Quantcast
Viewing all 11208 articles
Browse latest View live

a t t i t u d e: This week’s recommendations: June 29th, 2021

a t t i t u d e: This week’s recommendations: June 29th, 2021

Due to the Summer Holidays, a t t i t u d e will also take some „Vacations“ and will restart its work next September. We can already reveal that, after a content relaunch, we will bring you lots of News, Articles and Interviews in a new form. Yes, we are not standing still as we are also reinventing ourselves.

With the best Summer Wishes,
I remain yours
Ricardo Leitner
a t t i t u d e

A Suite of Dances (part Première): Vienna State Ballet (May 20th, 2021)

Image may be NSFW.
Clik here to view.
20210522_093355.jpg

Read it here!

 

To the Lady in the fourth row (with her daughter): What is racism?

Watch the video here!

 

Exquisite work: Danielle Rowe’s „Wooden Times“! Watch the Video here!

 

Vienna State Ballet: Next Season’s Presentation.

Read it here!

 

Ricardo Leitner/ attitude

 

 

 


WIEN/ Staatsoper: LOHENGRIN zum Saisonabschluss

Image may be NSFW.
Clik here to view.
lohengrin d5a0437 vogt jakubiak

Klaus Florian Vogt, Sara Jakubiak. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Wiener Staatsoper am 30.6.2021: LOHENGRIN zum Saisonabschluss

Eine in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Saison ging zu Ende, und aus diesem Anlass lud die „Wirtin zum Schwan“ bereits zum 29. Mal in das von Wolfgang Gussmann gestaltete alpenländische Gasthaus, wo die ehemaligen und aktuellen ersten Familien der Gegend nach Vorgabe von Andreas Homoki darüber diskutierten, ob es nun ein Glück gibt oder nicht. Die aktuelle, viel gescholtene Produktion ist sicher keines, wenn der Rezensent auch der (von den meisten Kollegen nicht geteilten) Meinung ist, dass diese Deutung der Wagner’schen Sage vom Schwanenritter vor dem Hintergrund des abergläubisch-feindselig-engstirnig-dörflichen Milieus das Zeug zum großen Wurf gehabt hätte. Wenn – ja, wenn man nicht so vieles nicht zu Ende gedacht und so manchen plumpen Fehler gemacht hätte.

Das musikalische Vergnügen musste man sich aber an diesem Abend zum Glück nicht von den szenischen Eskapaden verderben lassen. Denn das Orchester und das Bühnenorchester der Wiener Staatsoper verabschiedeten sich unter der Leitung von Cornelius Meister in die Sommerpause, indem sie die ganze klangliche Pracht, die ihnen zur Verfügung steht, mal fein, mal üppig entfalteten. Der Stuttgarter Generalmusikdirektor legte seine Schwerpunkte eindeutig auf letztere, mag sein, dass er einfach die sängerische Potenz ausreizen wollte, die ihm von der Bühne her zur Verfügung stand.

Was die Gestaltung der Titelrolle betrifft, so mag man ja subjektiv eher den „Schmelz“ eines Beczała bevorzugen oder die verhangene Schwermut eines Kaufmann: dass aber Klaus Florian Vogt sozusagen geradezu auf die Welt gekommen ist, um den Lohengrin zu singen und zu verkörpern, wird man objektiv nicht bestreiten können. Dabei legt gerade seine lineare Tongebung die kleinsten Irritationen der Intonation offen – aber gerade dieser helle, klare Ton lässt ihn als ein Wesen aus einer anderen (nicht zu vergessen: an sich der Keuschheit verschriebenen) Welt erscheinen. Imposant sind auch seine Kraftreserven, die er im dramatischen Ausbruch freisetzt; und beim Fermate auf der „Taube“ in der Gralserzählung muss der Zuhörer achtsam sein, dass er nicht selbst vor Entrückung auf das Atmen vergisst.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
lohengrin d5a0384 reuter baumgartner

Johan Reuter, Tanja Ariane Baumgartner. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Eine recht selbstbewusste Elsa gestaltet Sara Jakubiak – eine Interpretation, die ihre Wirkung erst im Laufe des Geschehens entfaltet. Ihre (höhensichere) Stimme sitzt relativ weit hinten, klingt über weite Strecken kehlig und entfaltet sich daher vor allem, wo sie kräftig „aufdrehen“ kann. Textverständlichkeit ist ihre Sache leider gar nicht. Diesbezüglich könnte sie sich an Kwangchul Youn ein Beispiel nehmen, dessen völlig akzentfreies Deutsch nicht den geringsten Hinweis auf seine koreanische Herkunft gibt, und der mit voluminösem Bass einen stattlichen König Heinrich darstellt. Johan Reuter hat als Telramund kleine Anlaufschwierigkeiten, überzeugt aber ab dem ersten Bild des zweiten Aufzugs durch angriffiges Spiel und eine in allen Lagen souveräne Bewältigung dieser reichlich undankbaren Partie. Tanja Ariane Baumgartners Ortrud hinterlässt vermutlich nach Vogts Lohengrin den stärksten Eindruck des Abends: endlich wieder einmal eine homogene dramatische Stimme, die im rechten Moment genussvoll attackieren kann und dennoch auch über ein tragendes Piano verfügt. Ein wenig wurde ihr die bei Wagner auch andernorts vorhandene lange Pause vom Ende des zweiten Aufzugs bis zum alles enthüllenden Ausbruch im Finale zum Verhängnis: da hätte man sich nach der fulminanten bisherigen Leistung mehr Substanz und weniger bloße Schärfe erwartet. Adrian Eröd ist mit seinem hellen Bariton kein sehr martialischer Heerrufer, womit er sich ins aktuelle Konzept aber hervorragend einfügt, demgemäß er ja ohnehin so etwas wie einen gerichtlichen Exekutionsbeamten vorstellen soll. Ausdrücklich unter den Hauptpersonen zu nennen ist der hervorragende, von Thomas Lang einstudierte Chor (samt Extrachor), dem in diesem Werk bekanntlich eine tragende Aufgabe zukommt, die er wirklich in imposanter Weise erfüllt hat.

Valentino Hribernig-Körber

WIEN / Staatsoper: LOHENGRIN zum Saisonausklang

Image may be NSFW.
Clik here to view.
lohengrin d5a0609 jakubiak

Sara Jakubiak, Klaus Florian Vogt. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: LOHENGRIN zum Saisonausklang

29. Aufführung in dieser Inszenierung

30. Juni 2021

Von Manfred A. Schmid

Als letzte Vorstellung zum Ausklang der ausgezehrten Saison 2020/21 steht eigentlich nicht, wie angekündigt, Wagners Lohengrin auf dem Programm, sondern die von Andreas Homoki ersonnene und von Wolfgang Gussmann ausgestattete Paraphrase Lodengrün, in der über die von einer alpenländischen Trachtenboutique gesponserte Jahreshauptversammlung einer Jägerschar im „Gasthaus zum goldenen Schwan“ berichtet wird, zu der – zur Klärung der anstehende Probleme und Streitigkeiten – offenbar auch der Landesjägermeister sowie ein geheimnisvoller, per Schwan angereister Gast eingeladen worden sind. Der von Wagner festgelegte Handlungsverlauf ist in dieser Inszenierung aus dem Jahr 2014, von ein paar Ungereimtheiten abgesehen, jedoch weitgehend eingehalten und bleibt nachvollziehbar. Homoki hat den Schritt ins Regietheater nicht vollzogen, sondern „nur“ eine verunglückte Einbettung des Geschehens in eine alpenländische Dorfszenerie mit krachledernen, Bierkrüge schwingenden Männern und sittsamen Ehefrauen mit Gretlfrisuren gewagt. Lodenjanker und Dirndlkleider statt SS-Stiefel und BDM. Naja. Hier hätte der neue Staatsoperndirektor beherzt eingreifen können, doch für das kommende Frühjahr ist stattdessen ausgerechnet eine Neuinszenierung von Tristan und Isolde angekündigt, die die gar nicht schlechte, sondern bewährte und allseits gelobte Produktion von David McVicar aus 2013 ablösen wird. Man hofft auf das Beste und ist …

Wie so oft, bleibt dem Publikum auch bei dieser Aufführung der Trost, dass das, was auf der Bühne und im Orchestergraben geboten wird, die Unzulänglichkeiten von Regie und Ausstattung transzendierend vergessen macht und so immerhin die Musik für ein befriedigendes, erhebendes Erlebnis sorgt. Dem musikalischen Leiter Cornelius Meister gelingt es, die grandiosen Spannungsbögen mit dem Orchester eindrucksvoll herauszuarbeiten und die dramaturgisch bestimmenden Übergänge von lyrischen Passagen – grandios die silbrig schwirrenden Geigentöne im Vorspiel – zu dramatischen Zuspitzungen fein zu gestalten. Das kann zuweilen gehörig laut werden, ohne aber je die Sängerinnen und Sänger zu überfordern oder gar zuzudecken. Der wiederholte Einsatz von Orchestermusikern, vor allem von Blechbläsern hinter der Bühne, ist effektvoll und perfekt abgestimmt. Auch der Chor (Einstudierung Thomas Lang) macht seine Sache wie gewohnt gut. Die Männer hämmern mit ihren Krügen so mächtig auf die Tische, dass sie zu einem Teil der ohnehin stark geforderten Perkussion im Orchester werden.

Klaus Florian Vogt ist ein großartiger, stimmlich und ausdrucksmäßig gereifter Lohengrin. Seine darstellerische Leistung ist fein austariert, kleinste Gemütsbewegungen werden unmittelbar sicht- und hörbar. Gesanglich ist es eine Freude, ihm auf seiner Berg- und Talfahrt von höchster Seligkeit zu tiefster Enttäuschung zu folgen. Jeder Ton sitzt, ist in allen Stimmlagen perfekt. Die Gralserzählung als dramaturgisch ausgeklügeltes Outing seiner Herkunft ist ebenso berührend wie das wonnevolle, überschäumende Bekenntnis seiner Liebe zu Elsa. Vogt ist gewiss ein Heldentenor eigener Art, wozu auch sein weich temperiertes Timbre beiträgt, das freilich auch in machtvollen Passagen und mit gebührender Lautstärke durchaus überzeugen kann. In einer Zeit, in der machohafte, draufgängerische Heldenfiguren skeptischer beurteilt werden, ist sein Lohengrin ein sehr heutiger Held. Kein Softie, aber auch kein Rabauke. Nur am Anfang, als er, bei seinem ersten Erscheinen als sehnsüchtig erwarteter Retter, wie ein Häufchen Elend im Nachthemd am Boden liegt – warum Homoki das so will, weiß nur er – klingt er bei seinem innigen Dank an den Schwan wie ein Knabensopran, der zu mutieren vergessen hat.

Sara Jakubiak braucht als Elsa etwas Zeit, in die Gänge zu kommen, wirkt mit ihrem dunklen, gedeckten Sopran etwas unterkühlt und hat in ihrer Auseinandersetzung mit der charismatischen Ortrud und in ihrem Drängen auf Lohengrin, ihr seine Identität preiszugeben, ihre stärksten Auftritte.  Als ihre Gegenspielerin ist Tanja Ariane Baumgartner eine hochdramatische, manipulative Ortrud mit einschüchternden, markigen Höhen. Ihre Verführungskunst und ihre unbeirrte Suche nach Vergeltung und Rehabilitierung werden von der Mezzosopranistin, die auch schon bei den Salzburger Festspielen gefeiert worden ist, so überzeugend vorgeführt, dass man unwillkürlich an eine Lady Macbeth denken muss. Johan Reuter ist ein tadelloser Telramund, ein charakterlich eher schwacher und wankelmütiger Mann, der seiner Frau Ortrud hörig ist und von ihr erbarmungslos gegängelt wird.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
lohengrin d5a0371 eroed youn

Adrian Eröd, Kwangchul Youn. Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Als König Heinrich ist – wie schon so oft – wieder einmal Kwangchul Youn im Einsatz.  Eine an und für sich sichere Bank, wenn auch nicht mehr ganz so stimmkräftig wie gewohnt. Adrian Eröd verleiht dem Heerrufer seinen eleganten Bariton. Ganz wohl scheint er sich, in Lederhose und mit Hut, aber nicht zu fühlen. Stimmlich ist er nicht der übliche markige Einpeitscher, sondern eher ein intellektueller, etwas distanzierter Beamter in höherem Dienst.

