken der Musikgeschichte von Haydns „Schöpfung“ über Beethovens „Missa Solemnis“ bis hin zu den Requien  von Mozart und Brahms über Verdi bis Britten in Verbindung bringt, versetzte uns mit Schätzen aus der a capella-Literatur in eine besondere Form des konzentrierten Zuhörens, das nicht die kleinste Ablenkung zuließ. Man war vertieft wie Kinder, die beim konzentrierten Spiel Welt und Zeit vergessen.

Man wurde in eine Zeitreise mitgenommen, die auch Landschaften (reale wie Seelenlandschaften) mit einschloss. „Am Donaustrande“ und „Ein kleiner, hübscher Vogel“, beide aus „Liebeslieder.Walzer für Singstimmen und Klavier zu vier Händen, op.52 zeigte den oft so schwerblütigen Johannes Brahms von einer ungewohnt heiteren, leichtfüßigen Seite. Ob  „Der Wassermann“ des Robert Schumann, die englische Ballade von den drei Raben (aus Schottlands „Highlands“?), die einen erschlagenen Ritter als Frühstück ins Visier nehmen, die köstlichen Genrestücke des Francis Poulenc und des Benjamin Britten (The Ballad of Green Broom = ein Ginstergewächs): der Chor glänzte durch enorme Bandbreite des Ausdruck und der sprachlichen Nuancen.

Besondere Höhepunkte dabei Chorwerke, weitab von üblichem Kernrepertoire. Vom tschechisch-mährischen Komponisten und Antonin-Dvořák-Schüler Vitězslav Novák (1870-1949) werden vermutlich noch nicht allzu viele gehört haben. Seine „Zwei Balladen auf Worte mährischer Volkspoesie für gemischten Chor und  Klavier zu vier Händen, op.23, entstanden 1900, erzählen  schaurig-blutige Geschichten aus dem Fundus der mährischen Folklore-Tradition. Zugleich ersteht die Flusslandschaft der Mährischen Höhen vor dem geistigen Auge. Oder: die ungarische Tiefebene, wenn in einem Frühwerk des György Ligeti das tragische Schicksal einer „Frau Pápai“ geschildert wird, der 9 Banditen nach dem Leben trachten.

Voll der Groteske „Three Nonsense Songs“ (Komponist: Mátyás Seiber, 1905-1960 – vorher nie gehört!) und die Vertonung „km 21“ von Christian Morgenstern durch den Berner Komponisten Franz Tischhauser (1921-2016): „Ein Rabe saß auf einem Meilenstein/Und rief Ka-em-zwei-ein, Ka-em-zwei-ein…“. Der herrlich penetrante „Rabe“ war dabei der bejubelte Chorsolist Wolfgang Adler. Nomen est omen.

Schließlich noch eine Chorversion von Mörikes „Feuerreiter“ durch den hoch begabten, in der unseligen Nazi-Zeit durch Freitod geendeten Hugo Distler (1908-1942). Unruhiges Parlando beim „Hinterm Berg, hinterm Berg, brennt es in der Mühle…“. Unheimliches „Ruhe wohl…“ wird der Titelfigur zum Abschied mitgegeben.

Die Brüder Kutrowatz rundeten dieses Konzert im Goldenen Saal des Musikvereins trefflich mit 2 Ungarischen Tänzen in der Originalversion für Klavier zu 4 Händen (die selten zu hörenden Nummern 11 und 8) ab und waren die hellwachen Begleiter des vielfältigen Chorgeschehens.

Der stürmische Jubel für alle Mitwirkenden war verdient! Möge für die Mitglieder des Singvereins das Singen weiterhin „kein Job, sondern Leidenschaft“  bleiben!

Karl Masek

 

WIEN / Staatsoper: OTELLO von Giuseppe Verdi

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Stephen Gould (Otello) mit Krassimita Stoyanova (Desdemona). Fote: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: Giuseppe Verdis OTELLO

5. Aufführung in dieser Inszenierung

28. Jänner 2020

Von Manfred A. Schmid

Die Premiere im Juni des vergangenen Jahres wurde nicht das erhoffte fulminante Ereignis zum Ausklang der Saison, sondern erwies sich als müder Abklatsch faden Rampentheaters. Adrian Noble, dem zuvor mit Hänsel und Gretel eine kinder- und familientaugliche Inszenierung gelungen war, scheiterte mit seiner unbeholfenen Regie auf ziemlich allen Linien, inklusive der sperrigen Bühne von Dick Bird. Warum er das Geschehen in die Zeit um 1900 verlegt, will sich auch in der 5. Aufführung nicht so recht erschließen. So bleibt dieser Otello leider auch beim nunmehrigen zweiten Augenschein ein Ärgernis, und man wünscht sich – wer hätte das für möglich gehalten – beinahe die viel gescholtene Mielitz-Version mit ihrem eigentümlichen Boxring/Bademantel–Ambiente zurück.

Musikalisch aber kommt man voll auf seine Rechnung: Was hier auf der Bühne geboten wird, ist eine deutliche Verbesserung gegenüber den eher mediokren Leistungen der Premierenbesetzung rund um Alexandrs Antonenko. Kein Wunder, wird diesmal in der Titelpartie doch Stephen Gould aufgeboten. Es dauert zwar etwas, bis er bei seinem späten Wiener Rollendebüt – in Dresden war er schon 2017 als bejubelter Otello zu erleben – stimmlich voll da ist. Gleich der erste Auftritt mit „Abbasso le spade! Olà! che avvien? Son io fra i Saraceni?“, wo er sofort in hoher Tonlage und lautstark einschreiten muss, wirkt absturzgefährdet. Aber spätestens im von intimen Celloklängen eingeleiteten Duett mit Desdemona ist er mit seinem strahlenden, metallischen Tenor und mit warmem Timbre in der Mittellage voll da. Aber während Desdemona bedingungsloses Vertrauen verströmt, nagt an ihm von Anfang an die bange Frage, ob das gemeinsame Liebesglück von Dauer sein werde. Der ob seiner Herkunft von manchen Kreisen als Fremder, Außenseiter und Eindringling argwöhnisch beobachtete siegreiche Feldherr kommt in dieser Inszenierung, geschuldet der political correctness, ohne blackfacing aus. Nur seine exotisch anmutende Gewandung – eine Art wallender weißer Kaftan – deutet auf eine gewisse Fremdartigkeit hin. Gould ist gewiss kein begnadeter Darsteller, aber die Gefühle, Nöte und Zwänge, die von zunehmender Eifersucht hervorgerufene innere Zerrissenheit, der Kampf, den Otello vor allem mit sich selbst führt und schließlich verliert, drückt er in seinen facettenreichen musikalischen Gestaltung wie auch in seinem Mienenspiel mehr als zureichend aus. Eine Verfilmung mit vielen Nahaufnahmen. Das wär’s. Aber der Operngucker tut‘s auch.

Damit er seine Stärken voll ausspielen kann, braucht es natürlich eines ebenbürtigen Widersachers. Der Jago von Carlos Ávarez ist ein ausgefuchster Intrigant, abgrundtief böse und ohne jegliches Gewissen. Ein radikaler Nihilist, dessen Credo nur den endgültigen Tod kennt. Schon sein hinterhältiges Trinklied ist eine Beschwörung drohenden Unheils, das er Zug um Zug näher rücken lässt. Der Teufel in Gestalt eines Baritons – allerdings eines wunderschön klingenden Baritons von gefährlich funkelnder Farbenpracht.  

Carlos Álvarez (Jago) mit Jinxu Xiahou (Cassio). Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn.

Krassimira Stoyanova ist eine überzeugend unschuldige, den grundlosen Verdächtigungen, die bald in körperlicher und seelischer Demütigung vor aller Öffentlichkeit münden, fassungslos gegenüberstehende Desdemona. Zunächst wehrt sie sich selbstbewusst, kapituliert dann aber zusehends. In ihrem ergreifenden Lied an die Weide drückt sie angesichts der unausweichlichen Katastrophe ihre Hoffnungslosigkeit aus. Zart, beklommen, bang. Verzweifelt und vergeblich Trost suchend. Intensiver und ergreifender als Stoyanova, so voll Wärme und Aufrichtigkeit, lassen sich die seelischen Nöte einer zutiefst beleidigten Frau kaum ausdrücken.

Als Cassio kann Jinxu Xiahou mit seinem glockenhellen Tenor aufhorchen lassen, bleibt seiner Figur aber darstellerisch einiges schuldig. Leonardo Navarro als Roderigo und Clemens Unterreiner bei seinem Rollendebüt als Montano habe zwar nicht allzu viel zu tun, machen ihre Sache aber gut, während Ryan Speedo Green erneut die Frage aufwerfen lässt, warum er trotz seines eindimensionalen Bassbaritons so viele Auftrittsmöglichkeiten bekommt und nun auch als Lodovico eine Chance erhält.

Obwohl sie erst im letzten Akt gesanglich so richtig gefordert ist, liefert Bongiwe Nakani als Emilia eine ihrer bisher besten Leistungen ab.

Der Chor wirkt streckenweise zu laut und undifferenziert, was auch für das Orchester unter der Leitung von Jonathan Darlington gilt. Keine Frage, Verdi lässt es von Anfang an – eine Seeschlacht bei sturmgepeitschten Wogen – so richtig krachen. Aber auch da gilt es zu gestalten und abzustufen, um die Spannungsbögen herauszuarbeiten. Dass das an diesem Abend nicht immer gelingt, hat ein einsamer Buhrufer zu Recht moniert. Zur Ehrenrettung sei aber nicht verschwiegen: Die gefürchtete, abgrundtiefe Heraufbeschwörung kommenden Übels, mit der Verdi die Mordszene einleitet, gelingt den Kontrabassisten wieder vorzüglich. Erregung, Beklommenheit und Gänsehaut stellen sich ein und begleiten einen – bis der Vorhang fällt. Und darüber hinaus. Denn die Musik dauert noch etwas bin, was einem Teil des Publikums aber nicht aufgefallen sein dürfte, denn man fängt sofort mit dem Klatschen an. Alarmierte Pscht-Laute bewirken, dass es dann nochmals leise wird, bis kräftiger Applaus einsetzt. Otello ist bekanntlich keine Nummern-Oper und enthält keinerlei abgeschlossenen Formen. Es gibt daher, außer bei den Aktschlüssen, während der Vorstellung kaum Gelegenheit für Beifallsbekundungen. Dafür, dass zuvor Applausfasten angesagt war, fällt der Schlussbeifall dann doch ziemlich kurz aus.

WIEN/ Musiverein/Gläsererner Saal: Werke von Olivier Messiaen und Galina Ustwolskaja

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Musikverein, Gläserner Saal: Werke von Olivier Messiaen und Galina Ustwolskaja

Eine Kooperation der Ges. der Musikfreunde u. der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien,  28.1. 2020

Quartett für das Ende der Zeit“, „Quatuor pour la fin du temps“.

Außergewöhnlich die Entstehung und erste Aufführung 1941 in deutscher Kriegsgefangenschaft.
Außergewöhnlich Inhalt und Komposition, basierend auf dem 10.Kapitel der Apokalypse.
Außergewöhnlich schwierig zu spielen.


Foto: Christoph Karner

Ja, und außergewöhnlich gut wurde dieses  8- teilige Werk Olivier Messiaens (1908-1992) von Vera Karner, Klarinette; Yukari Ohno, Violine; Sebastian Dozler, Violoncello (Cellist der Tonkünstler) und Maciej Skarbek, Klavier interpretiert.

Dank gebührt Univ. Prof. Denise Benda für die Einstudierung.

Beeindruckend mit welcher Intensität musiziert wurde, vom feinsten, kaum hörbaren Pianissimo bis zum Fortissimo; eindrucksvoll,  wie die Musiker fein abgestimmt miteinander kommunizierten.

Im gläsernen Saal mit seiner außergewöhnlichen Akustik ist bekanntlich jeder Hauch deutlichst zu hören.

Über Bedeutung und Entstehungsgeschichte des Werkes wäre jetzt sehr viel zu schreiben, deshalb zwei Links: https://www.kammermusikfuehrer.de/werke/1201

https://www.musikverein.at/magazin/2020/februar/das-quartett-fuer-den-unwandelbaren-frieden

Dem Schreiber selbst wurde empfohlen, vor dem Konzert die Informationen zu studieren.

So vorbereitet haben sie die Möglichkeit am 18.2.2020  um 19.30 dieses Werk, diesmal mit dem Altenbergtrio und dem Klarinettisten Matthias Schorn, im Brahmssaal zu hören.

Aber auch schon zu Beginn des Konzertes konnte man mit 2 Werken der russischen Komponistin Galina Ustwolskaja (1919- 2006)  auf bis dahin Ungehörtes stoßen.

In St. Petersburg geboren, Schülerin Schostakowitschs, zunächst vom Sowjetregime anerkannt. Ab den 60er Jahren radikale Abwendung von allem Bisherigen und Zuwendung zu christlich – spirituellen Themen.  “ Meine Werke sind nicht religiös, aber definitiv spirituell, weil ich alles von mir gegeben habe. Meine Seele, mein Herz.“

Das führte zu ihrer vollkommenen Isolierung.

Kurz, aber monumental, die Sinfonie Nr.4, Gebet, nach dem Text eines Mönches aus dem 11. Jh.  für die recht ungewöhnliche Besetzung

tiefer Alt,  Anna Tyapkina

Trompete, Selina Ott ( Sie gewann 2018 als 1. Frau den ARD- Wettbewerb im Fach Trompete)

Klavier, Uliana Cheklina und

Tam Tam, Leonardo Tolio

Dank an Univ. Prof. Evgeny Sinayskiy für die Auswahl und Einstudierung.

