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STUTTGART/ Neues Schloss/ Hugo Wolf-Aademie: DIE LUDWIG CHAMBER PLAYERS MIT DEM TENOR ILKER ARCAYÜREK

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The Ludwig Chamber Players. Foto: Gottfried Stoppel & Heinz Heiss

STUTTGART: Die Ludwig Chamber Players mit dem Tenor Ilker Arcayürek am 31.1.2020 bei der Hugo-Wolf-Akademie im Weißen Saal des Neuen Schlosses

Schwärmerisch und in sich gekehrt

Ich gehöre zu Österreich wie die Melange“, bekennt der Tenor Ilker Arcayürek, der 2016 den ersten Preis des Internationalen Wettbewerbs für Liedkunst der Hugo-Wolf-Akademie erhielt. Die Ludwig Chamber Players mit Dirk Altmann (Klarinette), Hanno Dönneweg (Fagott), Wolfgang Wipfler (Horn), Kei Shirai, Emily Körner (Violine), Janis Lielbardis (Viola), Tristan Cornut (Violoncello) und Ryutaro Hei (Kontrabass) präsentierten zusammen mit dem wahrhaft begnadeten Tenor Ilker Arcayürek ein Programm mit ausgefallenen und wenig bekannten Werken des „anderen Beethoven“. Eine interessante Entdeckung. Bearbeitet von Andreas N. Tarkmann erklangen zunächst sehr präzise und klanglich ausbalanciert die 12 Variationen über ein Thema aus Händels Oratorium „Judas Maccabäus“ G-Dur WOO 45. Hier trat der Cellist in eindrucksvoller Weise immer mehr ins Rampenlicht. Hierbei kam es zu eindringlichen dynamischen Kontrasten und bewegenden Klangeffekten. Bei Tarkmanns Bearbeitung kommt es zu einer weiteren Verfeinerung der klangfarblichen Möglichkeiten, was die Ludwig Chamber Players facettenreich betonten: Die Gegenüberstellung von Bläser- und Streicher-„Chor“ besaß elektrisierende Wirkungskraft. Anspruchsvolle Triolen beherrschten das Cellospiel, während die Klarinette fast den Klavierpart übernahm.

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Ilker Arcayürek. Foto: privat

Der Tenor Ilker Arcayürek präsentierte dann mit wunderbar weichem Timbre „Adelaide“ op. 46 von Beethoven in der Bearbeitung für Tenor und Septett von M. Ucki. Hier konnte man in bemerkenswerter Weise nachvollziehen, wie jede Strophe den Klangraum immer mehr erweiterte. Das Gesangsvolumen von Ilker Arcayürek steigerte sich dabei beachtlich. Und das belebte Tempo wurde von den einfühlsam begleitenden Ludwig Chamber Players unterstrichen. Die Harmonik durchwanderte hier verschiedene Tonarten, um zuletzt wieder zum B-Dur zurückzukehren. Die Themen und Motive wurden von Ilker Arcayürek und den Ludwig Chamber Players in erfrischender Weise beschworen. Bearbeitet für Tenor und Oktett von Andreas N. Tarkmann erklang zusammen mit dem Tenor Ilker Arcayürek auch „An die ferne Geliebte“ op. 98 von Ludwig van Beethoven,  wo der leidenschaftliche Charakter der Komposition herausgestellt wurde. Die Empfindungen des lyrischen Ich mit ständigem Tempo- und Rhythmuswechsel verdeutlichten dabei das drängende Verlangen, die quälende Distanz zur Geliebten überwinden zu können. Als Zugabe sang Ilker Arcayürek noch Beethovens Lied „Der Kuss“ mit markanter gesanglicher Linienführung. Die Ludwig Chamber Players interpretierten auch die zwölf Contretänze von Beethoven mit nie nachlassender spieltechnischer Energie. Synkopen und Chromatik wurden hier in sehr lebendiger Weise betont. Der Tanz Nr. 7 gilt gar als Keimzelle der „Eroica“.

Ein Glanzstück und akustisches Juwel war zuletzt das Septett in Es-Dur op. 20 von Beethoven, das dieser Kaiserin Maria Theresia widmete. Der galante und gelehrte Charakter des Werkes erinnerte auch bei dieser Wiedergabe an das Oktett von Schubert. Der Charakter der unterhaltenden Serenade stach facettenreich hervor. Die Formmodelle der Wiener Klassik werden hier gestreift: Einem machtvollen Sonatenhauptsatz mit sinfonischen Strukturen folgte ein tiefsinniger langsamer Satz sowie eine fantasievolle Variationenkette. Auch die beiden Tanzsatztypen im Menuett interpretierten die Ludwig Chamber Players mit elektrisierender Wirkungskraft. Die kontrastierenden Trios beim Scherzo leiteten dann zum kontrapunktisch aufwühlenden Finale über, dessen harmonisch vielschichtiger Charakter vom Ensemble ausgezeichnet erfasst wurde. Gerade im Adagio bestachen die berückenden Farbschattierungen in besonderer Weise. Fagott und Horn wurden hierbei in ein akustisch weiträumiges harmonisches Fundament eingebettet. Und die Coda im Andante besaß geradezu machtvolles Pathos. Als Zugabe musizierten die Ludwig Chamber Players noch mit zündenden Rhythmen die Polka francaise „Wildfeuer“ op. 313 von Johann Strauß.

Herzlicher und begeisterter Schlussapplaus.  

 Alexander Walther


LINZ/ Landestheater/Black Box: SARDANAPALO von Franz Liszt (Fragment)

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Franz Liszt. Foto: G. Tivoli

Opernfragment im Musiktheater Linz: „Sardanapalo“ von Franz Liszt (Vorstellung: 31. 1. 2020)

Am 31. 1. 2020 fand in der BlackBox-Lounge des Musiktheaters Linz die zweite Produktion dieser Saison der vor einigen Jahren neuentwickelten Reihe „Oper am Klavier“ statt. Dieses Mal handelte es sich um ein Fragment in einem Akt von Franz Liszt: „Sardanapalo“ nach Lord Byrons gleichnamiger Tragödie.

Wie der Dramaturg Christoph Blitt in seiner Moderation zu dem Fragment ausführte, befasste sich der Musikwissenschaftler David Trippett mit Franz Liszts Opernplan Sardanapalo. Man war allgemein der Meinung, dass Liszt nichts Verwertbares zu diesem Projekt hinterlassen habe. Doch als sich Trippett mit den erhaltenen Skizzen beschäftigte, entdeckte er, dass sich daraus der komplette erste Akt dieser Oper rekonstruieren ließ. Dazu ein Zitat des Musikwissenschaftlers Trippett: „Es gibt nichts Vergleichbares in der Opernwelt. Das Werk ist durchflutet von Liszts charakteristischem Stil und birgt zugleich Elemente von Bellini und Meyerbeer, in denen immer wieder auch Wagner zu erkennen ist.“

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Gemälde „Sardanapalo“ von Eugène Delacroix als Bühnenbild in der BlackBox-Lounge (Foto: Musiktheater Linz)

Bei der konzertanten Uraufführung des Fragments in Weimar im Jahr 2018 wurde der Musikwelt bewusst, dass an Franz Liszt ein ebenso originärer wie origineller Opernkomponist verloren gegangen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt kannte man von ihm bloß die Oper Don Sanche, die er nach seiner Studienzeit bei Salieri und Paër komponierte. Diese Oper kam im Jahr 2011 im Rahmen der Feiern zum 200. Geburtstag des großen Klaviervirtuosen unter dem Motto Lust auf Liszt in Bayreuth zur Aufführung. Der Online-Merker veröffentlichte damals meinen Bericht.

Das Opernfragment Sardanapalo handelt vom letzten König des antiken Assyrien. Er galt als Hedonist und interessierte sich mehr für Frauen, Wein und Festgelage als für Politik und Kriege. Als ihm die militärische Niederlage droht, lässt sich Sardanapalus gemeinsam mit seiner Geliebten, einer Sklavin, bei lebendigem Leib inmitten von Düften und Gewürzen verbrennen – in einem flammenden Inferno! Diese Szene – künstlerisch in einem Gemälde von Eugène Delacroix festgehalten, das auf die Rückwand der Bühne projiziert war – wäre wohl das Finale des dritten Akts der Oper geworden. Doch ist eben nur ein Akt von Liszt vorhanden.

Die musikalische Leitung des Fragments in der BlackBox-Lounge des Musiktheaters Linz hatte der italienische Pianist Tommaso Lepore inne, der die reizvolle Partitur von Liszt sehr einfühlsam wiedergab. Die Titelrolle sang mit kraftvoller Tenorstimme Rafael Helbig-Kostka, der mit seiner Bühnenwirksamkeit einen würdigen König von Assyrien repräsentierte. 

Die hübsche und elegant wirkende Sopranistin Brigitte Geller sang ihr Los als griechische Sklavin Mirra und Geliebte des Königs mit inniger Stimme. Auffallend ihr goldglitzerndes Kleid, das ihrer Figur würdig war (Kostümberatung: Jan Bammes). Der österreichisch-slowenische Bass Philipp Kranjc lieh seine mächtig klingende Stimme dem Priester Beleseo, der den König zu beraten hatte und ihm die Scheu vor einem Krieg zu nehmen versuchte.

Das Publikum in Linz belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit starkem Applaus. Immer wieder ist festzustellen, dass diese Reihe „Oper am Klavier“ mit musikalischen  Raritäten gut angenommen wird.

Udo Pacolt

PS: Die Reihe „Oper am Klavier“ wird am 2. und 19. April mit dem Melodram „Rosemunde“ von Kaffka und am 10. und 12. Juni mit der Oper „Gudrun“ von Klughardt fortgesetzt.

 

WIEN/ Festsaal der Bezirksvorstehung Alsergrund: Heimkehr zur „Winterreise“

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Heimkehr zur „Winterreise“ 31.1.2020

 Bass-Bariton Huub Claessens+Blasinstrumente/ RA Dr. Martin Schuppich am Flügel


Foto: Studio TONAL Wien, Alexander Grün

„Am Anfang war…“ vorgesehen und kam so zu ihrer Erstaufführung – die ganz besondere Form von Franz Schuberts „Winterreise“! Im Rahmen einer Veranstaltung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften kooperierend mit den  „Wiener Vorlesungen“ (letztere waren damals noch organisiert von Universitäts-Professor Dr. Christian Hubert Ehalt). Das  reichhaltige Jahresprogramm 2017 enthielt unter anderem die Durchführung einer „paripatetischen Wanderung“ im Sinne der griechischen Antike und der Schule des Philosophen Aristoteles – eine Rückbesinnung auf die heilsame Wirkung von Physis und Psyche nach einem Spaziergang. So kam es damals im Sommer zu einem Ausflug ins Waldviertel mit vielen Interessenten, zumeist angereist aus Wien auf die historische Burg Raabs in den Rittersaal. (Gastgeber am Ort waren „Freunde und Förderer der Burg Raabs“, sowie der Verlag „Bibliothek der Provinz“).

In der wohl temperierten kühlen Burg erwartete das Publikum erstmalig, in Form einer quasi „musikalischen Installation“, Franz Schuberts auskomponierte Depression seiner „so genannt schrecklichen Lieder“. In einer neuen, ungewöhnlichen und vor allem emotional spannenden Dimension als Kunstprojekt gab es ein Wechselspiel; sowohl durch den niederländischen Bass-Bariton Huub Claessens, als auch durch sein außerordentliches Musizieren mit 4 von ihm selbst dazu gespielten Blas-Instrumenten in der Form improvisierter Miniaturen. Ein spezielles Hör-Erlebnis durch diese ungewöhnliche „Les-Art“ der Komposition war schon damals zu erwarten. Zusätzlich zur dunklen Stimme des Sängers – gab es von ihm abwechselnd dazu jeweils – musikalische besonders berührende Einwürfe vom dem 110 Jahre alten historischen C-Saxophon oder einem Flügelhorn. Daneben in freier Improvisation sich jeweils anschmiegend bzw. dazu kontrastierend, Wilhelm Müller´s Gedicht-Zyklus, teils instrumental persönlich ein-begleitet oder als solistischer Abgesang, durch Blasinstrumente paraphrasiert. Zum Teil  lediglich frei vorgetragen vom Sänger wurden durch Schubert nicht auskomponierte Zitate aus den Gedichten.

Unverändert blieb jedoch die Original-Form von Schuberts Vertonung vom Klavier aus. Der Jurist Doktor Martin Schuppich hat sich ebenso die Musik erkiest, wie auch Studien absolviert in Gesang und gilt als ein sehr versierter Liedbegleiter. Damals nützte er den im Rittersaal verfügbaren betagten Flügel der Marke „Petrof“ – und entlockte ihm beachtliche behutsame Klänge. Kein Wunder, denn Flügelmann Schuppichs Begleitung stand in der einfühlsamen Tradition des legendären Wiener Liedbegleiters Erik Werba. Die Resonanz des Publikums – von ungewöhnlichem Zauber dieser neuen Lieder-Zyklus-Fassung in einer etwas anderen Form berührt – es sparte nicht am Beifall! 

 „Winterreise 2019 Kittsee“. Foto: privat/unbezeichnet

Zu einer Reprise 2019 kam dieses originale Programm mit den selben Musikern als Gäste im denkmalgeschützten Schloss Kittsee zur Feier der Fertigstellung der kulturhistorischen Renovierung. Auch hier wurde das Konzert mit den beiden Musikern in gleicher Form und Zusammensetzung vom Publikum ebenso gefeiert. 

Nun die Heimkehr nach Wien zum 223. Geburtstag des „Liederfürsten“ am 31.1.2020

 Es hat sich offenbar herumgesprochen, welche Strahlkraft dieses „Winterreise“-Kunstprojekt einer „musikalischen Installation“ hatte!. Die Schubert-Gesellschaft Wien-Lichtental entschloß sich aus Anlaß vom Schubert-Geburtstag zu einem Festkonzert in Amtshaus und Festsaal der Bezirksvorstehung Alsergrund 1090 Währingerstraße 43. Zur Feier des Abends und im Rahmen von „Kultur im Alsergrund“ wurde ein Fazioli-Flügel vom Klavierhaus Stingl freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Offenbar wollten sehr viele Zuhörer/Innen bei diesem besonderen Geburtstags-Fest teilnehmen, und so verlief der Beginn der Veranstaltung eher recht turbulent. Besucher, die keine Eintrittskarte hatten, gesellten sich ohne Karte dazu, nahmen den zahlenden Gästen die Sitzplätze weg und etliche konnten nur entlang der Wände stehen. Doch auch dieses Problem wurde kurzfristig gelöst durch das Dazustellen von herangekarrten Sitzgelegenheiten, und so konnte zum Glück mit leichter Verspätung begonnen werden.

Trotz der Dämpfung des vollen Saales durch das nun randvolle Publikum fand ich persönlich diese großzügige Location doch als etwas problematisch und eigentlich zu hallig. So geriet Huub Claessens dunkle Stimme für mein Gefühl besonders zu allem Anfang etwas zu martialisch. Nach einer eigentlich nicht notwendigen und vorallem zu langen Pause nach dem Zyklus-Lied Nr.12 „Einsamkeit“ gelang ihm eine reife und ergreifende Leistung im zweiten Teil. Dr. Martin Schuppich als Flügelmann und „Lordsiegel-Bewahrer“ vom Notentext des „Liederfürsten“ Schubert hatte bereits von Anfang an mit seinem Spiel das Publikum gefangen und konnte dank seiner Agogik der sehr persönlichen sozusagen „sprechenden“ Spielweise in seinem Klavier-Spiel vollends überzeugen.