Herzlicher Applaus, der nicht allzu lange anhält. Offenbar ist man einigermaßen erschöpft von den intensiven regielichen Herausforderungen der vergangenen knapp eineinhalb Monate und reif für die Insel.

ZÜRICH/ Opernhaus: LUCIA DI LAMMERMOOR (4. Vorstellung). So wird aus Belcanto «Belgrido»

Gaëtano Donizetti: Lucia di Lammermoor, Opernhaus Zürich, Vorstellung: 30.06.2021

 

(4. Vorstellung • Premiere am 20.06.2021)

 So wird aus Belcanto «Belgrido»

Image may be NSFW.
Clik here to view.
Buhrufe am Opernhaus Zürich für Starregisseurin

 

Als letzte Aufführung der Saison zeigte das Opernhaus Zürich nochmals die neue «Lucia di Lammermoor». Beim zweiten Besuch der Produktion verdeutlichen sich die angesprochenen Probleme: die Inszenierung, die Wahl der Tempi durch die Dirigentin und die Übertragung des Orchesterklangs vom Probenraum am Kreuzplatz ins Opernhaus.

Das Kernproblem der Inszenierung von Tatjana Gürbaca ist, dass sie der Oper eine psychologische Deutung aufzuzwingen, eine psychologische Tiefe zu geben versucht, die sie nicht hat und auch von Librettist und Komponist nicht gewollt war. Die Romantik hat sich für die «dunklen» Seiten des Menschen wie den Wahnsinn interessiert, aber war dann mit «einfachen» Begründungen zufrieden, denn wie es 1847 der Sekretär des Teatro San Carlo in Neapel formulierte: «Was das Publikum wünscht, sind Katastrophen, Personen, die tot sind, sterben und weinen, und nicht Personen, die glücklich sind». Psychoanalyse gehört da sicher nicht dazu. Ein Charakteristikum von Donizettis «Lucia di Lammermoor» ist, wie es Gürbaca selbst im Programmheft formuliert, dass «die Koloraturen eben nicht einfach Dekoration und nur schöne Musik sind, sondern Inhalt und Substanz haben». Im Belcanto braucht die Musik, damit sie wirken kann, damit sich Inhalt und Substanz mitteilen können, Zeit. Und genau diese Zeit nimmt Gürbaca mit ihrer chronischen Angst vor der szenischen Ruhe der Musik. Bereits in der Ouvertüre, die den Zuhörer stimmig in die Oper einführt, postuliert sie mit Lucia, Edgardo, Enrico und Normanno als Kindern das postulierte Trauma. Im Wissen darum, dass der Librettist die Tierbezeichnung unter Umständen nach der Anzahl Silben ausgewählt hat, wirkt die Suada des Programmhefts über die Wahrscheinlichkeit von wilden Stieren und den Sanftmut schottischer Hochlandrinder lächerlich. Bereits die zweite Nummer der Oper (Nr. 2 Szene und Kavatine, Enrico), in der Enrico seinen ersten Auftritt hat, wird durch den Einsatz der Drehbühne und den Hyperaktivismus der Statisten (der Chor singt ja im Probenraum am Kreuzplatz) zerstört. Während Enrico immer wieder von «Kuchenstück» zu «Kuchenstück», die Drehbühne ist in sechs gleiche, identisch eingerichtete Räume aufgeteilt, wechseln muss, verprügelt die Statisterie einen Anhänger Edgardos. Hinzu kommen Unstimmigkeiten wie die, dass Normanno Enrico Papiere vor die Füsse wirft, statt sie ihm in die Hand zu geben, obwohl dazu keine Motivation besteht. Betrachtet man, wie die gezeigte Gesellschaft eine Hochzeit feiert, mit einer gewalttätigen, vulgär herausgestellten Sex-Orgie, so scheinen fehlende Ästhetik und Kinderstube Programm zu sein. Die folgende Nummer (Nr. 3 Szene und Kavatine Lucia), Lucias erster Auftritt mit der wunderbaren Harfenbegleitung, beginnt in der eingefrorenen Szenerie der vorherigen Nummer. Um eine schwarz gekleidete Harfenspielerin, vermutlich Lucias verstorbene Mutter, herum, gerieren sich Lucia und Alisa wie Schulmädchen. Die in den beiden Nummern aufgetretenen Probleme setzen sich den ganzen Abend hindurch fort, sei es im Sextett oder dem Beginn der Wahnsinnszene, beide durch den Hyperaktivismus auf der Bühne in ihrer Wirkung beschnitten, oder zu Beginn des 5. Bildes im Turm von Wolferag, wo Enrico einen Pferdesattel mit sich schleppen muss, weil das Libretto vom «Trappeln eines Pferdes» spricht («Ich höre in der Nähe

das Trappeln eines Pferdes!») oder im letzten Bild, wo Edgardo unmotiviert Erde hin und her schaufelt.

Die Wahl der Tempi durch die Dirigentin Speranza Scappucci ist im Ganzen wenig stimmig und konsequent: In der ersten gehörten Vorstellung wird das Sextett so gedehnt, dass die Sänger ins Schleudern geraten, in der zweiten gehörten Vorstellung passiert dann das Gegenteil. Im Übrigen ist die Beurteilung der Philharmonia Zürich und dem von Janko Kastelic vorbereiteten Chor der Oper Zürich, die die Partitur angesichts der Zürcher Aufführungstradition der «Lucia» bestens kennen, deutlich erschwert, da zwischen dem Probenraum am Kreuzplatz und dem Ohr des Zuhörers ja noch die Tonübertragung steht.

Grundsätzlich ist der Erfindungsreichtum der Verantwortlichen und das entwickelte Corona-Spielmodell des Opernhaus Zürich zu loben. So konnte es, solange es die weiteren Vorschriften zuliessen, weiterhin grosse Oper gezeigt werden. Wie in den Medien ausführlich nachzulesen, sind Chor und Orchester, um die Abstandserfordernisse zu erfüllen und in voller Besetzung agieren zu können, in den Probensaal am Kreuzplatz „ausquartiert“: «40 Mikrofone für das Orchester, 20 Mikrofone für den Chor, 1 Kamera für den Dirigenten und 1’000 Meter neu verlegtes 10 Gigabit Glasfaserkabel übertragen den Klang verzögerungsfrei ins Opernhaus. Neunzig im Saal verteilte Lautsprecher sorgen für einen überwältigenden Raumklang.» Hat die Übertragung im Herbst («Boris Godunow» oder «Maria Stuarda») noch funktioniert, hat sich nun der Umgang mit den ankommenden Signalen zum Problem entwickelt. Der Versuch das Orchester so natürlich wie möglich klingen zu lassen, den Klang so zu mischen, dass der Zuhörer den Eindruck hat die Philharmonia sässe im Graben und der Chor sänge auf der Bühne, gelingt nicht mehr. Die »Möglichkeit das Orchester aus dem Graben hochzuholen», wie es die Tontechniker im Podcast selbst formulieren, führt zu einem kreativen Umgang mit dem Klang. Das Orchester klingt im Endeffekt viel zu laut, knallig, je nach Sitzplatz des Zuhörers dröhnend, was die Sänger zu unnötigem Brüllen veranlasst. So wird aus Belcanto «Belgrido».

Massimo Cavalletti als Enrico Ashton ist mit seinem prächtigen Bariton, grossem Stilbewusstsein und intensiver Bühnenpräsenz das Zentrum der Aufführung. Piotr Beczała als Edgardo di Ravenswood befindet sich stimmlich auf dem Höhepunkt seiner Möglichkeiten. Die Stimme ist aber bereits recht schwer und die Träne in der Stimme ist stilistisch nicht wirklich passend.  Irina Lungu als Lucia lässt gegen Ende der Wahnsinnsszene stimmliche Ermüdungserscheinungen hören. Was ihrer Interpretation leider fehlt, sind die bereits erwähnten «Inhalt und Substanz». Oleg Tsibulko gibt mit schlankem Bass den Raimondo Bidebent. Der Stimme fehlt die für diese Rolle nötige Färbung und so bleibt er darstellerisch blass. Mit Andrew Owens als Lord Arturo Bucklaw und Iain Milne als Normanno sind diese beiden Partien mit zwei stilistisch höchst versierten Tenören luxuriös besetzt. Roswitha Christina Müller als Alisa, Lucias Zofe, Sava Baumgartner (Lucia als Kind), Jack Csajka (Edgardo als Kind), Ludwig Hoefs (Enrico als Kind) und Samuel Maurer (Normanno als Kind) ergänzen das Ensemble.

Keine weiteren Aufführungen in dieser Saison.

Video-on-Demand auf Arte Concert vom bis 27.09.2021: https://www.arte.tv/de/videos/104297-000-A/lucia-di-lammermoor-von-gaetano-donizetti/

Aufführungen in der Saison 2021/2022:

So. 22 Mai 2021, 20.00; Do. 26 Mai 2021, 19.30; So. 29 Mai 2021, 14.00; Sa. 04 Jun 2021, 19.00;

So. 12 Jun 2021, 20.00.

01.07.2021, Jan Krobot/Zürich

WIEN/ Vindobona: MAGIC MOMENTS mit Maya Hakvoort

„Das Vindobona“ hat überlebt: Magic Moments mit Maya Hakvoort  (30.6.2021)

Image may be NSFW.
Clik here to view.
ving

Drew Sarich, Maya Hakvoort. Foto: Katharina Schiffl/ Vindobona

Es lebt noch, hat die Pandemie überlebt, „Das Vindobona“. Nur wenige Tage vor der langen Covid-Sperre mit einem ganz schön großen Risiko eröffnet, hat dieses neue großräumige Etablissement für musikalische Unterhaltungskultur am Wiener Wallensteinplatz nun doch die endlose Zwangspause überstanden. „Diese Krise ist noch nicht vorbei“, bedenkt Gründer, Chef und Musical-Spezialist Wolfgang Ebner. „Doch es kann jetzt los gehen – und wir sehen, dass unser Dinner-Show-Konzept angenommen wird.“ Und er bedankt sich bei seinen Mitarbeitern: „Wir haben gemeinsam auf Verbesserungen, auf neue Ideen hingearbeitet, und unser Team hat uns befähigt durch die Krise zu kommen.“

Dinnershow = ein geschmackiges Menue und ein vergnügliches Musikprogramm dazu. Einer der Trümpfe des Show-Angebotes, welches sich nun ab Herbst voll entfaltenden soll, sind ‚Maya‘s Magic Moments‘. Maya Hakvoort, die holländische Gesangslady scheint durch und durch von Musical-Sound durchblutet zu sein. Sie hat ihre Fans und versteht es, so richtig ein charmant-feminines Theater vorzuspielen. Zweimal monatlich möchte sie mit jeweils einem anderen singenden Gast ihren Show-Drang beweisen. Der reifere US-Boy Drew Sarich ist ihr als ebenfalls perfekter Entertainer an diesem Abend mit einigen einschmeichelnden Songs ein ebenbürtiger Partner gewesen. Dazwischen ein bisschen persönliche Gedanken und kleine Gags und mit Martin Wöss ein ebenfalls perfekter Begleiter am E-Piano – das hat für das schmausende Publikum absolut gestimmt.