Weiters hörte man die Komposition Nr.3 für vier Flöten, vier Fagotte und Klavier, Benedictus, qui venit mit Anastasiia Tonina, Maria Udwardi, Monika Volaric und Sigrid Kostner, Flöte, Stefania Serri, Teodora Mancabelli, Vanessa Reikerstorfer und Elza Ozola, Fagott, Ellisiv Tandberg, Klavier

Die Univ. Professoren Luca Monti und Arno SteinwiderJohannsen waren für die Einstudierung des Werkes verantwortlich, das nach der Komponistin nicht analysiert werden soll, um dem Zuhörer   den maximalen assoziativen Spielraum zu ermöglichen, den dieses komplexe und intensive Stück verdient.

Christoph Karner

WIEN/ Staatsoper: OTELLO – eine glückliche Wiedergeburt

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Stephen Gould. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

28.1.2020: „OTELLO“ – eine glückliche Wiedergeburt!

 Die schwache Premiere im Juni 2019, wo dem Titelhelden jegliche Faszinationskraft fehlte, auch Jago und Desdemona nicht die erwünschten Idealbesetzungen waren und der Dirigent mit der herrlichen Verdi-Partitur überhaupt nichts anzufangen wusste, hatte bewirkt, dass die sehr ansprechende Inszenierung von Adrian Noble unter ihrem Wert geschlagen wurde. In der aktuellen Wiederaufnahme zeigte sich das gesamte Bühnengeschehen sinnvoll, die Verlegung der Handlung ins späte 19./Anfang 20. Jh. beeinträchtigte nicht Verdis ästhetische Anforderungen und bot den Darstellern, stets einsichtig in der vorderen Bühnenhälfte, wunderbare Entfaltungsmöglichkeiten.

 Das Hautptinteresse des ausverkauften Hauses galt wohl dem Wiener Rollendebut von Stephen Gould als Otello. Wer sich einen „zweiten Domingo“ erwartete, musste enttäuscht werden (denn es gab nur einen „ersten“). Doch Gould ist Persönlichkeit genug, um keine Nachahmung anzustreben. Was ihn in Wagner-Rollen so unvergleichlich macht, kam auch bei Verdi ins Spiel. Der südländischen, spontanen vokalen und emotionalen  Explosivität, wie sie uns von Mario del Monaco bis Domingo vertraut war, die sich im  Gefühlsüberschwang selbst zu vergessen schienen, steht beim aus dem angelsächsischen Raum kommenden Stephen Gould ein für Wagner, Strauss oder auch Britten ideales, ebenmäßig strömendes, enormes Stimmpotential gegenüber, mit dem der Sänger in jeder Situation tiefes und echtes Empfinden ausdrücken kann. Wir erlebten „seinen“ Otello!

Von kolossaler optischer Wirkung gleich der erste Auftritt des Hünen, im bodenlangen repräsentativen weißen Mantel hell herausgeleuchtet aus der Menge, und sein gewaltiges „Esultate!“, das einfach Respekt einflößend ist. Aber er protzt nicht mit seiner Stimme, sie ist in allen Lagen schön und die weiten Bögen, die er mit langem Atem singt, beeindrucken. Das gibt der Führerfigur, die eben auf einen militärischen Sieg zurückblicken kann, ihre Glaubwürdigkeit. Und was diesen seinen Verdi- und Shakespeare-Charakter nur noch beeindruckender macht: Otello ist zwar in dieser Inszenierung kein „Schwarzer“, weil das wohl „politically uncorrect“ wäre, er wird aber bei Stephen Gould zum Außenseiter durch seine Gefühlskraft, wie sie niemand aus dem übrigen Personal zeigt – mit Ausnahme Desdemonas natürlich. Gould zeigt sie ständig – körperlich, mimisch und vokal. Damit strahlt er eine ungeheure Kraft und Faszination aus, sein Otello erliegt aber gerade deshalb den Einflüsterungen Jagos. Wunderbar spielt er die Scham, die ihn überkommt, wenn er wieder einmal das Misstrauen, das Jago ihm eingeflößt hat, ernst genommen hat und nicht weiß, wie er diese emotionale Situation bewältigen soll. Der relativ kleine Spielraum auf der Vorderbühne gibt den Sängern, vor allem Otello und Desdemona, mit den vielen Tischen, Bänken, Stühlen… dafür gute Anhaltspunkte – im wörtlichen Sinn. Und was die dennoch diesem „Helden“ verbliebene Noblesse betrifft, hat Gould in Krassimira Stoyanova die ideale  Partnerin. Guten Gewissens stelle ich fest, dass es eine bessere heute nicht gibt. Verdi-Lyrik pur bietet sie mit raumfüllender, technisch makellos geführter Stimme, von der warm strömenden Mittellage bis in die leuchtenden Höhen und feinsten piano- und pianissimo- Passagen, die nicht nur technisch imponieren, sondern von der Aussage her ungemein berühren. Das Liebesduett der beiden Belcantisten wird somit schon mal zu einem ersten Verdi-Höhepunkt. Jede der Folgeszenen schließt sich dem an. Was ich noch nie gesehen habe:


Krassimira Stoyanova. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Wenn sie im 3. Akt, anstatt sich vollends zu Boden („a terra!“) schleudern zu lassen, frontal vor Otello würdevoll niederkniet, aber dabei zu ihm aufblickt, um ihm zu „sagen“: „Schau her, ich liebe dich noch immer und achte Deine Hoheit, aber diese Behandlung kann und will ich nicht verstehen…“ Von wirklichem Horror getrieben, läuft sie mehrmals von der Bühne ab, was dann den gequälten Mann noch mehr zur Verzweiflung bringt.

Zu einem Ruhepunkt, der uns erschaudern lässt, wird Desdemonas „Canzon del Salice“ und ihr „Ave Maria“. Es ist vollkommen richtig, dass der Regisseur im 4. Akt das ominöse Ehebett mitten auf die Bühne gestellt hat, wo dann am Ende vor Fallen des Vorhangs auch die unseligen Ehepartner (wieder) nebeneinander ruhen.

 Dass auch alle anderen Sänger ausgezeichnet waren, vervollständigte den erfreulichen Verdi-Abend.  Carlos Alvarez legte den Jago nicht so vordergründig böse in Spiel und Gesang an, dass jedes Kind ihm misstraut hätte. Doch allein schon seine sehr markante Deklamation sorgte für die Glaubwürdigkeit dessen, worauf der emotional sowieso anfällige Tenorpartner dann hineinfällt.  Die gesunde Stimme des spanischen Baritons mit den imposanten Höhen trug dazu bei. In den Dialog- und Duett-Szenen der beiden hat Giuseppe Verdi dafür gesorgt, dass diese Irreführung klappt.  Eine beachtliche Bühnen- und Stimmpräsenz  brachte auch Jinxu Xiahou als sympathisch naiver Cassio mit. Leonordo Navarros heller Tenor und fesche jugendliche Erscheinung gab dem Roderigo Profil. Clemens Unterreiner tat dies als Montano, dessen entsetzter Blick auf das fatale Geschehen am Ende der Oper erschreckend die musikalische Aussage verstärkte.

Warum Otello in dieser Inszenierung kein „Mohr“ sein darf, im Solistenensemble aber zwei andere dunkelhäutige Sänger auftreten „dürfen“, bleibt ein Rätsel der Regie bzw. des Besetzungsbüros…Bongiwe Nakani war eine hervorragende Emilia mit sehr schönem, warmem Mezzo und starker Bühnenpräsenz im fatalen Finale. Ryan Speedo Green liegt der venezianische Gesandte Lodovico besser als manch andere Partie.

In den Kleinstrollen sahen wir Ion Tibrea als Herold und Katharina Billerhart als Bianca.

Der Staatsopernchor, wieder unter der Leitung von Thomas Lang, hat, nach der missglückten Premiere, nun die volle, imposante Aussagekraft des Gesungenen zurückgewonnen. Entzückend der Kinderchchor im 2.Akt!

Mit dem gebürtigen Engländer Jonathan Darlington, seit über 10 Jahren Musikdirektor der Oper Vancouver und weltweit mit einem breiten Opernrepertoire im Einsatz, stand ein tadelloser Verdi-Dirigent am Pult, der „nur“ zu realisieren versuchte, was der Komponist ohnedies überdeutlich in der Partitur festgelegt hat. Alle Relationen stimmten, das Bühnenpersonal wurde souverän geführt, und was das hochemotionale Drama betrifft – das hat den Maestro immer wieder kräftig erhitzt – er musste sich in jeder Dirigierpause den Schweiß von der Stirn wischen. Sowie auch sicher kein Opernbesucher das Haus unterkühlt verlassen hat…Verdis Meisterwerk wurde dankbar als solches empfunden.                              

Sieglinde Pfabigan

ATHEN/ Megaro Mousikis: Christoph Eschenbach dirigiert das Staatsorchester Athen (Beethoven, Mahler)

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Christoph Eschenbach. Foto: Youtube

Megaro Mousikis, Athen

Christoph Eschenbach dirigiert das Staatsorchester Athen

Konzert am 29, Januar 2020

Zahm und spannungsarm

Das Staatsorchester Athen konnte Christoph Eschenbach fuer ein Konzert in Athen gewinnen, das mit Beethovens fuenftem Klavierkonzert und Mahlers erster Sinfonie bedeutende Klassiker auf dem Programm stehen hatte. So erfreulich es war, dass ein Grossteil der Einnahmen an einen wohltaetigen Zweck gingen, so enttaeuschend fiel das kuenstlerische Resultat des Abends aus. Das Athener Orchester braucht Dirigenten mit grosser und internationaler Erfahrung, das ist sicher. Leider war an diesem Abend von Eschenbachs gestalterischem Koennen nicht allzu viel zu spueren.

Bei der Wiedergabe von Ludwig van Beethovens Klavierkonzert in Es-Dur „Emperor“ konnte man zeitweilig vergessen, dass es sich um eine Komposition des Jubilars handelt. Eschenbach war vor allem darum bemueht, Details vorzufuehren, den linearen Spannungsaufbau vernachlaessigte er dabei vom ersten Satz an. Erschwerend kam hinzu, dass sich das Spiel des Solisten Vassilis Vavaresos nur ungenuegend mit demjenigen des Orchesters verband. Der griechische Musiker brachte die Musik akkurat, durchaus virtuos zum Erklingen, vermochte es aber kaum dramatische Agogik zu zeigen. Im Adagio, welches der Dirgent sehr langsam nahm, schien der Klang buchstaeblich zu verfliessen. Und die Streicher boten in diesem Moment wahrlich nicht den besten Klang – ganz im Gegensatz zu den sehr guten Hoernern. Es war, was sich auch nach der Pause bestaetigen sollte, der Abend der Blaesergruppen. Beethovens beruehmtes Konzert wurde, dies laesst sich bilanzieren, von Eschenbach strukturell nicht wirklich erschlossen, es blieb in der Wiedergabe bei einigen schoenen Momenten. Nach „Emperor“ klang das alles nicht.

Nach der Pause stand Gustav Mahlers erste Sinfonie auf dem Programm. Das bot immerhin den gut disponierten Blechblaesern Gelegenheit, sich wirkungsvoll in Szene zu setzen. Nach einer interpretatorischen Linie, einer dramatischen Bewegung, die sich durch das Werk zieht, suchte man freilich in Eschenbachs Dirigat vergeblich. So liess beispielsweise der Laendler des zweiten Satz ein klare Kontur vermissen und der Trauermarsch des folgenden Satzes erfuhr keine angemessene Steigerung. Mahlers Musik zerfiel in dieser Auffuehrung mehr als einmal in seine Teile. Oder sie geriet zum allzu lauten, Details verschluckenden Getoese. Dies war insbesondere im letzten Satz der Fall. Der feierliche Charakter, den der Komponist intendierte, stellte sich darum auch nicht ein. Es war, um es nochmals hervorzuheben, erfreulich, die Blaser des Athener Orchesters in beiden Teilen des Konzertprogramms in guter bis sehr guter Form zu erleben. Man haette sich allerdings auch eine packende Interpretation gewuenscht. Es mag sein, dass die Probenzeit knapp bemessen war, von einem Dirgenten wie Christoph Eschenbach sollte man aber in jedem Fall mehr Deutungskraft erwarten koennen.

Das Publikum im fast ausverkauften Saal spendete reichlich Beifall mit einzelnen Bravorufen fuer die Beteiligten.

Ingo Starz (Athen)

 


MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: TURANDOT – Fulminantes Debut von Anna Netrebko!

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Anna Netrebko (Turandot). Foto: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper

München: Bayerische Staatsoper: „TURANDOT, 28.01.

Fulminantes Debut von Anna Netrebko!

Die futuristische, phantasievolle „Turandot“-Inszenierung von Carlus Padrissa/La Fura dels Baus aus dem Jahr 2012 ist ein bei vielen Stammgästen beliebter Bestandteil des Repertoires der Bayerischen Staatsoper. Die Vorstellungsserie Ende Januar/Anfang Februar wurde jedoch mit besonders großer Spannung erwartet, stand doch das Debut von Anna Netrebko als Prinzessin Turandot bevor. Natürlich war das Haus innerhalb weniger Tage ausverkauft trotz horrender Kartenpreise.