Diese erfolgreiche „Winterreise-Stationen-Konzert-Reihe“ hatte insgesamt drei Aufenthalte – zuerst die romantische Burg Raabs, dann das historische Schloß Kittsee und nun das Finale „zurück zum Usprung“ an Schuberts Alsergrund-Lichtental. Damit gelang eine glückliche Heimkehr an den historischen Geburtsort und ein wichtiges und würdiges Gedenken!                                                                                

 Norbert A. Weinberger

 

BERN/ Konzert Theater: MADAMA BUTTERFLY – Abraham Lincoln in Nagasaki

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Giacomo Puccini: Madama Butterfly, Konzert Theater Bern, Vorstellung: 31.01.2020

 (5. Vorstellung seit der Premiere am 19.01.2020)

Abraham Lincoln in Nagasaki

Das Berner Symphonieorchester beeindruckt auch beim Wiederhören mit seiner satten, saftigen Wiedergabe von Puccinis Meisterwerk. Zum Problem des Abends wird werden, dass Dirigent Peter Halász ignoriert, dass das Haus nicht voll besetzt ist, die Lautstärke also nicht anpasst. So wirkt das Orchester im Forte deutlich zu laut und die Solisten werden gnadenlos zugedeckt. Gerade von einem Opern-Dirigenten sollte doch zu erwarten sein, dass er sich dieser Problematik bewusst und fähig darauf zu reagieren ist.

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Foto: Janosch Abel

Lana Kos hat mit ihrer kühlen, divenhaften Interpretation der Cho-Cho-San beim Publikum weiter grossen Erfolg. Ihrer Interpretation fehlt aber das Fragile, Schüchterne, das zur Butterfly eben auch dazu gehört (und sie zum Beispiel von Tosca unterscheidet). Ihre Stimme strömt deutlich freier als Am Premierenabend und neigt entsprechend weniger zu Schärfen. Xavier Moreno legt den Pinkerton weiterhin an, als sei es eine Besteigung des Mount Everest. Vor lauter Kraftanstrengung seines metallischen, durchaus klangschönen Tenors bleiben keine Reserven für die Feingestaltung. Seine grossen Momente verschenkt er allesamt. Todd Boyce ist eine der Lichtblicke und vermag dem von der Regie als Abraham Lincoln-Double angelegten Sharpless Charakter zu geben. Er lässt seinen Bariton frei strömen und zeigt, dass es auch ohne Hochdruck geht. Zweiter Lichtblick ist Andries Cloete als Goro. Von der Regie als Clown angelegt, vermag er der Rolle soviel Profil zu geben, dass die Albernheiten nicht übermässig ins Gewicht fallen. Eleonora Vacchi gibt eine musikalisch tadellose Suzuki. Schauspielerisch wirkt sie über weite Strecken reichlich unbeteiligt. Réka Szabó, Giacomo Patti, Philipp Mayer und David Park ergänzen das Ensemble als Kate Pinkerton, Prinz Yamadori, Onkel Bonzo und Kaiserlicher Kommissar/Standesbeamter.

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Foto: Janosch Abel

Die Gedanken von Regisseur Nigel Lowery sind auch beim Wiedersehen nur schwer zu erschliessen. Die grossen Themen, wie die Öffnung Japans gegenüber dem Westen sind bildhaft umgesetzt, aber nicht weiter vertieft. Der Schornstein des amerikanischen Dampfschiffs, der durch den Holzboden gestossen ist, wird genauso wenig weiter entwickelt, wie der wirtschaftliche Fortschritt zwischen erstem Akt und zweitem und drittem Akt. Es ist selbst für solche Zeiten fraglich, ob sich eine Stadt wie Nagasaki in so kurzer Zeit, in den drei Jahren, in denen Butterfly auf ihren Gatten wartet, zu 100% verändert hat. Die Skyline der Stadt, etwas Kapitalismus-Kritik muss sein, ist natürlich schwarz. Und als dem Wohlstand verfallene Amerikanerin, hat es Butterfly natürlich nicht mehr nötig, die Blumenkästen ihrer Dachterrasse zu giessen.

In der Pause zwischen zweitem und drittem Akt möchte der Regisseur dem Publikum ein alternatives Ende der Geschichte aufzeigen und bedient sich dazu einer Pantomime nach asiatischen Vorbildern. Eine Deutung des Geschehens könnte sein, dass Goro alle Beteiligten umbringt. Könnte, denn es lässt aus der Geschichte kaum motivieren. Könnte auch, da hier die Aussage durch die optische Erscheinung überfahren wird.

Die Bühne ist nett anzuschauen, mehr aber auch nicht.

Weitere Aufführungen:

So, 16. Februar 2020, 18:00 – 20:40; Fr, 21. Februar 2020, 19:30 – 22:10; So, 23. Februar 2020, 18:00 – 20:40; So, 01. März 2020, 16:00 – 18:40; Sa, 14. März 2020, 19:30 – 22:10; Do, 19. März 2020, 19:30 – 22:10; Di, 21. April 2020, 19:30 – 22:10; Fr, 22. Mai 2020, 19:30 – 22:10; So, 07. Juni 2020, 18:00 – 20:40; Sa, 20. Juni 2020, 19:30 – 22:10.

 

02.02.2020, Jan Krobot/Zürich

AUGSBURG / Martinipark: DER KONSUL von Gian Carlo Menotti – Neuinszenierung / Premiere

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AUGSBURG / Martinipark: DER KONSUL von Gian Carlo Menotti – Neuinszenierung / Premiere am 01.02.2020

Ein aktuelles Werk, ein gutes und wirksames Werk, das einst Gian Carlo Menottis Weltruhm begründete und seit seiner Uraufführung am 1. März 1950 in Philadelphia und der sich sofort anschließenden Erfolgsserie nie gänzlich von den Spielplänen verschwand, aber – angesichts der brennend aktuellen Thematik – heutzutage viel öfter gespielt werden müsste. Augsburg kommt wieder einmal genau im richtigen Moment mit einem Werk und einer Inszenierung, die aufrüttelt und ein Zeichen setzt. Beklemmend die Tatsache, dass dieses Werk nahezu 70 Jahre alt ist und dennoch nicht „in die Jahre“ kam – was eigentlich ein Skandal ist. Aber die Bürokratie hat sich in den letzten Jahren höchstens verstärkt, die Tatsache, dass Menschen sterben müssen, weil andere Menschen sie als „Fall“ oder „Nummer“ behandeln, ist leider – trotz mannigfacher Absichtserklärungen! – nicht aus der Welt. Menotti, der auch das Libretto zu seinem Werk selbst schrieb, lies ausdrücklich offen, wo genau es spielen solle: „Ort: Irgendwo in Europa – Zeit: Gegenwart“ steht lapidar in der Partitur von 1950. Und beide Angaben sind eben leider noch heute aktuell!


Susanne Simenec (Anna Gomez), László Papp (Herr Kofner), Elene Khonelidze (Eine ausländische Frau), Sally du Randt (Magda Sorel), A-Reum Lee (Vera Boronel), Natalya Boeva (Die Sekretärin)  –  Foto: Jan-Pieter Fuhr

Ein Oppositioneller muss dringend das Land verlassen und veranlasst seine Frau, auf das Konsulat zu gehen und ein Visum  zu beantragen, damit sie ihm folgen könne. Polizeispitzel, die ihn aufspüren und verhaften sollten, bedrängen nun seine Frau, die Sekretärin im Konsulat behandelt „Fälle“ und „Nummern“ – erst spät ringt sie sich zu menschlicher Anteilnahme durch, da hat Magda bereits die Konsequenz gezogen: um die „große Sache“ ihres Mannes nicht zu gefährden, begeht sie Selbstmord. Ein Einzelschicksal? Mitnichten – Menotti wurde durch einen Zeitungsartikel im Jahre 1949 auf solch einen Einzelfall aufmerksam und schrieb daraufhin seine Oper. Wie viele solcher oder ähnlich gelagerter „Fälle“ hat es wohl in den zurückliegenden 70 Jahren in Europa (oder ganz und gar weltweit!) gegeben? Keiner weiß das genau – und deshalb ist das Werk von höchster Brisanz.   

Menotti schreibt eine wirkungsvolle, oft hoch emotionale Musik. Dabei verleugnet er die Beziehung zu seinem Landsmann Puccini durchaus nicht, verblüfft vielmehr mit einem sicheren Instinkt für das Theater. Sicher hat das in der szenischen Konkretheit und Genauigkeit auch etwas von Filmmusik. Ist das ein Makel?

Die junge Regisseurin Antje Schupp, die erstmals in Augsburg arbeitet und wohl auch nicht allzu viel Erfahrung mit Oper hat, stellt sich dieser Aufgabe mit Sicherheit und Souveränität, eben gerade weil sie dem Werk vertraut und nicht eine andere „Geschichte“ erfindet. Sie hält sich an Menotti und erweitert seine Sicht auf den Stoff durch sehr dezent eingesetzte, heute aber durchaus notwendige „Ergänzungen“. Das steigert die Spannung und berührt emotional besonders. Das Publikum jedenfalls folgte der Handlung mit spürbarer Ergriffenheit und großer Aufgeschlossenheit. In Ivan Demidov hatte sie einen hellwachen und sehr um Differenzierung bemühten musikalischen Sachwalter am Pult, der den diesmal wieder bestens disponierten Augsburger Philharmonikern nicht nur musikalischen Wohlklang, sondern auch höchste Präzision und bühnenbewusstes Musizieren abverlangte. Das hatte Größe und Perfektion. Und das positive Gesamtbild wurde verstärkt durch die Bühnengestaltung, die auf der Behelfsbühne des Martiniparks eine besondere Herausforderung gewesen sein mag: Christoph Rufer gestaltete die Szene mit großem Geschick und Mona Hapke steuerte farbenfreudige, aber schlichte Kostüme bei. Ein wesentliches Gestaltungsmoment waren verschiedene Video-Einspielungen, die nicht nur filmisch-photographisch außerordentlich gelungen waren, sondern auch wesentlich zum Fabelverständnis beitrugen. Gregor Brändli sind sie zu danken.


Sally du Randt als Magda Sorell – Foto: Jan-Pieter Fuhr

Natürlich findet auch in diesem Falle Oper nicht ohne Sänger statt – im Gegenteil: Menotti ist nicht gerade kleinlich, wenn es an stimmliche Anforderungen bei den Sängern geht. Augsburg kann wieder einmal beweisen, dass es über ein homogenes und profundes Solistenensemble verfügt, alle Partien sind rollendeckend besetzt und werden großartig gesungen. Im Mittelpunkt steht natürlich Magda Sorell, die in Sally du Randt einmal mehr eine singuläre Darstellerin und eine in bester Italianità aufblühende Sängerin findet. Schon oft hat diese großartige Singschauspielerin einen Opernabend zum Erlebnis werden lassen, auch hier verbinden sich wieder  strahlende Höhenpassagen in vorbildlichem Legato und ihre Fähigkeit, durch emotionale Erschütterung in Bann zu ziehen. Großartig! Nächst ihr wäre Kate Allen mit einem sehr einprägsamen Rollenporträt der Mutter zu nennen, mit ihrer sehr gut geführten Altstimme und der ergreifenden schauspielerischen Leistung ein zweiter Aktivposten des Ensembles. Wiard Witholt war ein gehetzter und zerrissener Freiheitskämpfer John Sorell, ausgestattet mit einer flexiblen und klangvollen Baritonstimme. Stanislav Sergeev gelang mit der Interpretation des Agenten der Geheimpolizei eine einprägsame Charakterstudie, auch seine Stimme konnte sich klangschön entfalten. Eine gute Entwicklung hat auch Roman Poboinyi als Nika Magadoff, ebenfalls eine einprägsame Charakterstudie und wohltuend auf charchierende Übertreibungen verzichtend. Sehr einprägsam war der Herr Kofner in László Papps Gestaltung. Etwas blass und indifferent der Assan (einer der Freunde und Mitstreiter des John Sorell) in der Gestalt von Irakli Gorgoshidze. Die drei weiteren Damen, die im Konsulat auf Hilfe hoffen, waren  zuverlässig und mit guten Stimmen besetzt: Elene Khonelidze (ausländische Frau), Susanne Simenec (Anna Gomez) und A-Reum Lee (Vera Boronel). Die Regisseurin wertete die „Stimme aus dem Radio“ auf, indem sie diese der Sekretärin als zweites Ich beigab. Das hatte besonders am Anfang durchaus seinen Reiz, führte aber leider dazu, dass die sehr ambitionierte Natalya Boeva als Sekretärin geradezu freundlich und sympathisch erschien, wo sie doch eigentlich als gefürchteter Apparatschik erscheinen müsste, was auch ihre spätere Wandlung glaubhafter erscheinen lassen würde. Ich gebe zu, dass ist „Meckern“ auf sehr hohem Niveau – aber: ich hatte das zweifelhafte Vergnügen solche Art „Vorzimmerdamen“ in meiner Vergangenheit in der DDR kennenlernen zu müssen, so freundlich-verbindlich, wie Frau Boeva hier zu erleben war, ist mir leider keine dieser Damen („Drachen“!) in Erinnerung.


Elene Khonelidze (Eine ausländische Frau), Stanislav Sergeev (Agent der Geheimpolizei), Irakli Gorgoshidze (Assan), Roman Poboinyi (hinten mitte als Nika Magadoff), Sally du Randt (Magda Sorell), Susanne Simenec (Anna Gomez), Natalya Boeva (Die Sekretärin) – Foto: Jan-Pieter Fuhr

Das Publikum im nahezu ausverkauften Martini-Park verfolgte die Aufführung mit ehrlicher Ergriffenheit und spürbarer Anteilnahme. Es ist dem Werk zu wünschen, dass es weitere Verbreitung findet – es stellt (von der Agnes Sorell abgesehen, die eine exponierte und schwierige Partie ist) keine unüberbrückbaren Anforderungen – Augsburg hat das nachhaltig und auf hohem Niveau bewiesen. Hinfahren! Anschauen! Oder besser (an die Theater): Nachspielen.

Werner P. Seiferth

WIEN/ Staatsoper: FIDELIO –– Fassung von 1805. Premiere

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WIEN/ Staatsoper: FIDELIO – Fassung von 1805. Premiere am 1.2.2020


Jennifer Davis (Leonore), Falk Struckmamm (Rocco). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Diese Produktion ist durchgefallen. Und diesmal lag es, um Jean Cocteau zu paraphrasieren, nicht am Publikum. Das szenische und — zu einem großen Teil auch sängerische — Debakel kennt zwei Verantwortliche: Amélie Niermeyer und Dominique Meyer.

Zum ersten Niermeyer, weil sie der Erstfassung des Fidelio ihre Sichtweise auf die Welt überstülpte, ohne sich um die Intentionen Joseph Sonnleithners und Ludwig van Beethovens zu bemühen. Und zum zweiten Meyer, der nicht nur Niermeyer auswählte, sondern auch eine Sängerriege, welche zum überwiegenden Teil mit ihren Partien überfordert waren. Bei Meyer kommt noch hinzu, daß er — wider besseres Wissen — nicht müde wurde zu betonen, »dass es gerade in Wien berechtigt ist, die Urfassung zu spielen«.1 Er versprach dem Publikum die Fassung des Fidelio aus dem Jahr 1805 und setzte ihm anstelle dessen eine mediokre »Regietheater«-Fassung vor…

…Diese Dummheiten (noch dazu in den häßlichen Alltagskostümen von Annelies Vanlaere) waren dann sogar dem meistens wohlgesonnenen Premièren-Publikum zuviel des Schlechten.

»Fidelio« (Fassung von 1805): Marzelline (Chen Reiss) sucht sich der Zudringlichkeiten Jaquinos (Jörg Schneider) zu erwehren. © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn)
Jaquino wird zudringlich. Jörg Schneider und Chen Reiss. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Dieser Abend, nehmt nur alles in allem: eine Zumutung.

 http://www.dermerker.com/index.cfm?objectid=945A3660-4292-11EA-A652005056A64872

Thomas Prochazka / www.dermerker.com

WIEN/ Staatsoper: FIDELIO (Urfassung). Premiere

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Benjamin Bruns (Florestan) und Katrin Röver (Schauspielerin der Leonoren-Rolle). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 

FIDELIO (Urfassung) – PREMIERE STAATSOPER, 1. Februar 2020

(Heinrich Schramm-Schiessl)

„Fidelio“ gilt als das „Schmerzenswerk“ von Beethoven. Lange hat er darum gerungen bis ihm eine erfolgreiche Version gelungen ist. Die erste Version hatte im Jahr 1805 ihre Uraufführung und war ein Misserfolg. Bereits 1806 legte er eine neue Fassung, diesmal unter dem Titel „Leonore“, vor und auch diese brachte nicht den gewünschten Erfolg. Erst 1814 wurde jene Fassung erstmals aufgeführt, die schließlich zu einem Standardwerk in den Spielplänen aller Opernhäuser wurde.