Meinhard Rüdenauer 

 

BU:  Maya Hakvoort und Drew Sarich     Credit: Vindobona

 

ZÜRICH/ Tonhalle Maag: FILMKONZERT „BEN HUR – A TALE OF THE CHRIST“ . Abschied von der Tonhalle Maag

Filmkonzert „Ben-Hur: A Tale of the Christ“, Tonhalle Maag, Zürich, Vorstellung: 01.07.2021

 

Abschied von der Tonhalle Maag

Passend zum Saisonbeginn mit der ersten Schweizer Vorführung von «Casablanca» (Michael Curtiz, Musik von Max Steiner) mit Live-Orchesterbegleitung beschliesst das Tonhalle-Orchester Zürich seine Saison mit zwei Vorführungen von «Ben-Hur: A Tale of the Christ» (Fred Niblo, Musik von William Axt und David Mendoza) mit Live-Musik (Nachvertonung 1989: Carl Davis) und nimmt damit nach knapp vier Jahren auch Abschied von der Tonhalle Maag, der Interimsspielstätte während der Renovation des Haus am See. Dass der Konzert-Saal nicht an Ort und Stelle erhalten werden kann, ist eine Sache. Dass er in Zeiten, in denen das Wort «Nachhaltigkeit» in aller Munde ist, überhaupt nicht erhalten wird, ist etwas Anderes.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
benhh

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ben-Hur-1925.jpg

«Ben-Hur: A Tale of the Christ» in der Regie von Fred Niblo ist die zweite Verfilmung 1880 erschienenen Romans des amerikanischen Generals und Politikers Lew Wallace und der erste überdimensionale Ausstattungsfilm der Filmgeschichte. Der Film, der erste farbige Sequenzen, mit tausenden von Statisten in gigantischen Actionszene und Massenchoreografien in unglaublichem Tempo arbeitet, kostete bei seiner Entstehung fünf Millionen Dollar. Die Seeschlacht und das legendäre Wagenrennen sind die Höhepunkte des epochalen Werkes.

Die im Zwei-Farben-Technicolor-Verfahren gedrehten Farbsequenzen galten, bis sie in den 1980er Jahren in einem tschechoslowakischen Film-Archiv gefunden wurden, als verloren. Turner Entertainment, die mittlerweile die Rechte von Metro-Goldwyn-Mayer erworben hatte, liess den Film restaurieren und vom englischen Komponisten Carl Davis die Musik nachvertonen.

Das Tonhalle-Orchester Zürich unter Leitung von Frank Strobel ist in grosser Besetzung angetreten und füllt die Bühne der Tonhalle Maag komplett aus. Es zelebriert die Aufführung des Films in Perfektion und steuert zur Kraft des Films die Kraft des live spielenden Orchesters bei. Gleich am Anfang, noch zum Vorspann, geht es in die Vollen und spielt mühelos alle in diesem Kontext erdenkbaren Stücke an die Wand. Genau ist es aber zu feinsten Soli und Piani fähig.

Ein Fest der Filmmusik!

Weitere Aufführung: 02.07.2021, 19.30, Tonhalle Maag.

02.07.2020, Jan Krobot/Zürich

______________________________________________________________

KITTSEE / Schloss Kittsee: Operettengala eröffnet Festspielreigen

Image may be NSFW.
Clik here to view.
kittsee4

Roman Pichler, Nathalie Peña-Comas, Raimund Stangl und Kerstin Grotrian. Alle Fotos: Richard Schuster

KITTSEE / Schloss Kittsee:  Open Air Operettengala eröffnet sommerlichen Festspielreigen

1. Juli 2021 Premiere

Von Manfred A. Schmid

Nach Wiener Blut im Vorjahr haben sich Sommer Festival Kittsee Intendant Christian Buchmann und sein Chefdirigent Joji Hattori für heuer etwas Besonderes einfallen lassen: Eine hochkarätig besetzte Operettengala mit einem Querschnitt aus Werken von Johann und Eduard Strauß, Franz Lehár, Emmerich Kálmán, Paul Abraham, Jacques Offenbach und Robert Stolz. Es werden aber nicht nur die zu erwartenden Standards dargeboten, dazu kommen noch zwei aus der Feder von Überraschungsgästen stammende Gustostückerl, die – gerade weil sie etwas aus der Reihe tanzen – der Sopranistin Juliette Kalil ideale Gelegenheit bieten, ihr umwerfendes komödiantisches Talent und ihr gesangliches Können unter Beweis zu stellen. In „Die Männer sind alle Verbrecher“ von Walter Kollo, vor allem aber in der virtuose Pasticcio-Arie „Girl in 14 G“, ein Stil-Mix aus Song, klassischer Koloratur und Jazz, des hierzulande weniger bekannten US-Musicalduos Jeanine Tesori & Dan Scanlan, kann sie zeigen, warum sie an ihrem Stammhaus, der Wiener Volksoper, in allen drei Sparten – Oper, Operette & Musical – so erfolgreich ist.

Als man an die Planung des Programms ging, das traditionell die sommerliche Festspielszene in Österreich eröffnet, konnten die Veranstalter noch nicht ahnen, dass die Premiere gewissermaßen am Tag der Wiederkehr eine gewissen Normalität in der Kulturwelt stattfinden würde. Tatsächlich ist die Kittseer Operettengala das erste große Open Air Ereignis in Österreich, das wieder ohne FFP2-Maske stattfindet. Auch die traditionelle Gastroszene im angrenzenden Schlosspark ist frei zugänglich. Penibel kontrolliert wird nur die Einhaltung der 3-G-Regel. Möge das möglichst lange so bleiben.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
kittsee2

Nathalie Peña-Comas und Roman Pichler

Nicht gerechnet hat man wohl auch damit, dass nach der großen Hitze der letzten Wochen ausgerechnet am 1. Juli eine merkliche abendliche Kühle herrscht. Von einer lauen Sommernacht kann meteorologisch keine Rede sein. Aber die zündenden Rhythmen der vom Festivalorchester unter der Leitung von Josh Hattori dargebotenen Instrumentalnummern wie der Zigeunerbaron-Ouvertüre, der „Carmen Quadrille“ von Eduard Strauß und natürlich des mit „Galopp infernal“ untertitelten „Cancan“ aus Offenbachs Orpheus in der Unterwelt heizen die Stimmung an, wozu auch die von Jessica Wurzer choreographierten Balletteinlagen von Daniela Harbauer, Magnus Jahr, Valentina Seidl und Fabian Koller beitragen.

Ganz warm ums Herz wird dem Publikum gewiss auch, wenn in bester Operetten-Manier die Liebe besungen wird. Der österreichische Tenor Roman Pichler schmettert Lehárs „Dein ist mein ganzes Herz“, die hinreißend singende Mezzosopranistin Nathalie Peña-Comas, eine temperamentvolle und anmutige Latina, verspricht „Meine Lippen, sie küssen so heiß“, und der aus der Schweiz stammende Alexandre Beuchat, mit einem eleganten, betörenden Bariton ausgestattet, begeistert u.a. als Danilo in Lehárs „Da geh ich zu Maxim“. Selbstverständlich mangelt es in dieser Sommernacht in der Regie von Dominik Am Zehnhoff-Söns auch nicht an glanzvollen Ensemblenummern, wie etwa dem Quartett „Liebchen, mich reißt es“ aus Kálmáns Csárdásfürstin, oder dem Duett „Lippen schweigen“ aus Lehárs Die lustige Witwe, innig dargeboten von Nathalie Peña-Comas (Hanna) und Roman Pichler (Danilo)

Image may be NSFW.
Clik here to view.
kittsee1

Kerstin Grotrian und Raimund Stangl

Auch der Humor darf bei einer Operettengala natürlich nicht zu kurz kommen. Dafür sorgen nicht nur Juliette Khalil und Roman Pichler mit „Wünsch guten Morgen, Herr von Pepi“ aus Wiener Blut, vor allem aber obliegt das dem sympathischen und vor Witz sprühenden Duo Kerstin Grotrian und Raimund Stangl, das launig und von Raffaela Pegani z.T. zwerchfellerschütternd kostümiert durch den Abend führt, aber auch singend in Erscheinung tritt. Wenn in der Schlussnummer „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“ von Robert Stolz alle Mitwirkenden auf der von Manfred Waba ausgestatteten Bühne vor dem Schloss Kittsee agieren, klingt ein Abend aus, der seinem Anspruch, eine Operngala zu sein, voll erfüllt hat. Weitere Vorstellungen immer freitags und samstags, bis einschließlich 17. Juli.

LUDWIGSBURG/ Schlossfestspiele: HANNIGAN’S MOVABLE FEAST als Wandelkonzert

Hannigan’s Movable Feast als Wandelkonzert bei den Schlossfestspielen am 1.7.2021/LUDWIGSBURG

Differenzierte Klangwelten

 Seit Jahren unterstützt die Sopranistin Barbara Hannigan junge Profisänger, die am Beginn ihrer Laufbahn stehen. Davon konnte man sich im Residenzschloss Ludwigsburg in ausgiebiger Weise überzeugen. Im Ehrenhof überraschten zunächst Aphrodite Patoulidou (Sopran) und Tian Gao (Tanz) mit einer reizvollen Performance, wo die beiden Akteurinnen sogar in einer Badewanne Platz nahmen, die schließlich hin- und herbewegt wurde. „Ariel“ für Sopran Solo von Jonathan Dove fesselte hier mit weiten Intervallen und expressiven Kantilenen, deren unerschöpfliche Klangfluten von Aphrodite Patoulidou reizvoll ausgekostet wurden. Anschließend erklang im Schlosstheater „Il combattimento di Tancredi e Clorinda“ („Der Kampf zwischen Tancredi und Clorinda“) SV 153 von Claudio Monteverdi, wo sich Ziad Nehme (Tenor, Konzept), Clementine Deluy (Tanz, Choreografie, Kostüm) und Marieke Spaans (Cembalo) bestens ergänzten. Die eindringliche Deklamation der Einzelstimmen erschien hier in einem reizvollen Klangfarbenreichtum, dessen Intensität stets zunahm. Und die elegische Färbung der Harmonik sowie die blühende Melodik kamen nicht zu kurz. Vor allem das erregende  Pathos triumphierte in den deklamatorischen Partien. Anklänge an die „Opera seria“ und die spätere „Opera buffa“ waren versteckt herauszuhören.

Ein weiterer akustischer Höhepunkt fand dann in der Schlosskirche statt, wo zunächst „Djamila Boupacha“ für Sopran Solo von Luigi Nono mit der hervorragenden Sopranistin Barbara Hannigan erklang, die auf der Empore agierte. Formen und Strukturen schienen hier in vielfältiger Hinsicht zu explodieren. Auch bei dieser Komposition ist Nonos Kampf für Freiheit und Menschenwürde spürbar, dem er zeitlebens verpflichtet war. Der ausgezeichnete Bassbariton Douglas Williams war daraufhin der Solist von Dietrich Buxtehudes Kantate „Mein Herz ist bereit“ BuxWV 73 für Bass, drei Violinen, Violoncello und Basso continuo (Gustavo Surgik, Anna Rockika, Ramin Trümpelmann, Violinen; Ana Helena Surgik, Violoncello; Ralf Zeranski, Kontrabass; Evelyn Laib, Truhenorgel). Dynamische Kontraste standen hier eindrucksvoll neben großer Klangfülle – und auch die kontrapunktischen Spitzfindigkeiten ragten hervor. Die beiden weiteren, modernen  Stücke „Above Sunset Pass“ aus „Three High Places“ von John Luther Adams sowie als Uraufführung „A Gale in April“ für Bassbariton und Streichquartett von Matthew Barnson zeigten eindringliche Ostinato- und Tremolo-Effekte. Douglas Williams beleuchtete seine Partie mit gesanglicher Reife und Tiefe sowie berührenden emotionalen Ausbrüchen. Als letztes Konzert fand im Ordenssaal eine Begegnung mit der hochbegabten Mezzosopranistin Coline Dutilleul statt, die „Chanson perpetuelle“ op. 37 für Mezzosopran, Streichquartett und Klavier von Ernest Chausson mit berührender lyrischer Emphase interpretierte. Sie wurde von Charlotte Balle (Violine), Lisa Barry (Violine), Lydia Bach (Viola), Krassimira Krasteva (Violoncello) und Kunal Lahiry (Klavier) einfühlsam begleitet.  Die Einflüsse von Cesar Franck und Richard Wagner waren bei der durchsichtigen Harmonik deutlich herauszuhören. Als letztes Werk gefiel noch „Il tramonto“ für Mezzosopran und Streichquartett von Ottorino Respighi. Klangliche Farbenpracht rückte Coline Dutilleul immer wieder ins Zentrum ihres sensiblen Vortrags. Vor allem die glückliche Verbindung des melodisch-thematischen Gehalts mit dem schillernden klanglichen Ausdruck sowie impressionistische Nähe trugen zu dieser herausragenden Wiedergabe entscheidend bei.