Anna Netrebko erfüllte die in sie gesetzten Erwartungen voll und ganz. Ihre große Arie im zweiten Akt bewältigte sie hoch souverän und war jederzeit Herrin der Partie. Dabei klang ihre Stimme nie angestrengt, sondern strahlend, kraftvoll und leuchtend, so dass das Publikum ihr fasziniert lauschte. Darüber hinaus schuf sie auch eine beeindruckende und vor allem auch im dritten Akt gefühlvolle Bühnenfigur, in der man neben der gefühlskalten, männermordenden Prinzessin auch die zur echten Liebe fähige Frau erkannte. Es gibt vielleicht Rollen, in denen Netrebkos glutvolle, warme und zu großen Melodiebögen fähige Stimme und ihre Fähigkeit zu zarten Pianissimi besser zur Geltung kommt als in der hauptsächlich kraftvollen Partie der Turandot, trotzdem war es eine eindrucksvolle Vorstellung von ihr. Was man leider von Yusif Eyvazov als Calaf nicht behaupten konnte. Er verfügt zwar über sichere Höhen, die er auch in ziemlich manierierter Art und Weise ausdehnte, wo immer möglich. Es war jedoch nicht gerade ein Genuss, seinem engen, farblosen, eindimensionalen und für das Haus eigentlich auch zu kleinen Tenor zuzuhören. Ein ums andere Mal wurde er vom Orchester zugedeckt, so dass man ihn kaum mehr wahrnehmen konnte. An schauspielerischer Gestaltung schien er auch nicht sonderlich interessiert zu sein, sondern stand meist mit unbeweglicher Mine auf der Bühne. Insgesamt war seine Vorstellung dem Niveau des Hauses nicht angemessen, was umso schwerer ins Gewicht fiel als in der aufgeführten Fassung ohne die finale Liebesszene die Partie des Calaf gegenüber der der Turandot ungleich größer ist.


Selene Zanetti (Liu), Yusif Eyvazov (Calaf). Foto: Wilfried Hösl/ Bayerische Staatsoper

Für Schönklang bei den Männerstimmen mussten also in dieser Vorstellung andere Solisten sorgen. Alexander Tsymbalyuk sang den Timur mit raumfüllendem, klangvollem, runden, weichen und trotzdem kraftvollem Bass. Darüber hinaus schuf er eine berührende und zu Herzen gehende Bühnenfigur. Boris Prýgl, Manuel Günther und Andres Agudelo als Ping, Pang und Pong waren ein schönstimmiges Trio. Bei all dem Rummel um Anna Netrebko hatte man im Vorfeld vielleicht nicht beachtet, dass es an diesem Abend ein zweites interessantes Debut zu hören gab. Selene Zanetti sang zum ersten Mal die Liú und begeisterte das Publikum mit einer musikalisch wie darstellerisch beseelten Interpretation der selbstlos liebenden Sklavin, die ihr Leben dem hoffnungslos Geliebten opfert. Damit berührte sie die Zuschauer so tief, dass sie am Ende sogar fast den meisten Beifall einheimste, nur knapp übertroffen von Anna Netrebko. Das Bayerische Staatsorchester hatte unter Giacomo Sagripanti seine besten Momente in den lyrischen und feinsinnigen Passagen, wie etwa der großen Szene von Ping, Pang und Pong oder dem ersten Erklingen des „Nessun dorma“-Themas. Den großen, prunkvollen Szenen fehlte trotz großer Lautstärke ein wenig die Erhabenheit und innere Größe. Kleinere Abstimmungsprobleme mit Chor und Solisten werden sich sicher in den Folgevorstellungen noch geben.

Am Ende spendete das Publikum verhältnismäßig gemessenen Beifall, die meisten Leute verließen nach zwei Vorhängen den Saal. Einige dezidierte Netrebko-Fans erklatschten sich noch ein paar weitere Vorhänge. Der Gesamteindruck einer Vorstellung wird also nicht nur durch einige hervorragende Einzelleistungen geprägt, sondern vor allem auch durch ein homogenes Ensemble, was insbesondere durch die unterdurchschnittliche Leistung von Yusif Eyvazov nicht gegeben war.

Gisela Schmöger

LONDON/ Wien/Covent Garden Opera/ „ROH imKino“: LA BOHEME

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LA BOHEME – Covent Garden Opera, London (Kino), 29. Jänner 2020

(Heinrich Schramm-Schiessl)

In der Covent Garden Opera in London läuft derzeit eine Aufführungsserie von Puccinis „La Boheme“ und wurde diese Vorstellung wieder weltweit in die Kinos übertragen.

Es handelt sich um die Wiederaufnahme einer Inszenierung von Richard Jones, die von Julia Burbach neu einstudiert wurde. Man muss mit dieser Inszenierung sehr zufrieden sein, denn sie ist sehr nah am Libretto. Sie spielt in der angegebenen Zeit und am angegebenen Ort.Auf Verdoppelungen, Brechungen, Videos und sonstige Mäzchen des sogenannten Regietheaters wird komplett verzichtet was durchaus wohltuend war. Die Ausstattung von Stewart Laing ist stimmig, nur in der Mansarde hat man die Kargheit etwas übertrieben, denn es gab nicht einmal ein Lotterbett und Mimi musste am Boden liegend sterben. Als Wiener vermisst man natürlich schon die besondere Atmosphäre der Zeffirelli-Inszenierung.

Musikalisch konnte man mit der Aufführung zufrieden sein. Herausragend aus einem soliden Sängerensemble war Sonya Yoncheva als Mimi. Ihre Stimme klingt in allen Lagen wunderbar und sie versteht es, alle Gefühlerbenen dieser Figur zum klingen zu bringen. Auch darstellerisch konnte sie sehr überzeugen. Charles Castronovo (Rodolfo) verfügt über einen durchaus wohlklingenden, schon heldisch timbrierten Tenor, der allerdings etwas stumpf wirkt. Es fehlt jegliche Strahlkraft, insbesonders in der Höhe, wo die Stimme etwas eng wird. Darstellerisch war er bemüht, ohne restlos zu überzeugen. Andrzej Filonczyk lässt als Marcello einen interessanten Bariton hören, der Hoffnung für die Zukiunft macht. Darstellerisch wirkt er sehr engagiert. Den Colline sang „unser“ Peter Kellner und bot eine ordentlioche Leistung. Bei der Mantelarie hätte man sich etwas mehr Gefühl gewünscht. Darstellerisch blieb er leider etwas blass. Das kann  man von Gyula Nagy als Schaunard nicht behaupten. Er war von den vier Freunden der lebendigste und sang auch sehr ansprechend. Anstelle der erkrankten Aida Garifullina sang Simona Mihai die Musetta und war zufriedenstellend, wobei sie allerdings im 4. Akt kaum zu rühren vermochte.

Der von William Spaulding einstudierte Chor sang ordentlich.

Emmanuel Villaume dirigierte das gut spielende Orchester solide ohne echte Höhepunkte zu setzen. Leider blieben die Stellen, an denen es einem sonst die Kehle zuschnürt oder das Wasser in die Augen treibt, diesmal wirkungslos.

Dem Publikum in London scheints gut gefallen zu haben, denn es gab viel Jubel. Der Saal in der Millenium-Kinowelt war eher schütter besetzt. Hier fehlten diesmal offensichtlich die Interpretennamen, die einen über die eingefleischten Opernfans hinausgehenden Publikumskreis ansprechen.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

 

LUDWIGSBURG/ Forum Schloßpark: „HUSBANDS & WIVES“ mit dem Schauspiel Frankfurt

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Matthias Redlhammer, Friederike Ott. Foto: Felix Grünschloss

„Husbands and Wives“ mit dem Schauspiel Frankfurt am 29.1.2020 im Forum am Schlosspark/LUDWIGSBURG

Der einsame Professor

  Steht die Ehe wirklich immer noch hoch im Kurs? Dieser Frage geht Woody Allens Drehbuch „Husbands and Wives“ aus dem Jahr 1992 nach. Zwei Paare treffen sich, aber aus dem gemütlichen Abend wird eine ungewöhnliche Offenbarung. Denn zwei von ihnen möchten sich nach vielen Ehejahren trennen, um nicht im tristen Alltag zu versinken. Doch aus diesem Abenteuer wird dann das Ende aller bürgerlichen Sicherheiten. Die „Ehemänner“ begegnen nämlich jüngeren Frauen und die „Ehefrauen“ schwanken in ihren Gefühlen zwischen Schuld und Eifersucht. Woody Allens Resümee lautet: „Die Ehe ist der Versuch, zu zweit mit Problemen fertig zu werden, die man allein niemals gehabt hätte.“

Im Zentrum steht hier der von Matthias Redlhammer wunderbar wandlungsfähig gemimte Universitätsprofessor Gabe Roth, dessen Ehe mit seiner von Friederike Ott facettenreich dargestellten Frau Judy Roth in die Krise geraten ist. Am Ende wird sich Roth von seiner Frau trennen, die sich in ihren Kollegen Michael (mit vielen Nuancen: Benjamin Grüter) verliebt und diesen heiratet. Eine wichtige Rolle im Stück nimmt auch die von Christina Thiessen subtil dargestellte Studentin von Gabe ein, die diesem gehörig den Kopf verdreht. Matthias Redlhammer kann in dieser Rolle glaubwürdig vermitteln, wie er sich hier plötzlich wie ein verliebter Teenager fühlt. Trotzdem bleibt er immer der einsame Professor. Seine Frau Judy, Redakteurin eines Kunstmagazins, ist mit Michael dann glücklich verheiratet. Paradox ist zudem, dass sich Sally und Jack (furios: Anna Kubin und Sebastian Kuschmann) zu Beginn des Stückes trennen wollen, aber zum Schluss wieder ein Paar sind. Der große Looser ist bei Woody Allen der Literaturprofessor der New Yorker Columbia University Gabe Roth, der eher unfreiwillig als Single weiterleben muss. In der psychologisch glaubwürdigen Regie von Christian Brey und der bunten Ausstattung von Anette Hachmann lässt man Kunst und Wirklichkeit mit der Musik von Gustav Mahlers neunter Sinfonie einfühlsam Revue passieren. Der Professor philosophiert über Turgenjew und Dostojewskij – und die junge Studentin himmelt ihn an. Christina Thiessen spielt hier aber nicht nur die quirlige Studentin Rain, sondern auch die Yoga-Lehrerin Sam und das Callgirl Shawn. Ganz ungeniert berichtet diese, dass der Professor bei ihr zunächst „keinen hochgekriegt“ habe. Die rhetorische Frage „Hast du das Bedürfnis, mit einer Nutte zu schlafen?“ wird von dem als prüde beschriebenen Literaturprofessor aber schließlich bejaht.

Die Inszenierung von Christian Brey arbeitet jedenfalls glaubwürdig heraus, wie Friederike Ott als Judy bemüht ist, ihre eigene Beziehung zu hinterfragen. Sie beginnt mit Gabe eine Diskussion, in deren Verlauf dieser erwähnt, dass Jack ihm gegenüber angedeutet habe, mit einem Callgirl geschlafen zu haben. Sally hat nun erfahren, dass Jack eine Affäre hat. Anna Kubin macht deren Eifersuchtswahn in brillanter Weise deutlich. Hitzige Telefonanrufe in der roten Kabine heizen die Situationskomik noch erheblich an. Das Tempo dieser Inszenierung ist auf jeden Fall punktgenau und in sich stimmig. Sally lässt ihre hysterische Wut an dem Kollegen aus. Der Professor möchte seine Studentin allerdings nicht verführen, doch beim Gewitter kommt es zu einem leidenschaftlichen Kuss zwischen den beiden. Gabe hatte vor Jahren eine Liaison mit einer jüngeren, sexuell nimmersatten Frau namens Harriet, die später in einer psychiatrischen Anstalt landete. Jack hat nun eine neue Freundin, die Aerobic-Trainerin Sam: „Mexikanisch? Ich liebe Couscous!“ Judy wirft ihrem Mann vor, in dessen neuem Roman als schlechtere Kopie der großen Liebe des Protagonisten dargestellt zu werden. Sally hingegen verkraftet ihre Trennung und verkuppelt Judy erfolgreich mit Michael. Die scheinbar harmlose Bilderwelt wird auch in dieser Inszenierung konsequent vernichtet. Deutlich wird, dass selbst die neuen Beziehungen auf brüchigen Fundamenten aufgebaut sind. Nicht Liebe, sondern Angst und Illusion beherrschen die Situation. Sally ist sich sicher, dass sie eine sexuelle Erfüllung bei Jack nicht mehr finden wird. Bei ihr dominiert die Resignation. Trotzdem kommt sie am Ende wieder mit ihm zusammen: „Man kann sich nicht dazu zwingen, sich auf irgendeine abstrakte Vorstellung von Liebe oder von Ehe zu einigen. Jede Situation ist anders“. Gerade dieser Aspekt kommt bei der Inszenierung von Christian Brey präzis zum Vorschein.
Im Spielfilm von Woody Allen spielt er selbst übrigens den Professor Gabe Roth und Mia Farrow ist seine Frau Judy Roth. Wolfgang Draeger fungiert in der weitgehend überzeugenden Aufführung des Schauspiels Frankfurt ferner als imaginäre Stimme, die die Personen intensiv befragt. Er ist Erzähler und Interviewer zugleich. Und Benjamin Grüter mimt zudem gekonnt Sallys Kollegen Paul, Judys ersten Mann David und Rains Psychiater Richard. 

Alexander Walther

LINZ / Brucknerhaus, Mittlerer Saal: Liederabend BENJAMIN APPL, „Heimat“ – mit kluger Programm-Zusammenstellung

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Benjamin Appl. Foto: Sony Classical Uwe Arens

LINZ / Brucknerhaus, Mittlerer Saal: Liederabend BENJAMIN APPL, „Heimat“ – mit kluger Programm-Zusammenstellung

29.1. 2020 (Karl Masek)

Mit Konzeptalben oder Themen-zentrierten Liederabenden erreicht der deutsche Bariton Benjamin Appl nach eigenen Worten mehr Menschen.  Man könne mit einer speziellen Programmierung, die auch Wege außerhalb eines Kernrepertoires eröffnet, ein Statement abgeben über das, was in einem selbst vorgehe.