Aus Anlass des Beethoven-Jahres hat man sich in der Staatsoper nun entschlossen, die Urfassung von 1805 der im Repertoire befindlichen Fassung von 1814 gegenüber zu stellen.

Worin unterscheidenn sich die beiden Werke: Zunächst in formaler Hinsicht, denn die Urfassung ist in drei Akte gegliedert, während die Fassung von 1814 nur zwei Akte umfasst. Der 1. Akt der Urfassung beinhaltet die sogenannten „häuslichen“ Szenen, also das Verhältnis zwisdchen Leonore, Marzelline, Jaquino und Rocco. Der 2. Akt beginnt mit dem Auftritt Pizarros, während der 3. Akt dem 2. Akt der Endfassung entspricht. Dramaturgisch ist die Urfassung weiter gefasst und beleuchtet auch die menschlichen Komponenten zwischen Leonore, Marzelline und Jaquino. So gibt es im 1. Akt ein zusätzliches Terzett zwischen Marzelline, Jaquino und Rocco und im 2. Akt vor der grossen Arie der Leonore ein Duett zwischen Leonore und Marzelline. Demgegenüber ist in der Letztfassung der Fokus mehr auf die politischen Abläufe, also den Machtmißbrauch des Pizarro fokussiert. Diese dramaturgische Straffung ist sicher einer der Hauptgründe für deren Erfolg.

Auch musikalisch ist einiges anders. So ist z.B. der Marsch beim Auftritt des Pizarro in der Urfassung martialischer und die Arie der Leonore weniger dramatisch. Besonders auffällig ist auch die Gestaltung der Finalis. Verklingt in der Endfassung die Szene im Gefängnishof leise, so endet sie in der Urfassung mit einer Art Cabaletta mit Chor des Pizarro. Komplett anders ist in der Urfassung das Finale der Oper. Das wesentlich weiter ausladende Duett zwischen Leonore und Florestan („Namenlose Freude“) geht nahtlos in den Auftritt des Ministers über, wobei es den „Heil sei dem  Tag“-Chor noch nicht gibt. Vom Klang her wird man in der Urfassung besonders in manchen Gesangsnummern zeitweise noch an Haydn erinnert, wöhrend die Fassung von 1814 wesentlich dramatischer und komprimierter klingt.

Bevor ich mich nun der aktuellen Produktion zuwende, erachte ich es für notwendig dieses Unternehmen kritisch zu hinterfragen. Es ist durchaus lobenswert, wenn man anlässlich eines Beethoven-Jahres diese Urfassung wieder zur Diskussion stellt. Das hätte meines Erachtens durchaus in einer Serie von konzertanten oder – wie es derzeit durchaus üblich ist – halbszenischen Aufführungen geschehen können. Wenn das aber manchen zu wenig ist, so hätte man durchaus überlegen können, weitgehend die Dekorationen der im Repertoire befindlichen Produktion zu verwenden. Notwendige Adaptierungen, speziell für das Finale, wären allemal kostengünstiger als eine komplette Neuinszenierung gewesen. Diese Neuinszenierung hat nämlich keinerlei Nachhaltigkeit und wird vermutlich nach diesen fünf Aufführungen für immer im Fundus verschwinden.

Der Umstand, dass diese szenische Neuproduktion völlig unnötig war, wurde dann auch durch die Inszenierung unterstrichen. Man hat dieser Premiere ja schon mit einem gewissen Unbehagen entgegen gesehen. Einerseits durch den Umstand, dass die Regisseurin Amélie Niermeyer in dieser Saison in Wien bereits zwei Produktionen in den Sand gesetzt hat, nämlich die Wellness/Badezimmer-„Rusalka“ im Theater an der Wien und den schrecklichen „Kirschgarten“ in der Josefstadt und andererseits durch die Informationen, die man im Vorfeld hören und lesen konnte. Frau Niermeyer hat natürlich ganz tief in die Mottenkiste des Regietheaters gegriffen, wie z.B., die szenische Ausdeutung eines Teiles der Ouvertüre oder die Verdoppelung der Figur der Leonore, sowie der Verlegung der Handlung in unsere Zeit oder, wie es kryptiscgh im Programmheft heißt, in eine „unmittelbare mögliche Zukunft“.

Die Szene während der Ouvertüre zeigt offensichtlich den Ausgangspunkt der Handlung: Während sich Florestan und Leonore in einem mittelklassigem Hotelzimmer vergnügen wollen, wird er, offensichtlich von Anhängern des Pizarro, entführt und sie im Hotelzimmer eingesperrt. In ihrer Ausweglosigkeit begibt sie sich in einen Dialog mit sich selbst. Sie spaltet sich praktisch in zwei Persönlichkeiten, wobei sich das eine Ich überlegt, wie sie ihren Mann befreien könnte, während das andere Ich – eben die zweite Leonore – die Überlegungen des ersten Ich kritisch hinterfragt und deren Sinnhaftigkeit bezweifelt. Das ganze mag theatralisch nicht uninteressant sein, aber mit Beethovens „Fidelio“ hat es absolut nichts zu tun. Völlig daneben gegangen ist das Finale, mit dem die Regisseurin die letzten Symphatien des Publikums, so es zu dieser Zeit überhaupt noch welche gegeben hat, verspielt hat. Leonore wird von Pizarro erstochen und sieht in ihrer Todesvision der Befreiung ihres Gatten und der anderen Gefangenen durch den Minister. Dabei sind der gesamte Chor und alle Protagonisten mit Ausnahme Pizarros, der zweiten Leonore und Florestans, in glitzernde Kostüme gehüllt, wie man sie von Karnevalsumzügen her kennt. Dazu gibt es noch andere Merkwürdigkeiten, wie z.B. dass ständig irgend welche Leute auf der Bühne herumrennen oder dass die zweite Leonore zur „Namenlosen Freude“ discoartige Tänze vollführt. Bei letzteren vermute ich ja schwer, dass sich Frau Niermeyer über die Musik lustig macht.

Zusätzlich hakt es auch in der praktischen Umsetzung, denn man hat nicht die originalen Dialoge verwendet sondern – ergänzt um die Einwürfe der zweiten Leonore – eine völlig neue Textfassung durch Moritz Rinke geschaffen. Ich weiss natürlich, dass vielen die Originaldialoge nicht mehr zeitgemäß erscheinen, glaube aber, dass sie, wenn man sie entsprechend sinnvoll kürzt, durchaus zu ertragen sind. Sie nehmen nämlich immer Bezug auf die jeweils folgende Musiknumnmer, ja sind meist sogar der Auslöser derselben. Das fehlt in der neuen Textfassung, sodass manche Nummern, wie z.B. Roccos Goldarie oder das Terzett im Kerker praktisch in der Luft hängen.  

Natürlich gibt es – wie im Regietheater meist üblich – ein Einheitsbühnenbild (Alexander Müller-Elmau). Es stellt eine stillgelegte Bahnhofshalle dar. Man erfährt im Zuge der Dialoge, dass dies der Fall ist, weil die Gefängnisse überfüllt sind. Man kann das jetzt dahingehend interpretieren, dass man kritisch feststellt, dass der Staat zu viele Menschen einsperrt oder es als Remniniszenz an die Flüchtlingskrise 2015 nimmt, wo aufgelassene Gebäude als Notunterkünfte verwendet wurden. Dass die Kostüme (Annelies Vanlaere) Alltagskleider waren, braucht man nicht gesondert erwähnen, wobei der Anzug des Pizarro – Achtung Holzhammer – rot war, damit man ja erkennt, wer der Böse ist.

Eine wirkliche Personen- und Chorführung fand natürlich nicht statt.


Jennifer Davis (Diesmal die Sängerin der Leonoren-Rolle= und Falk Struckmann. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Wenden wir uns nun der musikalischen Seite zu, die etwas erfreulicher war. Im Grunde waren die Sängerleistungen mit einer Ausnahme zurfiedenstellend. Jennifer Davis sang eine mehr als achtbare Leonore. Die hier vorhandenen Koloraturen in ihrer großen Arie sang sie duraus gekonnt. Allerdings gelangte sie in den – gegenüber eder Endfassung – geringeren dramatischen Stellen doch an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Darstellerisch blieb sie eher blass. Ihr „Alter ego“ wurde von Katrin Röver ordentlich gesprochen und eher unauffällig gestaltet. Benjamin Bruns sang den Florestan mit schöner Stimme, wobei ihm zu Gute kam, dass seine Arie hier keinen zweiten Teil hat, der meist vielen Tenören zum Verhängnis wird. Falk Struckmann – schon sdeit längerer Zeit im Bass-Fach – bot als Rocco ebenfalls eine gute Leistung, auch wenn es manchmal in der Tiefe nicht ganz reichte. Chen Reiss, war nach Anfangsschwierigkeiten – ihre Arie ist hier die Eröffnungsnummer – ebenfalls sowohl stimmlich als auch darstellerisch rollendeckend. Ähnliches gilt für Jörg Schneider als Jacquino. Samuel Hasselhorn war ein unauffälliger Minister. Die einzige unerfreuliche Gesangsleistung des Abends bot Thomas Johannes Mayer als Pizarro. Er sang mehr oder weniger in der gleichen Lautstärke und die Stimme klang ungemein stumpf und rauh. Darstellerisch blieb er völlig farblos.

Der Chor (Einstudierung: Thomas Lang) sang sehr gut.

Nicht sehr erfreulich war es leider auch um den Orchesterpart bestellt. Tomás Netopil schlug einen recht rauhen Orchesterklang an und war stellenweise sehr laut. Der grosse Bogen fehlte natürlich und viele Feinheiten der Partitur gingen verloren.

Am Ende gab es verhaltenen Jubel für die Sänger und den Dirigenten und ein verdientes einhelliges Buhkonzert, von zuletzt selten gehörter Heftigkeit für das Regieteam.

Zum Schluß sei mir noch eine Bemerkung zum Programmheft erlaubt. Wie schon im Theater an der Wien bei „Halka“ steht auch hier bei der Inhaltsangabe nicht die Handlung laut Libretto sondern das, was dem Regisseur/der Regisseurin dazu eingefallen ist.

Heinrich Schramm-Schiessl  

 

LINZ/ Musiktheater des Landestheaters: DIE SPINNEN, DIE RÖMER (A Funny Thing Happened on the Way to the Forum)“ – Premiere

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Toll trieben es die alten Römer – die Linzer Musicalexperten können das aber auch. Foto: Reinhard Winkler / Linzer Landestheater

 

Linz: „DIE SPINNEN, DIE RÖMER (A Funny Thing Happened on the Way to the Forum)“ – Premiere am Musiktheater des Landestheaters, Großer Saal, 01. 02.

Buch von Burt Shevelove und Larry Gelbart, Musik und Gesangstexte von Stephen Sondheim, Original-Produktion am Broadway von Harold S. Prince; Deutsch von Roman Hinze (auch bekannt als Arne Beeker)

In deutscher Sprache mit Übertiteln (etiam in ligua latina)

„Vaudeville“, ein Begriff unklarer Herkunft, war die Bezeichnung für sowas wie einen Schlager im Frankreich des 16. Jahrhunderts, später für populäre Bühnenunterhaltung. In dieser Bedeutung übersiedelte er in die USA, wo Vaudeville-Theater dann um 1900 extrem verbreitet waren. Bespielt wurden sie vor allem von Darstellern osteuropäisch-jüdischer und italienischer Herkunft. Eine schöne filmische Rekonstruktion solch einer show findet sich in Francis Ford Coppolas „Pate II“, mit Vito Corleone und Genco Abbandando im Publikum.

Die feineren Seiten der menschlichen Natur sprach diese Art von Theater wenig an; metoo-ProtagonistInnen und Apostel der political correctness würden aus so einer Vorstellung kreischend, shitstormend, mit gesträubten Haaren fliehen – aber die USA der großen Einwanderungszeit waren auch nicht gerade ein Land für Zartbesaitete. Der aufkommende Film unterminierte diese rauhe Kultur, nicht zuletzt durch Kaperung deren Stars für die – grundsätzlich „zahmere“ – Leinwand; Symbol des Todesstoßes für das Vaudeville ist, daß dessen größter Star, Al Jolson (geboren als Asa Yoelson im heutigen Litauen) die Hauptrolle im ersten kommerziellen Tonfilm („The Jazz Singer“) spielte, sang und sprach. Weiter glattgebügelt wurde die Szenerie durch den „production code“ (nichts anderes als Zensur) des „Hays office“ in Hollywood ab 1934. Zwar blieb das Theater freier, aber nach 2. Weltkrieg und McCarthy-Zeit konstatierte man auch am Broadway ein „Vulgaritätsvakuum“.  
Dieses aufzufüllen machten sich die Autoren dieses respektlosen und turbulenten Spaßes, im Prinzip die altrömische, Plautus-gestützte Version eines Feydau’schen Türenknallers, Anfang der 1960er zur Aufgabe. Bezug zur Vaudeville-Tradition zeigt schon der Titel, der eine viel strapazierte Conference-Einleitung („a funny thing happened on the way to the theater“) zitiert. Die Uraufführung am 8. Mai 1962 war ein gewaltiger Erfolg (964 Vorstellungen en suite) und ein Befreiungsschlag gegen den Fünfziger-Mief. Wesentlichen Anteil daran hatte der Darsteller des Pseudolus, Zero Mostel – ein anarchischer Komiker, 1943 von der Mutter aller Illustrierten, „LIFE“, „the funniest American now living“ genannt, der später noch als verkommener Fürst Potemkin neben Jeanne Moreaus Zarin Katharina, Max Bialystok in den „Producers“ und erster „Milchmann Tevje“ glänzen sollte.

Eine Verfilmung, Regie Richard Lester, Kamera Nicolas Roeg, folgte 1966. Auch in dieser spielte Zero Mostel die Hauptrolle; Buster Keaton war als Erronius letztmalig auf der Leinwand zu sehen und sprach dabei sogar, lachte aber natürlich nicht.


Hans Kudlich, Arne Beeker. Foto: Petra und Helmut Huber

Die originale Bühnenszenerie (die im Film freilich oft verlassen wird) sieht drei nebeneinander stehende Häuser vor – und in diesen bzw. auf der Straße davor spielt sich die Handlung ab. Hans Kudlich hat ein fast – kleine Abweichungen sind gewollt und dienen der Satire – stilechtes altrömisches Wohnviertel auf die Bühne gestellt, vielleicht mit ein bisserl Palladios Teatro Olimpico von Vicenza im Hinterkopf. Die Spielfläche reicht bis weit über den diesmal abgedeckten Orchestergraben, damit zu dessen großem Vergnügen bis ins Publikum. Zu Feydeau gehören natürlich Schwingtüren (durch die Personen regelmäßig zur Unzeit auf- und abtauchen), und auch auf diese hat Kudlich nicht vergessen; eine delikate Sache für die Technik, wie er beim dieser Produktion gewidmeten Sonntagsfoyer der „Musiktheaterfreunde“, sagte: „Man glaubt nicht, was mit Bühnentüren alles schief gehen kann“. Es geht heute nix schief, also wurde in den Werkstätten sauber gearbeitet, und das teils höllische Tempo der Szenenwechsel kann unbehindert wüten.

Die Musik, ca. 40 Damen und Herren des Bruckner Orchesters, sitzt wie bei der Penthesilea/Schoeck-Produktion 2019 weit hinten oben – auf den „Hausdächern“, vor einem „romanoiden“ Prospekt. Unter der Leitung von Juheon Han wird stilsicher und swingend präzisest musiziert – bei einem Tempostück entscheidend für gute Wirkung.

