Filmstart: 30. Juli 2021
MALMKROG
Rumänien (u.a.) / 2020
Drehbuch und Regie: Cristi Puiu
Mit:
• Frédéric Schulz-Richard: Nikloai
- Diana Sakalauskaité: Ingrida
- Marina Palii: Olga
- Agathe Bosch: Madeleine
- Ugo Broussot: Edouard
- Istvàn Teglàs: Istvàn
Cristi Puiu ist ein Name für Fachleute. Ein rumänischer Regisseur, bei Festivals vertreten, mit großen Worten angekündigt, mit Preisen überschüttet, von den Kritikern enthusiastisch gefeiert. Nicht unbedingt ein Mann, der Filme für ein Publikum macht, das sich nicht intellektuell verbiegen möchte. Sein jüngstes Werk „Malmkrog“ dauert gestrichene dreieinviertel Stunden und wird als „einer der großen Glücksfälle im neueren Kino“ gefeiert. Ist das gerechtfertigt?
Wenige werden die Vorlage kennen, nach welcher der rumänische Regisseur sein Drehbuch ausgerichtet hat: „Trirasgowora“ von Wladimir Sergejewitsch Solowjow, zu Deutsch Erzählungen vom Antichrist, philosophische Überlegungen zu Religion, Christentum, zu Gott und der Welt. Diese Texte sind als Gespräche die Grundlage des cineastischen Epos „Malmkrog“
Es beginnt mit einer verschneiten Landschaft, im Hintergrund ein schlossartiges Gebäude (nur noch einmal wird die Außenaufnahme wiederholt, da hört man – man sie sie nicht – eine Eisenbahn pfauchen). Man befindet sich im Jahre 1900 an einer Außenstelle des Zarenreichs, dem Schloß Malmkrog in Siebenbürgen (das gibt es wirklich, gehörte einst einer ungarischen Magnatenfamilie). Dort treffen sich eine Handvoll Aristokraten und Intellektueller, über die man nichts Genaues erfährt.
Was sie tun? Reden. Über Gott und die Welt. Sie tun es auf Französisch, das sie alle gut sprechen, aber doch wie eine Fremdsprache (das macht das Verstehen für ein Publikum, das Französisch auch als Fremdsprache kennt, leichter). Wenn mit den Dienern ganz kurz Deutsch gesprochen wird, ist das ein schreckliches Kauderwelsch. Was das Ungarische betrifft, auch ein bisschen Dienersprache, kann man es natürlich nicht beurteilen.
Zwei Männer und drei Frauen reden (was es mit einem offenbar schwerkranken Mann auf sich hat, den man gelegentlich zu sehen bekommt, weiß man nicht). Die erste Stunde des Films lang, der in sechs „Kapitel“ geteilt ist, die die Namen der Protagonisten ragen, stehen sie alle herum. Unbeweglich auch die Kamera. Sie spulen ihren Text herunter (anfangs geht es um die Frage, ob Soldaten heute – damals 1900 – noch von irgendeinem Idealismus geleitet würden), fast bewegungslos. Wäre es ein Theaterstück, so fragte man sich, ob dem Regisseur nichts eingefallen ist. In diesem Fall ist ziemlich klar, dass es Cristi Puiu um „Stil“ ging, man produziert schließlich Arthouse.
Allerdings hat er sich einiges von den Inszenierungen von Alvis Hermanis abgeschaut, wie man es auch mehrfach am Burgtheater gesehen hat – verschachtelte Räume bieten immer wieder rudimentäre Blicke in andere Zimmer, wo unaufhörlich die Bediensteten stumm und eifrig tätig sind. Aber besonderes Interesse für die untersten Stände – nein, das ist es nicht. Man sieht die Herrschaften so gut wie nuandeutungsweise.
Auch wenn ein Kapitel „Istvan“ heißt, nach dem ungarischen Diener, gerät das Personal nicht wirklich ins Zentrum. Man sieht nur, dass sie nach einem Essen (wo die Darsteller auch strikt mit dem Rücken zur Kamera saßen und nur zu hören, aber kaum zu sehen waren) den Tisch abräumen, wie sie (das ist eklig) die Reste in den Trinkgläsern in einen Krug gießen, wie Istvan später einen Diener zwingt, ein Glas (mit diesen Resten?) auszutrinken… Ja, stimmt schon, der Regisseur hat empfohlen, man mögc sich seinen Film mehrfach ansehen, um ihn wirklich zu begreifen, aber sich diese dreieinviertel Stunden zwecks tieferer Erkenntnis noch und noch einmal zu Gemüte zu führen – das würde an Masochismus grenzen.
Es bleibt bei den Gesprächen, wobei die einzelnen Personen, wie gesagt, weder Persönlichkeit noch irgendeine Art von Anteilnahme spüren lassen- Und man ist (auch wenn man die Untertitel zu Hilfe nimmt) nicht unbedingt sicher, worum es geht. Gewiß, die begeisterte Kritik versichert, mit den philosophischen Überlegungen, die darstellerisch steif herunter gebetet werden, erreiche man auch die Probleme unserer Zeit – wirklich?
Jeder Zuseher muss hier für sich selbst die Antwort über den Wert von Inhalt, Stil und Wert des Gezeigten finden.
Renate Wagner