Alexander Walther

 


DRESDEN/ Semperoper: SELTEN AUFGEFÜHRTE WERKE IM 8. KAMMERABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN „VARIATION“

Dresden / Semperoper: SELTEN AUFGEFÜHRTE WERKE IM 8. KAMMERABEND DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN „VARIATION“ – 1.7.2021

„Variation“ steht jetzt bei jedem Konzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden, das bedeutet, dass das ursprünglich vorgesehene Programm an die Bedingungen des Lockdowns angepasst wurde, in der veränderten Gestaltung aber meist auch sehr ansprechend ist. Für den 8. Kammerabend wurden die vorgesehenen Kompositionen der Barockzeit durch welche der Moderne ersetzt. Geblieben war nur das Klarinettenquintett von Johannes Brahms.

In den Kammerabenden, die auf die, von Musikern der Kapelle 1854 als Dresdner Tonkünstlerverein gegründete orchestereigene Kammermusik zurückgehen, wird immer etwas Besonderes geboten, unbekannte neben bekannten Komponisten, selten aufgeführte Werke neben bekannten und beliebten oder Werke in seltener Besetzung. Im 8. Kammerabend wurden gleich drei selten aufgeführte Kompositionen und zwei wenig bekannte Komponisten vorgestellt.

Bis zum Ende des 20. Jahrhundes waren Kompositionen, die den Kontrabass in den Vordergrund stellten, eine Rarität. Es gibt einige wenige Solokonzerte aus dieser Zeit, die jedoch sehr selten aufgeführt werden, und noch weniger Stücke für dieses Instrument solo. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist das anders, aber aufgeführt werden solche Werke dennoch sehr selten. Vielleicht liegt es am Instrument, das als weniger attraktiv gilt, obwohl es, wenn es gut gespielt wird, auch seinen Reiz hat. So hat es nur den Reiz des sehr seltenen Soloinstrumentes. Mancher erinnert sich vielleicht noch an Ludwig Streicher, den „Paganini des Kontrabasses“ oder „Tausendfinger“, der mit seinem Instrument, dem Kontrabass, ganze Soloabende bestritt, oder an Aufnahmen von ihm.

Jetzt brachte Andreas Ehelebe, Solo-Kontrabassist der Sächsischen Staatskapelle, „Lem. Zwei Stücke für Kontrabass“ solo des Italieners Franco Donatoni (1927-2000) zu Gehör, der sich an tonalen Formen orientierte und dem musikalischen Stil der Avantgarde seiner Zeitgenossen eher fern blieb, dem Kontrabassisten aber in sehr moderner Art reichlich Gelegenheit bot, sein Können zu zeigen. Neben Werken verschiedener Gattungen und Besetzungen, darunter 3 Opern, 29 Orchesterstücke, Vokalwerke und Kammermusik schrieb er 36 Solostücke für verschiedene Instrumente, darunter auch für Kontrabass, gute Musik, aber in ihrer Eigenart vielleicht nicht für jeden Geschmack.

Die beiden virtuosen Solo-Stücke verlangen vom Interpreten die Beherrschung seines Instrumentes mit allen Raffinessen, wie kurzen Läufen, Doppelgriffen, Trillern, Haltetönen, Flageoletts und Vorschlagsnoten, was Ehelebe perfekt meisterte. Neben diesen mehr äußerlichen Effekten und „Formspielereien“, die die (Klang‑)Möglichkeiten des Kontrabasses ausreizen, orientierte er aber auch auf guten, geschmeidigen und sensiblen Ton. Allein wie er vom Forte bis zum feinsten Piano und verhauchenden Pianissimo gelangte und schließlich „stumm“ mit großer Geste endete, war bewundernswert.

Giuseppe Sinopoli, Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle von 1992 bis zu seinem frühen Tod 2001, nahm Unterricht bei Bruno Maderna, Dirigent, Komponist und einer der zentralen Persönlichkeiten der italienischen Avantgarde, aber auch bei Donatoni. Später gab er das Komponieren zugunsten der Archäologie auf, als die zunehmend esoterischen Auswüchse des Serialismus für ihn zur „traurigen Clownerie“ wurden.

Eines seiner frühen Werke, den „Klangfarben“ für Streichquartett auf eine Reihe von Ricardo Malipero“, nahm sich das Fritz-Busch-Quartett mit Federico Kasik und Tibor Gyenge, Violinen, Michael Horwath, Viola und Tibor Maack, Violoncello sowie Andreas Ehelebe, Kontrabass an, rhythmisch orientiert und temperamentvoll, trotz aller Modernität aber auch melodisch, harmonisch orientiert, den ersten Satzes mit einem extremen, kaum, aber doch noch zu hörenden Pianissimo (pppp…) als besonderen Effekt beendend und vor allem dem sehr persönlichen Stil Sinopolis nachspürend.

Erst relativ spät, mit 58 Jahren, begann Brahms für die Klarinette zu schreiben. Ein reichliches Jahr, nachdem er seine Tätigkeit als Komponist für vollendet betrachtet hatte, komponierte er ein Klarinettentrio und ein “Quintett für Klarinette, zwei Violinen, Viola und Violoncello h‑Moll (op. 115), inspiriert von der Kunstfertigkeit des Meininger Hofklarinettisten Richard Mühlfeld, dem er beides auch widmete.

Im Kammerabend wurde das Klarinettenquintett von Robert Oberaigner, Solo-Klarinettist der Staatskapelle, und dem Fritz-Busch-Quartett in schöner Harmonie aufgeführt. Der ausgewogene Klang der Klarinette mischte sich in schöner Weise  mit dem der Streicher. Im ersten, von melancholischer Schönheit durchdrungenen, Satz, den die beiden Violinen sanft eröffneten, führte die Klarinette klangschön, mit weicher Tongebung, sehr schöner Phrasierung und einer vielgestaltigen Klangfarbigkeit. Im zweiten, expressiven Satz, bei dem sich die meditative Klarinettenmelodie über einer Klangbasis aus Duolen und Triolen der Streicher entfaltet, dominierte die Klarinette in ausgewogenem Miteinander mit dem Streichquartett. Es war erstaunlich, welch besondere Feinheiten die Musiker ihren Instrumenten entlockten, so dass im dritten und vierten Satz auch ein wenig Optimismus in diesem „Weltabschiedswerk“ durchschimmerte.

Es war ein sehr ansprechender Kammerabend, der von dem generationsmäßig „gut durchmischten“ Publikum, bei dem erfreulich viel Jugend zu sehen war, mit viel Beifall aufgenommen wurde.

Ingrid Gerk

____________________________________________________________________

STUTTGART/ Internationale Hugo Wolf-Akademie: „Killer Instincts“ mit Sarah Maria Sun im Wizemann

„Killer Instincts“ mit Sarah Maria Sun im Wizemann – Internationale Hugo-Wolf-Akademie am 2. Juli 2021/STUTTGART „

Satire und scharfe Kritik

Image may be NSFW.
Clik here to view.
Sarah Maria Sun – Wikipedia

„Killer Intincts“ soll jene neue Generation faschistischer Politiker karikieren, die über Feindbilder schwadronieren und doch keine Lösungen Parat haben. Sarah Maria Sun (Gesang und Moderation) hat hier ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, das revuehafte Passagen mit viel Ironie und Hintersinn würzt. Das spürt man gleich zu Beginn bei „Lucky Day Overture“ von Tom Waits, wo ein zynischer Monolog mit schwarzem Humor im Mittelpunkt steht. Dies setzt sich dann bei John Kanders „When You’ve Good To Mama“ aus dem Musical „Chicago“ fort. Das „Lied des Lotterieagenten“ von Kurt Weill spielt virtuos mit moritatenhaften Ereignissen und Begebenheiten – und bei Tom Waits‘ „Just the Right Bullets“ melden sich ebenfalls Assoziationen zu Pop und Rock. „Political Science“ von Randy Newman ist ein ebenso hintersinniges Chanson wie „Hitler“ von Stefan Wolpe, wo natürlich Adolf Hitler als Führer des großdeutschen Reiches kräftig aufs Korn genommen wird: „Er ist im Auto geflohen in einer finstren Nacht. Jetzt sitzt er unter Heroen. Wie hat er das gemacht?“ Weitere Nummern wie „I Put a Spell on You“ von Screamin‘ Jay Hawkins spielen virtuos mit hysterischem Börsengeschrei. Ein Höhepunkt ist in diesem Zusammenhang „I Don’t Understand the Poor“ von Steven Lutvak, wo Sarah Maria Sun in besonderer Weise den richtigen Ton trifft. „There’s a law about men“ von Leonard Bernstein lässt gewisse veristische Momente erkennen. Immer wieder überraschen Rumba-Rhythmen und elektrisierende Melodien – so auch bei „Life’s Been Good To Me So Fat“ von Joe Walsh und vor allem beim  spritzigen Song „Justice“ von Alan Price, wo richtig die Post abgeht. Beim Thema sexueller Missbrauch nimmt Sarah Maria Sun ebenfalls kein Blatt vor den Mund. Da übt sie messerscharfe Kritik bis hin zu Prinz Andrew. Hier nimmt das Programm gelegentlich feministische Züge an. „The Ladies Who Lunch“ von Stephen Sondheim überraschen ebenfalls mit gepfeffertem Witz und harmonischer Vielfalt. Und selbst die bewegende Schlichtheit des Liedes „Abschied von der Erde“ D 829 von Franz Schubert kommt nicht zu kurz.

Sarah Maria Sun wurde von der Band The Gurks mit Jan Philipp Schulze (Klavier und Orgel), Hubert Steiner (Gitarren), Bernd Oezsevim (Drums) und Paul Kleber (Bass) temperamentvoll begleitet. Begeisterung im Publikum.

Alexander Walther

KLOSTERNEUBURG/ Stiftshof: LA FORZA DEL DESTINO. Premiere

3.7.2021  Klosterneuburg  „La Forza Del Destino“

2021  Klosterneuburg  „La Forza Del Destino“

Image may be NSFW.
Clik here to view.
operklosterneuburg - Veranstaltungskalender Niederösterreich

Karina Flores (Leonora). Foto: operklosterneuburg/Mark Glassner

Die Oper Klosterneuburg hat aus bekannten Gründen mit einem Jahr Verspätung Verdis Meisterwerk zur Aufführung gebracht. Mit sehr viel Engagement wurde eine beachtliche Produktion auf die Bühne gestellt, bis vor kurzem mit dem Risiko, gar nicht oder nur vor wenigen Zuschauern spielen zu dürfen. Das Risiko hat sich gelohnt, unter den zu 70% erlaubter Auslastung anwesenden Opernfreunden gab es einhellige Zustimmung, wenn man von einem einsamen Buhrufer, dem der Tenor nicht gefiel, absieht.

Julian Pölsler inszenierte das Werk fernab der Kriegsromantik, das Bühnenbild von Hans Kudlich konnte für alle Szenen mittels mobiler Wandelemente das passende Umfeld liefern. Andrea Hölzls Kostüme waren dem Geschehen entsprechend gewählt und boten dem Auge Ersprießliches. Die Beethoven-Philharmonie unter dem sehr aufmerksam und kompetent dirigierenden Christoph Campestrini bot eine für diesen Rahmen beachtlichen musikalischen Klangteppich. Wenn man bedenkt, dass in dieser Oper ein großes Orchester mit ganz anderen Möglichkeiten an Raumklang erforderlich ist, kann man mit der Darbietung der Musiker höchst zufrieden sein. Das Ensemble war sehr gut und zusammenpassend gewählt worden.