So war es 2017 mit der Präsentation der Lieder-CD „HEIMAT“ (mit James Baillieu am Klavier) und mit Liederabenden in mehreren Kontinenten mit diesem Titel. Überall auf der Welt leben Emigranten, Menschen mit Heimatverlust, die könne man alle mit einem „Überthema“ nicht nur intellektuell, sondern vor allem emotional erreichen.

Die intellektuelle Arbeit, die müsse man als Interpret vorher machen, nicht erst auf dem Liedpodium. Hier gelte es verständlich zu bleiben (oder wieder verständlich zu werden).

 Der Regensburger wählte vor einigen Jahren London als seinen Wohnsitz, ist also kein Emigrant, sondern einer, der jetzt eine neue Wahlheimat hat. Mit „Heimat“ ergründet Appl nun in Liedern des 19. und 20. Jhts ein Stück seines eigenen Lebenswegs,  seiner persönlichen und künstlerischen Entwicklung, die den Dietrich-Fischer-Dieskau-Schüler  in den letzten Jahren weg von der Opernbühne, hin zum Konzert- und Liedpodium zu führen scheint. Thematische Unterschiede, Mentalitätsunterschiede zwischen seinen alten und neuen Landsleuten scheinen ihn dabei besonders zu interessieren. Aber auch Rückblenden in die  Kindheit in Regensburg gibt es, zurück zu den Wurzeln…

Klug die Programm-Zusammenstellung, die der Sänger auch im Programmheft ausführlich argumentiert. Die Zusammenstellung mit Liedern von Franz Schubert, Max Reger, Johannes Brahms, Franz Schreker, Alma Mahler-Werfel, Richard Strauss und einer absoluten Rarität von Adolf Strauss erweckte im Vorfeld großes Interesse. Nach der Pause wurde es mit  Benjamin Britten, Ralph Vaughan Williams, Henry Rowley Bishop und Peter Warlock very british“, um mit 6 Liedern auf deutsche Texte von Edvard Grieg wieder zur Muttersprache zurück zu finden. Heimat als Geborgenheit und Identität, die einem durch Orte vermittelt wird,  Heimat als Beziehung zu prägenden und geliebten Menschen, aber auch als „Einengung, Vorurteil oder Schmerz“. Bei Schuberts Lied „Drang in die Ferne“, D 770 (1823) kommt letzteres besonders deutlich zum Ausdruck: „Vaterland’s  Felsenthal/ Wird mir zu eng, zu schmal / Denn meiner Sehnsucht Traum / Findet darin nicht Raum“ lautet der Text…

Eine intellektuell und emotional bestechende Planung eines solchen Programms ist das Eine – die praktische Umsetzung auf dem Liedpodium das Andere. Und ich gestehe, ich tat mir schwer an diesem Abend. War er doch für mein Dafürhalten allzu sehr auf ein unglückliches, melancholisches Grundgefühl fixiert („Dort, wo du nicht bist, ist das Glück“, heißt es in Schuberts „Wanderer“), das außer einem nebelverhangenen Grau kaum andere Farben, andere Stimmungen, zuzulassen schien.

Nun ist Benjamin Appl unbestritten mit einer balsamischen, hellen, schlanken, feingliedrigen Baritonstimme gesegnet. Er kann (atem)technisch alles mit ihr anstellen. Die Stimme hat Farben, Obertonreichtum! Wunderbares Legato! Er besticht darüber hinaus durch exzellente Wortbehandlung und Textdeutlichkeit. Dennoch, die Einzelteile wollten sich für mich (jedenfalls an diesem Abend) nicht so recht zu einem Ganzen fügen. Appl sang sehr verhalten, in perfektionistischem Bestreben Gefühle „buchstabierend“. Es kam nur selten zu einem Aufbau eines Spannungsbogens. Leises wurde noch leiser, mitunter fast zur Unhörbarkeit zurückgenommen. Langsames wurde noch langsamer – und durch Generalpausen fast bis zum Stillstand ausgereizt.

Verdienstvoll war es, wieder einmal Max Reger als Liedkomponist zu begegnen ( („Des Kindes Gebet“, op.76), Alma Mahler-Werfel als Komponistin zur Diskussion zu stellen („Bei dir ist es traut“, Text: Rainer Maria Rilke). Tief  berührt war ich beim Lied des Adolf Strauss (1902-1944, tschechisch-deutscher Komponist), „Ich weiß bestimmt, ich wird‘ dich  wiedersehen“, das während seiner KZ-Internierung , 1943 in Theresienstadt, entstand. Mit anrührend ergreifender Melodik, die an die allerschönsten Lieder des Robert Stolz gemahnt. Ihm hat der legendäre Marcel Prawy ja attestiert, die schönsten Melodien seit Schubert geschrieben zu haben. Adolf Strauss war ein Wiedersehen mit der Geliebten nicht vergönnt. Er starb 1944 im KZ Auschwitz.

Nach der Pause ging Appl etwas mehr aus sich heraus. Mit Bishops „Home, Sweet Home“ kam eine Liebeserklärung an die neue Wahlheimat. Endlich auch über gepflegtes Mezzoforte   hinausgehend  die Schilderung Peter Warlocks (1894-1930), „The Bachelor“, in der der Jüngling Jack lieber sein Reisebündel schnürt und wieder weiterzieht – obwohl er von den kleinen und großen Mädchen mit Liebe überschüttet wird. Aber: „Kein schöner Leben gibt’s auf dieser Welt, als jung und ohne Weib zu sein“, so lautet das Motto dieses „Beziehungsunwilligen“. Der Text stammt von einem Anonymus aus dem 15. Jht.

Edvard Griegs Lieder nach Texten von Heine, Geibel, Uhland, Simrock, Goethe und Bodenstedt, erwiesen sich als Kleinodien eines, von dem man unverdienter Weise fast nur die Peer-Gynt-Suiten kennt.

Der Pianist James Baillieu (mit Wurzeln in Südafrika, nun ebenfalls in London lebend und – wie Appl – mittlerweile auch unterrichtend) war mit dem Samtbariton eines Sinnes und ein sensitiver, ebenfalls den superleisen Tönen nachspürender Begleiter.

Ein Programm, das lange Strecken in einem „Con sordino“- Modus blieb, wurde vom Publikum wohlwollend aufgenommen. Der Beifall blieb allerdings verhalten, sozusagen ebenfalls „Con sordino“.

Karl Masek

BERLIN/ Komische Oper: „FRÜHLINGSSTÜRME“ von Jaromír Weinberger, 2. Vorstellung.

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Dominik Köninger, Alma Sadé, Stefan Kurt, Vera-Lotte Boecker und Arne Gottschling, copyright Iko Freese / drama-berlin.de 

Berlin/ Komische Oper: „FRÜHLINGSSTÜRME“ von Jaromír Weinberger, 2. Vorstellung am 29.01.2020,

Auf dem Weg zur Komischen Oper Berlin stürmt es ziemlich winterlich, doch drinnen im gut geheizten großen Saal warten die „Frühlingsstürme“, eine bislang total vergessene Operette des 1896 in Prag geborenen Tschechen Jaromír Weinberger.

Sie gehört zu der Serie von Werken jüdischer Komponisten, die vor 1933 das Publikum begeisterten, dann aber von den Spielplänen getilgt wurden und genau wie ihre „Macher“ in Vergessenheit gerieten. Diese Stücke in Eigenregie zu neuem Leben zu erwecken, ist Barrie Kosky, Intendant und Chefregisseur des Hauses, enorm wichtig und hat damit immer positiv überrascht.

Bei Weinbergers „Frühlingsstürmen“ muss die Wiedererweckung besonders schwierig gewesen sein. Die Partitur ist verschollen, das Libretto von Gustav Beer wurde jedoch noch gefunden. Norbert Biermann, ein Experte, hat den musikalischen Teil der Operette rekonstruiert und für die Neuschaffung der Songs auf erhaltene Schallplatten zurückgegriffen.

Das ist eine sehr anerkennenswerte Leistung, doch ob diese Quasi-Nachschöpfung weitgehend dem Original entspricht, ist die Frage. Allerdings betont Kosky in einem im Programmheft abgedruckten Interview, dass 85 Prozent der Musik original Weinberger seien.

Dieser neu erstellten Partitur widmet sich das Orchester der Komischen Oper unter der engagierten Leitung von Jordan de Souza mit Schwung und Schmiss, lässt auch gekonnt die Musikstile der damaligen Zeit in dieser Operette erklingen, so Foxtrott und Walzer, Melancholisches, Freches, etwas Jazz und Exotisches.

Letzteres ist dem Ort des Geschehens geschuldet, spielt doch das Stück im russisch-japanischen Krieg, der 1904 ausbrach. Dabei ging es um die von Russland beherrschte Mandschurei, die Japan begehrte und nach dem Sieg auch erhielt.

Weinbergers Operette beginnt vor den Kriegshandlungen, als bei den Russen noch Zeit ist für einen großen Ball war, zu dem die aus Petersburg stammende junge Witwe Lydia Pawlowska (Vera-Lotte Boecker) eingeladen hatte. Bald ertönt auch der Song „Frühling in der Mandschurei“, der von den bevorstehenden Kampfhandlungen ablenkt und die entsprechenden Frühlingsgefühle hervorruft.

Das vorherige, recht langatmige Krisenmeeting unter der Leitung von General Wladimir Katschalow, eine Sprechrolle, aus der Stefan Kurt später Funken schlägt, ist also abgehakt. Dennoch wirkt der Dreiakter von 1933 insgesamt sehr redselig. Das ruft eine gewisse Langeweile hervor, was meinen Nachbarn im ersten Akt zu einem Nickerchen veranlasst.

Womöglich fehlt den Frühlingsgefühlen doch einiges an mitreißender Musik, die einst vielleicht vorhanden war. Den ursprünglich kleinen Chor hat Kosky ohnehin gestrichen und dafür als Füllsel, wie er einräumt, „ein paar Nummern der Tanzteile verlängert oder überhaupt Musik für einen Auftritt der Tänzerinnen eingeschoben.“

Diese jungen Damen in schönen Glitzer-Roben oder feschen Anzügen (Kostüme: Dinah Ehm), oft noch mit Federschmuck auf den Köpfen munter tanzend (Choreographie: Otto Pichler), bringen Farbe und Pepp auf die von Klaus Grünberg recht spartanisch mit einem großen grauen Holzkasten möblierte Bühne, aus der die Sängerinnen und Sänger sowie weiteres Personal quellen.

Dass die Tänzerinnen auch an Stellen, wo es eigentlich gar nicht passt, plötzlich die Bühne bevölkern, ist für meinen Geschmack zuviel an Zutat. Dieser Trend zur aufgehübschten  Überbrückung von Lücken, der dem Publikum allerdings zu gefallen scheint, soll dem Stück wohl Operettencharakter verleihen, zieht es aber auch unnötig in die Länge.  

Denn eines fällt den Ohren schnell auf: Weinbergers Werk ist oft mehr tragische Oper als leichtlebige Operette, eine Unentschlossenheit, die wahrscheinlich schon im Original vorhanden war.

Da hilft es auch wenig oder nervt sogar, dass Alma Sadé als kesse Generalstochter Tatjana und Dominik Köninger als überaus fröhlicher und wendiger Kriegsreporter Roderich Zirbitz in aufgesetzter Lustigkeit maßlos übertreiben (müssen). Soviel Gekreische geht auf die Ohren.

Das intensive Bemühen, eine verschollene Operette mit dem Einsatz aller Mittel aus der Versenkung zu holen, ist an solchen Stellen mehr als spürbar. Der singend herumgetragene weiße Chinesische Drache und der Song „Nimm mich mit nach China“ wirken beim augenblicklichen Vormarsch des Corona-Virus jedoch recht makaber. Das Leben ist halt keine Operette. 

Ohnehin ist Weinbergers Stück, von ihm selbst als Operette bezeichnet, eher ein Zwitter zwischen Oper und Operette, und so wird es von den Hauptpersonen auch akkurat gesungen!

Sehr gerne höre ich Tansel Akzeybeks wohlgeführten Tenor in seiner Rolle als japanischer Spion Ito. Diese Partie hatte bei der Premiere am 20. Januar 1933 im Admiralspalast der Star Richard Tauber inne und wurde dafür von den Nazis verprügelt.

Itos Part ist tragischer Natur, schon seit Jahren liebt er die schöne Lydia Pawlowska, die ihn zuerst mit der Arie: „Wozu die Sehnsucht, die Schwärmerei“ kühl zurückgewiesen hatte. Als sich endlich das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden scheint, geht alles schief, verhindern Missverständnisse das gemeinsame Glück. An solchen Stellen wirken die „Frühlingsstürme“ wahrhaftig, auch durch Vera-Lotte Boecker, die mit ihrem klaren, kräftigen Sopran und  schauspielerischer Begabung überzeugt.

In weiteren Rollen Luca Schaub als Großfürst Michailowitsch, Arne Gottschling als Shibato und Hoteldirektor, Yannik Heckmann als Kawa-Kami und Peter, Tino Lindenberg als Oberst Baltischew und Sascha Goepel als Rittmeister Strotzky.

Den meisten Applaus, auch zuletzt, erhält jedoch und höchst verdient Stefan Kurt als General Wladimir Katschalow, eine von Weinberger selbst eingefügte Sprechrolle. Vor allem in letzten Akt erlöst er diese angebliche Operette aus ihrer Eigenhemmung.

Auch er liebt, wie noch manch andere, seit Jahren die charmante Lydia. Als Ito, ihr eigentlicher Geliebter, als erkannter Spion in Todesgefahr gerät, lädt sie den ältlichen General zum nächtlichen Tee ein, um ihn zu verführen und dadurch Ito zu retten. Wie Kurt sich mit Kniebeugen auf jugendlich trimmen will und sich hinterher den schmerzenden Rücken hält, bringt das Publikum zum Kichern. Als er dann noch ein Lied auf Russisch zum Besten gibt, steigt die Stimmung noch weiter.

