2. Akt. Rocio Aleman, Marti Fernandez Paixa. Foto: Stuttgarter Ballett
Stuttgarter Ballett
„DORNRÖSCHEN“ 26.01.2020nachm. – eine zweite Alternative
Für die vielen Kinder aller Altersstufen, die mit ihren Begleitern an diesem Sonntag Nachmittag das Opernhaus belegten, öffnet Marcia Haydées und Jürgen Roses Präsentation des berühmten Stoffes wirklich noch eine prachtvolle und hochästhetische Märchenwelt auf der Bühne. Wer dabei letztlich in die vielen Rollen schlüpft, zumal in die Hauptfiguren, ist da eher zweitrangig. Nicht jedoch für die zahlreichen Stammbesucher, von denen bestimmt viele von der hier angetretenen Nachwuchs-Besetzung positiv überrascht wurden.
Das betrifft in erste Linie die Titelrolle. Für die Solistin Rocio Aleman ist es die erste zentrale Aufgabe in einem abendfüllenden Ballett und das sogleich in einem besonderen Prüfstein der klassisch akademischen Schule. Auch wenn dies ihre zweite Vorstellung war, herrschte zunächst einmal großes Bangen, wie sie ihren ersten Auftritt mit dem gleich anschließenden Rosen-Adagio durchstehen würde. Es erwies sich als unbegründet, die Mexikanerin strahlte mit jungmädchenhafter Neugier und viel Selbstsicherheit durch die vielen Balancen und das unendlich scheinende Verharren und Drehen auf einem Bein mit einer obendrein noch besonders lang gehaltenen Abschluss-Position. Nach diesem bravourös durchgestandenen Höhepunkt gestaltete sie ihre weiteren Szenen entspannt in guter Haltung, gleichmäßiger Linie in den Arabesquen und Auszierungen. Nur bei den Sprüngen hinkt die sonst dominierende Leichtigkeit noch hinterher. Mit weiteren, aber leider vorerst nicht möglichen Auftritten würde sie, zumal auch im abschließenden Pas de deux, sicher noch mehr Abrundung, Fluss und Glanz gewinnen.
Das betrifft auch den Prinzen Desireé von Marti Fernandez Paixa, der in einer stimmigen Mischung aus Charme und Noblesse in leichten, schnittig schlanken Drehungen über die Bühne wirbelt und insgesamt mit feiner, noch nicht in allem koordinierter Danse d’école-Manier besticht. Der letzten Manege fehlt es noch an durchgängiger Zugkraft, im Partnern manchmal noch an lückenloser organischer Fürsorge. Naturgemäß wären auch da weitere Vorstellungen eine Entwicklungshilfe.
2. Akt. Alexander McGowan. Foto: Stuttgarter Ballett
Die Kunst einer effektiven Interpretation der gewöhnlich dem Hauptpaar die Show stehlenden Carabosse liegt zunächst einmal darin, mit dem schwarzen Umhang, im weiteren Verlauf einem weiten und langen schwarzen Kleid bei den vielen Sprung-Variationen und abrupten Richtungswechseln zurecht zu kommen. Solist Alexander Mc Gowan tat sich anfangs etwas schwer damit, ehe die reichlich vorhandene Sprungkraft seiner langen Beine befreit zur Wirkung kam. Diesem im weiteren Verlauf wirbelnd rasanten Körpereinsatz steht eine mimisch kaum Weiblichkeit durchscheinen lassende, auf wenige explizite Momente konzentrierte, eher zurück haltende Zeichnung der gekränkten Fee gegenüber. Auch bei ihm dürften baldige Möglichkeiten zur Reifung Früchte tragen.
Sinéad Brodd (Rollendebut) macht wie viele ihrer Vorgängerinnen als Fliederfee eine im Ganzen gute Figur mit noch etwas mehr erwünschter Leuchtkraft, kann aber letztlich nichts für die undankbare, weil für das Gute und hier immerhin Siegende, sowie gegenüber Carabosse ohnehin völlig unspektakuläre, in schwebenden Bahnen und in feinen Balancen auf Spitze verharrende Choreographie.
Aus dem zahlreichen Personal ragte der sprung-gewaltige Adrian Oldenburger als Prinz des Ostens heraus, während der im Prinzip auch sehr sprung-effektive Ciro Ernesto Mansilla als Ali Baba trotz idealer Voraussetzungen einen irritierend eigenwilligen und wenig koordinierten Weg ging.
In Matteo Miccini (Blauer Vogel) und Fernanda De Souza Lopes (Prinzessin) könnte ob ihres überwiegend klaren und federleicht gelungenen, sehr anspruchsvollen Pas de deux eine weitere Kombination für das Hauptpaar stecken.
Durchgängig souveräne Feen-Soli (diesmal mit nicht ganz reibungslos agierenden Begleitern) und ein insgesamt lebhaft mitziehendes Ensemble aus Kleinstrollen und Gruppen sorgten auch in dieser Aufführung für einen beglückenden Gesamteindruck jenseits von bloßer Routine.
Finale 3. Akt/ Ensemble. Foto: Stuttgarter Ballett
Nur Tschaikowskys farbkräftige Musik war vom Staatsorchester Stuttgart zu Beginn dieser Serie unter der Leitung des künftigen Ballett-Musikdirektors Mikhail Agrest doch um einige Feinheiten reicher, weniger spröde und knallig zu hören als jetzt unter dem zum Saisonende Abschied nehmenden James Tuggle.
Ausgelassener Schlussjubel durchsetzt mit Trampeln begeisterter Kinder.
Udo Klebes