Keiner der Protagonisten versuchte, seine Stärken in den Mittelpunkt zu stellen, das Teamwork war ausgezeichnet. Karina Flores war als Leonora eine tragende Säule des Ensembles. Ihr warm timbrierter Sopran bot alles, was man in dieser schwierigen Partie sucht: Ausdruckskraft, Durchsetzungsvermögen, sichere Spitzentöne und auch zarte Pianokultur. Zurab Zurabishvili sang den Alvaro mit größtem Einsatz seiner kräftigen und gut geführten Stimme, mit einer ausgezeichneten Mittellage, die Höhen sind allerdings seine Sache nicht, da kämpfte er um jeden Halbton nach oben, gelegentlich erfolglos. David Babayants als Don Carlo bemühte sich um eine saubere Linie, Mittellage und Tiefe wären allerdings ausbaufähig. Außerdem mangelt es ihm an Temperament, man glaubte ihm in keinem Moment den rachewütigen Gegenspieler des Alvaro. Ausgezeichnet sang Matheus Franca den Pater Guardian. Sein weicher Bass war vor allem in der Tiefe beeindruckend. Margarita Gritskova war als Preziosilla eine Augen- und Ohrenweide. Ihr kraftvoller und in der Höhe strahlender Mezzo war ein Höhepunkt des Abends. In der kleinen aber wichtigen Rolle des Fra Melitone konnte Marin Pop gut gefallen. Der Chor Operklosterneuburg war in dieser Oper sehr gefordert und überwiegend taktgenau am Werk.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
operklosterneuburg - Veranstaltungskalender Niederösterreich

Margarita Gritskova (Preziosilla). Foto: Operklosterneuburg/ Mark Glassner

Ein erfreulicher Beginn eines Kultursommers, dem hoffentlich weitere Lichtblicke folgen werden.

Johannes Marksteiner

BERN/ Konzert Theater: DIE FLEDERMAUS – Derniere

JOHANN STRAUSS: DIE FLEDERMAUS – Konzert Theater Bern, Stadttheater, Dernière: 03.07.2021

(9. Vorstellung • Premiere am 02.05.2021)

Dernière in vielerlei Hinsicht

Die letzte Vorstellung der Saison 2020/2021, die Dernière der Fledermaus, war in vielerlei Hinsicht eine Dernière. Als Resultat einer gegen ihn geführten Intrige (der Person Märki das Führungsmodell zum Vorwurf gemacht), erklärte Intendant Stephan Märki am 6. Juli 2018 seinen sofortigen Rücktritt. Märki hatte als Intendant in Weimar das Nationaltheater vor dessen Abwicklung gerettet und in Bern das Amt als erster Generalintendant nach der Zusammenlegung von Stadttheater und Symphonieorchester übernommen er und das Haus als einziges Vierspartenhaus der Schweiz erfolgreich etabliert. Märki verliess ein Haus, das er wirtschaftlich auf eine hervorragende Grundlage gebracht und künstlerisch erfolgreich geführt hatte. Am 17. Juni 2019 hatte der Stiftungsrat von Konzert Theater Bern Florian Scholz zum neuen Intendanten gewählt. Scholz hat die Saison 2020/2021 als designierter Intendant bestritten und wird ab 2021/2022 die künstlerische Gesamtverantwortung am Konzert Theater Bern übernehmen. Eine neue Intendanz bringt naturgemäss immer Änderungen mit sich und so war die Dernière der Fledermaus auch die letzte Vorstellung von Konzert Theater Bern – von der kommenden Saison an ist der neue Name «Bühnen Bern –, die letzte Vorstellung mit dem alten Ensemble – bis auf Claude Eichenberger wurden alle Solisten gekündigt – und die letzte Vorstellung des alten Leitungsteams – Matthew Toogood als 1. Kapellmeister und Musikalischer Leiter des Musiktheaters ad interim und Operndirektor Xavier Zuber.

Das Fazit der letzten 10 Jahre (2011-2021) liegt nun auf gut 200 Seiten in gedruckter Form (http://www.konzerttheaterbern.ch/konzert-theater/musiktheater/gesangeskunst/) vor. Es waren zehn Jahre, die von einem ausgewogenen Spielplan und hervorragender künstlerischer Qualität geprägt waren. Nun bleibt zu hoffen, dass der von Stephan Märki und Xavier Zuber eingeschlagene Weg von Florian Scholz und seinem Team weiterverfolgt wird.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
Fledermaus» bei Konzert Theater Bern – Und schuld ist der Champagner |  Berner Zeitung

Foto © Annette Boutellier

Bei so vielen Dernièren brachte der Abend auch eine Premiere: Der Chor Konzert Theater Bern (Leitung: Zsolt Czetener) durfte auf der Bühne wieder singen, nachdem er bis dahin nur tanzen durfte. (Ob das weniger Aerosole produziert hat?) Die stimmliche Präsenz wie die Tänze (Choreographie: Vanni Viscusi) auf Orlofskys Ball sind eine grossartige Leistung!

Im Graben spielen 16 Musiker des Berner Symphonieorchesters unter Leitung von Matthew Toogood die von Roger Niese und Enrico Delamboye erarbeitete Berner Fassung der Fledermaus. Die Instrumentalisten begeistern mit höchst aufmerksamem und klarem Spiel und lassen Strauss Musik glänzen und funkeln.

Beau Gibson gibt einen stimmschönen Gabriel von Eisenstein und Evgenia Grekova, die für die erkrankte Sofie Jensen eingesprungen ist, überzeugt mit perfekte Diktion und grosser Bühnenpräsenz. Sarah Mehnert begeistert als blendend aussehender Prinz Orlofsky. Réka Szabó, deren Stimme im Verlauf des Abends immer besser sitzt, und Vesela Lepidu geben das Geschwisterpaar Adele und Ida. Philipp Mayer gibt einen höchst sympathischen Frank. Nazariy Sadivskyy, Todd Boyce, Andries Cloete und Irina Wrona ergänzen das Ensemble als Alfred, Dr. Falke, Dr. Blind und Frosch.

04.07.2021, Jan Krobot/Zürich

WIEN / Leopold Museum: JOSEF PILLHOFER

Image may be NSFW.
Clik here to view.
ipillhofer plakat mg 7835 x~1

WIEN / Leopold Museum:
JOSEF PILLHOFER
IM DIALOG MIT CÉZANNE, GIACOMETTI, PICASSO, RODIN …
Vom 18. Juni 2021 bis zum 10. Oktober 2021

 

 

 

 

 

 

 

Eine große Skulpturen-Schau

Bildhauer haben es schwerer als Maler. Ob sie mit Stein, Holz oder Metall arbeiten, ihr Material ist sperriger, erfordert mehr Zeit, Aufwand, Kraft und erhebliches handwerkliches Können. Und der Ruhm stellt sich – Ausnahmen ausgenommen, Michaelangelo natürlich, Rodin oder Giacometti – nicht so ohne weiteres ein. Ein Schicksal, das auch einen österreichischen Künstler traf, ungeachtet seiner allseits anerkannten Bedeutung: Anlässlich seines 100. Geburtstags erinnert das Leopold Museum nun an den in Wien geborenen und vor erst elf Jahren hier verstorbenen Josef Pillhofer, der Zeit seines Lebens auch in der Steiermark verankert war. Um ihn selbst würdig in großen Zusammenhang zu stellen, wohl aber auch, um das Publikum mit bedeutenden Namen zu locken, hat man auch die Werke berühmter Zeitgenossen ausgestellt, was die Präsentation zu einer großen Skulpturen-Schau macht.

Von Renate Wagner

Image may be NSFW.
Clik here to view.
pillhofer foto und saal img 7837~1

Josef Pillhofer   Geboren 1921 in Wien, aus musischem Elternhaus stammend, aufgewachsen in Mürzzuschlag, wollte Josef Pillhofer zuerst Zimmermann werden, absolvierte die Grazer Kunstgewerbeschule und trat nach dem Zweiten Weltkrieg mit eigenen Werken hervor, vor allem Skulpturen, aber auch Graphiken, beeinflusst anfangs von seinem Lehrer Fritz Wotruba, auch von den Künstlern, denen er während seines Paris-Aufenthalts begegnete. Ausstellungen, Preise, Empfehlungen ebnete ihm mit seinen Werken den Weg auch zur Biennale in Venedig, internationale Ausstellungen (bis in die USA) und Ankäufe durch Museen folgten. Pillhofer gestaltete auch Kirchenfassaden oder Büsten berühmter Persönlichkeiten (von Kaiser Maximilian I. bis Johannes Brahms und Sir Karl Popper). Lange Zeit lehrte er an der Wiener Akademie. Noch fast 80ährig schuf er in Ägypten eine noch dort befindliche Monutmentalskulptur. Ein altes Sägewerk in Neuberg an der Mürz wurde 2005 zu einer Skulpturenhalle umgebaut, in dem Pillhofers Werke als Permanenz-Ausstellung zu sehen sind. Der Künstler starb 89jährig 2010 in Wien. Im ersten Raum der Ausstellung begegnet er dem Besucher auf großformatigen Schwarzweißfotos, die ihn bei der Arbeit zeigen und quasi zu ihm, in sein Atelier, einzuladen scheinen.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
pillhofer römisciher kopf img 7847~1
  Image may be NSFW.
Clik here to view.
pillhofer sir karl popper mg 7862~1

Im Wechselbad der Stile     Von den rund 180 Werken, die sich hoch elegant im ersten Untergeschoß des Leopold Museums versammeln, flankiert von Graphiken an den Wänden, sind nicht alle, aber die meisten von Josef Pillhofer. Und dieser war ein Künstler von schier ununterbrochener Experimentierfreude – ob es die verschiedenen Materialen waren, ob er menschliche Körper zu Formen zurück stilisierte oder dann doch noch figurativ „erkennbar“ blieb. Von ähnlicher Vielfalt ist der Zugang in der Größe – von geradezu monumentalen Werken (nicht einfach, dergleichen in ein Museum zu schaffen) bis zu klein geformten Arbeiten hat ihn auch alles dazwischen interessiert. Auch inhaltlich gibt es keine Grenzen – ob Antike (ein nachgeformter „Römerkopf“), ob Kubismus, man spürt, wie er Einflüsse verarbeitete.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
pillhofer tänzerrelief img 7883~1

Sein Interesse an der Bewegung, das aus so vielen Werken spricht, findet einen Höhepunkt in einem sechsteiligen Wandrelief zum Thema Tanz, wo dann schon einmal ein Arm, ein Bein sich vorwitzig aus der Reihe hervorstreckt… Die Ausstellung umfasst Werke aus sechs Jahrzehnten und ist solcherart repräsentativ umfassend für ein Ereignis wie den „Hunderter“ eines Geburtstags. So kann Hans Peter  Wipplinger als Kurator, wie er sagt, auch wirklich ausführlich Pillhofers „variables und spannungsreiches Formenvokabular“ vermitteln.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
pillhofer skulpturengruppe auf podesten img 7871~1

Im Netzwerk der Künstler   Man weiß, was Picasso ihm bedeutete – eines von dessen kubistischen Bildern („Dora Maar“ mit „zweigeteiltem Gesicht“ zeigend) neben eine ähnlich konzeptionierte Kopf-Skulptur Pillhofers zu stellen, lässt Zusammenhänge klar werden. 50 Werke von Künstlern, die mehr oder minder Zeitgenossen waren, bereichern die Ausstellung.. Ein optischer und inhaltlicher Höhepunkt ergibt sich, wenn Kurator Wipplinger in einem Raum auf acht Sockeln nebeneinander Skulpturen der unterschiedlichsten Künstler darstellt – für den Besucher, wenn er kein ausgesprochener Fachmann zu dem Thema ist, ein interessantes Ratespiel. Dass Pillhofer mit Wilhelm Lehmbruck innerlich verwandt ist (der wiederum zu den Lieblingen von Leopold-Museums Direktor Hans-Peter Wipplinger zählt, der ihm schon eine eigene Ausstellung gewidmet hat), zeigt sich im Vergleich, und wenn andere ganz, ganz anders denken und arbeiten wie etwa Alberto Giacometti mit seinen extrem dünnen Figuren. Das schärft die Augen des Betrachters für die grenzenlosen Möglichkeiten, Skulpturen zu gestalten.