In der Schluss-Szene in einem Hotel in San Remo mit pausenlos betätigter Schwingtür ist plötzlich Ito zur Stelle, nun als Unterhändler der siegreichen Japaner. Die Liebe zwischen Lydia und ihm flammt sofort wieder auf, doch er ist bereits verheiratet und hat seine Frau mitgebracht.

Nun muss sie verzichten und reicht nach mehrfachem Hin und Her doch noch dem General die Hand zur Ehe. Deutlich turbulenter geht’s beim Buffo-Paar zur Sache, nur Ito trauert seinem letztlich verpassten Glück hinterher „Du wärst die Frau für mich gewesen“, singt er, und das geht durchaus zu Herzen.

 

Doch insgesamt bleibt festzustellen, dass Weinbergers Operette nicht an Paul Abrahams „Ball im Savoy“ und auch nicht an dessen rekonstruierte „Dschainah“ heranreicht, weil es den in die Länge gezogenen Frühlingsstürmen an Linie und Durchschlagkraft fehlt.

Ungern schreibe ich das, weil Weinberger, als Verfolgter über Frankreich in die USA geflohen, dort nicht mehr Fuß fassen konnte und mit über 7o Jahren den Freitod wählte.

Bleibt zu hoffen, dass sein einstiger Riesenerfolg „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“, der seinerzeit öfter auf den Spielplänen als die Zauberflöte und Carmen stand, auch heute erneut überzeugt. Eingebettet in ein Jaromír Weinberger Festival ab 27. März, hat „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ an der Komischen Oper am 29. März Premiere.  Ursula Wiegand

 

Weitere Termine für die „Frühlingsstürme: 08., 13. und 23. Februar, 01., 12., 28. und 31. März, 05., 10. und 19. April sowie am 24. und 30. Juni.

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Auf dem beigefügten Bild sind zu sehen: Dominik Köninger, Alma Sadé, Stefan Kurt, Vera-Lotte Boecker und Arne Gottschling, copyright Iko Freese / drama-berlin.de  (bitte so schreiben

 

WIEN / Josefstadt: ZWISCHENSPIEL von Arthur Schnitzler

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WIEN / Theater in der Josefstadt:
ZWISCHENSPIEL von Arthur Schnitzler
Premiere: 30. Jänner 2020,
besucht wurde die Generalprobe

Zeitlich eingebettet zwischen Meisterwerken wie „Der einsame Weg“ und später „Das weite Land“, wird Arthur Schnitzlers „Zwischenspiel“ (1905 uraufgeführt) auf guten Gründen selten gespielt. Es ist gewiß eines seiner schwächsten Stücke, zu theoretisch, nicht auf der Höhe seiner dialogischen Kunst, auch nicht überzeugend im Erfassen der weiblichen Hauptfigur. Woran liegt es?

Möglicherweise war ihm das Thema zu nahe. Schnitzler schrieb das Stück zwar, bevor seine Ehe mit Gattin Olga scheiterte, aber es ist schon sehr viel Ahnung darin, dass die Gemeinsamkeit nicht funktionieren könnte. Hätte Olga Schnitzlers Talent für die von ihr angestrebte Sängerinnen-Karriere gereicht, wäre man wohl einer „Künstlerehe“ entgegen gegangen, wie sie der Kapellmeister Amadeus Adams und die Opernsängerin Cäcilie Adams-Ortenburg führen – mit vielen Trennungen, mit vielen Versuchungen, wenn man allein in der Fremde ist.

Noch immer herrschte die „Doppelmoral“, die verheirateten Männer jede Freiheit zum „Seitensprung“ zugestand, während die Ehefrauen sich gefälligst zu fügen hatten. Retourkutschen waren gesellschaftlich eigentlich nicht vorgesehen. Was aber, wenn der neue Typus Frau, der um die 1900-Jahrhundertwende auch sexuelle Freiheit begehrte, die Ehe ins Wanken brachte? Davon handelt „Zwischenspiel“, ein Stück, das mit Beziehungen experimentieren möchte, so wie wir es heute noch tun, „offene Zweierbeziehung“, Lebensabschnittspartner, Freundschaft nach Ende der sexuellen Gemeinsamkeit… und im Alltag funktioniert damals wie heute davon sehr wenig.

Die gelungenste Figur ist in diesem Fall (eine Rarität bei Schnitzler, der – wie Grillparzer – so absolut meisterhaft Frauen gestalten konnte) der Mann. Schnitzler jagt diesen Amadeus nicht nur durch Höllen, sondern auch durch Illusionen. Er glaubt, er kann über seine Ehefrau bestimmen, er glaubt, er vermag sich über die „Freiheit“, die man einander nolens volens zugesteht, hinwegzusetzen, und er vergeht vor Eifersucht und (damals) klassisch männlichem Besitzdenken.

Man weiß, dass sich Beziehungsdiskussionen (und sie beherrschen das Stück fast ausschließlich) im Leben natürlich im Kreis drehen, dass immer wieder dasselbe gesagt wird, aber am Theater sollte es nicht passieren. So glänzend die Leiden des Amadeus gezeichnet sind (und immer vermag Schnitzler, der persönlich mit seinem Helden mitgelitten hat, auch ein wenig über sich lächeln), so wenig tragen sie den Abend. Und die Rolle seiner Gattin, die angeblich nicht nur weibliche Emanzipation, sondern auch sexuelle Libertinage sucht, raschelt vor Papier. Vor allem in dieser Aufführung, wo die Schauspielerin dem Stück nicht hilft (was ja bestenfalls vorkommen kann).

Denkt man, welche Verbrechen an der Josefstadt an Schnitzler schon begangen wurden (man erinnere sich nur an den letzten „Einsamen Weg“), dann ist Peter Wittenberg ja beinahe als sensibler Regisseur zu bezeichnen. Weder, dass er das Stück stellenweise dramaturgisch aufbricht, Zwischen-Musik einlegt, sich die Bühne drehen lässt, noch ein offenes, unruhiges Bühnenbild mit Spiegeln (Florian Parbs) stören wirklich. Die Kostüme versuchen ganz gut Zeitlosigkeit zu imaginieren (Alexandra Pitz), sind allerdings für die Hauptdarstellerin erschüttend unattraktiv. Auch ist nicht einzusehen, warum in einer Welt, wo vom Kaiser die Rede ist und Duelle ausgetragen werden sollen, heutige blecherne Rollkoffer mitspielen – weil es sexy (?) ist, wenn sich die Hauptdarstellerin mit gespreizten Beinen darauf setzt, um ihre neu erwachten sinnlichen Lüste zu demonstrieren? Aber dennoch – so wenig hatte man schon lange nicht gegen einen Josefstadt-Abend einzuwenden. Wenn das Stück nur besser wäre!

Bernhard Schir als der klassische Schnitzler-Mann (der alle Frauen haben will, aber von den Damen Treue verlangt), redet sich fabelhaft in den Wirbel seiner Beziehungsnöte hinein. Er gibt seine Figur nicht preis, indem er selbst über sie lacht, aber er ermöglicht, über seine Nöte schmunzeln zu dürfen. Schnitzler wählte auch die Gattungsbezeichnung „Komödie“, aber man kennt das ja von Tschechow, dass diese gar nicht so lustig sein mögen…

Eine komische Figur hat Schnitzler eingebaut, sich selbst verdoppelt, er persönlich steckt auch in dem Literaten Albertus Rhon (der später im „Weiten Land“ wieder kommt), der für die Pointen sorgt, der auch ganz genau weiß, dass einiges an dem Beziehungsdrama nicht stimmt. (Aber was nützt es schon, Einwände vorweg zu nehmen?) Joseph Lorenz macht das herrlich locker und souverän, gut dass er endlich auch wieder in Wien Theater spielt. Martina Stilp schusselt als freundliche Gattin neben ihm her.

Dann gibt es noch Silvia Meisterle als Sängerin, die den Herrn Komponisten gar zu aufdringlich ins Bett kriegen will, und Roman Schmelzer, der als nobler Fürst nicht gänzlich überzeugend wirkt. Ja, und ein Kind, das man braucht, um zu zeigen, dass auch der Sohn im Beziehungsgeflecht mitspielt.

Wenn Maria Köstlinger als Cäcilie erscheint, wirkt sie – in Schwarz – wie eine steife Gouvernante. Nun kann das mit ihrer inneren Spannung zusammen hängen, aber diese Frau müsste auf jeden Fall das Flair, den Reiz einer großen Künstlerin ausstrahlen. Auch dass sie nicht nur ein Opfer des egozentrischen Gemahls ist, sondern sein Spiel pariert, indem sie ihn eifersüchtig macht, kommt keine Sekunde heraus – am allerwenigsten im zweiten Akt, wo sie die Haare dann zwar offen trägt, aber das Kleid wirkt trotz Dekolleté nicht heraufordernder, und dass sie sich quasi „befreit“ hat, glaubt man ihr keine Sekunde. Im letzten Akt, wenn sie das Happyend verwehrt, wirkt sie nur sauertöpfisch. Maria Köstlinger ist für Schir keine Partnerin, noch weniger eine Gegenspielerin.

Dass Schnitzler ein Stück geschrieben hat, zu dem ihm im Grunde nicht viel eingefallen ist (was er selbst am besten wusste!) – dafür können die Interpreten allerdings nichts. Und man wird es dem Schöpfer so unvergesslicher Meisterwerke auch nicht weiter übel nehmen, wenn ihm das eine oder andere nicht so gelungen ist.

Renate Wagner

MANNHEIM/ Nationaltheater: DER ROSENKAVALIER. Viele bewegende Momente

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Foto: Nationaltheater Mannheim

MANNHEIM/ Nationaltheater: DER ROSENKAVALIER – 30.1.2020

Viele bewegende Momente

Seit 1997 war er ständig im Repertoire, jetzt hat er sich verabschiedet – der von Olivier Tambosi höchst einfallsreich inszenierte „Rosenkavalier“ von Richard Strauss. Strauss selbst schrieb an Alfred Roller: „Mir gefällt der Rosenkavalier gar nicht, mir gefällt der Ochs! Aber was will man machen. Hofmannsthal liebt das Zarte, Ätherische, meine Frau befiehlt: Rosenkavalier. Also Rosenkavalier! Der Teufel hol ihn!“ Die Feldmarschallin von Werdenberg pflegt eine Liebesbeziehung zum sehr viel jüngeren Grafen Octavian. Als ihr Cousin Baron Ochs auf Lerchenau sie um einen Hochzeitswerber bittet, der seiner zukünftigen Braut Sophie eine Rose überbringen soll, sendet die Feldmarschallin ihren Octavian, der sich dann selbst in Sophie verliebt. Die Feldmarschallin gibt Ochs auf Lerchenau zuletzt zu verstehen, dass er das Spiel verloren hat. Gleichzeitig erklärt sie das gesamte Geschehen kurzerhand zu einer Farce. Octavian bleibt mit der Marschallin und Sophie zurück. Die Marschallin weiß, dass sie ihn verloren hat und gibt ihn frei.

Die innige Liebesbeziehung zwischen Octavian und Sophie wird bei dieser Aufführung allerdings in besonders berührender Weise herausgestellt. Da gibt es nicht nur bei der Überreichung der silbernen Rose viele bewegende Momente. Eine prunkvolle Rokoko-Ausstattung spielt bei dieser Inszenierung eine große Rolle. Der Schwerpunkt der insgesamt gelungenen Regiearbeit liegt aber auf der präzisen Betrachtung der Figuren. Die Kostüme erinnern zwar an die Zeit des Rokoko, sind aber mit greller Farbigkeit überzeichnet. Das Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann wirkt abstrakt – und dies vor allem im dritten Akt mit seinem roten Ambiente und der betonten Schrägstellung. Einzelne wesentliche Elemente werden bei der durchaus suggestiven Inszenierung facettenreich herausgegriffen. Dies gilt vor allem für jene Szene, wo Ochs auf Lerchenau die Polizei ruft. Alles wirkt vergrößert und erhält eine markante Farbgebung. Bei der skurrilen Gespensterszene, wo der Baron Ochs auf Lerchenau von unheimlichen Figuren erschreckt wird, existiert auch viel groteske Situationskomik. So entsteht eine Aura zwischen Traum und Wirklichkeit. Dies zeigt sich schon im ersten Akt mit dem blauen Ambiente und einem schiffsartigen Monument, das sich zentral auf der Bühne befindet. Das Haus der Marschallin ist mit einem silbernen Boden ausgelegt. Es ist die Farbe der Rose, die Octavian Sophie überreichen wird. Eindrucksvoll ist auch der weiße Salon im zweiten Akt, wo überall goldene Kanonenrohre dominieren. Irgendwie spürt man, dass Olivier Tambosi bei seiner Inszenierung auch das Anhalten der Zeit symbolisieren will.  Dass die ersten beiden Akte parallel angelegt sind, macht er ebenfalls plausibel deutlich.

Die Aufführung kann aber vor allem musikalisch in reicher Weise überzeugen. Am Pult beweist Alexander Soddy mit dem fulminant musizierenden Orchester des Nationltheaters Mannheim, wie viel leidenschaftliche Emphase in dieser Partitur steckt. Zwar bleiben hier Mozart und Wagner immer spürbar, aber es wird oft mit einer erstaunlichen Leichtigkeit musiziert. Dies gilt vor allem auch für die sphärenhaften Passagen. Strahlenden melodischen Zauber arbeitet Alexander Soddy mit dem Orchester in glanzvoller Weise heraus. Die vokalen und instrumentalen Momente durchdringen sich hier gegenseitig in wahrhaft beglückender Weise. Dies kommt vor allem den Sängerinnen und Sängern zugute, die allesamt wie aus einem Guss agieren. Der Charakter des Ensembles wird so nie vernachlässigt. Astrid Kessler singt eine wunderbar berührende und gesanglich  leuchtkräftige Marschallin, deren Sopran viele feine Klangfarben besitzt. Eine hervorragende Rollencharakterisierung präsentiert ferner Patrick Zielke als tumber und grobschlächtiger Baron Ochs auf Lerchenau, der seine „Braut“ Sophie immer wieder neu erschreckt. Jelena Kordic ist ein ausgezeichneter Octavian, der zusammen mit der von Nikola Hillebrand exzellent interpretierten Sophie zu immer wieder neuen gesanglichen Höhenflügen ansetzt.