Die Inszenierung durch den Musical-Spartenchef Matthias Davids erfüllt alles, was es braucht, um so ein Stück ohne viel Tiefgang und nüchterner Plausibilität überzeugend und fesselnd ans Publikum zu bringen: Frechheit, Schrillheit, atemberaubendes Tempo, vergnügt hemmungsloses Outrieren, eine slapstickhafte Choreografie (Simon Eichenberger). Bunte, wahnwitzig übertriebene Kostüme (Susanne Hubrich) mit köstlichen Details (als Senex aus dem Bad kommt, trägt er einen Frotteemantel, bestickt mir den Worten „non olet“) passen dazu. Das alles wird serviert mit der wie selbstverständlich wirkenden, also gut geprobten Präzision, ohne die viele gags gar nicht funktionieren würden. Für die südliche Sonne sorgt Michael Grundner.

Dramaturgie samt einer, gemessen am Text der Verfilmung, präzisen Neuübersetzung: Arne Beeker; er schafft es vor allem auch, den originalen Witz (und die originalen Witze) über die Sprachgrenze zu transportieren! Schon vor Beginn läßt er uns raten, Mobilphone eingeschaltet zu lassen und gute Manieren zu vergessen – schließlich ist das hier nicht die Oper!


Gernot Romic. Foto: Reinhard Winkler /Linzer Landestheater

David Arnsperger als Pseudolus braucht sich vor Rollenkreator Zero Mostel nicht zu verstecken: ein verschlagener Meister der Chuzpe, Jongleur mit Schwertern wie Menschen, flehend, bittend, tobend, herrisch, kriecherisch – alles im Handumdrehen abrufbar, kombiniert mit großer Körperbeherrschung und einer operngeschulten Singstimme. Heftige mimische Konkurrenz erfährt er freilich durch Gernot Romic in der Rolle des Hysterium, sein Sklavenkollege im selben Haushalt, der durch die genialen Pläne des Pseudolus oftmals in fürchterlichste Bredouillen gerät und sich vergeblich bemüht, einen Rest von Selbstwert und Ansehen zu wahren. Da hilft ihm oft nicht einmal sein engels- oder Merkur-gleiches Schweben durch die Szenerie, mit rollenbewehrten Schuhsohlen bewerkstelligt. Ein zwerchfellerschütterndes Duo!

Der Senex von Klaus Brantzen hat zwar weniger Zeit auf der Szene als die Vorgenannten, aber die, die er hat, nutzt er ebenso bestens für die köstliche Charakterisierung des (nicht grundlos) unterdrückten Ehemannes von Domina. Diese verkörpert mit Lust und Vergnügen am bösen Lied und verrückten Spiel Sanne Mieloo, auch sie ein wahres Erlebnis. Der nach Maßstäben dieses Stückes peinlich normale Hero, beider Sohn, wird von Lukas Sandmann mit entzückender Naivität dargestellt. Seine Sehnsucht gilt Philia, einer jungfräulichen Kurtisane (öhm…) mit Bildungsmängeln; Hanna Kastner haucht ihr liebreizendes Leben, auch nicht ohne doppelten Boden, ein.

Letztere ist aber schon an Miles Gloriosus, einem SEHR großen Hauptmann (20 cm Kothurnen!) verkauft; Christian Fröhlich leiht ihm in allen Aspekten Trittsicherheit und seine gute Stimme.

Kurtisanenhändler Marcus Lycus (Karsten Kenzel) irrlichtert ebenso höchstvergnüglich durchs Bild wie der alte, verzweifelte Erronius (William Mason), mit dem man fast echtes Mitleid haben könnte – aber bevors womöglich kitschig wird, steht er im Zentrum eines natürlich auch reichlich witzig-absurden happy end.


Daniela Dett. Foto: Reinhard Winkler/ Landestheater

Im Film wimmelt es vor Komparserie. Auf der Bühne, schon bei der Ur-Produktion 1962, waren das nur „drei Proteanerinnen“ – Piraten, Sklaven, Bürger, Eunuchen, Soldaten. Mit unermüdlicher Schwurbeligkeit, genau kalkuliertem Chaos, an Zahl und Tempo wahnwitzigen Umzügen schaffen das die Meisterinnen der Komik Daniela Dett, Celina dos Santos und Lynsey Thurgar; hinter der Bühne herrscht wohl ziemliche Hetze für die Kostümabteilung, einmal hängt der fat suit für einen Eunuchen etwas – eines unter hundert Malen passiert, oder Absicht, um zu zeigen, was für Aufwand da nötig ist?

Kabinettstückchen liefern die Handelsobjekte von Lycus: als exotisch tanzende Tintinabula Timo Radünz, als Panacea Hannah Moana Paul; die Geminae sind Yuri  Yoshimura und Beate Chui, die wilde Schönheit Vibrata Brittany Young. Das Bewegungswunder Gymnasia wird von der Kontortionistin Maria Gschwandtner  atemberaubend und wirbelsäulenverstörend verkörpert; sie kann aber genauso gut singen und tanzen.

Jubel und Begeisterung für eine erstklassig präsentierte, grandios verrückte und respektlose Bühnenshow. Aber es bleibt die bange Frage, ob so etwas heute überhaupt noch geschrieben werden dürfte? Oder haben nicht längst junge, natürlich nur das Beste im Sinn führende Frauen die üble Rolle des weißen alten engstirnigen Mannes Will H. Hays übernommen?

Petra und Helmut Huber


Premierenfeier. Foto: Petra und Helmut Huber


MANNHEIM/ Rosengarten: „GEORGE LI-MOSKAUER PHILHARMONIE –  YURI SIMONOV“ (Borodin, Rachmaninow, Tschaikowsky

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Mannheim / Rosengarten: GEORGE LI-MOSKAUER PHILHARMONIE –  YURI SIMONOV“ – 01.02.20

Beim Pro Arte – Konzert im Rosengarten gastierten der Pianist George Li sowie die Moskauer Philharmoniker unter der Leitung von Yuri Simonov.

Mit der präzise gespielten, orchestral prächtig aufgefächerten Ouvertüre zu „Fürst Igor“ (Alexander Borodin) eröffneten die russischen Gäste den Konzertabend. Ohne Frage gehört dieser Klangkörper zu den bedeutendsten Orchestern Russlands wie bereits die Interpretation dieses konträren Pasticcio-Vorspiels offenbarte.

Im Mittelpunkt stand jedoch das „Dritte Klavierkonzert“ von Sergej Rachmaninow. Der jungenhaft wirkende Pianist George Li, welcher u.a. beim Tschaikowsky-Wettbewerb 2015 als 2. Preisträger hervorging, stellte sich bravourös der Aufgabe zur Bewältigung des „Konzerts für „Elefanten“ wie es dereinst Horowitz bezeichnete.

Unbekümmert setzte sich der 25-jährige Pianist an den Flügel, pflügte in natürlicher Selbstverständlichkeit zu fabelhaftem Spiel pianistische Sterne vom Himmel.

Bereits während des eröffnenden Allegro offerierte der in Boston geborene Tasten-Akrobat seine immense Virtuosität, bestach mit Kadenzen von grandioser Akkordtechnik,  demonstrierte bravourös sein handwerkliches Rüstzeug zur Bewältigung des schwierigen Klavierparts. Li schenkte seinem kultivierten  Spiel zu liebevollen Details auch eine Abfolge temporeicher Finessen in Verbindung höchst effizierter Phrasierungskunst.

Yuri Simonov präsentierte mit seinen herrlich musizierenden Moskauer Philharmonikern mit Akkuratesse jenen betörend-unwiderstehlichen Rachmaninow-Sound, des mit auffallend jungen Musikern besetzten Orchesters. Weich flossen die Instrumental-Gruppen ineinander, klar lokalisiert erklangen Violinen und Celli im dominanten Getümmel der Holz-Blechbläser-Vorherrschaft.

Elegisch, traumhaft folgte das Intermezzo-Adagio von Li auf bezaubernde Weise emotional in verhaltenem Sentiment intoniert, den melodischen Fluss dieser herrlichen Musik auf vollendete Weise akzentuierend.

Gewiss hörte ich das Dritte, meinen Piano-Favoriten während der letzten Jahrzehnte von bedeutenden Solisten war ich heute allerdings bar der Technik, des vortrefflichen Fairplays des jungen Amerikaners mehr als überrascht, ja regelrecht überwältigt. Herzerfrischend frei jeglicher Theatralik, energiegeladen, einfach atemberaubend in rhythmischer Akkuratesse zündete der geniale Tasten-Künstler zum finalen Alla breve nochmals akribisch massive Akkord-Kaskaden, rauschende Arpeggio, chromatisch-lineare Tastaturläufe zu farbintensivem elektrisierendem Brillant-Feuerwerk, dass es die Hörer von den Sitzen riss.

Die überschäumende Begeisterung bedankte der bescheidene Künstler mit der traumhaft-versonnen, transparent interpretierten  „Widmung“ (Schumann).

Den offiziellen symphonischen Abschluss bildete die „Dritte“ von Peter I. Tschaikowsky. Nach Vollendung seines populären 1. Klavierkonzerts schrieb der Komponist binnen weniger Ferienwochen seine 3. Symphonie. Im Gegensatz zu bisher viersätzigen Werken erhielt diese Komposition derer „fünf“.

Der erste Satz  wurde mit der düsteren Trauermarsch-Einleitung der Streicher eröffnet, Hörner und Holzbläser übernahmen die Melodie und führten drängend in den Ausbruch des Allegro- Hauptthemas. Wunderbar erblühte der vortreffliche Klangkomplex des bestens aufspielenden Orchesters im aufstrebenden Tutti des marschartig energischen Instrumental-Gebildes. Klar intonierte die Oboe die Variation des dreifachen H-Moll-Motives um sich sodann in liedhafter Kantilene auszuweiten. Eine Fagott-Exposition krönte schließlich den Satz.

Yuri Simonov leitete seine Philharmoniker sensibel durch die charmante Walzerweise des alla tadesca  den französischen Geist in schwebender Eleganz dieser Musik offenbarte. Stilvoll rhythmisch erklang die Pizzicato-Grundierung der Holzbläser, um in virtuosen Staccato-Triolen ein duftiges Scherzo zu entfalteten.

Das Andante elegiaco intonierten die famosen Streicher mit pastoralen Anklängen die sodann einer weitausschwingenden Melodie wichen kontrapunktisch umspielt. Immer dichter steigerte sich das Instrumentarium effektvoll ins Forte dessen Phonstärke dank des wachen Blicks Simonovs nie eruptiv ausartete. Mit allerlei fragmentarischen Motiven klang der Satz aus. Zu gebrochenen Akkorden des gesamten Orchesters erhob sich das Allegro viva zu feinen burlesken Bläsereinwürfen. In raffinierter Harmonie überraschte das Trio.

Großartig instrumentiert, brillant vorgetragen erhob sich der Finalsatz mit dem namensgebenden tempo di polacca als schmetterndes Rondo, welches vom Dirigenten inspiriert und seinem exzellenten Klangkörper mit Herzblut und Delikatesse musiziert in einer reißerischen Stretta seinen krönenden Abschluss fand.

Das Publikum war begeistert und feierte die russischen Gäste lautstark mit Vehemenz. Der Dank blieb nicht aus und wurde mit zwei Zugaben belohnt. Herrlich elegisch erklang die „Vocalise“ (Rachmaninow) und konträr in sprühender Musizierfreude serviert der Czardas aus „Schwanensee“ (Tschaikowsky).

Gerhard Hoffmann

 

 

 

 

 

SCHINDELLEGI/ Schweiz/ Maihofsaal: DON PASQUALE „Oper auf Reisen mit dem Sinfonieorchester des Kantons Schwyz““

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Gaëtano Donizetti: Don Pasquale, Sinfonieorchester des Kantons Schwyz: Oper auf Reisen, Maihofsaal Schindellegi SZ, Vorstellung: 01.02.2020

 (3. Vorstellung seit der Premiere am 25.01.2020)

Dottoressa Malatesta auf Reisen

Drei Jahre nach dem Pilot-Projekt mit „Cosi fan tutte“ hat das Sinfonieorchester des Kantons Schwyz eine zweite Ausgabe von „Oper auf Reisen“ gewagt. Und gewonnen!

Dirigent Urs Bamert und Regisseurin Barbara Schlumpf, auch wenn Flyer und Programmheft dem Sinfonieorchester die künstlerische Leitung zuschreiben, ein höchst praktikable Fassung von Donizettis Meisterwerk für eine Opera mobile erstellt. Die Gratwanderung zwischen Werktreue und Wille die Oper einem wenig opernerfahrenen Publikum zugänglich zu machen, gelingt hervorragend. Die kommentarlose (was das Programmheft angeht) Umwandlung von einem Dottore Malatesta in eine Dottoressa erfolgt ohne jegliche Bezüge zu Regietheater und Gender-Diskussion. Die Dottoressa fügt sich ins Stück ein, als habe es nie eine Dottore gegeben. Wer die Oper nicht kennt, wird kaum merken, dass hier etwas verändert wurde. Der Klang wird nicht wesentlich beeinflusst.

Das schlichte Bühnenbild (Licht und Bühne: Peter Scherz) der Produktion besteht aus vier hohen Wänden, jede einem der Protagonisten zugeordnet, mit aussagekräftigen Mustern. Don Pasquale‘s Tapete zeigt Streifen in gedeckten Farben: Die geordneten Bahnen, aus denen er ausbrechen möchte, aber nicht kann. Norina bringt Leben und frischen Wind: ihr Zeichen sind frische, farbenfrohe Sommerblumen. Ernesto ist, ganz Tenor, über beide Ohren verliebt, und so zieren Schmetterlinge seine Tapete. Das Symbol der Ärztin, die hier die Fäden in der Hand hält, und, wenn man so willl, auch Don Pasquale verarztet, ist natürlich das Rote Kreuz. Haben die Solisten nichts zu singen, so ziehen sie sich in ihre Wand zurück: es gibt also keine Störungen durch Auftritte und Abgänge. Die Bühne ist so frei für das intensive Schauspiel der Sänger.

Das «Sinfonieorchester Kanton Schwyz», 2004 als «Sinfonieorchester Ausserschwyz» und seit 2014 unter dem aktuellen Namen tätig. Der Klangkörper setzt sich aus Berufsmusikern, Musikstudenten und begeisterten, vielfach jungen Liebhabermusikern zusammen und konzertiert unter der Leitung seines Dirigenten Urs Bamert in einem Zyklus von jährlich drei bis vier Konzertsessionen.

Das Orchester musiziert, von einigen wenigen Wacklern abgesehen, einen hervorragenden Donizetti. Die Positionierung hinter den Protagonisten und einem dünnen Vorhang für die Übertitel stellt kein Problem dar.

Bildergebnis für oper auf reisen don pasquale
Foto: „Oper auf Reisen“

Die Krone des Abends gebührt auf jeden Fall Stephanie Ritz und ihrer Interpretation der Norina. Mit einer tragfähigen, hervorragend sitzender Stimme und enormen schauspielerischem Talent, gibt sie eine Norina, die auch auf grossen Bühnen bestehen könnte. Herausragende Momente sind ihr Auftritt als Sofronia und das Entsetzen einen Mann heiraten zu sollen oder natürlich der Moment nach der Heirat, wo sie beginnt den Haushalt von Don Pasquale umzukrempeln. Christian Hilz singt einen tadellosen Don Pasquale und überzeugt mit seiner Technik und komödiantischem Talent. Perfekt gelingen die schnellen Passagen im Duett mit der Dottoressa. Michaela Unsinn lässt als Dottoressa Malatesta einen gut geführten Mezzo hören. Wie die anderen Solisten auch, überzeugt mit einer Interpretation fernab jeglicher Mätzchen und Übertreibungen. Oleg Sopunov als Ernesto hat leider nicht seinen besten Abend erwischt. Die Stimme klingt durchgehend schwach und verschattet und in seiner grossen Szene bleibt ihm dann gleich mehrfach der Ton weg. Amedeo Eichelberg ergänzt als Notar das Ensemble.

Ein wunderbar vergnügsamer Abend!