Leopold Museum:
JOSEF PILLHOFER. IM DIALOG MIT CEZANNE, GIACOMETTI, PICASSO, RODIN…
Bis 10. Oktober 2021, Mittwoch bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr,
an Feiertagen geöffnet

ELTVILLE am Rhein/ Kloster Eberbach: ERÖFFNUNG RHEINGAU-MUSIKFESTIVAL

Eröffnung des Rheingau Musikfestivals am 3. Juli 2021 via 3sat im Kloster Eberbach/ELTVILLE AM RHEIN

Lichtermeer der Harmonien

 Das Sinfonieorchester des hessischen Rundfunks eröffnete dieses Benefizkonzert des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier mit Felix Mendelssohn Bartholdys  „Hebriden“-Ouvertüre, die ihre Entstehung einer schottischen Reise verdankt. Das bezaubernde Lichterspiel der Harmonien und Motive wurde vom Sinfonieorchester des hessischen Rundfunks unter der Leitung von  Andres Orozco-Estrada  facettenreich ausgekostet. Ein wogendes Meeresidyll entwickelte sich über der opulenten Akustik wie von selbst. Das Hauptmotiv erinnerte mit Macht an die Fingalshöhle – und auch die bildhaften Themen kamen nicht zu kurz. Augustin Hadelich (Violine) war anschließend der bravouröse Solist im Violinkonzert in d-Moll op. 47 von Jean Sibelius, dessen thematische Vielfalt hier hervorragend herausgearbeitet wurde. Und auch der rhapsodische  Kadenzenreichtum kam bei Augustin Hadelichs höchst sensibler Wiedergabe nicht zu kurz. Und das charakteristische Hauptthema des ersten Allegro-moderato-Satzes zeigte großen Klangfarbenreichtum, den auch Andres Orozco-Estrada mit dem Sinfonieorchester des hessischen Rundfunks wirkungsvoll auskostete. Das lyrische zweite Thema wurde von Hadelich ebenfalls mit wunderbarer, sphärenhafter Ebenmäßigkeit vorgetragen. In der frei entwickelten Durchführung triumphierten Orchester, Dirigent und Solist nochmals in eindrucksvoller Weise. Der kadenzfrohe Solopart besaß  äusserst virtuose Glanzpunkte. Die elegische Wärme des zweiten Satzes erreichte bei dieser Wiedergabe ebenfalls eine nuancenreiche Intensität. Und der Zauber des Rondo-Finales mit seinen elektrisierenden Rhythmen und der unbeschwerten Solostimme zeigte eine geradezu hymnisch-ekstatische Intensität. Zum Abschluss erklang noch die Sinfonie Nr. 5 in D-Dur op. 107, die so genannte „Reformationssinfonie“, von Felix Mendelssohn Bartholdy. Hier konnte das Sinfonieorchester des hessischen Rundfunks weitere Glanzpunkte setzen. Die beiden geistlichen Melodien dieses im Jahre 1830 entstandenen Werkes kamen bei der transparenten Wiedergabe ausgesprochen klar und leuchtkräftig zum Vorschein. Der Klangzauber dieser zur Dreihundertjahrfeier der Augsburger Konfession geschriebenen Sinfonie entfaltete sich immer wieder machtvoll. Dies galt für den gewaltigen Luther-Choral „Ein‘ feste Burg ist unser Gott“ ebenso wie für das „Dresdener Amen“, dessen liturgische Melodie später von Richard Wagner in seinem „Parsifal“ verwendet wurde. Vor allem die ausgedehnten polyphonen Passagen wurden vom Sinfonieorchester des hessischen Rundfunks unter der Leitung von  Andres Orozco Estrada akribisch herausgearbeitet. Einflüsse von Bach und Händel blieben zwar dezent im Hintergrund, waren aber spürbar.  Begeisterter Schlussapplaus in der gut besuchten Basilika. In seiner Begrüßungsanspache verbreitete der Bundespräsident Optimismus. Er hoffe auf einen positiven Neuanfang nach der schwierigen Corona-Zeit.  

 

ALEXANDER WALTHER

MANNHEIM/ Nationaltheater: „VISSI D´ARTE-VISSI D´AMORE“. Italienische Operngala

Mannheim: „VISSI D´ARTE-VISSI D´AMORE“

 Italienische Opern-Gala am NTM – 03.07.2021

Bei Inzidenzen unter dato „5“ öffnete auch das Nationaltheater mit den „Schiller-Tagen“ und einigen Opern-Aufführungen zögerlich seine Pforten und präsentierte unter  strengen Corona-Auflagen ein exquisites Opernkonzert welches ich privat besuchte mit der in meinen Ohren weltbesten Wagner-Strauss-Heroine Catherine Foster. Nach bisher viel umjubelten Engagements als „Elektra“ und „Färberin“ hier am Hause wandelte die international gefeierte Sopranistin nun auf Pfaden des italienischen Verismo, hinterließ während der Visite erfolgreich äußerst eindrucksvolle Spuren. Im Kreise von drei elitären Sängerkollegen aus dem NTM-Ensemble schien sich die großartige, bescheidene, charmante Künstlerin sichtlich wohl zu fühlen.

Mit der titelgebenden „Tosca“-Arie sehr emotional dargeboten eröffnete Catherine Foster ihre Programmfolge. Dynamisch differenziert, prächtig im Forte, voll warmem Höhenglanz folgte Pace, pace, mio dio aus „La Forza del Destino“ (Verdi). In jugendlich-dramatischem Furor, wunderschönem Legato erklang Ebben? Ne andró lontana der „La Wally“ (Catalani). Den kraftvollen Sopran zu zügeln, in lieblich-beseelte Sphären vorzudringen gelangen Foster vortrefflich zu Laurettas Arioso O mio babbino caro aus „Gianni Schicchi“.

Zum Finale kam erneut Giacomo Puccini zu Gehör und Catherine Foster glänzte mit „Turandots“ fulminantem Auftritt In questa reggia. Auf strömender Linie steigerte die grandiose Künstlerin ihre strahlende Stimme zu unerschütterlicher Perfektion in  ekstatische konsequente Höhen-Attacken, ließ dennoch formal fraulich-warme Töne mit einfließen. Ein Sopran von vollendeter Schönheit ohne jegliche Schärfen – einfach Spitzenklasse!

Ihre komplette Turandot in „ ? „ möchte ich keinesfalls versäumen, ebenso wenig die Isolde in Wiesbaden zur Saison 2021/22.

Affettuoso, pietoso interpretierte Irakli Kakhidze Turiddus Abschied aus „Cavalleria rusticana“ (Mascagni). Elegisch jedoch keinesfalls larmoyant gestaltete der georgische Tenor in glanzvollen Höhenflügen das Lamento des Federico aus „L´Arlesiana“ (Cilea) und versetzte das Publikum in helle Begeisterung. Dem Höhenregister seines markanten Spinto-Tenors scheinen keine Grenzen gesetzt, sodann schmetterte Kakhidze ebenso bravourös Nessun dorma, bot zudem seiner Turandot präsent Paroli.

Ein Verdi-Bariton par excellence ist Evez Abdulla zu eigen, effektvoll auf strömendem Legato, wunderbar timbriert gestaltete der aserbaidschanische Künstler zusammen mit Kakhidze höchst dramatisch die Duell-Szene aus dem 4. Akt „La Forza del Destino“. Vollendet schönstimmig tauschten die beiden als Rudolfo-Marcello in „La Bohéme“ wehmütige Erinnerungen an die verflossenen Geliebten. Prunkvolle Spitzentöne, viril-satte Mittellagen, einfach wunderschön und bewegend erklang Dio di Giuda des „Nabucco“. Belcanto pur, nonchalant sang Abdulla Franks Arie Questo amor, vergogna mia aus Puccinis „Edgar“.

Bei Verdi schien sich ebenso Sung Ha sehr wohl zu fühlen, präsentierte sein herrlich sonores Bassmaterial  mit Procidas O tu Palermo aus „I Vespri Siciliani“. In vortrefflicher Manier folgte die Arie des Banquo aus „Macbeth“. Dramatik pur, emotionelle Konzilianz in musikalischer Transparenz vereint, einer der Höhepunkte des Abends, präsentierte der sympathische Künstler das bewegende Duett M´ardon le tempia aus „Simon Boccanegra“ mit dem Bassisten Sung Ha.

Gewiss wünschte man sich zu solchen Events eine orchestrale Begleitung, doch ließ sich diese heute leicht verschmerzen hatte man einen exzellenten Pianisten zur Verfügung. Gábor Bartinai war Solokorrepetitor an der Wiener St.O., Studienleiter an der Ungar. St.O. nun am NTM  verstand es mit pianistischer Brillanz die Künstler zu untermalen, setzte beherzt und temperamentvoll Tasten-Finessen und wurde zu Recht im finalen Jubel mit einbezogen. Die Moderation oblag Thomas Hermann.

Mit dem unverwüstlichen Traviata-Brindisi bedankten sich alle Künstler vom begeisterten Publikum.

Gerhard Hoffmann


WIEN / Albertina: FRANZ HUBMANN – KÜNSTLERPORTRÄTS

Image may be NSFW.
Clik here to view.
hubmann plakat g 7777 x~1

WIEN / Albertina:
FRANZ HUBMANN: KÜNSTLERPORTRÄTS
DIE SCHENKUNG HELMUT KLEWAN
Vom 2. Juli 2021 bis zum 10. Oktober 2021

Mit Fotos von Künstlern erzählen…

Österreich hatte in der Nachkriegszeit eine stattliche Anzahl herausragender, international bewunderter Fotografen aufzuweisen. Erich Lessing etwa, der das Staatsvertragsfoto vom Belvedere-Balkon machte. Ernst Haas, von dem das ergreifendste Foto zum Thema der „Heimkehrer“ stammte. Und, der Älteste unter ihnen, Franz Hubmann (1914 – 2007), der für vieles berühmt wurde, aber dessen Künstlerfotos eine Kategorie für sich darstellten. Das sind nicht nur künstlerisch hervorragende Bilder – sie haben als Dokumentation hohen historischen Wert. Die Albertina hat eine Schenkung des Galeristen Helmut Klewan mit Dank angenommen und den „Künstlerporträts“ eine eindrucksvolle Ausstellung gewidmet.