Aber auch die kleineren Rollen sind hier insgesamt überzeugend besetzt. Neben Joachim Goltz als Herr von Faninal gefallen auch  Estelle Kruger als Jungfer Marianne Leitmetzerin, Jeff Martin als Intrigant Valzacchi, Marie-Belle Sandis als seine undurchsichtige Begleiterin Annina  und Marcel Brunner als kompakter Polizeikommissar. In weiteren Rollen imponieren Jung-Woo Hong als Haushofmeister bei der Feldmarschallin, Markus Graßmann als Haushofmeister bei Faninal, Dominik Barberi als Notar, Koral Güvener als Wirt, Andreas Hermann als Sänger sowie Lara Brust, Leah Weisbrodt, Charlotte Vitek als drei adelige Waisen, Monika Fuhrmann als Modistin, Gimoon Cho als Tierhändler und Dong-Seok Im, Jeongkon Choi, Daniel Claus Schäfer, Hee-Sung Yoon als die vier Lakaien der Feldmarschallin. Zudem gefallen Gimoon Cho, Wolfgang Heuser, Chi Kyung Kim, Jürgen Theil als vier Kellner, Alexander Gellner als Ochs-Leibknecht Leopold, Egemen Deniz Öztek, Tunay Tuncali als Mohammed. Bertram-Paul Kleiner als Flötist und Karl Adolf Appel als Hausknecht vervollständigen dieses fabelhafte Ensemble in beglückender Weise.

Die intime Wirkung des Monologs der Marschallin wird von Alexander Soddy mit dem Orchester des Nationaltheaters Mannheim wirkungsvoll betont. Chor und Kinderchor ragen mit ihren vokalen Leistungen ebenfalls eindringlich hervor. Das Nachspiel des ersten Aktes besitzt hier bestrickenden Ausdruckszauber. Neben dem Duett der Liebenden begeistert vor allem auch das Terzett der drei Frauenstimmen im Schlussakt. Dass dieser Oper ein uraltes Buffomotiv zugrunde liegt, wird bei dieser Vorstellung in markanter Weise akzentuiert: Ein verliebter alter Geck wird durch ein junges Paar geprellt. Grazie und Leichtigkeit der Jugend wechseln sich so nuancenreich mit der tölpelhaften Welt des Barons Ochs auf Lerchenau ab. Dies kommt vor allem im zweiten Akt grell zur Geltung, wo sich die frisch aus der Klostererziehung gekommene Sophie Faninal und der Rosenkavalier unter dem Eindruck der Grobheit des Ochs zusammenfinden. Das Schicksal des Schürzenjägers erfüllt sich dabei sehr konsequent, wenn Octavian als „Mariandl“ verkleidet Ochs auf Lerchenau öffentlich blamiert. Da nützt es dann auch nichts mehr, dass Ochs die Polizei ruft. Die Handlung entwickelt sich in leichtem Konversationston. Tumultuöse Ensembleszenen wechseln sich mit besinnlichen Solobetrachtungen ab. Das kecke Hornmotiv Octavians sticht im ersten Aufzug ebenso hervor wie die leidenschaftlichen Liebesbeteuerungen. Selbst die lockere Deklamation der Singstimmen erhält klares Gewicht. Strauss hat die Singstimme hier immer wieder kammermusikalisch behandelt, was Alexander Soddy als umsichtiger Dirigent gut betont. Das gleiche gilt für die sensibel gestaltete Motivik des kleinen orchestralen Zwischenspiels. Dass die Rückkehr Octavians diese schmerzliche Besinnlichkeit auch musikalisch  stört, wird von Jelena Kordic plastisch unterstrichen. Und Astrid Kessler findet für die „träumerische Haltung“ und Melancholie der Marschallin die richtige Gestaltung. Die Szene der Rosenüberreichung in überaus strahlendem Fis-Dur gerät zum Höhepunkt der Aufführung. Und das vom Tremolo der Violinen und Celesta getragene Motiv des Rosenkavaliers ist hier kein bloßer Klangreiz. Die schwärmerische Motivwelt und die halb ariose Deklamation des jungen Paares zeigen dabei viele Facetten. Alexander Soddy liebt als Dirigent präzise Detailarbeit. Dies zeigt sich insbesondere im dritten Akt, wo sich die in den vergangenen Akten fein gesponnenen Fäden entwirren. Auch die anschließende Komödie Valzacchis, die ihm aber beim Eingreifen der Polizei aus der Hand gleitet, spielt sich in lebhaftem Konversationston ab. Leitmotive und Leitsphären beherrschen den „Rosenkavalier“ von Richard Strauss in überwältigendem Maße – und Alexander Soddy gelingt es mit dem Orchester des Nationaltheaters Mannheim ausgezeichnet, diesen Aspekt zu verdeutlichen. Da stören selbst geringfügige Intonationsschwankungen bei den Bläsern nicht. Zuletzt gab es für das gesamte Ensemble verdiente, große Ovationen und Begeisterungsstürme.

Alexander Walther


WIEN/ Staatsoper: RUSALKA

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„Rusalka“. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN/ Staatsoper: RUSALKA –  30. Jänner 2020

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Vier Jahre nach seinem Wien-Debut als Prinz singt Pjotr Beczala diese Rolle jetzt abermals im Haus am Ring und er bot an diesem Abend eine ausgezeichnete Leistung. Er sang mit großer Intensität und bot wunderbare Legatobögen und strahlende Höhen. Daß er nicht gerade der begnadedste Darsteller ist, weiss man und nimmt es zur Kenntnis. Mit ihm auf Augenhöhe war zweifelsohne Elena Zhidkova als Fremde Fürstin. Kraft ihrer Persönlichkeit gestaltet sie die Rolle ausgezeichnet und läßt ihren Mezzo wunderbar strömen. Monika Bohinec als Hexe singt ebenfalls tadellos und ist darstellerisch routiniert.

Ähnliches kann man leider über die Sängerin der Titelrolle, Olga Bezsmertna, nicht sagen. Sie ist zweifelsohne eine Stütze des Ensembles, aber an diesem Abend konnte sie mich nicht überzeugen. Sie singt zwar alles recht ordentlich, aber weder stimmlich noch darstellerisch vermag sie dieses geheimnisvolle Wesen überzeugend über die Rampe zu brimgen. Dazu kommt, dass sie an den dramatischen Stellen ziemlich an ihre Grenzen gelangt. Jongmin Park mag in den Comprimarii-Rollen durchaus verläßlich sein, im großen Fach hat er derzeit einen „Durchhänger“. Die Stimme klingt fahl und in der Rollengestaltung bleibt er belanglos. Gut besetzt waren die drei Elfen mit Diana Nurmukhametova, Szilvia Vörös und Margaret Plummer.

Der Chor entledigte sich seiner kleinen Aufgabe zufriedenstellend.

Nicht sehr erfreulich war, was aus dem Orchestergraben kam. Tomás Hanus dirigierte sehr grobkörnig und stellenweise extrem laut. Weder von Romantik noch von der slawischen Seele war etwas zu bemerken. Leider hatte das Orchester nichts entgegenzusetzen und so blieb viel von diesem Werk auf der Strecke.

Am Ende verdienter Jubel für Beczala und Zhidkova.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

STRASSBURG, TOULOUSE und PALERMO: PARSIFAL, Neuinszenierungen (Kurzberichte)

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Schlussapplaus nach „Parsifal“ – in Straßburg. Foto: Klaus Billand

STRASSBURG, TOULOUSE und PALERMO: PARSIFAL, NI vom 26.-30. Januar 2020

Das war ein Erlebnis der besonderen Art! Nach einer digital überfrachteten „Turandot“ am Badischen Staatstheater Karlsruhe (Rezension siehe unten) kamen drei Neuinszenierungen von Richard Wagners Weltabschiedswerk „Parsifal“ hintereinander in den drei o.g. Städten – und sie konnten unterschiedlicher nicht sein! Was wieder einmal die schier unglaubliche Interpretationsvielfalt dieses Universalwerks der Opernliteratur unter Beweis stellt.


Ankündigungsplakat in Straßburg. Foto: Klaus Billand

An der Opéra du Rhin in Straßburg wählte der erstmalig Wagner inszenierende Japaner Amon Miyamoto in den Bühnenbildern von Boris Kudlicka einen äußerst komplexen und manches Rätsel aufgebenden Interpretationsversuch mit großer Detailverliebtheit. Er greift die Japan-Begeisterung der beliebten, im letzten Jahr verstorbenen Intendantin Eva Kleinitz auf und thematisiert die japanische Überzeugung, dass der Mensch eins ist mit der Natur. Diese wünscht sich Harmonie. Das ostasiatische Land ist bekanntlich starken Natureinflüssen ausgesetzt. Miyamoto bringt einen Affen in die Handlung ein als Symbol der Natur, in Referenz an das Ramayana des Hinduismus, wo der Affengott die Vergöttlichung der Naturphänomene symbolisiert. Parallel dazu lässt er Herzeleide permanent ihren verlorenen Sohn suchen, der auch als Kind auftritt. Er will damit zeigen, dass es sich im „Parsifal“ um sehr menschliche Aspekte handelt und dieser damit gar nicht weit von unserer Realität entfernt ist. Der Regisseur verbindet also durchaus eindrucksvoll Mystik mit Realität. Unter dem erstklassigen Dirigat von Marko Letonja des Orchestre philharmonique de Strasbourg imponierte besonders Thomas Blondelle als jugendlich charismatischer Parsifal und Markus Marquardt als klangvoller Amfortas.


Klaus Billand und Prof. Stephan Braunfels im Gespräch mit Maestro Marko Letonja in Straßburg. Foto: Privat

Am Théatre du Capitole de Toulouse inszenierte der französische Regisseur Aurélien Bory den „Parsifal“ nahezu diametral entgegensetzt zu Miyamoto in Straßburg. Gemeinsam mit Pierre Dequivre auch für das Bühnenbild verantwortlich, und insbesondere mit einem fundamentalen Einsatz des Lichts von Arno Veyrat, erleben wir ein Höchstmaß an Abstraktion von konkreter Handlung, die ästhetisch an Wieland Wagner und Robert Wilson erinnert, aber auch an Olivier Py, was den bedeutenden und runenhaften Einsatz von weißen Leuchtstoffröhren angeht. Bory will demonstrieren, dass sich seit dem mittelalterlichen Epos „Parsifal“ die metaphysischen Bedingungen des Menschen zwischen Himmel und Erde kaum verändert haben. Dabei stellt er auf die Bedeutung der Kunst ab, frei nach Dostojewskis Aussage „Die Schönheit wird die Welt retten.“ Wenn dem nur so wäre… Ausgangspunkt ist für den Regisseur der persische Prophet Mani, der die Welt in zwei Bereiche teilte, das Reich des Lichts, also des göttlichen Lebens, verbunden mit dem Begriff der Ewigkeit; und das Reich der Dunkelheit, also der Materie, der Toten, von Raum und Zeit. Parsifal durchschreitet beide Reiche, wobei es Bory darauf ankommt, das Stück als ein Theater der Schatten zu zeigen und den beständigen Wandel im Einklang mit Wagners Musik und Leitmotivik. Das gelingt ihm auch eindrucksvoll, alles ist optisch ständig im Fluss, wenn man in Kauf nimmt, dass sich die Figuren und auch der Chor kaum bewegen, dafür aber die wenigen Bewegungen nahezu metaphysische Bedeutung erlangen. Damit will Bory dem Werk eine mythische und universale Dimension geben. Eine exzellente, zum Teil auf Weltlasse-Niveau singende und agierende Besetzung macht diese Interpretation zu einem Erlebnis. Die französische Mezzosopranistin Sophie Koch gab ihr Rollendebut als Kundry und stellte alle in den Schatten, die ich bisher hörte, bis auf Waltraud Meier. Ein Riesenerfolg! Matthias Goerne als Amfortas war reiner Wohlklang und Peter Rose ein wie immer balsamischer Gurnemanz. Nikolai Schukoff fiel vokal etwas gegen dieses Niveau wegen des doch mangelnden tenoralen Glanzes ab. Frank Beermann dirigierte das Orchestre national du Capitole der Inszenierung gemäß mit getragenen und ausdrucksstarken Tempi sowie mystisch orientierter Farbgebung.