Weitere Aufführungen:

02.02.2020, 17.00, Maihofsaal, Schindellegi
08.02.2020, 17.00, Stadtsaal Kreuz Jona, Rapperswil-Jona
09.02.2020, 17.00, Stadtsaal Kreuz Jona, Rapperswil-Jona

01.02.2020, Jan Krobot/Zürich

MÜNSTER/ Theater: DER UNTERGANG DES HAUSES USHER von Philip Glass – mit veränderter Handlung. Premiere

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Foto:  Oliver Berg

Theater Münster – Philip Glass  – Der Untergang des Hauses Usher – mit  veränderter Handlung   –  Premiere 1. Februar 2020

 Unter den Horror-Erzählungen von Edgar Allan Poe nimmt The Fall of the House of Usher (Der Untergang des Hauses Usher oder, wie Arno Schmidt lautmalerisch übersetzt, des Hauses Ascher) insofern eine besondere Stellung ein, daß schon in ihrem Motto (eine Laute klingt wie ein schlagendes Herz) und auch später immer wieder Musik erwähnt wird. Vielleicht auch deshalb gab sie Anregung für Opernkompositionen. Claude Debussy hinterließ La chute de la maison Usher unvollendet. Philip Glass vollendete seine Oper in zwei Akten auf ein Libretto von Arthur Yorick – mit 90 Minuten kurz im Vergleich zu seinen anderen Bühnenwerken –  und brachte sie 1988 in den USA (Cambridge Massachusetts) zur Uraufführung.

Am Theater Münster  war am vergangenen Samstag Premiere in der deutschen Fassung von Saskia M. Wesnigk unter der musikalischen Leitung von Stefan Veselka in der Inszenierung von Sebastian Ritschel, der die bekannte Handlung völlig veränderte und diese veränderte Handlung  auch als Inhaltsangabe im Programmheft veröffentlichte, inzwischen üblich im sogenannten Regietheater..

 Eigentlich wird der Ich-erzähler in Poe´s Novelle – in der Oper William geheissen –  brieflich  dringend zu seinem intimen Jugendfreund und Zechbruder Roderick Usher gerufen. Letzterer,  degenerierter letzter Sproß eines alten Geschlechts, lebt geistig überspannt zusammen mit seiner Schwester Madeline in dem von einem modernden Teich umgebenen verfallenden Familiensitz. Die an Katalepsie (Starrsucht) erkrankte Madeline wird nach ihrem augenscheinlichen Tod von den beiden Männern wohl noch lebend im unterirdischen Verlies begraben, gelangt zurück  in das düstere Zimmer ihres Bruders, den sie mit sich in den Tod reißt. Auf seiner Flucht sieht William, wie das uralte Gemäuer zusammenbricht und im Schlamm versinkt.

Dieses verfallende Haus als Zeichen des gestigen Verfalls von Roderick ahnte man zu Beginn auf der Bühne, während Teile des Bittbriefs von Roderick vorgetragen wurden. (dabei als Stimme Joachim Foerster) Dann wurde alles anders, denn der  Regisseur wollte nach eigener Aussage „nicht die Musik platt bebildern“ Vielmehr verwandelte sich durch Drehung die gesamte Bühnenmitte (Bühne ebenfalls von Sebastian Ritschel  unter Mitarbeit von Sophia Debus) in eine riesige Maske, die wie die gesamte Handlung durch Spiegel als Bühnenboden und an den Seiten albtraumhaft verdoppelt wurde. Diese Maske fertigte Roderick als Kunstwerk an, mit dem er die  Schwester Madeline irgendwie wieder in sein Leben zurückrufen wollte. Er und der herbeigerufenen William fühlten sich nämlich mitschuldig, daß Madeline – nach Meinung des Regisseurs – im Alter von neun Jahren bei einem Brand ums Leben kam.

Der Wahnsinn von Roderick äusserte sich dadurch, daß er für die Aussenhaut dieser Maske Häute ermordeter Frauen benutzte. Wie mehrmals während der langen Orchesterzwischenspiele wieder durch Drehung der grossen Maske auf deren Rückseite in einem Operationszimmer zu sehen war, tötete der Arzt (in einer sängerisch kleineren Rolle Pascal Herington) diese Frauen mittels Spritze und zog ihnen Haut ab. Der Diener (in einer sängerisch noch kleineren Rolle Christoph Stegemann) schob diese dann auch immer wieder in einer Art Laborwagen über die Bühne. Diese im Programmheft als Opfer bezeichneten jungen maskierten Frauen sah man zwischendurch in unterschiedlichen aber für alle gleichen Kostümen und Masken (auch Sebastian Ritschel) wechselnd etwa zwischen Abendgarderobe und liegend als nackte Opfer auf der Bühne  Als William dem Roderick eine Spieluhr in Form eines Totenkopfes als Erinnerung an die gemeinsame Kindheit überreichte, traten William, Roderick und Madeline dann im Rückblick als Jugendliche auf die Bühne, bei modernen Regisseuren heute üblich, wir sahen es noch neulich im Lohengrin in Dortmund.


Foto:  Oliver Berg

Zum Schluß tritt ja eigentlich Madeline der Gruft entkommend wieder auf. Hier sahen wir sie sowohl mit verbundenen Brandverletzungen und zum Schluß wohl dem Wahn Rodericks als Vollendung seines Kunstwerks entsprungen in goldenem Ganzkörpergewand mit langer Schleppe. Sängerisch beschränkt sich die Partie auf Vokalisen. Besonders zum Schluß gelangen diese Marielle Murphy durchdringend mit bis zu hohen Tönen leuchtendem Sopran ohne falsches Vibrato. Stimmlich bewältigten auch Youn-Seong Shim die Tenorpartie des Roderick und Filippo Bettoschi  die Bariton-Partie des William in der Art überhöhten Sprechgesangs mit kräftigen Stimmen sehr passend zu den extremen Rollen und weitgehend textverständlich. Die Übertitel waren eigentlich nur notwendig, wenn sie im Duett oder zusammen mit Madeline zu dritt sangen.

Hier mußten sie ansingen gegen das im Vergleich zu anderen Opern von Glass klein-besetzte (zwölf Musiker) aber elektronisch verstärkte Sinfonieorchester Münster. Das war schon nötig, da dazu etwa synthesizer und eine E-Gitarre gehörten – in Poe´s Erzählung spielt Roderick Gitarre. Das klang, wie die minimal music von Glass eben klingt, dauernde Wiederholung derselben Akkorde und Melodiestückchen. mit kleinen Änderungen. Da ist es der musikalischen Leitung von Stefan Veselka zu danken, daß auch vorhandene Wechsel der Klangfarben besonders in den langen Zwischenspielen  hörbar wurden und das Zusammenwirken mit den Sängern und  dem irrealen Bühnengeschehen klappte.

Grosse Teile des Premierenpublikums störte offenbar die Diskrepanz zwischen dem Inhalt von Poe´s Novelle und der erlebten Aufführung nicht. Es gab kräftigen Beifall für Sänger, den Dirigenten und sein Orchester, die so sehr geforderten Statisten und auch für das Leitungsteam.

Sigi Brockmann 3. Februar 2020

 

GRAZ / Oper Graz: KÖNIGSKINDER von Engelbert Humperdinck

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Maximilian Schmitt (Königssohn) und Polina Pastirchak (Gänsemagd). Foto: Oper Graz / Werner Kemtitsch

GRAZ / Oper Graz: KÖNIGSKINDER von Engelbert Humperdinck

1. Feber 2020 (Premiere 14.12.2019)

Von Manfred A. Schmid

1893 landete er mit seiner in Weimar uraufgeführten Märchenoper einen Welterfolg. Seit damals findet sich Hänsel und Gretel auf den Spielplänen renommierter Opernhäuser und wird in Wien seit einigen Jahren regelmäßig zur Weihnachtszeit sogar sowohl in der Staatsoper als auch in der Volksoper dargeboten. Der Komponist Engelbert Humperdinck, der u.a. als Assistent Richard Wagners bis zu dessen Tod 1883 in Bayreuth tätig gewesen war, blieb dem Genre der Märchenoper auch in seinen folgenden Werken treu, konnte allerdings nur mit seiner 1910 an der New Yorker MET uraufgeführten Oper Königskinder erneut international reüssieren. Diese wurde bis zum 2. Weltkrieg vor allem im deutschen Sprachraum hinauf und hinunter gespielt, was nach der Machtübernahme durch die Nazis zuletzt allerdings nur möglich wurde, nachdem man den Namen der jüdischen Librettistin Elsa Bernstein-Porges verschwiegen und stattdessen nur noch das unverfängliche Pseudonym Ernst Rosmer verwendet hatte.

Dass sich ausgerechnet die Oper Graz nun dieses seit gut 80 Jahren vergessenen Werks angenommen hat, ist kein Zufall, gehört es doch zur Programmlinie dieses Hauses, alljährlich zumindest einem verschollenen musikdramatischen Werk die Chance einer neuerlichen Bewährung einzuräumen. In der vergangenen Saison war es die Oper Krol Roger von Karol Szymanowski, heuer fiel die Wahl auf Humperdincks Königskinder: eine wahre Königsidee, um es gleich auf den Punkt zu bringen. Die Grazer Neuproduktion bestätigt nämlich die Qualität dieses Werks, das sich im Vergleich zu Hänsel und Gretel als gereifter und gewichtiger entpuppt: Es fehlt ihm zwar die Vertrautheit durch den liebevollen Einsatz bekannter Kinderlieder, wirkt aber insgesamt musikalisch dramatischer – wagnerischer  – angelegt und ist auch von der Handlung her höchst eigenständig, enthält das Werk doch eine gehöriger Portion an Sozialkritik: Gezeigt wird eine saturierte, wohlgenährte Gesellschaft, der es materiell an nichts mangelt, die aber merkwürdige Sehnsüchte hat: Die Bürger von Hellastadt wünschen sich nämlich nichts mehr als  einen neuen König, nachdem der alte Herrscher vor Jahren verstorben ist. – Die Hoffnung auf eine starke Hand? Als aber zwei Kandidaten, der Königssohne und die von ihm zur Braute erkorene vermeintliche Gänsemagd, vorstellig werden, jagt man sie unter Schimpf und Schande weg. Nur ein Kind, die Tochter des Besenbinders, erkennt in ihnen die wahren Könige. Als sie nach einiger Zeit ausgehungert wiederkommen, sterben sie am Verzehr eines Brotes, das von der Großmutter der Gänsemagd, einer Hexe, mit einem Fluch belegt worden war. Der Spielmann und die Kinder, die sich gemeinsam auf der Suche nach ihnen gemacht haben, kommen zu spät. Ein trostloses Märchen ohne Happyend. Voll von latenter Aggressivität und Gewalt. – Vier Jahre nach der Uraufführung taumelt zuerst Europa und dann die ganze Welt in den Krieg.

Die Ausführungen des für die Inszenierung zuständigen Regisseurs Frank Hilbrich im Programmheft klingen vielversprechend. Leider löst er seinen darin angekündigten sozialkritischen Ansatz nur zum Teil ein. Da wäre mehr an Deutung möglich gewesen. So aber bleibt man als Zuseher merkwürdig unbeteiligt, es gelingt dem Geschehen auf der Bühne nicht, das Publikum einzubeziehen. Man verfolgt eine Handlung, die einem zu rätselhaft bleibt – was bei einem Märchen freilich okay wäre, die einem aber auch zu abgehoben vorkommt und so jedwede Identifizierung mit einer der handelnden Personen verunmöglicht. Das liegt z. T. aber wohl auch an den gekünstelten, gestelzt daherkommenden Dialogen der Librettistin Elsa Bernstein-Porges, die sich offensichtlich an Richard Wagners kühner Bühnensprache orientiert, aber epigonal bleibt und nur allzu oft lächerlich wirkt. Gar nicht lächerlich hingegen ist die Musik Engelbert Humperdincks, die sich zwar auch vom Zauber des Bayreuther Genies beeinflusst zeigt, sich aber genügend Eigenständigkeit bewahrt hat. Wie er das grübelnde, verzweifelte und dennoch stets liebevoll bleibende Gespräch zwischen der Gänsemagd und dem Königssohn im letzten Akt vertont hat, lässt sich in seiner Wirkung ohne weiteres mit der bewegenden Abschiedsszene zwischen Wotan und seiner Walkürentochter vergleichen, wenn auch natürlich in einem anderen Maßstab – eben dem einer spätromantischen Märchenoper.

Markus Butter (Der Spielmann). Foto: Oper Graz / Werner Kmetitsch

Marius Burkert am Pult der Grazer Philharmoniker lässt – in der Umsetzung unterstützt von einer Riege exzellenter Blechbläser – vor allem den an Wagner geschulten, vollen Klang hervorstechen, der es in manchen Passagen den Sängern auf der Bühne allerdings nicht gerade leicht macht, was vor allem Markus Butter als Spielmann zu spüren bekommt. Dem bewährten Grazer Bariton gelingt es zudem nicht so recht, die geheimnisvolle Außenseiterrolle seiner Figur kenntlich zu machen. Warum er allerdings zu Beginn mit einem knorrigen Wanderstab auftritt, im 3. Akt, mit einem kaum ausgeheilten Bein, aber keine Gehhilfe mehr zur Verfügung hat, ist unbegreiflich und wohl der Regie geschuldet.

Wilfried Zelinka als Holzhacker ist rollengerecht ein derber, robuster Geselle. Martin Fourniers Besenbinder wirkt hinterhältig und verschlagen und zeigt, wie man auch kleinen Rollen ein markantes Profil verleihen kann. Großes Lob verdient sein (vermutlich auch im wirklichen Leben) Töchterchen Stephanie Fournier, die mit ihrem kindlichen Sopran als hellsichtiges Mädchen aufhorchen lässt. Überhaupt kommt dem perfekt einstudierten Kinderchor – der „Singschul‘“ unter der Leitung von Andrea Fournier – in diesem Werk eine zentrale Rolle zu, die mit Bravour gemeistert wird.

Glänzend schlägt sich Polina Patirchak als Gänsemagd. Am Anfang ein lebenshungriges, neugieriges Mädchen, dem übel mitgespielt wird, das aber bis zum bitteren Ende, allen Enttäuschungen zum Trotz, die Hoffnung auf einen guten Ausgang nicht verliert und am Glauben an die große Liebe ihres Lebens und das gemeinsame Glück festhält. Ihr heller, frischer Sopran passt gut zum fein timbrierten Tenor von Maximilian Schmitt, der als Königssohn zwar gewisse gesellschaftliche Erwartungen hat und gerne Karriere machen will. Aufgrund seiner Kleidung und des Umstands, über keinerlei Mittel zu verfügen, bestehen allerdings Zweifel an seiner wahren Herkunft und Abstammung, die er nicht so einfach aus dem Weg räumen kann. Das gilt allerdings auch von seiner Braut. Ist sie wirklich nur eine Gänsemagd? Wer sind ihre Eltern?  Ist die Hexe tatsächlich ihre Großmutter? Ist ihre Großmutter tatsächlich eine Hexe? – Christina Baaders Gestaltung dieser Figur lässt diese Frage freilich offen, was durchaus im Sinne des Regiekonzepts zu sein scheint. Dennoch wirkt sie hier etwas zu unverbindlich. Diese geheimnisumwitterte Frau hat außerordentliche Fähigkeiten, aber auch große Probleme. Einmal schlägt sie mit den Fäusten wild und voll Verbitterung gegen die Wand. Warum? Da würde man gerne ein paar Andeutungen bekommen.

Aus dem Ensemble hervorzuheben wären noch David McShane als Ratsältester, Antonia Cosmina Stancu als Wirtstochter und Mareike Jankowski als Stallmagd. Die Kostüme von Gabriele Rupprecht statten die Bürger von Hellastadt mit monströsen Wohlstandsbäuchen aus, das Bühnenbild von Volker Thiele setzt auf den Kontrast zwischen der herbstlichen, in gelb-rot-braun-grüne Farben getauchten Naturkulisse auf dem Land und dem kahlen, weißgetünchten Räumlichkeiten in der Stadt, die eisige, todbringende Kälte ausstrahlen.

Fazit: Königskinder in Graz – eine Entdeckung wert!