Von Renate Wagner

Image may be NSFW.
Clik here to view.
hubmann er und heomut klewan xxx~1

Franz Hubmann (rechts) und Helmut Klwean

Franz Hubmann   Geboren 1914 in Ebreichsdorf südlich von Wien, wandte sich Hubmann nach seinem Brotberuf als Textiltechniker nach dem Zweiten Weltkrieg der Fotografie zu. Er durchlief eine Ausbildung an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, Europas älteste Institution, an der Fotografie gelehrt wurde. Er arbeitete bei der Fremdenverkehrswerbung, bis er Karl Pawek kennen lernte, Fachmann für Fotografie und Zeitschriftengründungen. Mit ihm rief er „magnum – die Zeitschrift für das moderne Leben“ ins Leben, die zwischen 1964 und ihrer Einstellung 1966 eine nicht zuletzt wegen Hubmanns Fotoserien zu den bedeutendsten Kulturpublikationen der Zeit zählte. Er fotografierte den Wiener Alltag, die Wiener Künstlerszene, aber sein Ehrgeiz ging auch dahin, die damals schon langsam absterbende europäische Künstlergeneration des 20. Jahrhunderts festzuhalten, was ihm bei mehreren Reisen gelang. Nach dem Ende von „magnum“ war Hubmann weiter unermüdlich tätig, oft in Zusammenhang mit dem Galeristen Helmut Klewan, vor allem aber für über 80 Bildbände, die er für die Verlage Molden, Residenz, Christian Brandstätter u.a. erstellte. Er fotografierte Architektur und Landschaft und die Menschen Österreichs und setzte dem Café Hawelka ein Denkmal in Bildern. Hubmann starb 2007 im Alter von 93 Jahren in Wien.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
hubmann picasso 1 ccc~1

Picasso und die anderen    Als „Bildjournalist“ hatte er begonnen, als solcher klopfte Hubmann – ein Exemplar von „magnum“ mit seinen Bildern in der Hand – unangemeldet bei den Berühmtheiten der Zeit an und wurde so gut wie nie abgewiesen. Die Suche nach dem „spontanen“ Bild gelang natürlich nicht immer. Pablo Picasso beispielsweise, der genau wusste, was Fotos für seinen medialen Wert bedeuteten, stellte sich, als Hubmann ihn 1957 in Cannes aufsuchte, mit „Fotografiergesicht“ dermaßen in Pose, so dass Hubmann nur „natürliche“ Schnappschüsse gelangen, als er Picasso erwischte, wie dieser mit dem Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler im Gespräch vertieft war. Dann konnte Hubmann auch die Umgebung, in der Picasso lebte und arbeitete, stimmungsstark einfangen. So wie dieser sind zahlreiche Künstler der Zeit in der Ausstellung vertreten – darunter Berühmtheiten wie Marc Chagall oder Georges Braque. Das skeptische Gesicht von Alberto Giacometti ziert das Plakat zur Ausstellung (zu der es bedauernswerterweise keinen Katalog gibt). Es sind Porträts, die zweifellos etwas vom Wesen der Abgebildeten erzählen.

Image may be NSFW.
Clik here to view.
hubmann nitsch jung~1

Die heimische Szene   Wer von den fünfziger Jahren an in Österreichs Kunst- und Kulturszene Bedeutung hatte, drängt sich oft selbst dazu, von Hubmann porträtiert zu werden. Heute, da man diese Künstler als „alt“ kennt oder in Erinnerung hat, sieht man die Gesichter von einst – einen pudeljungen Arnulf Rainer, einen Hermann Nitsch, damals schon füllig und mit der Weinflasche in der Hand – im Hintergrund erkennt man Schloß Prinzendorf. Es ist österreichische Kulturgeschichte, wenn Hubmann den großen Josef Hoffmann, Meister der Secession und der Wiener Werkstätte, den man in den fünfziger Jahren schon tot glaubte, mit Oskar Kokoschka, dem einst so wilden Expressionisten, auf ein gemeinsames Foto bannte – österreichische Kunstgeschichte, sie sie signifikanter nicht sein könnte (und zeigte, dass Menschen länger zu leben vermögen als künstlerische Strömungen).

Image may be NSFW.
Clik here to view.
hubmann kokoschka und josef hoffmann x~1

Albertina:
FRANZ HUBMANN: KÜNSTLERPORTRÄTS
DIE SCHENKUNG HELMUT KLEWAN
Vom 2. Juli 2021 bis zum 10. Oktober 2021,
täglich 10 – 18 Uhr
Kuratorin Anna Hanreich

GRAZ/ styriarte: ZWEI WELTKLASSE-VIRTUOSEN! Klezmer Bridges – Il castrato                   

GRAZ/ styriarte
ZWEI WELTKLASSE-VIRTUOSEN!

Klezmer Bridges – Il castrato                   

  1. Juni 2021 und 3. Juli 2021, Helmut-List-Halle Graz

Image may be NSFW.
Clik here to view.

Foto: styriarte. Nikola Mijatovic

Den steirischen Festspielen ist es gelungen, in zwei Konzerten knapp hintereinander zwei Weltklasse-Solisten aus ganz unterschiedlichen musikalischen Welten und ganz unterschiedlichen Alters zu präsentieren und damit eindrucksvoll die enorme Bandbreite dieses Festivals mit seinen über 80 Veranstaltungsterminen innerhalb eines Monats unter Beweis zu stellen.

Der im 86.Lebensjahr stehende Klarinettist Giora Feidman, oft und zu Recht als King of Klezmer bezeichnet, war am 30. Juni mit dem Programm Klezmer Bridges umjubelter Mittelpunkt im mit rund 600 Plätzen wohl ausverkauften Saal.

 

https://deropernfreund.de/graz-styriarte-6.html

Hermann Becke/ www.

LÜBECK/ Konzert und Kongresshalle: Eröffnung des Schleswig-Holstein-Musikfestivals in der Konzert- und Kongresshalle

Eröffnung des Schleswig-Holstein-Musikfestivals in der Konzert- und Kongresshalle via 3sat am 4. Juli 2021/LÜBECK

Impulsive Rhythmik

Dieses Jahr findet das Schleswig Holstein-Musikfestival wieder mit Publikum statt. Unter der impulsiven Leitung von Pablo Heras-Casado musizierte das NDR Elbphilharmonie Orchester zunächst die Sinfonie Nr. 6 in C-Dur von Franz Schubert, die in den Jahren 1817/1818 entstand. Dass dieses Werk hell und aufgelockert in der thematischen Arbeit ist, wurde bei dieser präzisen Wiedergabe deutlich. Jugendliches Feuer paarte sich dabei mit männlicher Energie. Und die Vorbilder von Haydn bis Beethoven machten sich versteckt bemerkbar. Der erste Satz überzeugte vor allem durch sein elegantes Holzbläser-Spiel, das nie aufdringlich wirkte. Das sensible Klangideal der Romantik machte sich dabei einmal mehr bemerkbar. Auch die liedhafte Andante-Melodie des zweiten Satzes fesselte hier mit sensibel gestalteten Holzbläserpoesien. Hier und im nachfolgenden Scherzo machte sich die „große“ C-Dur-Sinfonie bereits bemerkbar. Zukunftsweisend wirkte ebenso das ausgesprochen kraftvoll gestaltete Finale dieses reif wirkenden Werkes.  Der erst 26jährige kanadische Pianist mit polnischen Wurzeln, Jan Lisiecki, war dann der glanzvolle Solist beim Klavierkonzert Nr. 3 in c-Moll op. 37 von Ludwig van Beethoven, dessen virtuoses Raffinement er akribisch und mit höchster Konzentration ausleuchtete. Dabei wurde  er vom NDR Elbphilharmonie Orchester unter Pablo Heras-Casado höchst einfühlsam begleitet. Der Gegensatz von Solist und Orchester wirkte hier nie störend, sondern ausgesprochen inspirierend. Und auch die straffe Energie des Hauptthemas Allegro con brio kam im ersten Satz ausgesprochen forsch und wirkungsvoll daher, während das Seitenthema nichts von seiner Anschmiegsamkeit verlor. Und auch die kühnen Anforderungen in der gewaltigen Durchführung besaßen eine elektrisierende Schwungskraft, die nicht nachließ. Der wunderbar träumerischen Stimmung des zweiten Largo-Satzes  wurde Jan Lisiecki in mehr als einer Hinsicht gerecht. Und das Rondo-Thema des Schluss-Satzes geriet zu einer wahrhaft atemlosen Stretta, dessen rhythmische Verästelungen der Pianist wirkungsvoll auskostete. Die pontierten Akzente blitzten in reizvoller Weise hervor. Insbesondere der sinfonische Gesamtcharakter des Werkes stach bei dieser Interpretation leuchtend hervor. Leidenschaft und Größe paarten sich hier immer wieder mit romantischem Überschwang, leidenschaftlicher Spielfreudigkeit und herrlicher Melodik. Als Zugabe spielte Jan Lisiecki das Nocturne op. 9 Nr. 1 in b-Moll von Frederic Chopin. Harmonische Nuancen, leidenschaftliche Steigerungen und rhythmische Freiheiten gingen dabei eine glückliche Verbindung ein. Und die enharmonischen Verzögerungen des zweiten Des-Dur-Themas erschienen schemenhaft und geheimnisvoll. Ovationen.

Alexander Walther

DRESDEN/ Semperoper: DIE ZAUBERFLÖTE. Und immer wieder Zauberflöte – aus der Sicht eines Kindes

Dresden / Semperoper: … UND IMMER WIEDER „DIE ZAUBERFLÖTE“ – IN DER NEUINSZENIERUNG VON KÖPPLINGER AUS DER SICHT EINES KINDES – 4.7.2021

Warum immer wieder „Die Zauberflöte“?. Zweifellos gehört sie zu den bekanntesten und beliebtesten Opern überhaupt. Sie steht überall auf den Spielplänen und wird immer wieder neu und anders inszeniert. Wolfgang Amadeus Mozart hat seinerzeit wahrscheinlich nicht geahnt, als er den Auftrag für die Musik zu einem Libretto von Emanuel Schikaneder erhielt, dass seine letzte große Oper die Jahrhunderte überdauern und bis ins 21. Jahrtausend hinein der absolute „Publikumsmagnet“ sein würde. Bereits Achim Freyer versuchte, das Rätsel dieses Phänomens zu lösen, und hat es mit seiner Inszenierung an der Semperoper, die alles bunt wie in einem Kinderbuch ins Lächerliche zog, geschafft. Das Haus war mitunter nur halb voll oder halb leer – wie man will -, auch bei sehr guter Besetzung und obwohl Mozarts Musik immer wieder von neuem „zündet“ und immer wieder eine neue Generation heranwächst, die gerade diese Oper auch sehen und kennenlernen möchte.

Jetzt wird vieles getan, um die „Zauberflöte“ zu entzaubern, so dass sie schon viel von ihrem Zauber verloren hat, der nicht nur mit dem Zauberwort des viel verheißenden Titels und der sowohl eingängigen, als auch sehr anspruchsvollen Musik Mozarts verbunden ist. Aller guten Dinge sind bekanntlich drei, das bedeutet, dass auch eine stimmige Inszenierung, die sogar manch weniger gute Sängerleistung kompensieren kann, dazugehört. Das erwartet das Publikum einfach. Seinerzeit rettete diese Oper Theaterdirektor Schikaneder und sein Theater und ermöglichte ihm sogar den Bau des Theaters an der Wien. Soll sie jetzt auch so manches Haus „retten“?

Man kann auch die beste Oper „zu Tode“ spielen. In Dresden läuft „Die Zauberflöte“ gleich an zwei bedeutenden Häusern, an der Staatsoperette in kaum 1 km Entfernung von der Semperoper als Wiederaufnahme (seit 17.10.2020) in der fantasievollen, farbenfrohen und im wahrsten Sinne des Wortes märchen- und zauberhaften Inszenierung von Axel Köhler und an der Semperoper, wo sie lange in der Inszenierung von Freyer lief, gab es vor einem reichlichen halben Jahr (1.11.2020) eine Premiere für die Neuinszenierung von Josef E. Köpplinger, die vierte nach der Wiedereröffnung des Hauses (1985), die nach der Premiere Corona-bedingt nur noch als Live-Stream zu sehen war und jetzt fünfmal als einzige Oper mit Publikum (außer den Veranstaltungen in Semper 2) bis Saisonende auf dem Spielplan steht. Konkurrenz belebt das Geschäft? Da möchte schon etwas Besonderes geboten werden, damit diese Oper wieder zum „Zugstück“ wird, sonst wird man dessen müde.

Köpplinger lässt die Handlung aus der Sicht eines Kinds, des kleinen Tamino, ablaufen, der sich ins Erwachsenenleben in einer Märchenwelt hineinträumt – warum eigentlich? Sinn macht das nicht unbedingt, aber es gibt Gelegenheit, einmal nicht nur schwarz-weiß zu „malen“, sondern das, was das Kind sieht und erlebt, farbenfroh, märchenhaft und fantasievoll darzustellen.