Schlussapplaus nach „Parsifal“ in Palermo. Foto: Klaus Billand

Gestern Abend erlebte ich dann im Teatro Massimo Vittorio Emanuele, dem größten Theaterbau Italiens, einen thematisch wiederum ganz anders gelagerten „Parsifal“ in der Regie von Graham Vick mit minimalen Bühnenbildern, wenn man überhaupt davon sprechen kann, von Timothy O‘Brien. Ein noch diametralerer Gegensatz zwischen einem noch mit dem Begriff „spartanisch“ diplomatisch beschriebenen Bühnenbild und der Opulenz eines prunkvollen und ehrwürdigen Opernhauses aus Italiens großer Opern-Zeit ist kaum vorstellbar. Aber von Vick kennt man ja seine Verliebtheit in zeitgenössische und vor allem sozialorientierte Opern-Interpretationen als Künstlerischer Direktor der Birmingham Opera Company. An Mystik wie bei Bory oder metaphysische Gedanken zur Einheit von Natur und Mensch in göttlichem Kontext wie bei Miyamoto war da also gar nicht zu denken. Schon vor Beginn sieht man über die profane rechteckige Pressspan-Bühne bis auf die 123 Jahre alten Brandmauern, Feuerlöscher inklusive. Ihr oberer Teil erinnert an die Klagemauer in  Jerusalem. Kurioserweise – nach heutigen Inszenierungsusancen – geht zu Beginn des Vorspiels erst mal der Vorgang runter. Was dann kommt, ist zunächst kaum verständlich: Eine Truppe von US-amerikanischen GIs mit MGs im Anschlag kommen als Gralsritter, während Amfortas schwerst leidend und aus der Wunde blutend mit Dornenkrone durch ihre Reihen robbt. Die Gralserhebung (in einer weißen Kaffeetasse, aus dem Boden in einem Plastiksackerl hervorgekramt (!) wird zu einer Szene blutiger Selbstverstümmelung. Wie auch später immer wieder Gewalttaten bis hin zu Morden im Namen der Religion – irgendeiner – gezeigt werden – als eindrucksvolles Schattenspiel hinter einem langen Vorhang, der nach Belieben auf- und zugezogen wird. Es geht Vick darum zu zeigen, dass auch bei einem erleuchteten Papst („papa illuminato“), der religiöse Intoleranz verdammt, Zwistigkeiten bis Feindschaften zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland, zwischen Schiiten und Sunniten, zwischen Christen und Moslems weiter bestehen, ganz abgesehen vom fortwährenden Antisemitismus. Der Regisseur will den Finger heben gegen das, wie er in einer äußerst kurzen Regienotiz im Programmheft sagt, weitergehende „usare la religione per asserire il nostro tribalismo“, also das Weiterbetreiben eines Stammesdenkens mit Hilfe der Religion. In diesem Sinne, meint der Regisseur, hatten wir einen Parsifal noch nie so nötig gehabt wie jetzt. Und er hofft, dass er bald kommt. Auf all das kommt man allerdings nicht gleich, wenn man die Inszenierung erlebt, was ja des Öfteren zu sehen bzw. nicht zu sehen ist, wenn stimmige und ernsthafte Gedanken sich nicht recht abbilden lassen in der dramaturgischen Umsetzung. Peter Konwitschny lässt grüßen. Am Ende siegt bei Vick natürlich die Menschlichkeit mit einer Verbindung der Blumenmädchen mit den wenigen noch überlebenden Soldaten und einer Gruppe lustiger Kinder, die durch den Karfreitagszauber wieder zum Leben erweckt wurden und im Finale von Parsifal unterhalten werden… Bei dem hochsitzenden Orchestra del Teatro Massimo unter der Leitung seines erst kürzlich bestellten GMG Omer Meir Wellber klang Wagners Musik viel plastischer und monumentaler als in Straßburg und Toulouse. Tómas Tómasson brillierte stimmlich und darstellerisch als Amfortas und John Relyea mit tiefem und resonantem Bass als Gurnemanz.

(Detaillierte Rezensionen folgen).

Klaus Billand aus Palermo

 
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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: RIGOLETTO. Premiere

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Jennifer O’Loughlin, Aris Argiris. Foto: Christian POGO Zach

Giuseppe Verdi: RIGOLETTO – Staatstheater am Gärtnerplatz, 30. Jänner 2020 (Premiere)

Dass „Rigoletto“ zu den beliebtesten Opern zählt, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Wie beliebt das Werk ist, zeigt ein Blick in Operabase. Weit mehr als 50 verschiedene Produktionen stehen in dieser Spielzeit allein in Europa auf den Spielplänen der größeren wie weniger berühmten Opernhäuser; nur im deutschsprachigen Raum weist diese Datenbank gut 20 unterschiedliche aus.

Seit gestern, 30. Jänner, steht „Rigoletto“ auch im Staatstheater am Gärtnerplatz in München am Spielplan und ist nach langjähriger Abstinenz in einer Neuinszenierung und mit durchwegs großartigen Solisten wieder zu erleben.

Mit der szenischen Umsetzung dieser Neuinszenierung hat Staatsintendant Josef Köpplinger Herbert Föttinger betraut, der für dieses Haus bereits „Don Giovanni“ mehr als diskussionswürdig inszeniert hat. Dass man von ihm keine traditionelle Inszenierung und auch kein historisierendes Mantua erwarten durfte, war jedem, der diesen „Don Giovanni“ oder auch den „Fidelio“ im Theater an der Wien gesehen hat, klar. Nicht nur in Zeiten von „Me Too“ liegt die Aktualität des Stückes auf der Hand und auch das Machogehabe vieler Männer ist weder neu noch auf Südeuropa oder den Nahen oder Mittleren Osten beschränkt. Und dennoch denke ich, dass Föttinger in seiner Interpretation dem Stück einiges an Gewalt angetan hat. Man kann „Rigoletto“ durchaus als politisches Stück sehen; dieser Sichtweise Föttingers, die er in mehreren Interviews im Vorfeld der Premiere geäußert hat, ist zuzustimmen. Den Duca als beispielsweise Berlusconi oder Weinstein oder, soll sein, auch als Putin oder Bill Clinton zu zeigen, wäre zwar plakativ, aber immerhin dem Inhalt entsprechend. Aber was hat die Spaßgesellschaft der Höflinge (ist es denn wirklich eine Spaßgesellschaft ?) mit Ibiza zu tun, wie es der Regisseur in einem Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk sieht. Aber ist Rigoletto wirklich dieser Opportunist, der sich zum eigenen Vorteil auch einem kriminellen System anbietet ?  Ist Gilda denn wirklich, wie es der Regisseur der „Abendzeitung“ erklärt, in einem Internat oder einem Kloster aufgewachsen und deshalb vielleicht etwas weltfremd; können Vater und Tochter deshalb keine tragfähige Beziehung aufbauen und halten ? Das Konzept für sich klingt plausibel. Ob es den Intentionen von Victor Hugo, Francesco Maria Piave und nicht zuletzt Giuseppe Verdi (der ja mit der Zensur für dieses Stück genug zu kämpfen hatte) entspricht, ist die andere Seite der Medaille.

Es gibt auf der Bühne (Bühnenbild: Walter Vogelweider, Kostüme: Alfred Mayerhofer, Licht: Michael Heidinger)  daher auch kein als Mantua identifizierbares Bühnenbild. Aber es wird, anders geht es heute wohl nicht mehr, viel geraucht und getrunken (und kopulierend [?] am Boden gewälzt). Ich enthalte mich einer Bewertung und übernehme wörtlich eine Passage aus dem Gespräch in Bayern 2: „Rein architektonisch haben wir einen Beton-Irrgarten, der sehr viel ermöglicht. Wir haben einen Swimmingpool, wir feiern eine ausgelassene Party. Wir haben den Vorraum des Herzogs, und dann können wir drehen und sind da auf einer Straße, und nach der Pause, die wir auch ein bisschen anders setzen werden, erst nach dem zweiten Akt, was nicht üblich ist, weil es ja dann nurmehr 35 Minuten dauert, kommen wir zum Meuchelmörder Sparafucile, und das wird eine Art Tankstelle sein. Irgendwo da draußen in der Peripherie von Mantua, treibt dieser Killer sein Unwesen.

Und wie steht es um die musikalische Seite dieser Premiere ?

Die Solisten sind bis in die kleinsten Partien gut bis sehr gut bis ausgezeichnet besetzt. Und wäre diesem Ensemble ein gleichermaßen stimmiger Orchesterklang zur Verfügung gestanden, man hätte ohne wenn und aber von einer musikalischen Sternstunde sprechen können. So war es eben „nur“ ein Sängerfest. Denn der Orchesterklang unter dem Dirigat von Anthony Bramall kann leider nicht anders als mit den Worten laut und derb beschrieben werden. Caroline Adler (Page), Martin Hausberg (Gerichtsdiener), Elaine Ortiz Arandes (Gräfin Ceprano), Holger Ohlmann (Graf Ceprano) oder Gyula Rab (Borsa) überzeugen in ihren Partien, Ludwig Mittelhammer ist ein sehr guter Marullo und Ann-Katrin Naidu eine nahezu perfekte Giovanna. Wenn Christoph Seidl als Monterone seinen Fluch ausstößt, dann hat er zuvor bei seinem Auftritt schon allein durch seine Persönlichkeit überzeugt, stimmlich läuft es dem Zuhörer kalt über den Rücken (und das ist, damit der Chronist nicht falsch verstanden wird, durchaus als Kompliment gemeint). Levente Páll verleiht dem Sparafucile die erforderliche hinterhältige Dämonie und glänzt mit der vom Komponisten geforderten Tiefe und Schwärze, Anna-Katharina Tonauer verführt die (Bühnen)männer stimmlich wie optisch.

Die Wahl fällt schwer, welcher der Hauptpartien die Krone zu reichen ist. Ich habe schon lange keinen Herzog gehört, der wie Lucian Krasznec gestern Abend mit solcher Leichtigkeit und Höhensicherheit nicht nur Gilda für sich einnehmen lässt. Das war, um einen längst verstorbenen Entertainer zu zitieren, einfach Spitze. Diese Gilda ist Jennifer O´Loughlin, die einige aus Wien angereisten Premierenbesucher in dieser Rolle noch aus der Volksoper in Erinnerung haben. Ihre Stimmführung oder ihre Gesangskultur nochmals zu loben, hieße legendäre Eulen nach Athen tragen. Nicht nur ihre krönenden Spitzentöne können nicht anders als perfekt genannt werden. Und schließlich Aris Argiris in der Titelpartie. Unter den wenig differenzierten Klangmassen des Orchesters hatte er am meisten zu leiden (auch, und das war nur wenigen Besuchern bekannt, weil er gesundheitlich angeschlagen war). Alles in allem gilt aber auch für ihn – überzeugend in jeder Weise.

Wie immer großartig der von Pietro Numico einstudierte Chor. 

Minutenlanger Jubel für die Solisten, gedämpftere Begeisterung für das Leadingteam.

PS: Dem von Wien nach München gereisten Berichterstatter fällt auf, dass zeitgleich zur Premiere von „Rigoletto“ im Theater in der Josefstadt die Premiere von Arthur Schnitzlers „Zwischenspiel“ (Regie: Peter Wittenberg) stattgefunden hat. Der Direktor des Theaters in der Josefstadt ist ident mit dem Regisseur von „Rigoletto“. Welch Glück, dass beide Spielstätten nur rund 450 km entfernt sind und in unserer technikorientierten Zeit der Direktor die letzten Phasen vor einer Premiere auch aus der Ferne beobachten kann.

Michael Koling

MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: Rigoletto – Neuinszenierung, Premiere

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MÜNCHEN/ Gärtnerplatztheater: Rigoletto – Neuinszenierung 30. Jan. 2020

Musik von Giuseppe Verdi – Libretto von Francesco Maria Piave
Nach dem Melodrama »Le roi s’amuse« von Victor Hugo

Einlassungen von Tim Theo Tinn

Verstaubte Regietheater-Mottenkiste – begeisternder Gesang – dramatisch ausgeleuchteter Klangteppich, leicht gefällig bis düster harsch!

Besetzung, Inhalt etc.: https://www.gaertnerplatztheater.de/de/produktionen/rigoletto.html?m=408

Die szenische Inszenierung wirkt unambitioniert und unsubstantiiert. Ein müdes Arrangement beliebiger Versatzstücke überlebt verstaubtem Regietheaters, heutig, mit schlecht sitzenden Tagesanzügen und langweiligen optischen Zutaten aus zusammenphantasierten Schmuddel-Welten.

Es gibt keine theatrale Parallelwelt, sondern Alltägliches aus Yellow-Press–Anregungen ohne dramaturgischen Bezug.


Holger Ohlmann (Graf von Ceprano), Daniel Gutmann (Marullo), Aris Argiris (Rigoletto), Herrenchor,  © Christian POGO Zach

 Die 4. Musiktheater – Inszenierung des Regisseurs überzeugt nicht. Auch sein dramaturgischer Zugang bleibt unschlüssig. Klar – Rigoletto gab es vor wenigen Jahren auch auf dem Planet der Affen mit Affen statt Menschen – im Münchner Nationaltheater. Öffnet solche Idiotie weitere Oberflächlichkeiten?

  1. m. E. wollen Unkundige hier nur einem falsch verstandenen Zeitgeist huldigen. Musiktheater ist kein Ort für durchgeknallte Ideen, verlangt rational durchforschte Sichtung der Vorlage und daraus die Transformation in heutigen Zeitgeist.

Soziologisches: der Inszenator behauptet die gesamte Handlung als kriminelle Mafia Welt. Wie kann man darauf kommen? Das ist auch „Planet der Affen“!  Im Rigoletto ist außer Sparafucile niemand kriminell, es gibt moralische Lumpen (Herzog und Rigoletto), aber per Definition ist nur kriminell wer gegen geltendes Recht verstößt und angeklagt werden könnte. Das ist hier im Gegensatz zur Mafia nicht der Fall. Man ist keiner Judikative unterworfen, kann hemmungslos in überkommenen totalitären Herrschaftsstrukturen, im Feudalismus, die „Sau rauslassen“.  

 Das ist insbesondere die Perfidität Rigolettos – als Teil der Ungerechten wird er zum Opfer, trotz seiner übergroßen Anpassungsversuche als körperlich verunstalteter Buckliger, der, ohne Gerechtigkeit wahrende Instanz, untergeht.

 Ist das nur Phantasma eines Opern-Librettos? Überkommen- historisch? Leider nein, seit einigen Jahrzenten verengen sich die gesellschaftlichen Strukturen in unserer Konsenswelt. Während in meiner Jugend ein sogenanntes dichotomisches Gesellschaftsmodell

 https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-90297-5_3

  möglich schien, mit Durchlässigkeit für Jedermann von Unter – bis zur Oberschicht, trennen hierarchische Strukturen heute immer geschlossener.