WIEN/ Staatsoper: FIDELIO – Urfassung 1805. „Eine Leonore zu viel“. Premiere

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WIEN/ Staatsoper: Wien/ Staatsoper: FIDELIO – Urfassung 1805. „Eine Leonore zu viel“. Premiere

»Fidelio« (Fassung von 1805): Pizarro (Thomas Johannes Mayer) läßt von seinen Schergen die verräterischen Unterlagen wegschaffen. © Wiener Staatsoper GmbH/Michael Pöhn
Pizarro (Thomas Johannes Mayer) und seiner Schergen räumen auf, bevor „der Chef“ kommt!. Foto: Michael Pöhn/ Wiener Staatsoper

Die dritte Premiere der laufenden Spielzeit an der Wiener Staatsoper galt Ludwig van Beethovens. „Fidelio“-Erstfassung aus dem Jahr 1805. Das Haus am Ring gönnte sich sogar den Luxus einer szenischen Produktion und den Programmzettel schmückte der Hinweis: „Erstaufführung an der Wiener Staatsoper“. „Fidelio“ (Urfassung) an der Wiener Staatsoper

http://www.operinwien.at/werkverz/beethov/afidelio18.htm

Dominik Troger/ www.operinwien.at

MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: JUDITH: KONZERT FÜR ORCHESTER / HERZOG BLAUBARTS BURG

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Staatsoper München: Neuproduktion 1.Febr. 2020

JUDITH: KONZERT FÜR ORCHESTER / HERZOG BLAUBARTS BURG

Konzert für Orchester in fünf Sätzen (1944) / Oper in einem Akt (1918)

Komponist Béla Bartók · Libretto von Béla Balázs
In ungarischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Einlassungen von Tim Theo Tinn

„Der Berg kreißte und gebar eine Maus!“


Bayrisches Staatsorchester und Leinwand (ca. 40 Minuten Film). Foto: Bayerische Staatsoper/ Wilfried Hösl

Der Abend verblüfft: vollmundig als außergewöhnlicher Opernthriller angekündigt, der männliche Fantasien durch neue radikale feminine Perspektive killt, erlebte man 2 irrlichternde Personen in Schmuddelwelten, die sängerischen Zenit weit überschritten haben.

Nina Stemme als Titelfigur Judith überrascht mit Aufgabe der Gesangskultur und schrie über weite Strecken ohne Legato.  John Lundgren als Blaubart konnte in den ersten Minuten überzeugen, dann war die Luft raus – Mittellage blieb akzeptabel, nach oben unten wurde gekämpft.

(Erinnerung: Luis Lima, der Zarte, vor Jahrzenten, mit nahezu einem HNO-Labor in der Garderobe, das er zwischen seinen Auftritt durchgehend für Inhalationen etc. nutzte.) Beide haben noch enormes Volumen ohne störendes Vibrato -aber die Stimmen klingen beschädigt (zu viel Wagner?) und poltern.

Der Jubelkanon in Publikationen der Münchner Staatsoper: starkes feministisches Programm der herausragenden Regisseurin, die einem Werk ihren Stempel aufdrückt, bedeutendste lebende Regisseurin mit einzigartigem Stil und emotionale/wahrhaftiger Eindringlichkeit realistisch psychologisch fundierte Deutung, jede noch so unbedeutend scheinende Geste, der Körpersprache usw.

Das szenische Ergebnis bestreitet diese Lobhudelei in Gänze, hier sollte man in Ankündigungen ein anständiges Unterstatement wählen, dann irritiert man weniger.

Die Suche nach einem kreativen Inszenierungsansatz scheitert, es gibt keinen. Da laufen 2 Menschen privat durch enge Räume, singen Dinge, die mit der Szene nicht korrespondieren – und der Zuschauer wundert sich nach China-Art: „Watt Nu?“

Exzeptionelle Tiefgründigkeit der dramaturgischen Durchleuchtung machen die Bühnenbilder deutlich:



Fotos: Bayerische Staatsoper/ Wilfried Hösl

Diese Schmuddelwelten sind nach Rezensenten  – Verständnis keine tiefgründige Neudeutung sondern Ergebnis überlebtem Regietheater – Miefs, verquerem Regietheater – Muffs in beliebigem unspezifischem optischem Verhaspeln – in der Hoffnung und Anbiederung auf/an deutungswütige Feuilletonisten/ Rezensenten. Es gibt offensichtlich keine strukturierte Interpretation, sondern allfällige Beliebigkeiten, die auf Einordung durch Außenstehende hoffen.

Handlungsorte gem. Libretto:

…imaginäre Burg,mächtige runde gotische Halle“ mit einer Steiltreppe zu einer kleinen Eisentür. Rechts neben der Treppe befinden sich sieben große Türen. Ansonsten ist die Halle düster und leer und ähnelt einer Felsenhöhle

…..blutrot glühender langer Lichtstrahl durch die Öffnung auf dem Hallenboden. Hinter der Tür, Blaubarts Folterkammer mit blutigen Wänden und verschiedenen Instrumenten Hinter dieser leuchtet es rötlichgelb.

… Blaubarts Waffenkammer mit blutverschmiertem Kriegsgerät. Tatsächlich wird es durch die Lichtstrahlen in der Burg heller,

… Tür „mit warmem, tiefen erzenen Klang öffnet sich und ein goldener Lichtstrahl tritt heraus. Es ist die Schatzkammer voller Gold und Edelsteinen …. Tür, durch die eine „strahlende Lichtflut“ eintritt …, dahinter das große Land des Herzogs mit Wäldern, Flüssen und Bergen, …durch eine Wolke, die „blutigen Schatten“ wirft. Das Innere der Burg selbst ist jetzt hell erleuchtet.

…. Tür, durch die es blaugrün leuchtet. Dahinter befindet sich der „verborgene Garten“ der Burg mit riesigen Blumen – doch auch die Rosenstämme und die Erde sind blutig

… stiller Tränensee erscheint…. „Wie ein Schatten fliegt es durch die Halle“, und das Licht trübt sich wieder ein.

… siebte Tür strömt silbernes Mondlicht herein… Schatzkammer. Blaubart bleibt in der wieder dunkel gewordenen Burg zurück: „Und immer wird nun Nacht sein… Nacht… Nacht…“

Könnte das keine Basis für eine werkimmanente Sichtung sein, z. B.  in einer über der Realität stehenden Form (surreal) eine berührende Theatersprache begründen? Wenn man stattdessen eine abgewrackte Mannschaftsdusche, einen rostigen Tresorraum usw.  wählt ….

Ich wiederhole mich: n. m. E. wollen Unkundige hier nur einem falsch verstandenen Zeitgeist huldigen. Musiktheater ist kein Ort für durchgeknallte Ideen, verlangt rational durchforschte Sichtung der Vorlage und daraus die Transformation in heutigen Zeitgeist.

Die Regisseurin soll Verfechterin der medialen Verschränkung von Film und Theater sein, tatsächlich wird über 40 anfängliche Minuten überhaupt nichts verschränkt, es gibt keine Bühne, sondern Film auf recht kleiner Leinwand (s. o.).

So liefert man Gründe, Theater abzuschaffen. Schon in der Wozzeck Besprechung habe ich mich dem Thema gewidmet. So total gegen Bühnengeschehen gerichtetes Arrangement im Theater habe ich noch nie erlebt.

https://onlinemerker.com/muenchen-bayerische-staatsoper-wozzeck-exemplarische-inszenierung-an-der-bayerischen-staatsoper/

„Tatsächlich hat die Entwicklung schon eingesetzt. In Online Merker werden z. B. laufend Kino, TV und Live – Streams Übertragungen vorgestellt. Da ist es mglw. nur noch ein kleiner Schritt die hochsubventionierten Theater-Plätze zu sparen. …. werden museale Repräsentationsbesuche in Prachtbauten obsolet.

… Bereinigung in Quantität und Qualität erfolgen. Überlebte Traditionen müssen befragt werden. Sind antiquierte 140 Theater/130 Orchester nötig, oder kann das Interesse mglw. durch neue Medien besser bedient werden?“

Der Stummfilm als Vorgeschichte der Protagonisten angekündigt, hat diese Informationen nicht gegeben.  Als Soda – Film (er ist halt so da) kommt er bedeutungsschwanger, ideenarm und inhaltsleer. Stummfilm vor 100 Jahren war schon informativer, da es Untertitel gab.

Aus dem Unstrukturierten:

Auto wird mit einem Schwamm geputzt, Krawatte wird gebunden, Fingernägel werden in Großaufnahme lackiert, Hände in Folie eingewickelt, hochinteressante immerwährende Großaufnahmen von Frau Stemmes Tränensäcken, Fahrten durch nasskalte nächtliche Großstadt usw.

Für den Rezensenten entsteht aus solchen hingeworfenen Fetzen ein Problem. Bartoks „Konzert für Orchester“ wird zu Begleitmusik dieses kinematographischen Erzählversuches degradiert. Es ist ein Konzert für Instrumentengruppen in solistischen Höhepunkten, mit sehr prägnanten eigenen musikalischen Charakterstudien. Diese werden entzaubert durch den fragwürdigen (nicht rätselhaften – Rätsel kann man lösen) Film ist man ständig gedanklich unterwegs diesen Verirrungen irgendetwas abzugewinnen. Das blockiert emotionale Aufnahme und zerstört den Zugang.

https://www.concerti.de/werk-der-woche/bartok-konzert-fuer-orcheste

Der Film liefert atmosphärisch überhaupt keine Anbindung an den Duktus der Musik, sondern plätschert in eigener Couleur vor sich hin – es entsteht keine dramatisch assoziative Anbindung.  So ist dieses „Konzert für Orchester“ untergegangen und entzog sich einem auditiven Erlebnis.

Im Zentrum von Bartóks „Konzert für Orchester“ steht z. B. ein herbes, sehnsuchtsvoll trauerndes, erschütterndes Klagegedicht.

Mariss Jansons: „Das ist ein wichtiger Moment, dort ist schon sehr viel Mystisches, Gespenstermomente, so was ganz Unklares. Dann kommen wir zurück zu Positivem und auch zu Humor und Groteske.“

Diesen häufigen Zeitgeist, Inhalte bis zur Ungenießbarkeit zu verwirbeln, sollte man vernichten.

Zur folgenden szenischen Aufführung bleibt noch ein Hinweis zur genialen Idee Ungarisch zu singen.  Um überhaupt weitgehend Unbekanntes kennenzulernen, muss man durchgehend an den Übertiteln hängen, somit gehen szenische Momente unter.

Zur musikalischen Leitung von Oksana Lyniv kann ich mich kaum äußern, da ich mit den überbordenden szenischen und auch sängerischen Ungereimtheiten zu beschäftigt war. Ich schätze Frau Lyniv aus wenigen Erfahrungen. Für diesen Abend kann ich nur grundsätzlich funktionierende Tempi und Dezibel bestätigen. Zu  orchestraler Feinzeichnung blieb meine Wahrnehmung durch Unverständnis und Ärger reduziert.

 Zu „Me Too“, das die Regisseurin im Vorfeld n. m. M.  völlig überzogen benutzt , alles Maskuline verteufelt hat, folgt  (auch im Hinblick auf 3 aktuelle Premieren in Wien) ein gesonderter Kommentar.

Besetzung, Inhalt etc.:

https://www.staatsoper.de/stueckinfo/judith-konzert-fuer-orchester-herzog-blaubarts-burg/2020-02-071900.html?tx_sfstaatsoper_pi1%5BfromSpielplan%5D=1&tx_sfstaatsoper_pi1%5BpageId%5D=528&cHash=996376e7b956446fc7a71944d9fb9902

Für die Regisseurin ist „brillante Bühnenkunst das höchste Ziel“ – dem kann man mit Begeisterung zustimmen – wo waren nur die Brillanten in diesen Schmuddelwelten?

Tim Theo Tinn 2. Febr. 2020

TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt, keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zu haben. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.

Film: THE LODGE

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Filmstart: 7. Februar 2020
THE LODGE
USA, GB / 2020
Drehbuch und Regie: Veronika Franz & Severin Fiala
Mit: Riley Keough, Jaeden Lieberher, Lia McHugh, Richard Armitage, Alicia Silverstone u.a.

Die Atmosphäre ist beklemmend. Eine hoch verstörte Mutter (Alicia Silverstone) bringt ihre beiden Kinder, der Sohn vielleicht 16, die Tochter vielleicht 13, zu dem Mann, von dem sie getrennt lebt. Der teilt ihr mit, dass sie die Scheidung nun endlich finalisieren sollten, denn er möchte seine Freundin heiraten. Und dann die Katastrophe…

Sechs Monate später leben die Kinder beim Vater, der nun endlich Nägel mit Köpfen machen will. Beim Winterurlaub in einem einsamen Haus sollen Grace, die Neue, und Aidan und Mia einander endlich näher kommen. Papa fährt zurück zur Arbeit, am Wochenende ist er wieder da. Allein sollen sich die drei besser kennen lernen.

Klar, das ist eine Horrorfilm-Situation, zumal wenn das fragliche Haus – die titelgebende „Lodge“ – ein so prächtiger, riesiger und notabene furchterregender Holzbau ist. Und so, wie die Kamera durch leere Flure fährt, ist schon klar: Man soll sich recht, recht fürchten…

Veronika Franz und Severin Fiala, die mit „Ich seh ich seh“ 2014 schon einen richtig grauslichen Film gedreht haben (in dem Kinder auch eine große Rolle spielen), konnten für dieses Projekt immerhin britisch-amerikanische Produzenten interessieren. Gewiß, es ist kein teures Produkt, wenig mehr als ein Schauplatz, wenige Darsteller und kein echter Star darunter. So ein feiner, kleiner Horror-Film der B-Klasse hätte da heraus kommen können.

Tatsächlich aber hat die Geschichte, die mäßig spannend verläuft, kaum eine originelle Idee. Sie arbeitet sich auf die mit Gelassenheit erwartete Schlußpointe mit den absolut obligaten Mitteln zu. Man weiß auch gleich, wo „gut“ und „böse“ ist. Grace (Riley Keough, Elvis Presleys sehr hübsche Enkelin – das hat sie von Prsicilla) ist vom ersten Augenblick an, wenn sie ins Auto steigt, ein liebenswertes Geschöpf, das nur das Beste will. Sie liebt Richard (Richard Armitage – in „The Hobbit“ sah er interessanter aus, hier ist er ein ganz normaler, geplagter Mann, um Familienfrieden bemüht), und sie weiß, dass sie mit seinen Kindern zurecht kommen muss. Sie hält sich quasi an ihrem süßen, kleinen, weißen Hündchen fest – und versucht es.

Die Kinder – ja, die gefallen einem weniger. Sicher, sie geben der neuen Frau die Schuld am Tod der Mutter, einfach ist es für sie nicht. Aber Aidan (Jaeden Lieberher, auch als Jaden Martell geführt, was irritiert, aber jedenfalls einer der Jungs aus dem „Es“-Horrorfilm) schaut gar zu feindselig drei, und die kleine Schwester Mia (Lia McHugh) tut, was er sagt und fürchtet sich. Also – Feinseligkeit.

Es ist nicht schwer zu erraten, was los ist, wenn seltsame Dinge passieren. Von Grace erfährt man, dass sie die Überlebende einer Sekte ist, psychisch labil und gänzlich von ihren Medikamenten abhängig. Dass es Folgen hat, wenn diese plötzlich nicht mehr da sind, dass sie sich Übersinnliches einreden lässt, schließlich vermutlich tatsächlich überschnappt – wen wundert’s?

Natürlich braucht ein Film wie dieser eine grausige Schlußpointe, es gibt sogar zwei, aber auch daran sieht man, wie einfach diese Geschichte gestrickt ist, die durch etwas aufgeblasene Kameraarbeit und Musik und Geräusche „grauslich“ gemacht werden soll. Schade um die Lodge, das Gebäude nämlich: Wenn da nette Leute zusammen kämen, könnte es darin echt gemütlich sein.

Renate Wagner


Film: INTRIGE

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Filmstart; 7. Februar 2020
INTRIGE
J’accuse / Frankreich / 2019
Drehbuch und Regie: Roman Polanski
Mit: Jean Dujardin, Louis Garrel, Emmanuelle Seigner u.a.