Es gibt endlich einmal keine Alltagskleidung, sondern farblich gut abgestimmte Kostüme zwischen Barock und Mozart-Zeit, zumindest für die Königin und ihre Damen (Kostüme: Dagmar Morell), keine Stühle, keine Türen, keinen Aktenkoffer, kein Handy usw., sondern Videoeinblendungen als Hingucker, aber auch Neonröhren, hier sinnvoll eingesetzt, sogar für die wundersame Zauberflöte, die dann wie ein Mini-Excalibur-Schwert wirkt, einen Sternenvorhang – nicht etwa wie im Märchen, sondern ganz real, entsprechend einer Weltraum-Aufnahme, und seltsame Gestelle für die Akteure zum Hineinklettern (Bühnenbild & Video: Walter Vogelweider). Es ist alles kurzweilig anzusehen – immer wieder neue Situationen in farbigen Bildern.

Für diese Inszenierung wurde die Oper (auch pandemiebedingt) stark (auf zwei Stunden und ein paar Minuten – ohne Pause) reduziert  und leicht „gemischt“, wobei die Szenen lose aneinandergefügt erscheinen und manches wie „Brüche“. Außerdem wurde die Handlung „etwas modernisiert“. Monostatos mutiert beispielsweise zum Gangsterboss und seine Gesellen zu (gemäßigten) schwarz gekleideten gewaltbereiten Typen“, die auch geschickt die Bühnenumbauten übernehmen (Choreografie: Ricarda Regina Ludigkeit).

Unter den Personen der Handlung beeindruckte vor allem René Pape als würdevoller Sarastro mit profunder Stimme und der nötigen Tiefe. Seine ausgezeichnete Artikulation ließ jedes Wort klar und deutlich verstehen, was auch bei den gesprochenen Worten sehr von Vorteil war, die er weder gekünstelt, theatralisch oder simpel gestaltete, sondern in ausgewogener Balance zwischen guter Sprache und geistreicher Diktion, so dass sie, obwohl künstlerisch überhöht, sehr natürlich wirkten.

Eine ebenbürtige Gegenspielerin war Maria Perlt-Gärtner mit ihren glasklaren Koloraturen, die die Gefühlskälte der Königin der Nacht und ihre, nach Macht strebende, Dominanz ausdrückten, was sie auch mit ihrer Darstellung unterstrich. Etwas Kühle lag auch in der Stimme von Tuuli Takala als eigentlich sanftmütige Pamina, aber trotz sehr gewöhnungsbedürftigem Outfit mit roter Perücke, weißem (altmodischem) Kleidchen und „Springer“-Stiefeln konnte sie doch, vor allem gesanglich, überzeugen.

Als (erwachsener) Tamino bewegte sich Joseph Dennis schon wegen seiner saloppen Kleidung weniger wie ein Prinz, sondern wie das größer gewordene Kind, das zu Beginn wirklich als Kind erscheint und sich während der Ouvertüre auf der zunächst schwarzen Bühne mit Beleuchtungs- und anderer Technik umsieht und sich dann zum Erwachsenen entwickelt, inmitten der anderen Sänger-Darsteller. Er sang nach bestem Wissen und Gewissen und könnte sich auch da noch entwickeln.

Als erste der Drei Damen führte Roxana Incontrera stilsicher den, mit Stepanka Pucalkova und Michal Doron gut abgestimmten, Gesang an, wobei letztere etwas zu leise erschien. Markus Marquart verkörperte mit Gesang, Sprache und Darstellung sehr glaubwürdig einen altersweisen Sprecher und Simeon Esper einen charakteristischen Monostatos. Kein Genuss war hingegen der Gesang der beiden Geharnischten Jürgen Müller und Lawson Anderson, die aus überdimensionalen grauschwarzen, von schwarzen Gestalten „gesteuerten“ Riesen-Puppen oder Puppen-Riesen heraustreten. Als die beiden Priester fungierten Mateusz Hoedt (Junges Ensemble) und Timothy Oliver.

Wenn die drei Knaben von „echten“ Knaben, hier aus dem Dresdner Kreuzchor (Ludwig Haenchen, Fabian Anwand, Errel Rodzinka), gesungen werden, hat das immer etwas Berührendes, auch wenn die zarten Stimmen für das große Opernrund nicht ausreichen, so sicher sie auch singen mögen.

Bliebe da noch das Sympathie-Paar des Publikums, Papageno, dem Sebastian Wartig Stimme und Gestalt verlieh, und die niedliche Papagena Julia Muzychenko, die beide „…erst einen kleinen Papageno, dann eine kleine Papagena …“ usw. von einem reichen Kindersegen schwärmen, den sie in den meisten Inszenierungen auch in Form von kleinen Kindern, langbeinigen, jungen Vögeln u. a. sofort bekommen. In Goethes Konzept, der sich lange mit dem Gedanken einer Fortsetzung der „Zauberflöte“ trug, wären sie kinderlos geblieben und hätten von Sarastro drei goldene Eier als Geschenk erhalten, aus denen Vogelkinder schlüpfen, weshalb bei Köpplinger gleich sieben übergroße bunte Eier mit Kinderbeinen über die Bühne tanzen.

Unter der Leitung von Gábor Káli bot die Sächsische Staatskapelle Dresden das Fundament für Sängerinnen und Sänger und den zuverlässig singenden Sächsischen Staatsopernchor Dresden (Jonathan Becker), dessen Damen im Rahmen der Gleichberechtigung am Ende auch weiße Priestergewänder tragen dürfen.

Nach langer Live-Opern-Abstinenz und vielen gegenwärtigen Inszenierungen, die immer wieder die gleichen Regie-Klischees bedienen, bedeutet diese Inszenierung ein Aufatmen, wenn die Oper auch sehr auf das Märchenhafte reduziert wurde, obwohl sie doch wesentlich mehr ist, als nur zauberhaft. Das wird jetzt gern unterschätzt und auf simplen Zauber reduziert. Man sollte nicht vergessen, dass Schikaneder und Mozart Logenbrüder (Freimaurer) waren, denen geistige und ethische Ideale am Herzen lagen. Das erschließt sich nicht zuletzt aus vielen Textstellen (abgesehen von solchen, die aus dem damaligen Zeitgeist heraus zu verstehen sind) und erst recht aus Mozarts Musik.

Bekanntlich hatte er den Auftrag, seinem Logenbruder zu helfen (so wie ihm vorher von Logenbruder Puchberg geholfen wurde). Sonst hätte er wohl kaum eine simple “Zauberoper“ komponiert, wie es sie damals in großen Mengen gab, da sie vor allem beim Wiener „Vorstadt“-Publikum sehr beliebt waren. In Mozarts „Zauberflöte“ steckt ein geistiger Anspruch, der in den, auch in dieser Inszenierung groß angezeigten Worten: „Natur, Weisheit, Vernunft“ zum Ausdruck kommt.

Wenn da Papageno auf einem überdimensionalen Vogel hereinschwebt, ist das zwar ein sehr wirkungsvoller Theater-Gag, aber eigentlich nicht im Sinne dieser Gestalt, die den einfachen, naturverbundenen Mann aus dem Volk charakterisiert, der „im Grunde gar keine Weisheit“ verlangt, „ein Mensch wie du“, der von „Essen und Trinken“ lebt, dem „ein Glas Wein das größte Vergnügen“ ist und später eine große Familie.

Der aus vielen Quellen stammende Stoff ist von freimaurerischem Gedankengut durchdrungen. So lässt sich auch der viel diskutierte „Bruch“ zwischen erstem und zweitem Aufzug erklären. Sarastro erscheint aus zweierlei Sicht, erst als Hassobjekt der Königin der Nacht, deren Machtansprüche er vereitelt, was auch dem ahnungslosen Tamino so vorgegaukelt wird, und im 2. Akt als der Repräsentant des Guten und der Humanität, der er wirklich ist, eine Wahrheit, die Tamino erst erkennen muss. Diese unterschiedlichen Sichtweisen erhöhen noch die Spannung und dürften in diesem Sinn beabsichtigt gewesen sein, nicht zuletzt, auch um das Publikum zu verblüffen.

Diese Oper enthält viele philosophische Betrachtungen und Lebenswahrheiten sowie Symbolik der Freimaurer, die wegen ihrer historisch bedingten „Geheimniskrämerei“ oft gefürchtet und verfemt waren, in der Realität aber humanistisches Gedankengut und humanitäre Tätigkeit pflegten, weshalb die „Zauberflöte“, als einzige von den vielen Zauberopern, die es damals gab, überlebt hat. Wenn sie wieder auf das rein fantastische, zauberhafte Niveau „heruntergefahren“ wird, ist ihr „Tod beschieden“.

 Ingrid Gerk

 

STUTTGART/ Liederhalle: Mozart-Festival „DER JUNGE MOZART“ mit dem Staatsorchester

Mozart-Festival „Der junge Mozart“ mit dem Staatsorchester am 5. Juli 2021 im Beethovensaal der Liederhalle /STUTTGART

Reigen seliger Geister

Unter der inspirierenden Leitung von Cornelius Meister erklangen Werke des jungen Wolfgang Amadeus Mozart bei diesem Festival-Konzert mit dem Staatsorchester Stuttgart höchst erfrischend und impulsiv. Sinnlichkeit und Geist strahlte die Harmonik hier von Anfang an aus, was sich bereits bei der elektrisierenden Wiedergabe der Sinfonie Nr. 4 D-Dur KV 19 bemerkbar machte, deren thematische Vielfalt Meister mit dem Orchester minuziös offenlegte. Vor allem beim Presto-Finale triumphierte der geradezu schwärmerische Elan des jungen Komponisten, der sich dann bei der Sinfonie Nr. 5 B-Dur KV 22 „Haager“ fortsetzte. Cornelius Meister spornte die Musiker dabei zu einer leidenschaftlichen Musizierweise an, die auch die Seitengedanken in ein helles Licht rückte. Kontrapunktische Meisterschaft offenbarte sich dabei mit sphärenhafter Leichtigkeit und Noblesse, drängende Erregung begleitete die chromatischen Aufschwünge. Auch bei dieser Sinfonie sprudelten die Themen des Finalsatzes Allegro molto wie aus einer geheimnisvollen Quelle hervor. Renaud Capucon (Violine) musizierte mit wunderbarer Ausdruckstiefe das Violinkonzert Nr. 3 G-Dur KV 216, wobei er vom  Staatsorchester wie auf Händen getragen wurde. Anmut und Wärme kennzeichneten den Bogenstrich – und das Adagio blühte in makelloser melodischer Schönheit auf. Auch hier spürte man, wie die Harmonik schon weit über das „Galante“ hinausging. Formale Vollkommenheit wurde von Renaud Capucon aber nicht plakativ herausgestellt, sondern sehr dezent betont. Hinzu kam eine bestrickende klangliche Durchsichtigkeit, die Cornelius Meister mit dem Staatsorchester Stuttgart immer weiter auffächerte.

Als Zugabe spielte Renaud Capucon noch den berühmten „Reigen seliger Geister“  aus der Oper „Orpheus und Eurydike“ von Christoph Willibald Gluck, wobei der bestrickende melodische Zauber zu intensiver Entfaltung kam. Zum Abschluss erklang noch die Sinfonie Nr. 6 F-Dur KV 43, wo Cornelius Meister mit dem Staatsorchester die Themen und Motive wie bei einem raffinierten Mosaik zusammenfügte. Man hatte dabei wirklich den Eindruck,  dass der Reigen seliger Geister hier seine gebührende Fortsetzung fand. Im Wechselgespräch der einzelnen Instrumentalgruppen erreichte der musikalische Ausdruck eine ungewöhnliche Intensität. Herzlicher Schlussapplaus des Publikums im spärlich besetzten Beethovensaal.

Als Zugabe erklang noch der atemlos musizierte Presto-Satz aus Mozarts Sinfonie Nr. 15 in G-Dur KV 124.

Alexander Walther

Viewing all 11208 articles
Browse latest View live


<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>