 Schichten werden, politisch gewollt, maßgebend, Oberschichtiges entzieht sich judikativer Kontrolle und wird von der Politik goutiert: siehe Dieselskandal, Bankenkrise, Priester bespringen seit ewigen Zeiten kleine Kinder u.s.w. – und was passiert?  

 Hier bestimmen bzw. fördern politisch – legislative Gruppen (z. B. Bundeskanzlerin wie Rigoletto) die Unantastbarkeit von offensichtlich größtem Unrecht – es bleibt nur die moralische Keule – die Judikative lässt diese monumentalen Verbrecher unangetastet.

 Und diese moralische Keule konnte man zu meinen Lehrzeiten am Theater schwingen – heute verflüchtig man sich in idiotische Affenplaneten und sonstige unrelevante Beliebigkeiten.

 Es könnte ein Blick in die literarische Vorlage reichen (schwarze Satire von Victor Hugo „Der König amüsiert sich“ von 1832). Revolutionär wurde mit den Launen und ungezügelten Vergnügen des Hochadels abgerechnet, mit dem daraus folgenden moralischen und politischen Bankrott einer menschlichen Gemeinschaft.

 Graue Grausamkeit in elenden Straßenanzügen in unbeholfenem Arrangement ergänzen ein empathieloses Bühnenbild. Mausgraue Funktionalität gegen mögliche überbordende Farbdramaturgie über jeder Realität (surreal), in theatralen Parallelwelten (wie aktuell die Tosca am gleichen Haus) könnten ein Paradigma einleiten. Warum zählt Atmosphäre schaffende und damit Wirkräume bestimmende Farbdramaturgie heute nicht mehr zu den Inszenierungstugenden?


Levente Páll (Sparafucile), Valentina Stadler (Maddalena, © Ch. P. Zach

 Wikipedia: Rigoletto ist in musikalischer Hinsicht ein neuartiges Werk, das der Komponist selbst als „revolutionär“ ansah. Verdi beginnt hier die traditionelle Nummernoper aufzulösen und durch eine durchkomponierte Struktur zu ersetzen. „Das Neue ist formal die konsequente dramatische wie musikalische Durchgestaltung im Sinne jener Bild-Ton-Komposition mit ihrer ‚fortlaufenden Musik‘, welche beispielsweise in Macbeth schon einmal partiell gelingen konnte.“ Musik und Handlung drängen sich gegenseitig vorwärts; abgesehen von den traditionellen Arien des Herzogs, steht in Rigoletto „die Zeit niemals still“ Selbst das große „Liebesduett“ im zweiten Bild wird geradezu hastig gesungen (Allegro, anschließend Vivacissimo), der Herzog und Gilda benötigen nur 132 Takte, um sich näherzukommen.

 Das war mein musikalisches Erleben unter dem Dirigat von Anthony Bramall. Jenseits einseitig kulinarischem Anspruch, wurde Verdi in diesem homogenen Klangteppich zelebriert – leicht gefällig bis kantig düster und harsch. Dynamik, Tempi und Dezibel schienen in der 5 Reihe Parkett ideal.

 Die musikdramatische Inszenierung des Dirigenten schuf durch die Synthese mit durchgängig außerordentlichem Gesang einen Ausnahmeabend. Simplifiziert: das war richtig schön!!!

 Aris Argiris ist eine wuchtiger Verdi – Bariton, der seine Stimme als Rigoletto in allen Nuancen schwerelos durch die Register führt. Die Stimme hat feines Timbre und kann nach oben und unter übergangslos in sensationeller Klangfülle geführt werden. Das hat man nicht so oft: ein Bariton führt die Stimme breit in tenorale Register ohne Druck und kann auch in der Lage ganz oben noch modulieren. Pianokultur habe ich vermisst, dass kann aber ein subjektiver Eindruck sein.

 Herzog von Mantua ist Lucian Krasznec. Ich bewundere den idealen Spinto-Tenor seit Langem, hatte aber in den ersten Minuten den Eindruck, dass irgendwas nicht stimmte. Aber das war wohl der Rezensent selbst. Man erlebt Gesangskultur, Technik, Timbre, Kraft, Dynamik, Sensibilität in allen Lagen mit verinnerlichter Leichtigkeit bis zum Schluss auf höchstem Niveau.

 Jennifer O’Loughlin ist Gilda, sie ist mit jedem Zoll, jedem Tön, jedem Dezibel eine Inkarnation des erwarteten Koloratur-Soprans. Durch die Inszenierung etwas nerdig  gemacht, bestimmt Sie mir Demut, Grandezza und  berührendem Gesangsvermögen eine außerordentliche Verinnerlichung. Es stimmt alles!


Jennifer O’Loughlin  © Christian POGO Zach

Levente Páll als Sparafucile enthebt klassischen Gesang jedem Dünkel. Das wirkt als vitales Vergnügen, wie der junge Bass schwerelos und doch mit Kern und Fundament durch die Register orgelt.  So ein Selbstverständnis rührt wohl nur aus idealer Synthese aus Talent, Technik und Vermögen.

Maddalena:  Anna-Katharina Tonauer – die überschaubare Partie wird im Gesamtpaket Darstellung, Optik und Gesang hervorragend eingebracht.

Graf von Monterone:  Christoph Seidl – auch wenn die Partie nicht groß ist, wird hier ein ausgezeichneter Bass vorgestellt. Die dramaturgisch bestimmenden Flüche werden in außerordentlicher Stringenz und bestem Vermögen, also Stimmqualität und Ausdruck, der unter die Haut geht, zum Erlebnis.

Alle weiteren Partien sowie der Chor boten so viel Qualität, dass der Rezensent trotz der Inszenierung einen hervorragenden Abend empfehlen kann.

Als Schlusswort ein Aufschrei von G. Lichtenberg zur aktuellen Inszenierungskultur:

Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird, aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.
 
Tim Theo Tinn

TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt, keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zu haben. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.

WIESBADEN/ Kurhaus: Moskauer Philharmoniker George Li, Klavier Yuri Botnari, Leitung (Borodin, Rachmaninov, Tschaikowsy

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Alexander Borodin:          Fürst Igor – Ouvertüre
Sergej Rachmaninov:        Klavierkonzert No. 3 d-moll op. 30
Peter I. Tschaikowsky:      Symphonie No. 6 h-moll „Pathétique“

Moskauer Philharmoniker
George Li, Klavier
Yuri Botnari, Leitung
Besuchtes Konzert im Kurhaus Wiesbaden am 31. Januar 2020

Im aktuellen Wiesbadener Meisterkonzert waren die traditionsreichen Moskauer Philharmoniker mit einem russischen Programm zu Gast im Kurhaus Wiesbaden.

Eine wechselvolle Geschichte erlebte die 1890 uraufgeführte Oper „Fürst Igor“ von Alexander Borodin. Dieser hinterließ dieses Werk unvollendet. Die Komponisten Rimsky-Korsakoff und Glasunow komplettierten die Oper, so dass es bis zum heutigen Tag zum Kernrepertoire der russischen Opernhäuser gehört. Vor allem die berühmten „Polowetzer Tänze“ und die Ouvertüre sind auch immer wieder im Konzertsaal anzutreffen.

Zum Auftakt spielten die Moskauer Philharmoniker unter Leitung ihres langjährigen Gastdirigenten Yuri Botnari eine schneidige Version der „Fürst Igor“ Ouvertüre. Klar in der Kontur und dazu schwungvoll im Grundtempo. Wuchtig und erdig erklangen die üppigen Streicher im einleitenden Sehnsuchtsmotiv, welches die Titelfigur prägnant kennzeichnet. Ungemein virtuos dann das Wechselspiel der Blechbläser, die den Weg für die Tanzrhythmen bereiteten, die in diesem Werk so präsent sind. Beste Gelegenheit also, dass die russischen Gäste ihre klanglichen Vorzüge ins beste Licht stellen konnten.

Solist des Abends war der 24jährige vielfach ausgezeichnete Pianist George Li, der sich eines der schwersten Klavierkonzerte ausgesucht hatte.

Sergej Rachmaninow komponierte mit seinem dritten Klavierkonzert ein zeitlich umfangreiches Werk mit z.T. horrenden Anforderungen an den Pianisten. Gerade einmal zwei Takte Orchestereinleitung genügen, ehe das Klavier mit leichten Oktaven einsetzt. Die kantable, prägnante Melodie gemahnt an russische Volksmusik, war aber lediglich etwas, wie Rachmaninow es formulierte, was sich von selbst formulierte. Bereits der erste Satz ist in seinen Anforderungen ein Konzert in sich, was z.T. auch der ausführlichen Kadenz geschuldet ist.

Im Adagio des zweiten Satz wird ein sensibler Ruhepunkt gebildet, in welchem Themen aus dem ersten Satz aufgegriffen und verarbeitet werden. Nahtlos ist der Übergang dann in den virtuosen Schluss-Satz, welcher am Ende in einen Klangrausch größter Farbigkeit mündet und in einer kurzen Stretta endet.

Es war schon eine außergewöhnlich reife Leistung, die George Li am Flügel zeigte. Allein die technische Bewältigung dieses Konzertes geriet verblüffend souverän. Mit viel Energie und starker Kraft, vor allem in der linken Hand, bediente er die kaum spielbaren Herausforderungen mit entwaffnender Leichtigkeit. Aber er konnte auch die Dynamik zügeln und vor allem im zweiten Satz kontemplativ agieren. Der dritte Satz kam wie ein Hexentanz auf Tasten daher. Zugespitzte Tempi, unendliche Energie, rasende Akkordwechsel und doch dann auch in dem großen Cantabile am Ende des Werkes, ein deutliches Ausbremsen. Im Verein mit dem sehr sensibel reagierenden Orchester wurde nun rubatoselig ausgesungen, dass es die pure Freude war.

Und natürlich brandete mit einem Aufschrei des Publikums nach dem furiosen Finale berechtigter Jubel auf. Li dankte mit einer ruhigen Zugabe.

Die Moskauer Philharmoniker waren ein hörbar gleichberechtigter Partner. Groß ist die Nähe des Klangkörpers mit dieser Musik. Auch hier gefielen wieder die herrlichen Streicher und die sensibel agierenden Holzbläser. Aber auch Blech und Schlagzeug ergänzten bestens den unverwechselbaren Klang der Philharmoniker. Völlig souverän im Einklang mit der Musik agierte Dirigent Yuri Botnari.

An dieser Stelle muss die große Konzentrationsfähigkeit aller Musiker gepriesen werden. Denn während des gesamten Klavierkonzertes (!) störten permanente hohe Pfeiftöne den Genuss des Konzertes erheblich. Erst nach der Pause war es damit vorbei. Unbegreiflich ist es, dass das Abstellen derart lang dauerte. Das hat kein Musiker und kein Publikum verdient!

Im zweiten Konzertteil erklang von Peter Tschaikowsky dessen sechste Symphonie, die „Pathétique“. Ahnte Tschaikowsky sein nahendes Ende? Das Schicksal spielt motivisch auch in diesem Werk eine dominante Rolle. Die Moskauer Philharmoniker gaben der Musik alle Ehre und den großen Respekt, die diesem Meisterwerk gebührt. Yuri Botnari war erkennbar tief in das Werk eingetaucht.

Überlegen und klar ausgewogen in der dynamischen Gestaltung entfaltete die Musik ihren so besonderen unwiderstehlichen Sog. Ruppige Akzente in den Streichern, infernalisch aufspielende Blechbläser in der Durchführung des ersten Satze, kantabel tönende Holzbläser und dazu die strahlend prasselnden Beckenschläge im berühmten dritten Satz. Der dritte Satz geriet derart mitreißend, dass danach spontaner Jubel aufbrandete. Danach im vierten Satz das Sterben, ein Aushauchen der Seele, der Tod kommt mit einem vernehmlichen Schlag auf das Tam-Tam. Bis zur Unhörbarkeit erstarben die Streicher im fahlen Pianissimo. Ein langer Moment der Stille. Wunderbar.

Die Moskauer Philharmoniker zeigten sich als Orchester mit unverwechselbarem Klang. Hier agierte ein Orchester, welches in seiner Spielbegeisterung kaum zu bändigen war. Begeisternd war der große, sehr üppige Tonfall des gesamten Orchesters. Herausragend die dynamische und gestalterische Bandbreite der Blechbläser. Diese konnten auf dem Höhepunkt der Durchführung im ersten Satz die Dynamik extrem ausweiten. Dabei arbeitete Botnari spannende Farbgebungen heraus, indem er die Tuba deutlich exponierte, die sonst wunderbar in der Gruppe eingebunden erklang. Strahlend und absolut sicher musizierten die Hörner, die vor allem im dritten Satz deutliche Akzente setzen konnten. Und immer wieder eine Freude in einem russischen Orchester ist die Gruppe der Schlagzeuger. Mit welcher Verve und rhythmischen Präzision zauberten Pauke und übriges Schlagwerk begeisternde Effekte. Dazu die sehr klang-intensiven Streicher, die vor allem in den Unisono-Stellen mitreißend agieren.

Das Publikum war zurecht sehr begeistert. Und die Moskauer Philharmoniker ließen sich nicht lange bitten. Yuri Botnari gewährte großzügig drei(!) Zugaben, Tänze aus den Balletten „Dornröschen“ und „Schwanensee“. Nun agierten die Musiker derart entfesselt, stampften im spanischen Tanz rhythmisch mit den Füßen auf dem Boden, dass das Publikum vollends in Euphorie geriet. Das komplette Publikum jubelte fortwährend. Stehende Ovationen!

Ein großartiger Konzertabend!

Dirk Schauß

 

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