Die Franzosen sprechen nicht gerne über die „Dreyfus-Affäre“, schließlich erinnert sie daran, dass der französische Antisemitismus nicht weniger heftig war als der deutsche oder österreichische (und, um das gerechterweise auch zu erwähnen, der englische und amerikanische…). Heute ist es eine erwiesene Tatsache, dass das französische Militär im Jahre 1895 den bequemsten Weg ging, als sie einen deutschen Spion in ihren Reihen ausmachten. Sie manipulierten „Beweise“ so, dass alles auf den einzigen Juden im Corps, den ehrgeizigen Alfred Dreyfus, wies. Man verurteilte ihn, schaffte ihn auf die Teufelinsel, einen Felsen im Atlantik, und kein Mensch scherte sich weiter darum, „dass der Jude da irgendwo auf einer Insel sitzt“.

Bis auf einen Ehrenmann, Oberst Marie-Georges Picquart, der zum neuen Geheimdienstchef befördert wurde und nach und nach Indizien dafür fand, dass nicht Dreyfus, sondern der Offizier Walsin-Esterházy der Verräter war. Bestseller-Autor Robert Harris, der eine wunderbare Hand für historische Stoffe hat, ob er sich mit Cicero beschäftigt, ob mit Dreyfus, hat einen überaus spannenden Roman geschrieben – weniger über die Affäre Dreyfus selbst, wenngleich es signifikante Szenen als Rückblende gibt, als vielmehr über Picards Kampf um Gerechtigkeit.

Da tritt der Antisemitismus, der natürlich nie aus der Überlegungen verschwindet, in den Hintergrund angesichts der Mauer, die die Phalanx der militärischen Verantwortlichen bilden, angesichts der Bereitschaft der Politik, Unrecht zuzulassen (weil man den Fall ein- für alle Male erledigt haben wollte), angesichts der Gleichgültigkeit, menschlichem Elend gegenüber. Picard war im Grunde mit all seinen Vorstößen erfolglos, weil die Mächtigen nicht bereit waren, Unrecht zuzugeben – und wie heute bedurfte es der Medien, um den Fall in die Öffentlichkeit zu tragen.

So laut anklagend– „J’accuse!“ -, dass es einen Aufschrei der Öffentlichkeit gab. Man darf nicht vergessen, wie mutig das von Emile Zola war, diese Anklage in die Zeitung zu setzen: ein Jahr Haft hätte ihm gedroht, wenn er nicht rechtzeitig nach England geflohen wäre (was dieser Film nicht zeigt).

Der Fall war damit nicht erledigt: Dreyfus wurde zwar zurück geholt, im zweiten Prozeß erneut verurteilt, bis dann das Gefüge der militärischen Verschwörung langsam bröckelte und die Wahrheit ans Licht kam. Der Prozeß, den man Esterhazy machte, endete mit Freispruch. Und die ganze Affäre spaltete die Nation und wurde zum Anheizen des Antisemitismus instrumentalisiert…

All das klingt wie trockener Geschichtsunterricht, ist es aber nicht in Harris’ Roman und noch weniger in der Verfilmung von Roman Polanski (der von diesem Autor schon 2010 den Roman „The Ghostwriter“ verfilmt hat). Irgendwie hat man immer den Eindruck von Polanski als jungem Mann, aber tatsächlich ist er, Jahrgang 1933, bald 87 Jahre alt. Und doch kein bisschen alt. So straff er die Zügel dieser Geschichte hält, so wenig er sich auf Demagogie und Gehässigkeit einlässt, so sehr sprüht sein Film von Kraft, obwohl er in der reglementierten Welt des Militärs und seiner Rituale spielt und immer die Form gewahrt sind. Wie Picard Schritt für Schritt der Verschwörung gegen Dreyfus auf die Spur kommt, ist ein ungemein spannender Krimi. Der aber nie seine Aussage vergisst – nicht eine Sekunde lang.

Die Besetzung ist hervorragend: Jean Dujardin hat sich dermaßen in Picard verwandelt, dass man in ihm gar nicht den „Stummfilm-Star“ erkennen würde, der einst im Mittelpunkt der „Oscar“-gekrönten Komödie „The Artist“ (2011) stand. Entscheidend ist, dass man ihm die absolute Integrität abkauft, den Mann, der sich nicht biegen und nicht korrumpieren lässt. Es ist ein kluger Schachzug, dass Louis Garrel den verbissenen Dreyfus, seinerseits Soldat bis in die Fingerspitzen, nicht unbedingt sympathisch zeichnet – ihn durchglüht der Ehrgeiz des Außenseiters, der es um jeden Preis schaffen will. Neben den beiden eine edle Ansammlung erster französischer Schauspieler und faktisch nur eine Frau: Dass es Polanski-Gattin Emmanuelle Seigner ist, nimmt dem Regisseur sicher niemand übel. (Wie historisch sie als Geliebte von Picard ist, müsste man recherchieren, spielt aber keine Rolle.)

Der ganze Fall ist mehr als ein Jahrhundert her. Aber noch heute würde eine Institution wie das Militär vermutlich eng zusammen rücken, um Unrecht zu vertuschen, noch heute würden Politiker nach pragmatischen Erwägungen handeln und kaum vordringlich im Sinne der Rechts, noch heute würde man mit Wonne auf den „Juden“ zeigen, dem man meint, etwas vorwerfen zu können, noch heute könnten die Medien (und sie allein) bewirken, dass in gewissen Fällen eine Wendung eintritt. Das ist ein Kostümfilm, aber es ist auch ein Film von heute. Und von Polanski meisterlich inszeniert.

Renate Wagner

 

STUTTGART/ Staatsoper: BORIS von Mussorgski/Newski. Premiere

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Der Stuttgarter Staatsopernchor. Foto: Matthias Baus

STUTTGART: Premiere „Boris“ von Mussorgski/Newski am 2. Februar 2020 in der Staatsoper/STUTTGART

Viele verschiedene Zeitebenen

 Hier betritt das Regie-Team Neuland. Zwei Werke werden hier gleichzeitig raffiniert verzahnt: In der Regie von Paul-Georg Dittrich verschmilzt Modest Mussorgskis „Boris Godunow“ mit Sergej Newskis Neukomposition „Secondhand-Zeit“. Newskis Werk basiert auf Texten der Literatur-Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch, die in ihrem gleichnamigen „Roman der Stimmen“ die Lebenserfahung unzähliger Einzelner in Zeiten politischer Wirren nach der Perestroika zu Literatur umarbeitete. Stimmen aus der jüngeren Vergangenheit tauchen plötzlich auf und stellen Fragen an Gegenwart und Zukunft.


Adam Palka als Boris. Foto: Matthias Baus

Mussorgskis „Boris Godunow“ wird ungekürzt in der Urfassung und in russischer Originalsprache gespielt, was ein Vorteil ist, denn auch Rimskij-Korssakows Bearbeitung lässt Fragen offen. Newskis musiktheatralische Erinnerungssplitter erklingen zwischen den einzelnen Mussorgski-Tableaus. Dabei besteht natürlich die Gefahr, dass Mussorgskis Meisteroper zerstückelt wird und vielleicht auch weniger effektvoll wirkt. Man kann geteilter Meinung sein. Die Krönung Boris Godunows zum Zaren weckt auch hier Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Doch die Vergangenheit holt ihn ein: Ein Mann nahmens Dimitri soll als Kind in Godunows Auftrag ermordet worden sein. Zar Boris zerbricht an der Wiederkehr der Toten – und „Secondhand-Zeit“ von Newski lässt das Publikum in traumatische Erlebnisse eintauchen. Da sieht man dann ein riesiges Auge, in dessen Innerem sich ölbedeckte Vögel befinden. Oder es erscheinen Stalin, Roosevelt und Churchill anlässlich der Nachkriegs-Verhandlungen. Aber auch Gorbatschow und seine „Perestroika“ werden hier in suggestiver Weise sichtbar.

Diese visionären Bilder strömen auf die Zuschauer ein. Verschiedene Zeitebenen werden gleichzeitig gestreift. Ein Guckkastentheater öffnet sich plötzlich in gewaltiger Weise: Goldene Tore und riesige Masken beeindrucken den Betrachter. Da sieht man dann Lenin, Putin und die Zaren Peter der Große und Nikolaus II., da verdichtet sich Geschichte auf einem konzentrierten Raum. Im oberen Zeitfenster erscheint zudem das Konterfei von Karl Marx zwischen Totenköpfen und halb verendeten Menschen. Eine erschütternde Szenerie, die sich tief einprägt. Die Bühne von Joki Tewes und Jana Findeklee scheint sich dabei immer mehr zu erweitern und auszudehnen. Und auch die Kostüme von Pia Dederichs und Lena Schmid passen sich mit Goldbrokat-Gewändern den szenischen Gegebenheiten an. Video-Einblendungen von Vincent Stefan zeigen sogar Szenen aus dem Ersten Weltkrieg. Zuletzt wird der sterbende Zar Boris in seiner Kammer eingemauert. Das ist eine glänzende Regie-Idee.

Unter der elektrisierenden Leitung von Titus Engel musiziert das Staatsorchester Stuttgart vor allem auch Sergej Newskis Partitur in hervorragender Weise. Die barocke Stimmbehandlung und das Dehnen des Textes treten so grell und deutlich hervor. Das melismatische Aussingen von Zeilen sticht immer wieder eindringlich heraus und wird von den Sängern ausgezeichnet gelöst – allen voran Maria Theresa Ullrich als Mutter des Selbstmörders. Sie singt auch sehr klangschön Xenias Amme. Und auch Carina Schmieger kann als Geflüchtete ebenso hervorragend überzeugen als auch als Xenia bei Mussorgski sowie Alexandra Urquiola als die Aktivistin und Fjodor. Stellenweise erinnert Newskis Partitur auch vereinzelt an Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten“. Das Publikum wird auf jeden Fall in gewaltiger Weise gefordert, was man ebenso von den Sängern sagen kann.


Adam Palka (Boris), Carina Schmieger (Xenia). Foto: Matthias Baus

Doch unter der sehr kompetenten Leitung von Titus Engel musiziert das Staatsorchester Stuttgart ausgezeichnet flexibel, die Sänger werden wie auf Händen getragen. Dies kommt vor allem auch dem fulminanten Boris von Adam Palka zugute, dessen Angstmonolog im zweiten Akt eine grandiose gesangliche Verdichtung erfährt. Sein Abschiedsmonolog mit dem ergreifenden Des-Dur des Gebets „Herrgott, ewiger Vater“ erreicht gesangliche Siedegrade, die diese kernig-kraftvolle Baritonstimme prägen. Hervorragend hinsichtlich Intonation und wandlungsfähiger Kantilenenführung ist auch Fürst Wassili Schuiski in der Darstellung von Matthias Klink. In weiteren Rollen überzeugen Goran Juric als Pimen, Elmar Gilbertsson als Grigori Otrepjew/Der jüdische Partisan, Ramina Abdulla-zade als der jüdische Partisan (Kind), Urban Malmberg als Der jüdische Partisan (als alter Mann), Friedemann Röhlig als Warlaam, Stine Marie Fischer als  Schenkwirtin/Die Frau des Kollaborateurs, Petr Nekoranec als Gottesnarr/Der Obdachlose, Pawel Konik als Schtschelkalow, Charles Sy als Missail/Leibbojar, Ricarda Llamas Marquez als Mikititsch/Offizier der Grenzwache sowie Matthias Nenner/Heiko Schulz als Mitjucha.

Bewegend und grandios agiert der famose Staatsopernchor Stuttgart in der Einstudierung von Manuel Pujol, dessen Volumen an diesem Abend so monumental ist, dass man gar einen Aufbruch in neuartige dynamische Sphären vermutet. Von der naiven Kinderweise bis hin zu wildester Leidenschaft steigert sich dabei die harmonische Entwicklung. Aber auch die russische Volksmusik triumphiert in immer wieder anderen klangfarblichen Schattierungen. Tremolo-Akzente der Streicher unterstreichen aufwühlend die Atmosphäre der Angst und des Entsetzens, die am Zarenhof herrscht. Auch das Glockenthema wird unter der emotionalen Leitung von Titus Engel in großartiger Weise gestaltet. Klösterliche Ruhe und bewegtes Volkstreiben erreichen im ersten Akt eine nuancenreiche klangliche Entsprechung. Der westliche Charakter des in Polen spielenden dritten Aktes wird dabei durchaus unterstrichen. Die magische Suggestionskraft dieser Musik und das mächtige theatralische Pathos kommen an diesem Abend voll zur Entfaltung. Der Jüdische Partisan aus „Secondhand-Zeit“ kommt beispielsweise in mehreren Intermezzi dem traumatischen Kern seiner Kindheit näher. Ergänzt wird dieses unheimliche Geschehen durch sechs der von Swetlana Alexijewitsch porträtierten Lebensgeschichten als durchaus reizvolle musikalische Erinnerungssplitter, wenngleich sie Mussorgskis Musik zuweilen in fataler Weise zerreissen. Da kommt es zu Brüchen, die harmonisch nur schwer zu kitten sind. Liebe und Familie werden dem Krieg um die Macht geopfert. Das ist erschütternd. Am Ende triumphiert ein ungeheurer Ausbruch aus diesem Kreislauf von Gewalt. Als utopisches Bild wird der achte Tag der Schöpfung beschworen. Man steht vor den Trümmern der Existenz.

Lang anhaltende Ovationen gab es an diesem Abend in heftiger Weise für die musikalischen Leistungen, „Buh“- und „Bravo“-Rufe galten der Inszenierung.   

Alexander Walther

ZÜRICH/ Opernhaus: IPHIGÉNIE EN TAURIDE. „Tristesse totale“ in Samtschwarz-Grellweiss. Premiere

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Christoph Willibald Gluck: Iphigénie en Tauride, Opernhaus Zürich, Premiere: 02.02.2020

 „Tristesse totale“ in Samtschwarz-Grellweiss


FOTO © Monika Rittershaus

Auf Wunsch von Cecilia Bartoli kam am Opernhaus Zürich Glucks Meisterwerk „Iphigénie en Tauride“ zur Premiere. Bartoli hat die Rolle der Iphigénie gleich selbst übernommen und Hausherr Andreas Homoki hat inszeniert.

Michael Levine (Ausstattung) hat Andreas Homoki (Inszenierung) dazu einen spitzen Tunnel in Samtschwarz auf die Bühne gestellt und den Chor und die Solisten (bis auf wenige Ausnahmen) gleich dazu in Samtschwarz gekleidet. Das Portal ist die ganze Zeit über, es wird ohne Pause gespielt, von einem schmalen, blendendweissen Rahmen eingefasst. Licht (Frank Evin) dringt nur in ganz seltenen Momenten herein.

Homoki möchte mit dieser Einrichtung das Familientrauma um das Geschwisterpaar Iphigénie und Orest und deren Eltern Klytämnestra und Agamemnon illustrieren. Die Göttin Diane und König Thoas sieht Homoki als Reflex als Spiegelung des Elternpaares.

Homoki bietet, wie nur er es kann, bestes Regietheater. Die kurze Einleitung mit dem Sturm im Orchester ist durch die Inszenierung der Vorgeschichte überlagert und das Stück im Weiteren einer Psychologisierung unterzogen, die dem Werk nicht gerecht wird, weil sie mit Wissen unserer Zeit arbeitet. Letztlich dient die Psychologisierung weniger dem Werk als der Selbstdarstellung des Regisseurs.

Hatten die Aufführungen von Rossinis „La Cenerentola“ mit dem Orchestra La Scintilla unter Gianluca Capuano noch positiv gestimmt, wird man in der Iphigénie nun vom absoluten Gegenteil heftig enttäuscht. Dem trägen Spiel fehlt jede Lebendigkeit und Spannung.


FOTO © Monika Rittershaus

Cecilia Bartoli hat sich die Iphigénie gewünscht und verkörpert die Rolle mit der von ihr gewohnten Perfektion. Die Stimme ist mit dem Alter naturgemäss kleiner geworden, trägt aber, wie auch bei der Cenerentola, im Zürcher Haus perfekt. Jean-François Lapointe leiht dem König Thoas seinen prächtigen Bariton. Die Krone des Abends gebührt Stéphane Degout und Frédéric Antoun als Oreste und Pylade: hier wird sofort klar, was mit dem Begriff „Empfindsamkeit“ gemeint ist. Das Ensemble ergänzen Birgitte Christensen und Katia Ledoux als Diane und Femme Grecque. Noelia Finocchiaro und Andres Wittmann verkörpern „Die junge Iphigénie“ und „Der junge Oreste“.

Begeisterter Applaus vom nicht unbedingt zahlreich erschienen Publikum.

Weitere Aufführungen mit Cecilia Bartoli als Iphigénie:

Di. 04. Feb. 2020, 19.00; Do. 06. Feb. 2020, 19.00; Sa. 08. Feb. 2020, 19.00; Di. 11. Feb. 2020, 19.00.

Weitere Aufführungen mit Birgitte Christensen als Iphigénie:

So. 16. Feb. 2020, 20.00; Do. 20. Feb. 2020, 19.00; So. 23. Feb. 2020, 18.00; Fr. 28. Feb. 2020, 19.00.

 

02.02.2020, Jan Krobot/Zürich

WIEN / Staatssoper: RUSALKA von Antonin Dvorák

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Sofia Solovyi. Foto: Theater St. Gallen

WIEN / Staatsoper: RUSALKA von Antonín Dvorák

21. Aufführung in dieser Inszenierung

2. Feber 2020

Von Manfred A. Schmid

Die erste Vorstellung einer Aufführungsserie bietet den unwiderstehlichen Reiz des Frischen, Neuen, Unbekannten. Mag auch noch nicht alles perfekt aufeinander eingespielt sein, bietet sich immerhin eine erste Möglichkeit, die Erwartungen anhand der vorliegenden Realisierung zu überprüfen, oder – was erfahrungsgemäß ratsamer ist – sich einfach auf das, was geboten wird, vorbehaltslos offen einzulassen und sich überraschen zu lassen von dem, was da kommt. Abstriche wird man gewöhnlich wegen der eventuell vorhandenen Nervosität und Anspannung aller Beteiligter einräumen, wohl wissend, dass der erhöhte Erwartungsdruck und der damit verbundene Adrenalinausstoß im Idealfall aber auch zu einzigartigen Leistungen anspornen kann. Erst bei der 3. Vorstellung, weiß man aus Erfahrung, ist das Optimum erreicht, läuft alles auf Schiene. (Falls es Schienen gibt, was bei manchen regietheaterlichen Experimenten – wie derzeit offensichtlich bei Leonore (Fidelio Urfassung) – zu bezweifeln ist. Dann entgleist das Ganze notgedrungen. Auch in allen folgenden Vorstellungen.)

Die 2. Aufführung, weil im Übergangsstadium befindlich, gilt daher in Rezensentenkreisen meist als nicht ganz so beliebt. Da tut sich was. Erste Anpassungen – aufgrund der bei der Premiere gemachten Erfahrungen – werden ausprobiert, eine gewisse Unruhe des vorsichtigen Experimentierens ist spürbar. Richtig Neues lässt sich da – gegenüber den Befunden in den ersten ernstzunehmenden Kritiken – meist noch nicht festmachen. Alles scheint noch im Fluss zu sein, der feste Boden noch nicht erreicht. Um da nicht einfach nur nachzubeten, was ohnehin schon gesagt bzw. geschrieben worden ist, wird man daher sein Augenmerk gewissen Details zuwenden, um so doch noch Erhellendes beisteuern zu können. Kritiken sind immer nur Momentaufnahmen, keine endgültigen Urteile. Sie gelten nur bis auf weiteres. Das gilt insbesondere für Rezensionen des am 2. Aufführungstag Gebotenen.

Manchmal freilich gibt es unerwartete Glücksfälle. So geschehen bei der 2. Vorstellung der aktuellen Rusalka-Aufführungsserie: Olga Bezsmertna, eine verlässliche, bewährte und geschätzte Hausbesetzung, fällt krankheitshalber aus. Eine weitgehend noch unbekannte junge Sängerin aus der Ukraine, die bisher nur an kleinen bis mittleren Bühnen, u.a. in Klagenfurt, Valencia und an der Volksoper Wien (2017 als Amalia in Verdis Die Räuber), aufgetreten ist, bekommt eine Chance – an der Staatsoper die Titelpartie in Dvoráks Rusalka zu übernehmen. Eine Rolle, in er sie seit Dezember – wie es der Zufall so will – im Theater St. Gallen ohnehin auf der Bühne steht: Sofia Soloviy. Ein Name, den man sich – diese Prophezeiung sei gewagt – merken sollte. Denn als beherzte und stimmlich wie auch darstellerisch bestens disponierte Einspringerin überzeugt sie von Anfang an und bewegt sich stets voll präsent und selbstbewusst durch die Aufführung. Ihr golden schimmernder, fein geführter, facettenreicher Sopran kommt bereits im sehnsuchtsvollen Lied an den Mond anmutig-träumerisch zu Geltung und weiß auch die emotionalen Tiefen ihrer jäh unterbrochenen Liebe zum  Prinzen und der nachfolgenden seelischen Verwundung profund auszuloten. Unter die Haut gehen auch ihre dramatischen, aufrüttelnden Begegnungen mit dem um ihr Wohl bekümmerten Wassermann und mit der bösartigen Hexe Jezibaba. Sofia Soloviys Rusalka ist aufgrund ihrer geheimen Wünsche ein rätselhaftes Zwischenwesen, das am Ende weder dem Reich der Menschen noch der Sphäre des Wasserwesen angehört, sondern in einem limbohaften Schwebezustand verharrt. Unerlöst, tief traurig, auf ewig verdammt. Schade nur, dass Maske und Kostümierung (verantwortlich Marianne Glittenberg) diesem Zustand nicht annähernd gerecht werden. Vor allem Rusalkas wie ein widerborstiger Schal herabfallende schwarze Haarsträhne ist ein – haarsträubendes – Ärgernis. Trotzdem: Sofia Solovyi gelingt mit ihrem unvorhergesehenen Einsatz, alles in allem, ein verheißungsvolles Hausdebüt. Nicht perfekt, aber mit guten Anlagen und ausbaufähigem Potenzial.

Dass Piotr Beczala derzeit in blendender Verfassung ist, zu den führenden Tenören der Gegenwart zählt und damit gerade auch für den Prinzen eine Idealbesetzung ist, zeigt er, wenig verwunderlich, auch an diesem Abend. Dasselbe gilt auch für die großartige Elena Zhidkova als Die fremde Fürstin. Souverän spielt sie ihre Vorzüge aus und verführt den Prinzen zum Treuebruch, den er schließlich bitter bereuen und mit seinem Leben bezahlen muss. Eindrucksvoll und äußerst beredt auch ihre Mimik und das expressive Spiel ihrer Hände: Streichelnd, krallend, tastend, liebkosend, weg- und und abstoßend. Eine Domina, die den Prinzen vorübergehend zur willenlosen Marionette degradiert.

Elena Zhidkova als Die fremde Fürstin. Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Jogmin Park als Wassermann ist noch immer eine imponierende, Autorität und Empathie ausstrahlende Erscheinung, stimmlich freilich nicht mehr ganz auf der Höhe. Die dämonische Jezibaba ist bei Monika Bohinec in den besten – in diesem Fall bluttriefenden – Händen. Wenn sie auftritt, folgt ihr stets der Schatten drohenden Unheils auf dem Fuß. Der unbekümmerte Küchenjunge von Rachel Frenkel muss dies am eigenen Leib qualvoll erleiden, während sein großsprecherischer Onkel (Gabriel Bermudez) bei der erstbesten Gelegenheit das Weite sucht und ihn feige im Stich lässt. Warum der Regisseur Sven-Eric Bechtolf in seiner Inszenierung so viel Wert auf blutige Gewalttätigkeit legt – Jezibaba ersticht den Küchenjungen im Blutrausch mit zahlreichen Messerstichen – bleibt ebenso ein Rätsel wie der Umstand, warum sich ausgerechnet die so anmutsvoll und betörend singenden Drei Elfen (nicht ganz homogen Diana Nurmukhametova, Szilvia Vöros und Margaret Plummer) am blutgetränkten Hemd des Küchenjungen lustvoll ergötzen müssen. Ansprechende Lösungen gelingen Bechtolf freilich auch: Wenn der Wassermann besorgt mahnend hinter der mit Eis beschlagenen Scheibe des Schlafzimmers im Palast des Prinzen auftaucht und sich eindringlich an Rusalka wendet, sowie wenn dort die Hochzeitsgäste Aufstellung nehmen, in schwarzer Trauerkleidung, mit weißen Brautkränzchen auf den Häuptern.

Der romantische Zauber eines traurigen Märchens ist in Bechtolfs Regie und Dank des trostlos-kalten Bühnenbilds von Rolf Glittenberg dem brutalen Ambiente eines albtraumhaften Mysterie-Thrillers gewichen. Zum Glück bleibt – all diesen Verfremdungen zum Trotz – eines unangetastet: Die hochromantische, expressive Musik Antonin Dvoráks. Dirigent Tomás Hanus setzt auf die Gestaltung großer Bögen, meißelt die in die Partitur musikdramatisch effektvoll eingestreuten dissonanten Spannungselemente fein heraus und schwelgt in den empfindsamen lieblichen Klängen ebenso wie in den durchaus humorvollen, böhmisch anmutenden Passagen am Beginn des 2. Aktes. Hochgestimmtes Musizieren amalgamiert mit ungetrübtem, mitreißendem, berührendem Musikantentum.

Begeisterter, das üblich Ausmaß weit überschreitender Applaus und viele Bravo-Rufe. Das Publikum wohl zu Recht hörbar davon überzeugt, einen nicht alltäglichen Opernabend erlebt zu haben.

BERLIN/ Philharmonie: SUOR ANGELICA von G. Puccini, „Faith to Face“ im Education Programm der Berliner Philharmoniker

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Kirill Petrenko dirigiert Puccinis „Suor Angelica“. Fot0: Michael Trippel

Berlin/ Philharmonie: Giacomo Puccinis „SUOR ANGELICA“,  „Faith to Face“ im Education Programm der Berliner Philharmoniker, 02.02.2020

„A Star is Born“, so mein Eindruck nach der Aufführung von Giacomo Puccinis Drama Suor Angelica“ im Rahmen des Education Programms der Berliner Philharmoniker. Erstmals dirigiert ihr Chef Kirill Petrenko in Berlin eine Oper, jedoch mit lauter jungen, sehr begabten Menschen.

Es sind die Stipendiaten der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker, die ihre Instrumente mit Verve und schon fast wie die Profis spielen. Einen guten Job macht auch der Chor des Vokalhelden-Chorprogramms. Mit dem Ausdruck „Volkhelden“ soll die Hemmschwelle tiefer gelegt und jungen Leuten Mut gemacht werden, dem Chor beizutreten.

Das größte Erstaunen erregen jedoch die 13 Sängerinnen, Gesangssolistinnen und Studentinnen der Berliner Musikhochschulen. Sie singen und spielen die Schwestern in diesem Marienkloster. Puccini gemäß Italienisch singend, gestalten sie ihre Rollen mit Temperament, Darstellfreude und bereits gut entwickelten Stimmen.

Die neu ins Kloster Eintretenden legen zunächst ihre farbenfrohe Garderobe ab, schlüpfen in die weiße Klostertracht und sitzen dann zusammen mit den schon länger im Kloster Lebenden auf einer langen Bank vor Petrenko und den Instrumentalisten/innen, aber direkt gegenüber dem Publikum. Auf einem großen Bildschirm sind sie außerdem genau von vorne zu sehen, ganz gleich, ob sie mal ärgerlich das Gesicht verziehen oder ihre Rollen singen.  

Oliver Proske hat das Bühnenkonzept und diese Videotechnik entwickelt, die in ihrem Dauerdasein mitunter etwas störend wirkt und von Puccinis Musik ablenkt. Wie sie gesungen wird, ist dagegen genau zu beobachten. Da alles direkt aufgenommen wird, zeigt sich zudem, dass die jungen Sängerinnen offensichtlich kein Lampenfieber haben.  

Wenn sie wegen ihrer kleinen Sünden eine Strafe erhalten, verziehen einige, wie gleichfalls erkennbar wird, durchaus ihre Gesichter, doch insgesamt wirken alle relativ zufrieden in dieser Abgeschiedenheit. Auch Ann Toomey als die tatsächliche Schwester Angelika (nun deutsch geschrieben).  

Nur einen Stachel trägt sie im Herzen: seit sieben Jahren hat sie nie eine Nachricht von ihrer begüterten Familie erhalten, die sie nach der Geburt eines unehelichen Sohnes in ein Kloster gesteckt hat, wo sie ihr „Vergehen“ büßen soll. Auch hat sie nie mehr ihren kleinen Sohn wiedergesehen.

Doch dann kommt endlich ihre fürstliche Tante zu Besuch, die auch Mezzo –Partien singende Sopranistin Katarina Dalayman. Aber nur mit einem Schriftstück, das die Neuverteilung des Vermögens regeln soll, da Angelikas Schwester heiratet. Frau Dalayman gibt sie als Person mit versteinertem Herzen, die auf Angelicas Frage nach ihrem Kind mitleidlos kundtut, dass es vor zwei Jahren verstorben sei.  


Suor Angelica. 2. von links Ann Toomey in der Titelrolle. Foto: Michael Trippel

Für Schwester Angelica bricht nun eine Welt zusammen, und wie Ann Toomey das singt, geht es direkt zu Herzen. Ihr kräftiger, intonationsreiner und klangvoller Sopran, der nach lyrischen Passagen nun ihre ganze Verzweiflung dramatisch ausdrückt, flutet durch die große, sehr gut gefüllte Philharmonie. Doch trotz der glaubhaft gestalteten Qual wird ihre Stimme selbst im hohen Bereich niemals schrill. Ihre intensiv heraus gesungene Verzweiflung treibt manchen Zuhörerinnen die Tränen in die Augen.

Die von der Tante mitgebrachte notarielle Urkunde reißt sie in Stücke und formt daraus eine Babyfigur, die sie sich auf den Arm legt. Nie hat sie den eigenen Sohn in den Armen halten können, jetzt will sie zu ihm in den Himmel gelangen.

Sie trinkt ein Unkrautvernichtungsmittel und erinnert sich zu spät daran, dass einer katholischen Selbstmörderin die Hölle gewiss ist. Ein neuer Verzweiflungsschub übermannt sie und wieder erbringt sie, Mutter Maria um Hilfe anflehend, eine packende gesangliche Leistung.  „A Star is Born“, so mein Eindruck, der später vom dem ihr zujubelnden Publikum vermutlich geteilt wird.

Während ihres Abgesangs und noch danach fertigen zwei Schwestern aus ihren früheren Kleidungsstücken lauter kleine Gräber für weitere aus Papier geformte Babys. Viele scheint es davon heimlich zu geben. Eine beeindruckende Idee der sich ansonsten angenehm zurückhaltenden Berliner Regisseurin Nicola Hümpel mit ihrem Ensemble Nico and the Navigators. Auch Petrenko gibt sich beim Schlussbeifall zugunsten der jungen Künstlerinnen und Künstler zurückhaltend, strahlt aber zu Recht übers ganze Gesicht. 

Hier alle Schwestern in ihren Rollen:

Ann Toomey Sopran (Suor Angelica); Katarina Dalayman Sopran (La zia principessa), Daniela Vega Mezzosopran (La badessa), Fleur Barron Mezzosopran (La suora zelatrice), Sarah Laulan Alt (La maestra delle novizie), Aurora Marthens Sopran (Suor Genovieffa), Qing Wang Sopran (Suor Dolcina), Aphrodite Patoulidou Sopran (La suora infirmiera), Alessia Schumacher Sopran (1. Almosensucherin), Ekaterina Bazhanova Mezzosopran (2. Almosensucherin und 2. Laienschwester), Yeo-Jung Ha Sopran (1. Laienschwester), Bernadeta Astari Sopran (1. Novizin), ergänzt durch die  spektakulär bewegliche Tänzerin Yui Kawaguchi (Suor Osmina).  

Ursula Wiegand

 

 

 

 

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